Der vorliegende Kommentar des 1945 in Nag Hammadi entdeckten Thomas-Evangeliums besteht aus einer Einleitung, Kriterien fĂŒr die Erforschung des historischen Jesus sowie einer ausfĂŒhrlichen Kommentierung aller 114 Logien des Thomas-Evangeliums. Er tritt der Behauptung einer gnostischen Herkunft der Logien entgegen und widerspricht auch der AbhĂ€ngigkeit des Thomas-Evangeliums von den Synoptikern oder auch dem Johannes-Evangelium. Im Zuge einer redaktions-, traditions- und formgeschichtlichen Untersuchung der einzelnen Logien kommt er vielmehr zu dem Ergebnis, dass das Evangelium aus gegenĂŒber den biblischen Evangelien selbststĂ€ndigen Traditionen herrĂŒhrt und in den Raum eines frĂŒheren Judenchristentums gehört. Es enthĂ€lt in einer Reihe von FĂ€llen Ăberlieferungen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf den historischen Jesus zurĂŒckgefĂŒhrt werden können oder ihm jedenfalls nahe stehen.Reinhard Nordsieck, (1937 - 2021) studierte evangelische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal und Rechtswissenschaften an der UniversitĂ€t Köln, danach langjĂ€hrige TĂ€tigkeit als Richter am Landgericht Wuppertal und Amtsgericht Mettmann, blieb auch im Ruhestand als Autor christlicher BĂŒcher aktiv.Herausgeber: Hans-JĂŒrgen StrĂ€ter, Adlerstein Verlag
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PROLOG UND LOG 1 (Die Worte Jesu und das Evangelium vom Leben)
1. DIES SIND DIE VERBORGENEN WORTE, DIE DER LEBENDIGE JESUS SAGTE, UND DIDYMOS JUDAS THOMAS SCHRIEB SIE AUF. 2. UND ER SAGTE: WER DIE DEUTUNG DIESER WORTE FINDET, WIRD DEN TOD NICHT SCHMECKEN.
Textkritisch ist zu bemerken, dass der koptische Text gut erhalten ist. Der griechische Text der Par in POxy 654, 1-5 ist im wesentlichen ĂŒbereinstimmend mit dem koptischen. Nur bei den Eigennamen ist bloĂ âJudas Thomasâ zu lesen. Der Zusatz âDidymosâ fehlt. Er dĂŒrfte wohl spĂ€ter zur ErlĂ€uterung hinzugefĂŒgt worden sein (s. PLISCH, EvThom, 41f u.a.; a.M. W. EISELE, Welcher Thomas?, 47ff, der umgekehrt âDidymos Thomasâ fĂŒr die ursprĂŒngliche Lesart hĂ€lt, was jedoch wegen der SingularitĂ€t dieses Zusatzes unwahrscheinlich erscheint).
Der Prolog (S. 1) besteht aus drei Gliedern, dem Gegenstand der Schrift, dem Urheber und dem Redaktor. Gegenstand der Schrift sind die âverborgenenâ, somit geheimen Worte Jesu (griech.
; kopt.
). Dies könnte ein Hinweis auf eine gnostischesoterische Lehre sein Ă€hnlich wie im spĂ€teren Thomasbuch (LibThom, NHC II,7; ca. 200 - 300 n.C.), das einen vergleichbaren Prolog mit dem Hinweis auf âgeheime Worteâ des Erlösers aufweist (LibThom 138,1; s. FIEGER, EvThom, 13ff). Es kann aber auch wie in den Evangelien das âGeheimnisâ des Reichs Gottes angesprochen sein, das die Worte enthalten sollen. Das ergibt besonders Mk 4,11 Par, vgl. auch nĂ€her Log 62; Ă€hnliches folgt aber auch aus Joh 16, 12ff. 25. Dieses Geheimnis soll jedoch nicht âgeheim gehaltenâ werden, wie LEIPOLDT, ThLZ 83, 495 annimmt, vielmehr geht es um das Suchen und Streben danach und letztlich um die Aufdeckung desselben. Es soll hierbei zugehen wie auch bei der âWeisheitâ Gottes, die nur dem Menschen, der ihr besonders âvertrautâ, âihre Geheimnisse offenbarenâ wird (s. Sir 4,17-21; ferner 39,1-13 u.ö.). Das liegt nĂ€her und ist gerade nach den zahlreichen Logien des EvThom, die ebenfalls Fragen des âGeheimenâ ansprechen, eher als ursprĂŒnglich anzusehen (s. z.B. Log 5,6,32,33,39,83,96,108,109; s. i.e. dort; vgl auch nĂ€her ZĂCKLER, EvThom, 106ff).
Die Worte werden Jesus, dem âLebendigenâ (gr.
; kopt.
) als Urheber zugeschrieben. Auch der Hinweis auf die Lebendigkeit kann gnostisch verstanden werden, aber auch entsprechend den kanonischen Evangelien, wo das Reich Gottes synonym mit dem âLebenâ gebraucht wird (s. Mk 9,43.45.47; Mt 7,14; Lk 12,15) und Jesus ebenfalls als âLebenâ bezeichnet wird (Joh 11,25; 14,6). In Apk 1,17/18 wird er sogar wörtlich âder Lebendigeâ genannt. Diese Worte zeigen danach, dass das âLebenâ, verstanden als wahres Leben, sowohl in dieser als auch in jener Welt, als entscheidendes Heilsgut gesehen werden soll und Jesus dementsprechend als sein ReprĂ€sentant (s. zum âLebenâ ferner Log 4,58,101 usw.; betr. Jesus als âLebendigerâ s. Log 52 u. 59). Es handelt sich somit keinesfalls um ein nur jenseitiges Leben, in der Auferstehungswelt, da Jesus nach Log 28 ausdrĂŒcklich als ins âFleischâ gekommen anzusehen ist. Es geht auch nicht etwa um Worte des Auferstandenen, wie z.B. im LibThom anzunehmen ist. Das ergeben besonders die zahlreichen Dialoge Jesu, die sich in sozialen und historischen ZusammenhĂ€ngen abspielen (vgl. z.B. Log 22,60,61,99, 100,113,114) (s. entspr. auch HAENCHEN, Literatur zum ThEv, ThR 27, 1961, 155f; KLAUCK, Apokryphe Evangelien, 146).
Als Redaktor wird (Didymos) Judas Thomas genannt. Dieser kommt sowohl in den Thomasakten (ActThom 1) wie auch im Thomasbuch (LibThom 138,5ff) vor, wo er als (spiritueller) Zwillingsbruder Jesu (gr.
; aram. tâoma) bezeichnet wird. Er begegnet aber auch in den Evangelien einschlieĂlich der Apg (s. Einleitung Nr.8), besonders im JohEv, wo er Thomas Didymos (Joh 11,16; 20,24ff; 21,2) oder auch nur Thomas (Joh 14,5) genannt wird. Die Worte Jesu mögen danach von ihm oder auch einem bzw. mehreren seiner JĂŒnger/-innen tradiert und redigiert worden sein. Den nĂ€heren Vorgang und die UmstĂ€nde der Traditions- und Redaktions-Geschichte kennen wir nicht. Wir wissen auch nicht, ob sie in einer oder mehreren Gemeinden oder auch kleineren Zirkeln ĂŒberliefert worden sind. Die Erforschung dieser Geschichte wird im wesentlichen der Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein und insbesondere auch die Frage, ob und ggf. inwieweit die Logien tatsĂ€chlich auf die historische Person Jesu zurĂŒckzufĂŒhren sind (s. zum Ganzen FIEGER, EvThom, 13ff; GĂRTNER, Theology, 112f, die den gnostischen Ansatz vertreten; kritisch zu dieser Interpretation besonders KĂSTER, One Jesus, 167; VIELHAUER, Geschichte, 622f; T. AKAGI, The Literary Development of the Coptic Gospel of Thomas, 1965, 125ff. 139ff; s. nĂ€her noch M.W. MEYER, The Beginning of the Gospel of Thomas, 1991, in D.E. Smith (Hg.), How Gospels Begin, 164f).
Der 2. Teil des ersten Abschnitts (also S.2) enthĂ€lt das Logion (Log) 1, das eingeleitet wird mit: âUnd er sagte:...â (
). Diese Einleitung, die auch POxy 654, 3-5 entspricht, könnte bedeuten, dass Thomas oder dass Jesus redet. Wie sonst im EvThom dĂŒrfte allerdings ursprĂŒnglich Jesus gemeint sein (s. z.B. Log 8: auch hier kommt
vor). Auch dass im Griechischen der Aorist (
) entgegen dem sonst regelmĂ€Ăig gebrauchten PrĂ€sens steht, muss nichts anderes bedeuten. SchlieĂlich spricht fĂŒr eine ursprĂŒngliche ĂuĂerung Jesu auch die groĂe LebensverheiĂung aufgrund der Worte Jesu, die das Logion enthĂ€lt (s. auch M.W. MEYER, s.o., 167). Freilich scheint der Text dadurch unklar geworden zu sein, dass der Prolog erst durch die abschlieĂende Redaktion der vorliegenden Spruchsammlung vorangesetzt worden ist.
Auch die bestehende Fassung des Log 1 dĂŒrfte auf die entsprechende Endredaktion des Verfassers des EvThom zurĂŒckzufĂŒhren sein. Darauf deutet schon der Hinweis auf âdieseâ nachfolgenden geschriebenen âWorteâ. Aber ebenso scheint auch der Begriff âAuslegungâ (gr.
, auch im Kopt.
) dafĂŒr zu sprechen. Er dĂŒrfte den
weisheitlich zu erschlieĂenden Charakter der Logien des EvThom betonen wollen. Dieser auszulegende Sinn der Worte Jesu eröffnet sich besonders dem Weisen, der einen Weg der Auslegung (Hermeneutik) âfindetâ (
), wĂ€hrend den Anderen dieser SchlĂŒssel fehlt (s. besonders ZĂCKLER, EvThom, 106ff, der zu Recht auf die NĂ€he dieser Formulierung zu weisheitlichen Schriften wie Weish 8,4;8,8; Spr 1,6 u. Sir 38,24ff.;47,17 verweist; a.M. dagegen SCHRAGE, Verh, 29f u.a., die eine esoterische Eigenart der Logien daraus entnehmen wollen).
Die Frage ist, ob und evtl. wie der ursprĂŒngliche Sinn von Log 1 traditionsgeschichtlich zu ermitteln ist und ob ein RĂŒckgriff auf eine frĂŒhere Fassung des Logions möglich ist. Als kanonische Par kommen zuvörderst Joh 5,24.25 sowie 8,51.52 in den Blick, wohl aus der joh Redenquelle. In Joh 5,24 heiĂt es, dass, âwer mein Wort (
) hört...â, âder hat ewiges Leben (
)â und âist aus dem Tod ins Leben hinĂŒbergegangenâ. Nach Joh 5,25 âkommt die Stunde und ist jetzt da, wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die, welche sie hören, werden lebenâ. Joh 8,51 kommt Log 1 noch nĂ€her: âWenn jemand mein Wort (
) befolgt, wird er in Ewigkeit den Tod nicht sehenâ. Joh 8,52 enthĂ€lt statt âden Tod sehenâ das wohl ursprĂŒnglichere âschmeckenâ (
). Der Zusatz âin Ewigkeitâ (
) fehlt in verschiedenen Joh-Handschriften und ist auch nicht essentiell notwendig. Auch die Bezugnahme auf âmeinâ Wort o.Ă€. dĂŒrfte sekundĂ€r sein, da sie stark christologisch geprĂ€gt ist. Diese joh Worte sind gegenĂŒber Log 1 selbststĂ€ndig, so dass es nicht von ihnen abzuleiten ist; die hier deutliche Entwicklungslinie könnte sie allerdings durchaus beeinflusst haben.
Eine noch frĂŒhere unabhĂ€ngige Entwicklungslinie wird in Lk 11,28 Par EvThom Log 79 S.2 und Lk 8,21 Par erkennbar. In Lk 11,28 heiĂt es: âSelig sind in Wahrheit die, welche Gottes Wort hören und bewahren (i.S. v. halten)â, wĂ€hrend die Par in EvThom 79 lautet: âHeil denen, die das Wort des Vaters gehört haben und es wahrhaft beachtet habenâ (mit gleichem Sinn, s. die Komm. zu Log 79). Lk 8,21 sagt insofern: âMeine Mutter und meine BrĂŒder sind die, welche das Wort Gottes hören und tunâ (s. dazu auch die Par in Mk 3,35 / Mt 12,50 / EvThom Log 99 S.2; ferner noch Lk 6,47 ff Par [Q]). Hier wird jedoch die VerheiĂung unbestimmter, die Lebenszusage begegnet dann in anderem Zusammenhang in ursprĂŒnglicherer Form wiederum in Mk 9,1 m.Par in allen Synoptikern (mit der Formulierung âwird den Tod nicht schmeckenâ [
]). Bei dieser handelt es sich um einen alten Semitismus, der auch in 4Esr 6,26, Hebr 2,9, ferner in Log 18,19,85 vorkommt, er ist nicht johanneischen Ursprungs.
Die Ă€lteste Form des zugrundeliegenden Logions dĂŒrfte danach wohl in einer markanten VerheiĂung zu finden sein, die sinngemÀà wie folgt gelautet haben könnte: âWer das Wort Gottes hören und bewahren wird, wird den Tod nicht schmecken (d.h. er wird leben)â. Dieser oder ein Ă€hnlicher Spruch, in welchem Zusammenhang er auch ursprĂŒnglich gesagt worden sein mag, könnte einer Sammlung von Worten Jesu vorangestelt worden sein, wie sie im EvThom aufzufinden sind (s. Einleitung Nr.3) und wie dies auch bei den weiteren Sammlungen am Anfang oder in dessen NĂ€he vorkommt (s. auch Log 19 S.2, 38 S.1, 52, 62, 79 S.1/2, 88/92 [?]). Er könnte danach auch vom historischen Jesus herrĂŒhren. Dies gilt schon aus dem Grundsatz der vielfachen Bezeugung. Er ist auch zeitgenössisch-jĂŒdisch und frĂŒhchristlich gut nachvollziehbar und hat den fĂŒr Jesus charakteristischen prophetisch-eschatologischen Akzent. Die Betonung auf dem âFindenâ der âDeutung der Worteâ in Log 1 ist allerdings fĂŒr die (redaktionelle) Interpretation des Thomas kennzeichnend und somit sekundĂ€r. Sie bleibt aber in einem nachvollziehbaren urchristlichen Rahmen, der auch eine Tendenz zur weisheitlichen Tradition des FrĂŒhjudentums, aber keinen gnostischen Charakter hat (a.M. FUNK u. JS., Five Gospels, 471 u. LĂDEMANN, Jesus 2000, 754; Ă€hnlich aber wiederum ZĂCKLER, EvThom, 106ff).
Insgesamt geht es in Log 1 um die reale VerheiĂung unentfremdeten und sinnerfĂŒllten wie auch ewigen Lebens, man könnte auch sagen: um wirkliche LebensqualitĂ€t. Diese wird denjenigen zugesagt, die das Wort Gottes, der Macht des Ganzen hören und befolgen. Darin eingeschlossen kann auch die Forderung nach biophiler Ethik (FROMM) oder der âEhrfurcht vor dem Lebenâ (A. SCHWEITZER) mitgehört werden. Diese VerheiĂung des Kommens wahren Lebens in der herrschenden Todeswelt ist letztlich identisch mit der Zusage des Kommens der Basileia, des Reichs Go...