Die Hebamme
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Die Hebamme

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About this book

Marta Kristine Andersdatter Nesje, die Ururgroßmutter des Autors, ging 1821 zu Fuß 600 km von der Westküste Norwegens nach Christiania, um Hebamme zu werden. Danach übte sie ihren Beruf fünfzig Jahre lang am Romsdalfjord aus und verfolgte beharrlich ihr Ziel, Frauen zu helfen - wobei sie lange gegen Misstrauen und Armut ankämpfen musste.Edvard Hoem lässt Marta Kristine mit enormer dichterischer Kraft hervortreten. Er erzählt feinfühlig von ihrer tiefen Liebe zu Hans, ihrem Lebensalltag mit elf Kindern und von den unzähligen Hebammenfahrten über den Fjord. Das Bild einer ganzen Epoche, einer Landschaft - und insbesondere des Hebammenberufs vor 200 Jahren - tritt atmosphärisch und detailgetreu hervor. Das Einfache dieses Lebens und die Zuversicht der Charaktere vermögen uns gerade heute besonders zu berühren.

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Information

Year
2021
Print ISBN
9783825152369
eBook ISBN
9783825162429

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DAS HAUS UNTER DEM BLAUHAMMER

SECHSTES KAPITEL

ERNEUTES RINGEN

1

DAS JAHR 1818 begann mit Schneeschauern und Winterstürmen – am Romsdalsfjord wie auch in anderen Teilen von Karl Johans norwegischem Reich. Der Schnee legte sich auf Wald und Häuser, und die Menschen mussten tiefe Gräben schaufeln, um sich zwischen den Hofgebäuden bewegen zu können und von Hof zu Hof zu gelangen. Die Menschen gingen mit Skiern und Schneeschuhen in die Wälder, um nach Schneehuhnfallen und Fuchseisen zu sehen und einen Hasen oder Hirsch zu erlegen. In der menschlichen Gemeinschaft gab es ständig Veränderungen. Manche wurden zu Grabe getragen, andere kamen auf die Welt. Mit der Geburtshilfe kam Marta Kristine nicht in Gang, denn ihr fehlte ein Attest darüber, dass sie Hebamme war. Doch nun war die Zeit reif. Sie hatte lange gewartet – nun sollte es endlich geschehen.
Im Kopierbuch des Vogtes von Romsdal steht unter dem Datum 18. Februar 1818, einige Frauen seien von ihm bestallt worden, im Amt die Tätigkeit der Hebamme auszuüben, und eine von ihnen, Marta Kristine Nesje, sollte einen Bezirk im Kirchspiel Veøy erhalten – von Vaagsæteren bis Horsgaard, von Sletfjerdingen bis Herje im Pfarrbezirk Rødven, außerdem die Insel Sekken im Kirchspiel Vold. Der Vogt schickte eine Mitteilung an alle Lensmänner, diese Bestallung auf den Kirchplätzen bekannt zu geben. Am 2. April desselben Jahres forderte der Vogt die eingesetzten Hebammen in einem Brief auf, einen schriftlichen Eid abzulegen.
Marta Kristine formulierte dieses Mal von eigener Hand den Treueeid, den der Vogt forderte. Sie hatte einen Bezirk bekommen, und der Bezirk hatte sie bekommen. Das hatte zur Folge, dass sie von nun an die Gegend ohne Zustimmung nicht mehr verlassen durfte. Sie musste zu Hause bleiben, falls eine Frau, die kurz vor der Geburt stand, nach ihr schickte. Und sie musste auch dann zu Hause bleiben, wenn niemand nach ihr schickte.
In diesem Frühjahr wurde sie zum dritten Mal schwanger. Die Trauer über das Kind, das sie im Jahr zuvor verloren hatte, war nicht verschwunden, aber nun musste sie vorwärtsschauen und sich um das Kind kümmern, das sie unter dem Herzen trug.

2

ES WAR ein Abend früh im Mai. Hans war nach Setnesmoen abgereist, wo er den Sommer über bleiben würde. Die Truppenübungen sollten bis Mitte Juni andauern. Ab dann sollte zwischen den Verantwortlichen des Trondhjemschen Regiments und den Besitzern des Exerzierplatzes in Setnes eine neue Vereinbarung gelten, in der die Rechte und Pflichten des Militärs spezifiziert wurden. Hans stand an der Spitze der einberufenen Soldaten, die auf dem Exerzierplatz zunächst die alten Baracken abrissen – verfallen, wie sie waren – und das Material verbrannten. Danach bauten sie neue Mannschaftsbaracken, eine neue Unteroffiziersbaracke, eine Wachstube mit Arrest, ein Küchengebäude und Latrinen.
Marta Kristine wollte beim Setzen der Kartoffeln auf dem Ola-Hof zur Hand gehen, denn als Instleute waren sie und Hans dazu verpflichtet, doch Ola, der bemerkt hatte, dass seine Schwägerin wieder schwanger war, bot ihr an, zu Hause zu bleiben und sich darauf vorzubereiten, dass ein neues Leben zur Welt käme. Sie tat, was er sagte, kümmerte sich um die Kleidung und strickte, fühlte sich jedoch abhängig und nutzlos. Kaum jemand schickte nach der Hebamme – in diesem Frühjahr geschah das nur zweimal, obgleich allein im Kirchspiel Veøy fünfundzwanzig Kinder geboren wurden. Sie hatte von der Obrigkeit zwar die Befugnis bekommen, aber die werdenden Mütter brauchten sie nicht – jedenfalls wollten sie für die Unterstützung bei der Geburt nicht bezahlen. Es gab auch nicht viele, die Bargeld hatten.
Obwohl sie also in ihr Amt eingesetzt worden war, kam sie nicht richtig in Gang. Am meisten beschäftigte sie der Gedanke, wie sie zu einem eigenen Dach über dem Kopf kommen konnten. Das Leben als Instleute auf dem Ola-Hof war nichts für sie – weder für sie selbst noch für Hans, und nun eröffnete sich ihnen ein neuer Ausweg.
An einem der schönen Maiabende sah Marta Kristine ihren Vater den Hang zum Ola-Hof heraufkommen, einen Ort, den er nicht besonders häufig aufsuchte. Er war noch keine fünfzig, aber etwas schwerfälliger in den Bewegungen, als sie es in Erinnerung hatte. Auf einmal blieb er stehen, drehte sich um und blickte über den Fjord. Es war offensichtlich, dass ihn irgendetwas beschäftigte. Sie freute sich, als sie ihn sah – abgesehen von Hans war es ihr Vater, der ihr von allen Menschen am nächsten stand.
Durch ihn bin ich so geworden, wie ich bin, dachte sie. Sie beobachtete, dass er nach dem Geländer griff, als er die steile Steintreppe heraufstieg, und nicht wie früher die Stufen hochsprang.
Er betrat das Altenteilerhaus. Sie begrüßten sich mit einem Kopfnicken, gaben sich aber nicht die Hand. Sie bot ihm einen Stuhl an, und er setzte sich – begleitet von einem Kommentar über das schöne Frühlingswetter, so, wie es Brauch war. Sie fragte sich, warum er gekommen war.
»Wie geht es dir, Vater?«
»Ich bin in Molde gewesen«, sagte er.
»In Molde?«
»Ja. Ich hab mit Steenbuch gesprochen.«
»Mit Steenbuch? Über was wolltest du mit ihm sprechen?«
Sie wusste, dass Steenbuch immer noch Hauptpastor in Bolsøy war und Besitzer des Pachthofes, den ihr Vater bewirtschaftete.
»Wir haben über vieles geredet, Steenbuch und ich.«
»Warst du dort, um die Pacht zu bezahlen?«
»Ja, das auch.«
»Dann ist wenigstens das für dieses Jahr erledigt!«
»Aber da war noch mehr«, erwiderte der Vater. Er nahm seine Mütze ab und legte sie auf den Boden. »Setz dich! Ich habe dir etwas zu sagen.«
»Ich höre ganz gut – ob ich nun sitze oder stehe«, entgegnete Marta Kristine und lachte. Dann setzte sie sich. »Nun sag schon, was dir auf der Seele brennt.«
»Blåhammaren. Ich bin gekommen, um mit dir über den Blauhammer zu sprechen«, sagte er.
»Über den Blauhammer?«
»Ich will einen Antrag stellen, dort am Berg ein Grundstück für einen Häuslerhof abzutrennen. Dann könntet ihr, Hans und du, dort vielleicht ein Haus bauen, wenn ihr wollt! Die Zeiten sind schlecht, aber mit Hans’ Lohn als Korporal und mit deinem Einkommen als Hebamme könnte es doch gehen?«
»Und darüber hast du mit Steenbuch gesprochen?«
»Ja. Er meinte, er willige ein, wenn Hans und du es wollten.«
»Dann musst du also noch einmal nach Molde!«
»Ja, das muss ich. Aber das ist ja nicht die Frage. Die Frage ist, ob ihr genug Geld habt, um ein Haus zu bauen.«
»Woher sollten wir das nehmen?«
»Ich weiß nicht.«
»Es gibt in diesem Land zurzeit kein Geld, das man sich leihen könnte.«
»Das weiß ich.«
»Aber trotzdem: Wie schön wäre es, wenn wir unser eigenes Heim bekämen! Dann wäre ich nicht mehr von der Gnade des Nesjekönigs abhängig!«
Das war das erste Mal, dass sie so von ihrem Schwager sprach; später benutzten auch andere diesen Spitznamen.
»Ich weiß, dass es nicht zu dir passt, als Instfrau zu leben.«
»Nein, ich gehe am liebsten in die Richtung, in die meine Nase zeigt«, sagte Marta Kristine, »und nicht dorthin, wohin jemand anderes zeigt. Ich glaube wahrhaftig, dass ich das von dir gelernt habe!«
Er ließ sich nicht beirren.
»Wenn ihr euch in der Lage seht, ein Haus zu bauen, wisst ihr nun, wo ein Grundstück zu finden ist.« Er erhob sich unvermittelt, als habe er es eilig.
»Ich muss mit Hans darüber sprechen.«
»Ja. Aber es ist nicht notwendig, dass du es anderen gegenüber erwähnst.«
»Nicht mit einem Wort.«
»Tja, dann will ich mal nach Hause und nach deiner Mutter sehen«, sagte er und war bereits auf dem Weg zur Tür.
»Armer, alter Vater! Muss von Hof zu Hof laufen, um Dinge für seine Tochter zu regeln!«
»Es geht schon. Nach Hause zu geht es den Berg runter.«
Sie hatte Lust, ihn zu umarmen, tat es aber nicht. Sie sagte nur: »Erinnerst du dich an die Zeit, als wir zusammen im Dorf umhergewandert sind?«
»Das war meine beste Zeit«, erwiderte der Schuhmacher. »Gesegneten Abend«, sagte er dann. Sie sah ihm nach, wie er fortging – ein bisschen älter als beim letzten Mal, aber doch immer derselbe.
Im Juni kam Hans für einen kurzen Urlaub nach Hause. Sie lief ihm entgegen, als er vom Bootshaus heraufkam.
»Wir können ein Haus bauen«, sagte sie.
»Was ist los?« Hans sah erschöpft aus.
»Wir können ein Grundstück am Blauhammer bekommen!«
»Von was redest du?«
Sie musste ihn ins Haus ziehen und ihm etwas zu essen machen, bevor sie ihm alles erzählen konnte. Er war nachdenklich, aber nicht ablehnend.
»Vielerorts am Fjord decken sie ihre Häuser jetzt mit Schiefer«, sagte er.
»Torf oder Schiefer – wir müssen bauen.«
»Ein Torfdach wird früher oder später undicht, und man hat viel Arbeit damit. Ein Schieferdach dagegen hält hundert Jahre oder länger.«
Sie wurde ungeduldig.
»Sollen wir Ja sagen oder nicht?«
»Aber natürlich ist es eine eigene Kunst, mit Schiefer zu decken.«
»Sollen wir mit Vater reden?«
»Kann das nicht bis morgen warten?«
»Ich laufe hinunter und sage ihm, dass du einverstanden bist!«
»Ja, tu das«, sagte er. »Ich muss erst einmal ankommen.« Er begann, seinen Ranzen auszupacken, zog die Uniform aus und seine Alltagskleider an.
Sie lief nach Flovikstrand. Gerne hätte sie Ingeborg gesehen, aber ihre Tochter war schon zu Bett gegangen.
Ihr Vater wollte zwei Tage später nach Molde reisen.
Drei Tage später, am Sonntag, kam Anders Knudsen wieder zum Ola-Hof hoch. Er war in Molde gewesen und hatte mit Steenbuch gesprochen. Alles wurde so geregelt, wie er es haben wollte. Hans und Marta Kristine konnten ein Grundstück am Blauhammer pachten und dort ein Haus bauen. Im Vertrag, den der Pastor formuliert hatte, stand, dass Hans die Möglichkeit haben sollte, gegen den üblichen Tageslohn Arbeiten für seinen Schwiegervater auszuführen, aber dieser Paragraf stand nur auf dem Papier, denn Hans sollte sein Geld woanders verdienen, vorrangig in Setnesmoen.
Das Leben als Häusler war nicht das, wovon Hans geträumt hatte – er, der sich einst ausgemalt hatte, sich mit der Zeit einen eigenen Hof kaufen zu können. Das Stückchen Erde, das Ande...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Vorwort
  4. Erster Teil: Die Hebamme
  5. Zweiter Teil: Das Haus unter dem Blauhammer
  6. Dritter Teil: Hebammen-Stina
  7. Nachwort
  8. Impressum
  9. Endnoten