Kursbuch 207
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Kursbuch 207

Falsch wÀhlen

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Kursbuch 207

Falsch wÀhlen

About this book

Was ist richtig? Was ist falsch? Richtig sind die Dinge dann, wenn der Anschluss unproblematisch ist, sagt Herausgeber Armin Nassehi. Über die Ampel also nur bei GrĂŒn. Wer sich falsch entscheidet, weicht hingegen vom erwartbar Richtigen ab, es entsteht ein Problem. Über die Ampel nie bei Rot. Das Kursbuch begibt sich abenteuerlustig auf die FĂ€hrten des falschen WĂ€hlens. Denn moderne Gesellschaften bieten ungezĂ€hlte Gelegenheiten, in die Falle des WidersprĂŒchlichen und Paradoxen zu tappen. So zeigt die Psychologin Johanna Degen, wie Online-Datingdienste zuerst die Sucht der Menschen nach Beziehungen perfekt orchestrieren und dann lĂ€cherliche Konsumschafe zurĂŒcklassen. Falsch wĂ€hlen als Sucht. Die Historikerin Hedwig Richter wiederum analysiert den SĂŒndenfall amerikanischer Politik im 19. Jahrhundert, das Individuum vom Politischen und damit radikale SubjektivitĂ€t von zentralstaatlicher ReprĂ€sentanz fernzuhalten. Falsch wĂ€hlen als Demokratieverachtung. Der Konsumforscher Ernst Mohr erlĂ€utert im Interview, wie es der postmoderne Konsum unmöglich macht, ĂŒberhaupt noch falsch zu wĂ€hlen. In der Kuratierung von Unterschieden liege das GlĂŒck, immer auf der richtigen Seite zu stehen. Die Soziologin Jutta Allmendinger und ihr Kollege Robert Dorschel gehen schließlich der Frage nach, warum Frauen so wenig Wahl haben, wenn sie wĂ€hlen mĂŒssen. Der Infografiker Jan Schwochow zeigt, wie leicht manipulierbar politische Wahlergebnisse sind. Und Paul Watzlawicks Klassiker, warum die Lösung auch das Problem sein kann, ist sowieso ein Evergreen an luzider Erkenntnis. Hier in der erstbearbeiteten Fassung (1994) des Herausgebers Peter Felixberger. Wissenschaftler, Politiker und Kulturschaffende gehen in kleinen Intermezzi dieses Mal der Frage nach, wann sie in ihrem Leben so richtig falsch gewĂ€hlt haben. Von Georg von Wallwitz bis Sibylle Anderl, von RĂŒdiger Fox bis Serap GĂŒhler. In der Spotreportage hat Heike Littger Menschen besucht, die krasse Lebensentscheidungen gewĂ€hlt haben. Und FLXX sagt vorab den Ausgang der Bundestagswahl voraus. Kein Wunder also: Nur der Kauf dieses Kursbuch garantiert, die richtige Wahl getroffen zu haben. Ansonsten kann man sich nur verwĂ€hlen.

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Hedwig Richter
Wild wÀhlen
Zur Geschichte konkurrierender Deutungen von Wahlen in den USA
Die Frage, ob eine Wahl »falsch« sei, hĂ€ngt wesentlich davon ab, mit welcher Funktion die Stimmabgabe verbunden wird. Zu den gerne ĂŒbersehenen Funktionen gehört neben der Partizipation und Selbstbestimmung auch die Disziplinierung der Bevölkerung. TatsĂ€chlich lĂ€sst sich die schillernde Doppeldeutigkeit von Freiheit und Disziplinierung finden, seit es Wahlen mit einem Anspruch auf »Allgemeinheit« gibt, also etwa seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Denn das Recht auf Selbstherrschaft dient nicht zuletzt der fĂŒr den modernen Staat immer wichtiger werdenden Inklusion der Bevölkerung in das Staatsgeschehen und in die Politik. So wirkt etwa die Erfassung der Wahlberechtigten (zunĂ€chst in aller Regel der besitzenden weißen MĂ€nner), ihre ZĂ€hlung, aber auch der Akt des WĂ€hlens wie eine EinĂŒbung moderner Herrschaftstechniken. Doch allein das Recht auf Partizipation und die Idee der Selbstherrschaft trugen wesentlich zur Inklusion der Bevölkerung in den Staat bei. »Ein schwachsinniger Despot kann Sklaven mit eisernen Ketten zwingen; ein wahrer Politiker jedoch bindet sie viel fester durch die Kette ihrer eigenen Ideen«, schrieb der französische AufklĂ€rer Joseph Michel Antoine Servan im Jahr 1767. Dieses Band sei umso stĂ€rker, als die Menschen es fĂŒr ihr »eigenes Werk« hielten.1 Hier wird ein gewichtiger Teil des Nationsbildungsprozesses und der Entstehung moderner Herrschaftslegitimation deutlich. Der disziplinierende Effekt zeigte sich nicht zuletzt an der eher skeptischen Haltung der Bevölkerung, an der niedrigen Wahlbeteiligung von hĂ€ufig unter 50 oder gar 30 Prozent in vielen LĂ€ndern – und an der Wahlpflicht, die einige Regierungen installierten.
Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts dehnte sich das Stimmrecht im nordatlantischen Raum weiter aus und seine »Allgemeinheit« oder »UniversalitĂ€t« umfasste immer mehr MĂ€nner. Diese schrieben den Wahlen neue Funktionen zu. Mit ihnen gewann die Idee von Wahlen als Ausdruck des eigenen politischen Willens zunehmend an Bedeutung. Die Abstimmungen wurden kompetitiver – bei aller nationalen und regionalen Vielfalt. Dass beispielsweise einflussreiche Familien innerhalb des Klans WahlĂ€mter regelrecht vererbten, ein PhĂ€nomen, das sich von Neuengland bis nach Hamburg zog, wurde seltener.2 Weitere Funktionen traten in den Vordergrund. Der Stimmenkauf spielte in einigen LĂ€ndern eine wachsende Rolle. Er war kein unbekanntes PhĂ€nomen, doch nun blĂŒhte die Korruption in einem ganz neuen Umfang auf und signalisierte ebenso wie eine steigende Wahlbeteiligung das wachsende Interesse der Akteure am Wahlgeschehen. Die Frage, wer »richtig« und wer »falsch« wĂ€hlte, wurde intensiv ausgefochten. Doch die disziplinierende Funktion von Wahlen blieb bestehen.
Dabei ging es auch um eine der zentralen Fragen moderner Herrschaft: Gelingt es der Zentralmacht, ihren Anspruch gegen regionale und lokale KrĂ€fte durchzusetzen? Wahlen als Ausdruck von nationaler Einheit – diese Funktion, die sich in der Französischen Revolution und dann in anderen europĂ€ischen LĂ€ndern etwa wĂ€hrend der revolutionĂ€ren Wahlen von 1848 zeigte, wurde immer wichtiger, blieb aber umstritten. Beispielhaft und in besonderer SchĂ€rfe zeigte sich dieser Konflikt in den USA. Dort lag die juristische Kompetenz in Fragen des Wahlrechts eigentlich bei den Einzelstaaten. Doch einige Jahre nach dem BĂŒrgerkrieg (1861–1865) versuchte die föderale Regierung in Washington, nicht zuletzt ĂŒber VerfassungszusĂ€tze, die rechtsstaatlichen Garantien fĂŒr alle BĂŒrger von oben durchzusetzen. Die Durchsetzung der modernen Zentralmacht ging in Amerika hĂ€ufig mit der Durchsetzung rechtsstaatlicher Standards einher – oder misslang.
Das amerikanische weiße Wahlvolk ließ sich nicht disziplinieren, und die regionalen und lokalen Gewalten wehrten erfolgreich die zentralstaatlichen BemĂŒhungen ab. Die UnterdrĂŒckung rechtsstaatlicher Normen wurde dadurch in gewisser Weise Bestandteil der amerikanischen Demokratie. Das ist auch aus heutiger Sicht interessant: Die aktuellen Bestrebungen der Republican Party, auf Ebene der Einzelstaaten Wahlregulierungen durchzusetzen, die ziemlich ungeniert der UnterdrĂŒckung von black votes dienen, können damit in die höchst ambivalente Demokratiegeschichte der USA eingeordnet und besser analysiert werden. Die dunklen Seiten der Demokratie werden deutlich, die FragwĂŒrdigkeit von Demokratisierungsprozessen und auch die FragilitĂ€t von Demokratie.
In diesem Essay sollen zunĂ€chst die US-Wahlen in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor dem BĂŒrgerkrieg dargestellt werden, um den Kontext und die partizipativen Traditionen zu analysieren. In einem zweiten Teil werden die Versuche der nationalen Zentralgewalt dargestellt, nach dem BĂŒrgerkrieg rechtsstaatliche und inklusive Funktionen von Wahlen durchzusetzen.
Wahlen als Spektakel des MĂ€nnervolkes
Der Historiker Richard Bensel beschreibt das Wahllokal in der Mitte des 19. Jahrhunderts als »the least democratic site in all of American politics«.3 Korruption, Gewalt und extrem maskuline, rassistische Imaginationen von Demokratie beherrschten die Szenerie. Wer wahlberechtigt war, wurde oft vor Ort ausgehandelt, denn in vielen US-Staaten war die BĂŒrokratie nicht in der Lage, eine korrekte Wahlregistratur aufzustellen. Die Stimmabgabe wurde in den USA zum Spektakel und dauerte oft zwei bis drei Tage. Als Wahllokal dienten das Rathaus, die Kirche, das Feuerwehrhaus, ein Kaufladen und immer hĂ€ufiger eine Kneipe. Vor dem Wahllokal drĂ€ngten Parteimitglieder den WĂ€hlern die von den Parteien gedruckten Stimmzettel auf. Es herrschte ein wildes Treiben. Die wĂ€hlenden MĂ€nner blieben vor dem Wahllokal und ĂŒbergaben durch das »Wahlfenster« hindurch dem im Haus stehenden Wahlleiter den Stimmzettel, der ihn in die Urne warf. Das Arrangement mit einem Fenster oder einer Barriere war nötig, um die Wahlurne vor den andrĂ€ngenden MĂ€nnern zu schĂŒtzen. Oft gelang das nicht und die Wahlurne wurde »hijacked«, wie es in den Quellen heißt. Wer sich in der Menge vor dem Wahllokal durchsetzen konnte, wer selbst seine Stimme abgeben oder andere am WĂ€hlen hindern konnte, hing wesentlich davon ab, welche Partei die physisch stĂ€rkeren MĂ€nner am Wahlort stellte.
Viele der FĂ€lschungs- und Manipulationspraktiken waren damals auch in Europa gang und gĂ€be: das MehrfachwĂ€hlen, die Neujustierung von Wahlkreisen zum eigenen Vorteil oder die Ungleichbehandlung von WĂ€hlerstimmen, indem der Anteil an Wahlberechtigten, die einen Abgeordneten zu wĂ€hlen hatten, von der GrĂ¶ĂŸe her sehr stark schwankte. Korruption und Gewalt gab es auch in anderen LĂ€ndern. Doch all das erreichte in den USA ein Ausmaß, das vermutlich in Europa nur schwer denkbar gewesen wĂ€re. Bei Wahlen kam es manchmal zu rege...

Table of contents

  1. Armin Nassehi | Editorial
  2. Sibylle Anderl | Viele Welten auf einmal
  3. Jan Schwochow | Eine Quelle, zwei Grafiken
  4. Ernst Mohr | Yes to this, No to that! Ein GesprÀch mit Peter Felixberger und Armin Nasseh
  5. Serap GĂŒler | Zu spĂ€t wĂ€hlen
  6. Paul Watzlawick | Wenn die Lösung das Problem ist
  7. Georg von Wallwitz | Der Idee sein Volk
  8. Johanna L. Degen | > 500 Entscheidungen am Tag. Online-Dating zwischen transzendentaler Hoffnung, programmatischer EnttÀuschung und bedingter Verbindlichkeit
  9. Jutta Allmendinger, Robert Dorschel | Der Raum des Möglichen. Haben Frauen die Wahl?
  10. Jan Myszkowski | Platzwahl
  11. Armin Nassehi | Lob des Falschen. Eine Apologie der Abweichung
  12. Hubertus Kohle | Richtig Kohle
  13. Hedwig Richter | Wild wÀhlen. Zur Geschichte konkurrierender Deutungen von Wahlen in den USA
  14. Georg Essen | Strauß gewĂ€hlt!
  15. RĂŒdiger Fox | Sag: Nie!
  16. Heike Littger | Lagerfeuer. Mitten durch die PrÀrie
  17. FLXX | Schlussleuchten von und mit Peter Felixberger
  18. Die Autoren und Autorinnen
  19. Impressum