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Kleinterritorium und Heiliges Römisches Reich
Der "Embsische Estat" und der Schwäbische Reichskreis im 17. und 18. Jahrhundert
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Kleinterritorium und Heiliges Römisches Reich
Der "Embsische Estat" und der Schwäbische Reichskreis im 17. und 18. Jahrhundert
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Am Beispiel des schwäbischen Kreis- und Reichsstandes Hohenems, der im Wesentlichen aus der Reichsgrafschaft Hohenems und dem Reichshof Lustenau bestand, wird das Funktionieren eines Kleinterritoriums im Rahmen des Heiligen Römischen Reiches untersucht. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und wie die defizitäre Staatlichkeit dieses "Zwergterritoriums" durch den Schwäbischen Reichskreis ergänzt wurde. Außerdem werden das Konzept des "komplementären Reichsstaates" und die Frage der "Symbolsprache" des Heiligen Römischen Reiches überprüft.
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Information
1. Einleitung
Am Vormittag des 14. September 1687 erhielt der Konstanzer Bischof Franz Johann Vogt von Altensumerau und Praßberg Besuch von Graf Jakob Hannibal II. von Hohenems. Der Hohenemser, der den Bischof in seiner Eigenschaft als Ausschreibender Fürst des Schwäbischen Reichskreises konsultierte, berichtete, „in waß sorgsamem standt sich der Embsische Estat dermahlen befinde“. Da sein Vetter, Reichsgraf Franz Karl, Hohenems verlassen und sich in die Eidgenossenschaft begeben habe, sei die „domus quasi deserta“ und er, Jakob Hannibal, deshalb „gemuessiget worden [...], als negster Agnat, nicht zwahr einige possession zuenehmen, sondern allein die nottwendige absicht alda zuehaben unndt zuehalten, bis entweder von seinem allerhöchsten orth anderwertige disposition geschehe, oder sein Vetter, Herr Graf Frantz Carl sich etwann von selbsten auf eine andere resolution begeben möchte“. Der Bischof reagierte umgehend. Noch am selben Tag schickte er einen Boten zu Graf Frobenius Ferdinand von Fürstenberg, dem Direktor des Schwäbischen Reichsgrafenkollegiums, nach Meßkirch, informierte ihn über das, was er erfahren hatte, und teilte ihm mit, dass es ihm nicht missfallen würde, wenn „nomine des gräflichen Collegij ohne Verzug eine aigne abschickhung ahn Herren Grafen Frantz Carl geschehen möchte, umb desselben intention undt gedanckhen allervorderist zue sondieren, unndt als dann nach befindenden dingen Ihme die weithere notturft vorzuestellen“. Wenn das geschehen sei – so führte der Bischof weiter aus – wäre es ihm recht, vom Grafen Fürstenberg persönlich besucht zu werden, „uf das wür mit demselben die sach noch mehrers überlegen unndt sodann auch in unnserem Nahmen mit des Herren Grafen verhofender erlaubnuss ihme die Commission mit aufgeben möchten“ 1. Derselbe Bote überbrachte dem Direktor des Schwäbischen Reichsgrafenkollegiums auch noch ein persönliches Schreiben von Graf Jakob Hannibal. Darin klagte dieser darüber, dass sein Vetter „in das Schweizerlandt […] mit sehr vill mobilien“ geflüchtet sei. Das gräfliche Haus laufe deshalb Gefahr, dass „ein höherer sich einnisten möchte“. Jakob Hannibal ersuchte Frobenius Ferdinand von Fürstenberg, sich der Sache anzunehmen, „damit nit unser hauß in einiges praeiudicium khumen möchte“ 2.
Wie unter dem Brennglas werden hier gleich eine Reihe von Problemen, aber auch von Spezifika kleinterritorialer Existenz3 im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich sichtbar. Der ‚Embsische Estat‘, in den lokalen Kirchenbüchern auch als „status Embensis“4 bezeichnet, war aufgrund der Verschuldung des regierenden Grafen und durch Turbulenzen in der Grafenfamilie in Schwierigkeiten geraten, in Schwierigkeiten, die seine Existenz ernsthaft zu bedrohen schienen. Nach Ansicht Jakob Hannibals bestand die Gefahr, dass sich „ein höherer“ in Hohenems „einnisten möchte“. Nach Lage der Dinge konnte damit nur das benachbarte Österreich gemeint sein, das den ‚Embsischen Estat‘ von drei Seiten, von Norden, Osten und Süden, einschloss, während er im Westen an die Eidgenossenschaft grenzte. Wenn Jakob Hannibal seinem Vetter unterstellt, dass er Familienvermögen in die Eidgenossenschaft gebracht habe und so die ökonomische Basis des Grafenhauses schwäche, ja gefährde, spricht er damit zwei zentrale Probleme kleinstaatlicher Existenz an, die zu dem von ihm beschworernen Szenario führen konnten: Das äußerst schmale ökonomische Fundament der Herrschaft und – damit verbunden – die Sorge um eine kontrollierte „intergenerationelle Weitergabe von Herrschaft und Besitz“ 5.
Deutlich wird aber auch, dass sich das Haus Hohenems diesen Problemen und dem übermächtigen Nachbarn nicht schutzlos ausgeliefert sah. Jakob Hannibal II. suchte und fand, wie sich im Folgenden zeigte, die Unterstützung des Schwäbischen Reichskreises, dessen Stand der ‚Embsische Estat‘ war, und des Schwäbischen Reichsgrafenkollegiums, dem die Hohenemser als Mitglieder angehörten. Damit sind zwei wichtige Organisationsformen kleinterritorialer Herrschaft angesprochen, die „überterritorial[e]“ des Reichskreises und die „genossenschaftlich[e] und einungsartig[e]“ des Grafenkollegiums6. Die Aktivierung dieser gleichsam ergänzenden Formen der Staatlichkeit gehörte zu den wichtigen Strategien der Reichsgrafen, „um die Fortexistenz ihrer vielfach gefährdeten Herrschaften zu sichern“ 7.
Wie auch der Verlauf des angesprochenen Konflikts zeigen sollte, stützte sich die Sicherung reichsgräflicher Herrschaft im ‚Embsischen Estat‘ noch auf eine weitere Organisationsform. Die lokalen Amtsträger – zu nennen sind in erster Linie die Landammänner von Hohenems und die Hofammänner von Lustenau – waren unverzichtbar, um sie gleichsam an der Basis, in den Gemeinden, zu vermitteln. Wer immer die Landesherrschaft ausübte, musste dafür Sorge tragen, dass sein Regierungshandeln bei den lokalen Amtsträgern auf Akzeptanz stieß und dass es von diesen an die Untertanen weiter vermittelt würde. Dieser „akzeptanzorientiert[e]“ Zug reichsgräflicher Herrschaft8, war für die kleinen, mindermächtigen Territorien überlebenswichtig.
Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel, den Aufbau des ‚Embsischen Estats‘ als eines typischen Kleinterritoriums im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich zu untersuchen. Die Termini ‚Embsischer Estat‘ und ‚Status Embensis‘ sind nicht eindeutig. Von den gräflichen Beamten wurden sie in der Regel synonym für die Reichsgrafschaft Hohenems und für das Gesamtterritorium des schwäbischen Kreisstandes, also für die Reichsgrafschaft und den Reichshof Lustenau, verwendet. In diesem Sprachgebrauch spiegeln sich die Bemühungen des Grafenhauses und seiner Beamtenschaft wider, Lustenau als einen integrierenden Bestandteil der Reichsgrafschaft zu betrachten und seine verfassungsrechtliche Sonderstellung zu ignorieren. Im amtlichen Lustenauer Schrifttum – sowohl in dem der Gemeinde als auch in jenem der Pfarrei – wurde dagegen konsequent zwischen Reichsgrafschaft und Reichshof unterschieden9. In der vorliegenden Arbeit werden die beiden Begriffe ‚Embsischer Estat‘ bzw. ‚Status Embensis‘ ausschließlich für das Gesamtgebilde des Kreisstandes Hohenems verwendet.
Der zeitliche Bogen wird vom Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Reichsgrafen von Hohenems die Kreisstandschaft im Schwäbischen Reichskreis erwarben, bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches gespannt. Es wird danach zu fragen sein, wie insbesondere Reichsgraf Kaspar die hohenemsische Staatsbildung vorantrieb und wo diese an ihre Grenzen stieß, wie dieser ‚Estat‘ in den folgenden beiden Jahrhunderten organisiert war und welche Strategien zur Sicherung und Erhaltung der Herrschaft dabei eingesetzt wurden.
Die „frühmoderne Staatsbildung“ – Johannes Burkhardt bezeichnet sie nach der Konfessionalisierung als den zweiten wichtigen Institutionalisierungsprozess, der im 16. Jahrhundert seinen Ausgang nahm10 – wurde und wird gerne als Modernisierung interpretiert. Wenn auch eingeräumt wird, dass die Entwicklung „nicht völlig geradlinig“ verlief, so wird doch postuliert, dass das „Ziel politischen Handelns [...] die Rationalisierung und Institutionalisierung von Herrschaft“ gewesen sei11. Daher wurde der Blick lange Zeit hauptsächlich auf die Bürokratisierungs-, Zentralisierungs- und Verrechtlichungsprozesse gerichtet. Kanzleien, Räte und Amtsträger, „über die der Herrscher zunehmend politische Entscheidungen vorbereitete und durchsetzte“ 12, die politischen Eliten und ihre Veränderungen – verwiesen sei nur auf das Vordringen der universitär gebildeten Juristen13 –, die Stände, aber auch die normative Ebene der Gesetzte, Mandate, Policeyordnungen etc. waren wichtige Untersuchungsgegenstände. Ihnen muss auch in dieser Untersuchung über den ‚Embsischen Estat‘ gebührende Aufmerksamkeit eingeräumt werden.
Zu Recht ist allerdings darauf hingewiesen worden, dass man aber bei einer allzu starken Betonung des Modernisierungsparadigmas Gefahr laufe, sich „den Blick auf die Eigenheiten“ der frühen Neuzeit zu verstellen. Wer „frühneuzeitliche Herrschaftsformen nur als Teil eines zielgerichteten politischen Prozesses, der auf den modernen Staat hinführt“, beschreibe, komme nicht umhin, frühneuzeitliche Staaten im Vergleich zu jenen des 19. und 20. Jahrhunderts als „defizitär“ aufzufassen14. Es waren nicht zuletzt mikrohistorische Untersuchungen zu Franken und Schwaben, zwei Regionen im Alten Reich, die durch eine ausgesprochene „herrschaftliche Kleinkammerung“ 15 geprägt waren, die gezeigt haben, dass der „ergebnisorientierte, modernisierungstheoretische Blick auf landesstaatliches Wachstum ein erhebliches Problem“ darstellen kann. Häufig ergab sich so nämlich ein „negative[r] Befund“, und es entstand ein Bild von „herrschaftsrechtliche[n] Kuriositäten, Zersplitterungen, Unfertigkeiten und Verworrenheiten, die mit den zur Verfügung stehenden verfassungsrechtlichen Sprachkategorien schwer zu fassen waren“ 16. Die genannten mikrohistorischen Untersuchungen mahnen dazu, „die Diskursivität von Herrschaft in räumlicher wie in inhaltlicher Hinsicht“ nicht außer Acht zu lassen17. Zu den wichtigsten Erkenntnissen der jüngeren Forschung gehört auch, dass in einem frühneuzeitlichen Kleinterritorium wie dem ‚Status Embensis‘ „Herrschaft […] nicht einseitig von oben nach unten“ verlaufen konnte, sondern dass ein „funktionales Teilen“ unumgänglich war18. Daher müssen in dieser Studie verschiedene Organisationsformen von Herrschaft in den Blick genommen werden. Auf der territorialen Ebene des ‚Embsischen Estats‘ rückt neben den bereits angedeuteten Bürokratisierungs- und Verrechtlichungsprozessen die Mitwirkung der kommunalen Amtsträger – vor allem der Ammänner – in den Focus. Auf dieser Ebene hatte die Herrschaft der Reichsgrafen von Hohenems also über weite Strecken einen „akzeptanzorientiert[en]“ 19 Charakter.
Freilich konnte auch ihr Kleinterritorium nicht alle staatlichen Leistungen erbringen. Es war gewissermaßen auf eine ergänzende ‚Staatlichkeit‘ angewiesen, die auf der Ebene des Schwäbischen Reichskreises und des Schwäbischen Reichsgrafenkollegiums anzusiedeln ist. Hier kann die Herrschaft als „überterritorial“ und „vernetzt“ beschrieben werden. Es soll also auch „die Bedeutung derjenigen Personen und Institutionen außerhalb der Figur des Landesherren und seiner Administration“ herausgearbeitet und ihr „Beitrag zu einer funktionierenden Herrschaftspraxis“ gewürdigt werden20. Herrschaft wird dabei „in ihren kommunikativen Prozessen und damit als dynamisches Phänomen“ verstanden21.
Wenn die Reichsgeschichte, wie unlängst festgestellt wurde, „weder in Orthodoxie noch in pietätvoller Langeweile erstarrt [ist], sondern [...] sich […] als ein weithin dynamisches Forschungsfeld“ versteht, „das sehr unterschiedliche, durchaus konfligierende Zugriffe erlaubt“ 22, so scheint es durchaus legitim und sinnvoll zu sein, sich ihr auch von unten, gewissermaßen von den Wurzeln her zu nähern. Eine Studie zu einem frühneuzeitlichen Kleinterritorium wie dem ‚Embsischen Estat‘ kann so auch einen kleinen, bescheidenen Beitrag zu wenigstens einem der „neue[n] Interpretationsansätze zum Alten Reich“ leisten, die Nicola Schümann ausmacht: Sie kann helfen zu verstehen, wie seine „auf Komplementarität und Subsidiarität angelegte politische Organisationsform, deren Ebenen [...] in Form konsensualer Aushandlungsprozesse miteinander verkehren“ 23, in der Praxis funktionierte. In Anlehnung an das Mode...
Table of contents
- Hinweise
- Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die territoriale Ebene
- 3. Die ergänzende Staatlichkeit des Schwäbischen Reichskreises
- 4. Ergebnisse
- 5. Anhang
- 6. Quellen- und Literaturverzeichnisse
- Weitere Informationen
- Impressum