„Dinge, die man nicht kaufen kann: Charakter,
Manieren, Respekt, Geduld, Vertrauen, Moral,
Liebe, Freundschaft.“
Siebtes Kapitel
Vertrauen ist die Basis von allem
Vertrauen ist nicht alles, aber ohne Vertrauen ist alles nichts
Das ist überzogen formuliert? Manche meinen das, weil sie denken: „Wichtiger für Erfolg im Leben und im Beruf sind doch wohl Kompetenz, Erfahrung und Durchsetzungskraft!“ Was meinen Sie?
Tatsächlich wird die Bedeutung von Vertrauen chronisch unterschätzt – meist von Toxic Leaders. Wie wichtig dieser Wert jedoch für jeglichen Erfolg ist, sieht man oft erst, wenn das Vertrauen weg ist.
Ein Beispiel, das nationale negative Popularität erlangte: Das Bundesliga-Fußball-Team von Mönchengladbach war in der Saison 2020/21 sensationell unterwegs, zählte zeitweilig zu den Top3 der Liga – bis der Trainer mitten in der Rückrunde durchsickern ließ, dass er in der nächsten Saison bei einem Konkurrenten anheuern wird.
Die nächsten sieben Spiele verlor sein Team in geradezu absurder Weise. Warum haben das die oben aufgezählten vorgeblich prioritären Erfolgsfaktoren nicht verhindert?
- Die Kompetenz von Spielern und Trainer war noch dieselbe
- Die Erfahrung von beiden war die gleiche
- Der Trainer hatte noch immer dieselbe Durchsetzungsfähigkeit: Er konnte spielen lassen oder auf die Bank setzen, wen er wollte.
Und doch verlor sein Team sogar gegen Abstiegskandidaten. Warum? Weil das Vertrauen zer- oder schwer gestört war.
Oder wie es ein Spieler, natürlich anonym, ausdrückte: „Wenn der Trainer gut ist, gehst du für ihn die Extrameile. Wenn er selber geht, machst du das nicht.“
Das gilt nur für den Fußball?
Wer meint das?
Natürlich. Der Toxic Leader. Er bestreitet vehement die Bedeutung und Wirkung von Vertrauen auf Produktivität, Motivation und Effizienz. Er ahnt es, aber will es nicht wahrhaben:
Vertrauen ist der Basis-Produktionsfaktor. Der zentrale Wert, der alles antreibt.
Das wird an vielen Stellen im Berufsleben deutlich; jedoch besonders markant im Projektmanagement; ein Beispiel:
- Das Projekt „Einführung des neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 17“ steht auf der Kippe (IFRS steht für International Financial Reporting Standard)
- Der Vorstand appelliert an Teamleiter und Team: „Wenn ihr die Extrameile geht, habt ihr was gut bei mir!“
- Das Team geht die Extrameile…
- …und vermisst in der Folgezeit, was der Vorstand versprach
- Schon im nächsten Projekt nehmen Engagement, Commitment, Motivation, Effizienz und Produktivität deutlich ab.
… und das zu Recht – wie das Team meint, weil es dem aus Sicht des Teams wortbrüchigen Vorstand nicht mehr voll und ganz vertraut.
Warum stellt dieser dann das Vertrauen nicht schleunigst wieder her?
Weil er nicht herstellen kann, was er nicht (an)erkennt: „Ach was, das neue Projekt ist einfach viel komplexer, und aus diesem Grund ist die Produktivität so schwach – aus keinem anderen.“
Man kann nicht managen, was man nicht sehen kann/will.
Oder wie John Heywood schon 1546 sagte: „There are none so blind as those who will not see.” Am blindesten ist immer noch, wer nicht sehen will.
Wenn wir dagegen die Augen aufmachen und erkennen, wie grundlegend Vertrauen ist, sollten wir uns wohl alle stärker um ein tragfähiges Vertrauen bemühen, sofern wir vorher eine Frage klären: Was verstehen wir unter „Vertrauen“?
Was ist Vertrauen überhaupt?
Um es kurz zu machen: Vertrauen ist gemeinhin die subjektive Überzeugung von der Redlichkeit einer anderen Person.
Wem man vertraut, dem glaubt man, dass er sich so verhält wie er es ausgedrückt hat und dass er es mehr oder weniger ehrlich mit einem meint.
Und das soll in der heutigen Arbeitswelt noch gelten, wo überall auch viel getrickst, geschummelt, manipuliert und schöngeredet wird?
Natürlich.
Auch deshalb wirkt Vertrauen wie ein Turbolader auf Erfolg: Weil dieser grundlegende Wert heutzutage so selten geworden ist. In vielen Unternehmen herrscht geradezu der Anti-Wert, das blanke Gegenteil: die viel zitierte toxische Misstrauenskultur.
Vertrauenswürdig führen können und wollen nicht alle. Es sind jene wenigen, die in der Konsequenz mit überdurchschnittlichem Erfolg belohnt werden. Für sie und ihre Mitarbeiter ist Vertrauen der zentrale Wert der Zusammenarbeit.
Warum?
Vertrauen ist die Essenz der Zusammenarbeit
Die beste Antwort auf die Warum-Frage erhalten wir, indem wir den Spieß umdrehen: Wenn ein Mitarbeiter seinem Vorgesetzten und den Kollegen nicht mehr oder nur eingeschränkt vertrauen kann, dann
- ist er ständig auf der Hut
- kontrolliert er anderen hinterher und sichert sich selbst ab in Minuten und Stunden, in denen er lieber produktiv arbeiten sollte
- regiert das gegenseitige Misstrauen
- entsteht in großem Umfang Ineffizienz
- wird die Zusammenarbeit stressig, kraftraubend und anstrengend
- entsteht nie ein Wir-Gefühl, ein gemeinsamer Teamgeist.
Das alles ersparen wir uns, wenn wir uns aktiv und nachhaltig um gegenseitiges Vertrauen bemühen. Warum wirkt Vertrauen so stark?
Der Coke-Effekt
Nein, damit ist nicht das Pulver gemeint, sondern die Brause (Sie dürfen auch Pepsi nehmen). Wenn eine Marke dank Qualität, Liefertreue und Marketing ein starkes Vertrauen genießt – das auf Erfahrung durch den früheren Genuss des Getränks beruht – baut dieses Vertrauen beim Kunden Unsicherheit ab: weniger Pre- und Post-Decision Dissonance.
Wenn ein Kunde auf Basis dieses Vertrauens in die Marke zur Flasche greift, muss er sich nicht lange – wie bei unbekannten oder nicht vertrauenswürden Limos – fragen: Schmeckt mir das? Taugt das was? Ist da drin, was draufsteht? Stimmt das Preis/Leistungsverhältnis? Nein, Vertrauen macht alles viel einfacher: Deckel ab, ansetzen, trinken.
Bei der Limo und zum Beispiel auch bei der Franchise-Systemgastronomie wie auch beim „Stammlokal“ und beim „Hoflieferanten“ reduziert Vertrauen etwaiges Misstrauen und einige Sekunden bis Minuten Entscheidungsfindung je Transaktion. Und wenn das schon bei so banalen Alltagsdingen einen so starken Effekt hat, können wir diesen Effekt hochrechnen auf Beruf und Management, wo er bedeutende Ausmaße annimmt: Ist das Vertrauen futsch, arbeiten die Leute nur noch „mit angezogener Handbremse“, im penetranten Absicherungs- und Kontrollmodus und damit ineffizient, weil ständige Kontrolle und Cover Your Ass-Manöver viel Zeit und Energie fressen.
Vertrauen senkt die Kontroll- und Friktionskosten des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit. Denken wir uns nur einmal das Gegenteil: Angenommen, Sie arbeiten mit Leuten zusammen, denen Sie nicht vertrauen!
Viele von uns müssen das leider. Sie sehen und erleben täglich, wie um sie herum geschummelt, verschwiegen, getrickst und oft genug intrigiert wird: kein angenehmes Arbeiten. Und ganz selbstverständlich sichern wir uns in so einem Arbeitsklima sorgfältig ab – anstatt uns voll und ganz unserer eigentlichen Arbeit zu widmen. Woher kommt das Misstrauen im Berufsleben heutzutage?
Toxiker sind keine bösen Menschen
Menschen, die unser Vertrauen nicht verdienen oder es verspielt haben, sind nicht zwingend böse Menschen per se. Sie haben es schlicht nie anders gelernt. Schon als Kind bekamen sie nur das, was sie brauchten, indem sie ihre Umwelt manipulierten, ihre Taten schönredeten und sich nicht an Versprochenes hielten. Seither gehen sie misstrauisch und tricksend durchs Leben. Sie kennen es nicht anders. Sie können es nicht anders. Das soll keine Entschuldigung sein.
Lediglich eine Erklärung. Eine Entschuldigung kann es nicht sein, weil jeder Mensch spätestens ab 18 Jahren für sich selber verantwortlich ist und deshalb auch Verantwortung für seine Werte und sein Verhalten übernehmen könnte, sollte, müsste. Manche tun es: Sustainable Leaders. Auch von ihnen wuchsen etliche in einer Misstrauenskultur auf. Doch irgendwann erkannten sie, dass, wenn Misstrauen Familien und die Psyche von Kindern schädigt, das auch für die Arbeit, für Teams und den beruflichen Erfolg gilt. Warum erkennen das nicht alle Menschen längst?
Weil – so verrückt das klingt – Tricksen belohnt wird. Kurzfristig. „Weil jeden Tag ein Dummer aufsteht“, wie das etwas krasse Sprichwort sagt. It takes two to tango: Tricksen funktioniert nur dann, wenn sich Menschen austricksen lassen. Und davon gibt es täglich genug. Worauf tippen Sie?
Welche Menschen lassen sich am leichtesten hinters Licht führen? Welche sind am vertrauensseligsten?
Die meisten tippen spontan auf Menschen mit schwacher Intelligenz (wie das Sprichwort unterstellt). Die Universität Oxford dagegen fand in einer Studie heraus, dass es genau umgekehrt ist:
Je höher der IQ, desto vertrauensseliger sind Menschen.
Das ist keine Absage an Intelligenz. Das heißt lediglich: Intelligenz schützt nicht vor Trickserei. Es erklärt aber auch, warum gerade in einigen Unternehmen, in denen die Klügsten der Klugen versammelt sind, oft aufs heftigste intrigiert und manipuliert wird – und kaum jemand etwas dagegen unternimmt: zu viel versammelte Intelligenz.
Vertrauen ist Effizienzfaktor
Vertrauen minimiert Komplexität, was wiederum die Effizienz steigert. Man muss nicht bei jeder Transaktion erst lange recherchieren, testen, prüfen und kontrollieren, ob es das Gegenüber ehrlich mit einem meint, wenn man weiß: Ich kann ihm vertrauen.
Vertrauen schafft Sicherheit. Rein theoretisch.
Rein praktisch ist in Wirtschaft und Unternehmen die Realität häufiger als gedacht eine andere. Es gibt immer noch zu viele Machtspiele, Konkurrenzdenken, Mobbing, gebrochene Versprechen, Intrigen, Character Assassination, Klatsch & Tratsch, Abwertung, geringe Wertschätzung, Respektlosigkeit, Anfeindungen, Inkonsequenz und fehlende Verantwortungsübernahme. Das ist doch ganz normal?
Ja, das meinen und sagen viele, wobei sie „häufig“ mit „normal“ verwechseln. In echten Spitzenteams läuft das anders. Ein Beispiel.
Unternehmen A digitalisiert. Die IT-Abteilung möchte viele Arbeitsvorgänge digital gestalten. Die Fachabteilungen sagen: „Okay, spielt die neue Software auf, schult unsere Leute und lasst uns das asap einführen!“ Binnen weniger Monate sind die angepeilten Arbeitsprozesse digitalisiert. Was ist in diesen Monaten in Unternehmen B passiert?
„Die Fachabteilungen prüfen noch das Konzept der IT“, sagt die Geschäftsführerin nach mehreren Monaten. Weil die Fachabteilungen so viel von Digitalisierung verstehen?
Nein, weil die IT in der Vergangenheit bei vielen Projekten die Nutzersicht vernachlässigte. Also sind die Fachabteilungen misstrauisch. Und während sie noch misstrauisch prüfen, hat Unternehmen A bereits digitalisiert. Warum so schnell?
Weil dort jede Fachabteilung weiß: „Wenn die IT etwas ausrollt, können wir sicher sein, dass das auch User-freundlich und auf die Bedürfnisse unserer Abteilung abgestimmt ist. Sie involvieren uns von Beginn an und haben viel Zeit darauf verwendet, uns am Projekt zu beteiligen.“ Vertrauen eben.
Deshalb ist Vertrauen so wichtig: Es spart eine Menge Arbeit, Aufwand, Energie und Kosten. Werden diese ...