Teil I
Für jede Idee das passende Schutzrecht
Kapitel 1
Gewerbliche Schutzrechte im Überblick
In diesem Kapitel erfahren Sie:
- Welche nicht-technischen gewerblichen Schutzrechte es gibt
- Welche technischen Schutzrechte es gibt
- Entscheidungshilfen für Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen
Der patentierte Champagner
Schon Herzog Carl Eugen trank bei Hof gern den Schaumwein aus der alten schwäbischen Champagner-Bratbirne. Auch auf Dorffesten war das ein beliebtes Getränk – bis die alte Bratbirnensorte zur Produktion des Schaumweins in Vergessenheit geriet.
Erst heute, mehr als 200 Jahre später, hat Jörg Geiger die Tradition neu belebt. Er begann wieder, Champagnerbirnen-Schaumwein zu produzieren. Doch so darf er seinen Wein heute nicht mehr nennen, weil der Name der Birne zu viel Ähnlichkeit mit dem französischen Champagner hat. Und für diesen wiederum ist „Champagner“ zur geschützten Herkunftsbezeichnung geworden.
Nach jahrelangem Rechtsstreit erlaubte ein Gericht dem Wiederentdecker des alten Schaumweins aber schließlich, den Namen „Champagner Bratbirne“ wenigstens auf der Rückseite der Flasche im Etikett aufzuführen.
„Jo, mei, der Chambagnr der Franzosa isch hald badendierd. Abr dr unsr schmeggd besser“,* trösten sich die Schwaben.
*Übersetzung für Nicht-Schwaben: Der Champagner der Franzosen ist halt patentiert. Aber unserer schmeckt besser.
Umgangssprachlich wird jedes gewerbliche Schutzrecht gerne als „Patent“ bezeichnet, selbst wenn es sich eigentlich nur um geschützte Herkunftsbezeichnungen oder Markennamen handelt. Letztere können zwar beim Patentamt eingetragen werden, jedoch keinesfalls als Patent, denn das Patent ist ausschließlich rein technischen Neuentwicklungen vorbehalten. Einen „patentierten Champagner“ – den gibt es also nur im Volksmund. Rein rechtlich ist der Schutz des Namens als Patent nicht möglich. Auch nicht in Frankreich.
Marke – Geschmacksmuster – Urheberrecht
Markenschutz kann sowohl für geschäftliche Bezeichnungen als auch für geographische Herkunftsangaben beantragt werden. Die Laufzeit ist unbegrenzt, solange die Verlängerungsgebühr in Höhe von derzeit 750 Euro alle zehn Jahre bezahlt wird.
Zu den wichtigsten weiteren nicht-technischen gewerblichen Schutzrechten gehören das Geschmacksmuster, das Namensrecht und Urheberrecht.
Geschmacksmuster-Schutz kann für ästhetische Formschöpfungen beantragt werden. Dieses „Design-Patent“ hat eine Laufzeit von maximal 25 Jahren. Vor der Eintragung erfolgt lediglich eine formale Prüfung des Designs, keine Bewertung der Neuheit oder künstlerischen Leistung.
Das Urheberrecht gilt nicht – wie von Laien vielfach vermutet – für jede gute Idee. Ausschließlich Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes. Zu diesen geschützten Werken gehören beispielsweise Sprachwerke, sowohl in schriftlicher als auch in mündlicher Form. Musikstücke, Tanzkunst, Bauwerke (inklusive Entwürfe solcher Werke!), Fotos und Filme, Zeichnungen, Pläne, Karten und plastische Darstellungen.
Übrigens: Auch Computerprogramme und sogar Tabellen genießen automatisch Urheberschutz – sie gelten als Sprachwerke.
Das Schöne am Urheberrecht aus Sicht des Urhebers ist, dass dieses Recht automatisch entsteht und nicht erst beantragt oder mit Gebühren erkauft werden muss.
Zur Kategorie der Gewerblichen Schutzrechte gehören drei Bereiche: Technische Schutzrechte, nichttechnische Schutzrechte und die sogenannten sonstigen Rechte.
Dieses Buch beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem wohl bekanntesten technischen Schutzrecht: Dem Patent.
Schutzrechte für
technische Erfindungen und Verfahren
Die rote Taube
Eines Tages hatte ein Taubenzüchter einen grandiosen Einfall, zumindest seiner Meinung nach. Er war ein großer Freund der seltenen roten Tauben – wenn diese Vögel nur nicht so klein wären. Nun kam er auf die Idee, eine besonders große Taube mit rotem Gefieder mit einer großen Taube einer anderen Rasse zu kreuzen, dann nach Farbe und Größe zu selektieren und erneut zu paaren. Dabei hatte er sich ganz genau überlegt, welche Taubenrassen in welcher Reihenfolge gekreuzt und rückgekreuzt werden sollten, damit am Ende eine besonders große rote Taube herauskommt. Vom Ergebnis seiner Kreuzung war der Züchter so begeistert, dass er beschloss, die Reihenfolge der Verpaarung zum Patent anzumelden. Ein Verfahrenspatent sollte es werden.
Verfahrenspatente sind grundsätzlich möglich. Die Prüfer des Patentamts zeigten sich in diesem Fall jedoch wenig beeindruckt von der roten Taube und verweigerten ein Patent auf das Züchtungsverfahren. Allerdings nicht etwa aus ethisch-moralischen oder tierschutzrechtlichen Gründen. Lebende Organismen und biologische Kräfte können durchaus patentierbar sein. Allein: Die Zuchtergebnisse des Verfahrens unseres Vogelzüchters wären trotz gleicher Vorgehensweise doch jedes Mal ein bisschen anders, monierten die Patentprüfer. Mal kämen größere, mal kleinere Tauben heraus, mal gesunde, mal kranke, mal dunklere, mal hellere, mal mit größerem Kropf, mal mit kleinerem Kropf. Kurz: Die „Erfindung“ ist nicht exakt wiederholbar.
Gegen den Beschluss des Patentamts zog der Taubenzüchter vor das Bundespatentgericht. Doch das Bundespatentgericht bestätigte die Entscheidung der Patentprüfer. Darüber war der Vogelliebhaber so erzürnt, dass er sich an den Bundesgerichtshof wandte. Doch der Patentsenat des Bundesgerichtshofs wies 1969 die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts ebenfalls zurück und legte dem Taubenzüchter auch noch die Kosten für das Gerichtsverfahren auf.
Vielleicht mag es ein kleiner Trost für den Züchter sein, der so große Ambitionen hatte: Seine rote Taube wurde tatsächlich zur kleinen Berühmtheit und ging in die Geschichte ein, allerdings nur in die Patentrechtsgeschichte. Denn obwohl die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mittlerweile uralt ist, gilt sie noch immer als richtungsweisend, wenn es um die Wiederholbarkeit einer Erfindung geht. „Denk an die ‚Rote Taube‘!“, heißt es mahnend in Fallbeispielen bei der Patentanwaltsausbildung. Obwohl längst wohl kaum noch einem jungen Patentanwalt die Story dahinter vertraut sein dürfte ...
Wobei man feststellen muss: Neben der Wiederholbarkeit mangelt es der Tauben-Erfindung eigentlich auch an einer anderen wichtigen Voraussetzung für die Patentierbarkeit: An der Erfindungshöhe. Denn die Idee, verschiedene Rassen zu kreuzen, ist an sich ja nicht gerade besonders neu und kreativ.
Das Patent … ganz allgemein – und wem es zusteht
Das Patent ist das umfangreichste technische Schutzrecht. Ein Patent kann nur auf technische Erfindungen oder ein Verfahren erteilt werden.
Was genau ist aber „technisch“?
Eine klare Definition ist hier leider nicht abschließend möglich, denn was als „technisch“ gilt, hängt vom jeweiligen, sich wandelnden Erkenntnisstand des Menschen ab. Im Laufe der Zeit unterlag der Technik-Begriff deshalb unterschiedlichen Wertungen.
Es gibt allerdings drei wichtige, aktuelle Definitionen von drei wichtigen Behörden bzw. Gerichten dazu:
Was ist „technisch“?
Der Bundesgerichtshof (BGH) sagt:
„Technisch ist eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs, der ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestätigkeit die unmittelbare Folge des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte ist.“
Das Bundespatentgericht (BpatG) sagt:
„Technisch ist jeder durch die Einwirkung des Menschen entstandene Gegenstand, soweit er der Welt der (in Raum und Zeit vorhandenen) Dinge angehört.“
Das Europäisches Patentamt (EPA) sagt:
„Eine Erfindung ist patentierbar, wenn die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe technische Überlegungen erforderlich macht, damit die Erfindung ausgeführt werden kann.“
Diese drei etwas umständlichen theoretischen Definitionen sorgen regelmäßig für viel Schriftverkehr und Meinungsverschiedenheiten zwischen Erfindern und Prüfern. Was gilt nun also?
Etwas praxisorientierter lässt sich als kleine Richtlinie sagen, dass ein Patentschutz eigentlich grundsätzlich möglich ist für:
- Vorrichtungen
- Schaltungen
- Verfahren
- Stoffe
- Mikroorganismen
- Verwendungen
Um ein Patent zu erhalten, muss Ihre technische Erfindung allerdings laut Patentrecht fünf weitere wichtige Kriterien aufweisen:
- Neuheit
- Erfinderische Tätigkeit
- Gewerbliche Anwendbarkeit
- Ausführbarkeit
- Wiederholbarkeit
Was diese fünf wichtigen amtlichen Begriffe im Einzelnen bedeuten, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
1. Neuheit
Die Erfindung muss neu sein. Sie gilt als neu, wenn sie nicht zum „Stand der Technik“ gehört.
Ist Ihre Idee neu oder längst bekannt? Mehr dazu in Kapitel 2 – Neuheitsrecherche.
2. Erfinderische Tätigkeit
Die Erfindung muss auf einer gewissen erfinderischen Leistung beruhen. Das bedeutet, die Idee darf sich für einen Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
Wie weist man eine erfinderische Tätigkeit nach?
Die „erfinderische Tätigkeit“ ist ein Rechtsbegriff, lässt sich aber nicht wie eine auf Daten und Zahlen basierende Tatsache beweisen. Ob eine Erfindung eine erfinderische Leistung darstellt, kann nur durch eine wertende Beurteilung entschieden werden. Dabei können sogenannte „Beweisanzeichen“ sehr hilfreich sein, wenn in ihnen das Urteil oder die Ansicht der Fachwelt zum Ausdruck ...