Praxis
7 Prinzipien der Mitarbeiterführung
7.1 Führungsprinzipien
Umgangssprachlich wird der Begriff Prinzipien sowohl positiv (»seinen Prinzipien treu bleiben«) als auch negativ (»so ein Prinzipienreiter«) verwendet. Letztlich geht es in beiden Fällen lediglich um die Bewertung von Verhalten, nicht aber um Prinzipien an sich. Unter Prinzipien sind Grundsätze zu verstehen, die zeitlos gültig sind und sich nicht am Zeitgeist oder gesellschaftlichen Strömungen orientieren. Doch was haben Prinzipien mit wirksamer Führung zu tun und warum ist es für Leitungskräfte wichtig, ihr eigenes Führungsverhalten entlang von Führungsprinzipien zu entwickeln?
Führungsprinzipien sind Verträge mit sich selbst
Führungsprinzipien haben die Funktion von Fixpunkten, an denen sich das eigene Führungsverhalten ausrichtet. Sie wirken wie Verträge, die man mit sich selbst schließt. Im oftmals hektischen Führungsalltag ist es hilfreich, sich auf sie zu besinnen – insbesondere in schwierigen Situationen. Aber auch den alltäglichen Umgang mit Mitarbeitenden, Kolleg*innen, Vorgesetzten und Patient*innen durchziehen Führungsprinzipien wie rote Fäden. Je besser es Ärztlichen Leitungskräften gelingt, ihre Führungsprinzipien in ihrem Verhalten auszudrücken, umso verlässlicher, berechenbarer und souveräner werden sie von ihrem gesamten beruflichen Umfeld wahrgenommen. Welche konkreten Führungsprinzipien gibt es und wie drücken sie sich im Verhalten Ärztlicher Leitungskräfte aus?
7.1.1 Das Führungsprinzip »Vorbild«
Vorbild in Haltung und Pflichterfüllung – hinter diesem preußisch klingenden Führungsprinzip verbirgt sich der wichtigste Anspruch, den Leitungskräfte an sich stellen sollten. Das Führungsprinzip basiert auf der Theorie des sogenannten »Lernen am Modell«, die der Psychologe Albert Bandura in den 1950/60er-Jahren entwickelte. Seine Lerntheorie besagt, dass Menschen von Vorbildern lernen und deren Verhalten unbewusst nachahmen, wenn es zu einem vom Lernenden gewünschten Effekt führt. Dabei ist es völlig unerheblich, ob sich das Vorbild positiv oder negativ verhält.
Führungskräfte stehen auf einem Podest
Leitungskräfte werden im Moment ihrer Beförderung zu Vorbildern für ihre Mitarbeitenden. Sie stehen von nun an auf einem Podest und damit unter ständiger Beobachtung. Ihr berufliches Umfeld registriert sehr genau, wie sie ihre Führungsrolle ausgestalten. Dabei geht es in erster Linie nicht
um fachliche Kompetenz. Im Fokus der Umwelt stehen vielmehr Werte und Standards sowie die gesteckten Ziele und mit welcher Mission, Vision und Strategie sie erreicht werden sollen (
Kap. 5). Aber auch das alltägliche Verhalten der/des Vorgesetzten steht unter Beobachtung: Werden Termine eingehalten? Setzt er oder sie die Hygienevorschriften konsequent um? Erscheint er oder sie pünktlich zu den Visitenzeiten? Das gesamte Verhalten der Führungskraft wird nun aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.
Insbesondere Leitungskräfte, die aus den eigenen Reihen befördert wurden oder zum ersten Mal Führungsverantwortung übernehmen, werden sehr kritisch beäugt. Das ist ein natürlicher Effekt, der aber sehr oft unterschätzt und nicht bedacht wird. Die ehemaligen Kolleg*innen schauen sehr genau, wie sich der/die »Aufsteiger*in« in der neuen Führungsrolle verhält und ob er/sie ihr überhaupt gerecht wird.
Mitarbeitende kopieren das Verhalten der Vorgesetzten
Mitarbeitende beobachten das Verhalten ihrer Vorgesetzten nicht nur, sie lernen auch davon und kopieren es. In der Praxis lassen sich dafür viele Beispiele finden: Kommen Chef oder Chefin häufig unpünktlich in den OP oder zur Besprechung, erscheinen bald auch die ersten Mitarbeitenden nicht mehr rechtzeitig. Hält sich die Leitungskraft nicht immer strikt an die Hygienevorschriften, wird auch das Team nachlässiger.
Das eigene Führungsverhalten reflektieren
Daher lautet die wichtigste Frage, die sich Leitungskräfte immer dann stellen sollten, wenn es Schwierigkeiten, Widerstände oder Konflikte gibt: Wie verhalte ich mich? Bin ich Teil der Lösung oder Teil des Problems? Das eigene Verhalten zu reflektieren und zu hinterfragen ist eine der wichtigsten Aufgaben wirksamer Führung. Sie führt oft zu sehr einfachen sowie verblüffenden Antworten und Lösungen.
Die Umsetzung des Führungsprinzips »Vorbild in Haltung und Pflichterfüllung« bedarf übrigens keiner aufwendigen Erklärung. Vielmehr wird das Verhalten, das von den Mitarbeitenden (ebenso wie vom gesamten beruflichen Umfeld) erwartet und gewünscht wird, einfach vorgelebt.
7.1.2 Das Führungsprinzip »Verteilungsgerechtigkeit«
Das Führungsprinzip der Verteilungsgerechtigkeit bezieht sich auf zwei Aspekte:
Menge und Qualität der Arbeit gerecht verteilen
1. Die Qualität und Menge der zu erledigenden Arbeit wird auf alle Mitarbeitenden im Verantwortungsbereich gleichmäßig verteilt. Das heißt, auch unbeliebte Aufgaben werden von allen im Team übernommen. Besonders qualifizierte Mitarbeitende erhalten keine Sonderbehandlung und werden nicht von der Erledigung unangenehmer Arbeiten befreit. Außerdem achten Leitungskräfte genau darauf, dass kein Ungleichgewicht hinsichtlich der Menge der zu bearbeitenden Tätigkeit entsteht. Sobald sie hinsichtlich der Arbeitsqualität oder -menge Veränderungen bemerken, die die Verteilungsgerechtigkeit gefährden, greifen sie ein.
Präsenz und Aufmerksamkeit gerecht verteilen
2. Die Präsenz und die Aufmerksamkeit der Leitungskraft wird auf alle Mitarbeitenden im Verantwortungsbereich gerecht verteilt. Leitungskräfte achten sehr genau darauf, dass ihr Augenmerk und ihre Zeit für persönliche Gespräche, die sie den verschiedenen Mitarbeitenden widmen, den gleichen Umfang haben. Dabei gilt es, vorhandenen persönlichen Sympathien bzw. Antipathien nicht nachzugeben, sondern alle Teammitglieder konsequent gleich zu behandeln.
Sympathie und Antipathie im Führungsverhalten ausblenden
Insbesondere für Leitungskräfte, deren Führungsspanne und Teams sehr groß sind, ist die Einhaltung der Verteilungsgerechtigkeit nicht immer einfach. Ohne es zu bemerken oder auch es zu wollen, wenden sie sich im hektischen Klinikalltag immer denselben, ihnen sympathischen Mitarbeitenden oder den Mitgliedern derselben Clique zu und tauschen sich sch...