Eine kritische Betrachtung der Theorien von Karl Raimund Popper
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Eine kritische Betrachtung der Theorien von Karl Raimund Popper

Weiterentwicklung des »kritischen« zum »toleranten« Rationalismus und der »offenen« zur »offenen toleranten« Gesellschaft

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Eine kritische Betrachtung der Theorien von Karl Raimund Popper

Weiterentwicklung des »kritischen« zum »toleranten« Rationalismus und der »offenen« zur »offenen toleranten« Gesellschaft

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Der Autor stellt die Theorien von Karl Popper dar und unterzieht diese selbst einer kritischen Prüfung. Bei der praktischen Anwendung der Falsifikation ergeben sich immer wieder Probleme, daher entwickelt der Autor ein komplettes System aller möglichen Fälle der Aussage-Logik, wobei Poppers Falsifikation nur einen, wenn auch wichtigen und im wissenschaftlichen Forschen häufig auftretenden, Fall darstellt.Anhand des Vierklee-Dilemmas zeigt er auf, dass mit Poppers Vorgehen der Modifikation einer falsifizierten Theorie zwar eine immer wahrheitsähnlichere Aussage erreicht werden kann, diese aber dadurch immer weniger anwendbar wird. Auf der komplexen Struktur der Realität, die im Einzelnen untersucht und dargestellt wird, entwickelt er den »holistischen Realismus«, und darauf aufbauend erweitert der Autor den kritischen zum toleranten Rationalismus, der jenem seine zu große Restriktion nimmt und den realen Gegebenheiten eine besser entsprechende, breitere Gültigkeit gibt.An Poppers Gesellschaftstheorie kritisiert er die statische Betrachtungsweise von »offen und geschlossen«, und erweitert sie hin zu den dynamischen Prozessen des »Öffnens und Schließens«, und zeigt, welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Der Gegenpol der »geschlossenen Gesellschaft« ist nicht die »offene«, sondern die Anarchie, während die »offene Gesellschaft« in einem labilen Gleichgewicht oszilliert, immer in Gefahr auf die eine oder andere Seite zu kippen. Er erweitert sie zur offenen toleranten Gesellschaft. Abschließend zeigt er auf, wie die Impuls-Resonanz-Theorie die Bedeutung von (Gedanken-) Impulsen für die Gestaltung der gesellschaftlichen Realität erklären kann.

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Information

1. Wissenschafts- und Erkenntnistheorie

Popper machte schon sehr früh Erfahrungen – positive und negative – die ihn in seiner geistigen Entwicklung prägten. Bereits als Achtjähriger beschäftigte ihn das Problem der Unendlichkeit, das ihm sein Onkel nicht gerade überzeugend durch einen nie enden wollenden Stapel Ziegel zu veranschaulichen versucht hatte.
Ein weiteres Problem wurde ihm mit etwa fünfzehn Jahren bewusst, was er selbst als seinen ersten philosophischen Misserfolg bezeichnet:
Das Problem des Essentialismus (…) Es war ein Versuch [Strindbergs in seiner Autobiographie], etwas Wichtiges aus der »wahren« Bedeutung von gewissen Worten abzuleiten. Aber ich erinnere mich, wie es mich störte, ja wie betroffen ich war, dass mein Vater meinen Standpunkt nicht verstand. Das Problem schien mir klar zu sein, je länger unsere Diskussion dauerte. Und als wir spät am Abend unsere Diskussion abbrachen, musste ich mir eingestehen, dass ich keinen Erfolg gehabt hatte. Eine wirkliche Kluft hatte sich über dieser wichtigen Frage zwischen uns aufgetan. Ich erinnere mich, dass ich nach der Diskussion versuchte, mir die Richtlinie, die Maxime, einzuprägen, niemals über Worte und ihre »wahre« Bedeutung zu argumentieren; denn solche Diskussionen sind irreführend und unwichtig. Ich erinnere mich auch, dass ich nicht daran zweifelte, dass diese einfache Richtlinie oder Maxime wohlbekannt und weithin akzeptiert sein müsse: Ich hatte den Verdacht, dass sowohl Strindberg als auch mein Vater in diesen Dingen etwas rückständig waren.
Viele Jahre später fand ich heraus, dass ich ihnen Unrecht getan hatte und dass der Glaube an die Wichtigkeit von Worten und besonders von Definitionen fast universell war. Die Einstellung, die ich später »Essentialismus« nannte, ist noch immer weit verbreitet…10
Weiters schildert Popper, wie er als Universitätsstudent und gleichzeitig als Tischlerlehrling seine ersten prägenden Erfahrungen mit der Erkenntnistheorie hatte:
Es war einmal ein Tischlermeister, der hieß Adalbert Pösch. Als ich zwanzig Jahre alt war, wurde ich sein Lehrling… Nachdem ich sein Vertrauen gewonnen hatte, teilte er oft, wenn wir allein in der Werkstatt waren, seinen wahrhaft unerschöpflichen Schatz an Wissen mit mir. Einmal erzählte er mir, dass er viele Jahre lang an verschiedenen Modellen für ein Perpetuum mobile gearbeitet habe. Nachdenklich setzte er hinzu: »Da sag’n ‘s, dass ma’ so was net mach’n kann; aber wann amal eina ein’s g’macht hat, dann wer’n s’ schon anders red’n!«… Ich vermute, dass ich über Erkenntnistheorie mehr von meinem lieben, allwissenden Meister Pösch gelernt habe als von irgend einem anderen Lehrer. Keiner hat so viel dazu beigetragen, mich zu einem Jünger Sokrates zu machen. Denn mein Meister lehrte mich nicht nur, dass ich nichts wußte, sondern auch, dass die einzige Weisheit, die zu erwerben ich hoffen konnte, das sokratische Wissen von der Unendlichkeit meines Nichtwissens war.11
Diese Erlebnisse führten dazu, dass sich Popper praktisch sein ganzes Leben lang mit Fragen der Erkenntnis, der Abgrenzung, der Induktion, der Sicherheit von Aussagen, der Wissenschaftstheorie und der Gesellschaftstheorie beschäftigte. Seine Philosophie wird als kritischer Rationalismus bezeichnet.

10 Popper: Ausgangspunkte, S. 17–18
11 Popper: Ausgangspunkte, S. 1–2

2. Der kritische Rationalismus

2.1 Die Induktion als untaugliche Methode der Wahrheitsfindung

Die Induktion ist seit Aristoteles neben der Deduktion (logischer Schluss von einer allgemeinen, bereits gesicherten Aussage auf eine besondere) eine anerkannte und auch angewandte Methode der philosophischen Forschung. Darunter ist die Gewinnung allgemeiner Sätze oder Theorien aus Erfahrung, die Verdichtung einzelner Erkenntnisse zu einem gesamten Erkenntniszusammenhang, dem erkenntnismäßigen Übergang vom Einzelnen zum Allgemeinen und damit die Umkehrung der Deduktion zu verstehen.
Vereinfacht ausgedrückt kann man – mit dem bekannten Beispiel Poppers – sagen: Wenn ich 10, 100 oder 1000 weiße Schwäne sehe, so komme ich durch die Induktion zu dem Schluss, dass alle Schwäne weiß sind.
Jeder weitere weiße Schwan, und sei es der millionste, stützt nur scheinbar meine Hypothese, tatsächlich aber geht sie am Grundproblem vorbei. Solange ich nur nach denjenigen Fällen suche, die meine Hypothese stützen, werde ich natürlich nur solche Fälle finden, oder, wie Popper es ausdrückt:
Die Induktion sagt doch im Wesentlichen: Es gibt nichts Neues. Wenn ich eine Million weißer Schwäne gesehen habe, dann kann ich mich darauf verlassen, dass alle Schwäne weiß sind. Induktion sagt: Alles ist Wiederholung.12
Popper lehnt die Induktion als eine gültige logische Form der Wahrheitsfindung ab:
P: Es gibt keine Theorie der Induktion, die auch nur einigermaßen haltbar ist. Es gibt vor allem keine Theorie, die klar sagt, was induktive Formen des Schlusses sind. Was ist ein induktiver Schluß? Es gibt ihn überhaupt nicht, und anscheinend induktive Schlüsse stellen sich als ungültig heraus. Die Philosophen haben darauf seit Wittgenstein, aber auch schon vorher, ungefähr folgendermaßen reagiert: Sie haben gesagt, es gibt deduktive Gültigkeit und induktive Gültigkeit, und meine Kritik ist nicht mehr, als dass ich sage, dass induktive Gültigkeit nicht deduktive Gültigkeit ist. Ich nehme sozusagen die deduktive Gültigkeit als Muster und zeige dann, dass die induktive Gültigkeit diesem Muster nicht entspricht… Die Leute, die diese Theorie aufrechterhalten, sagen, es gibt eine spezifisch induktive Gültigkeit und eine spezifisch deduktive Gültigkeit; es sei aber falsch zu sagen, die Induktion sei ungültig, denn das bedeute ja nichts anderes als den Versuch, Kriterien der Gültigkeit, die für die Deduktion gelten, auf die Induktion zu übertragen. Das wird mir im Wesentlichen vorgeworfen. Aber dazu müsste man erst Regeln des induktiven Schließens haben. So etwas gibt es aber nicht: Ich habe bewiesen, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung der Induktionstheorie widerspricht.
K[reuzer]: Also reduziert sich das, was man als Induktion bezeichnet, auf ein Herumprobieren. Auf ein Herumprobieren unseres Geistes.
P: Das ist natürlich meine Theorie. Und sie zeigt, dass das, was viele für Induktion halten, einfach ein Mißverständnis der Deduktion und Selektion ist. Probieren ist selbstverständlich der Typus des deduktivistischen selektiven Vorgehens. Man erfindet etwas und probiert es aus. Das heißt: Man setzt es der Selektion aus.13

12 Popper; Kreuzer: Offene Gesellschaft – offenes Universum, S. 63
13 Popper; Kreuzer: Offene Gesellschaft – offenes Universum, S. 55–56

2.2 Es gibt keine Bestätigung von Wahrheit, nur eine Widerlegung von Irrtümern

Popper bietet als Lösung dafür eine Form der Deduktion, nämlich die Falsifikation an. Er betrachtet die Aussage, z.B. »Alle Schwäne sind weiß«, als vorläufige Theorie und geht einmal davon aus, dass diese, wenn sie richtig ist, ja für alle Schwäne gelten müsse. Er macht sich jetzt aber nicht auf die Suche nach einer Million weißer Schwäne, sondern sagt, wenn ich auch nur einen einzigen Schwan gefunden habe, der nicht weiß, also z.B. scharz ist, so habe ich damit die Sicherheit, dass diese vorläufige Theorie falsch ist, denn es sind ja nicht alle Schwäne weiß.
Als weitere Vorgangsweise schlägt er vor, die vorläufige Theorie insoweit abzuändern, dass sie auch das falsifizierende Beispiel mit einschließt, in obigem Fall also: »Alle Schwäne sind schwarz oder weiß«. Mit dieser modifizierten Theorie verfahre man analog, man suche nach einem Beispiel, das auch diese wieder falsifiziert, man modifiziere die Theorie dahingehend und fahre mit diesem Verfahren fort, bis es einem nicht mehr gelingt, die inzwischen mehrmals modifizierte Theorie zu falsifizieren.

2.3 Erkenntnisgewinn durch »Trial and Error«

Das bedeutet, dass wir weder von einem sicheren Ausgangspunkt ausgehen können, noch dass wir jemals eine Sicherheit bezüglich unserer Aussage oder Theorie bekommen können. Wir müssen uns einerseits dieser permanenten Unsicherheit bewusst sein, und uns mit Kreativität an die Formulierung neuer Hypothesen heranmachen, und andererseits diese sofort einer kritischen Prüfung unterziehen.
Was man dann erhält, ist aber nie und nimmer eine wahre Theorie, sondern nur eine »wahrheitsähnliche Theorie«, denn es könnte ja morgen oder in 200 Jahren ein Beispiel gefunden werden, das auch diese widerlegt. Diese Methode des »Trial and Error«, also das Wechselspiel von Theorie – Prüfung – Falsifikation – Modifikation bezeichnet Popper als evolutionäre Erkenntnistheorie, bei der die Theorie immer wahrheitsähnlicher wird.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Popper als vehementer Kritiker Platons auftritt und ihm vorwirft, dass er ein geschlossenes Gedankengebäude geschaffen habe, auf dem andere später ihre geschlossenen, totalitären Gesellschaftssysteme aufbauten. Dabei kann man doch die Dialoge, deren Platon sich bedient, durchaus auch im Sinne Poppers deuten. So ist es zumeist Sokrates, der die Zuverlässigkeit der Aussage kritisch hinterfragt:
Da sah sie [Kebes und Simmias] Sokrates an und fragte: Wie? Euch dünkt doch nicht etwa das Gesagte noch mangelhaft gesagt zu sein? Denn es gibt wohl noch viel Bedenken und Einwendungen dabei, wenn einer es ganz genau durchnehmen will.14
Sehr schön, sagte Simmias; also will ich dir sagen, was für Zweifel ich habe, und dann auch dieser, wiefern er das Gesagte nicht annimmt. Denn ich denke über diese Dinge, o Sokrates, ungefähr wie du, dass etwas Sicheres davon zu wissen in diesem Leben entweder unmöglich ist oder doch gar schwer; aber was darüber gesagt wird, nicht auf alle Weise zu prüfen, ohne eher abzulassen, bis einer ganz ermüdet wäre vom Untersuchen nach allen Seiten, dass das einen gar weichlichen Menschen verrät. Denn eines muss man doch in diesen Dingen erreichen, entweder, wie es damit steht, lernen oder finden oder, wenn dies unmöglich ist, die beste und unwiderleglichste der menschlichen Meinungen darüber nehmen und darauf wie auf einem Notkahn versuchen durch das Leben zu schwimmen, wenn einer nicht sicherer und gefahrloser auf einem festeren Fahrzeuge, einer göttlichen Rede, reisen kann.15
Das, was bei Platon Meinung heißt, könnte auch mit vorläufiger Hypothese übersetzt werden, die zu e...

Table of contents

  1. Danksagung
  2. Widmung
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Vorwort
  5. 1. Wissenschafts- und Erkenntnistheorie
  6. 2. Der kritische Rationalismus
  7. 3. Kritik am kritischen Rationalismus
  8. 4. Gesellschaftstheorie
  9. 5. Platons Staatstheorie
  10. 6. Poppers offene Gesellschaft
  11. 7. Die offene Gesellschaft ist kein Ziel, sondern ein Weg – allerdings nicht der einzige
  12. 8. Der »holistische Realismus« und seine Merkmale
  13. 9. Der tolerante Rationalismus als Weiterentwicklung des kritischen Rationalismus
  14. 10. Die offene tolerante Gesellschaft als Weiterentwicklung der offenen Gesellschaft
  15. 11. Die Impuls–Resonanz–Theorie
  16. 12. Zusammenfassung
  17. Literatur
  18. Publikationen der Geschichtswissenschaftlichen Gesellschaft Wien
  19. Impressum