Was wäre, wenn ...
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Überraschende Interventionen für schwierige Therapiesituationen

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Was wäre, wenn ...

Überraschende Interventionen für schwierige Therapiesituationen

About this book

Therapieprozesse können an ihre Grenzen geraten, wenn die in der Ausbildung erlernten Deutungsmuster oder Interventionstechniken nicht mehr greifen, weil sie z. B. nicht zu bestimmten Störungsbildern oder Patiententypen passen. Um Therapien zu beleben, die an ermüdenden Wiederholungen und langen Zeiten der Bewegungslosigkeit leiden, braucht es einen großen Fundus an neuen, überraschenden Interventionen wie Geschichten, Witzen oder kleinen Theaterstücken. Diese kreativen Impulse kommen aus den Humanistischen und achtsamkeitsbasierten Therapieformen, der Schema- und Traumatherapie und den imaginativen Verfahren. Mit diesen vielfältigen Möglichkeiten finden TherapeutInnen zu alter Rollensicherheit und neuer Freude an der Arbeit.

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Information

1

Deus ex Machina – Schnelle Hilfen

Patientinnen erwarten oft schnelle Hilfe, insbesondere, wenn sie mit einem drängenden Problem im Rahmen einer Akuttherapie in die Praxis kommen. Leider gibt es keinen Knopf, auf den zu drücken bewirkt, dass es nicht mehr so wehtut. Und doch gibt es die eine oder andere Technik zur Beruhigung der aufgewühlten Seele. Hier führe ich manchmal den Deus ex Machina ein.
Übersetzt in eine klassische Metapher wünschen sich viele Patienten einen Deus ex Machina. Manche Situationen lassen sich schon dadurch beruhigen, dass ich diese antike Theaterfigur erwähne und erzähle, wer oder was das ist. Hier eine Beschreibung:
Der Deus ex Machina, also lateinisch für den Gott aus der Maschine, ist eine plötzlich auftauchende, machtvolle rettende Gestalt. Ursprünglich geht es um eine Figur aus dem griechischen Theater, die Menschen rettete oder Tote wieder ins Leben zurückholte. Diese Gestalt wurde mit Hilfe eines Kranes (also einer Maschine) auf die Bühne gesetzt. So konnten am Ende alle Verwirrungen aufgelöst, Unschuld bewiesen oder Ängste beschwichtigt werden – alles wurde gut. Heute nennt man das Happy End, und auch dieses wird in Filmen und Büchern oft durch einen Deus ex Machina herbeigeführt. So kommt in der letzten Sekunde ein Feuerwehrmann in das brennende Haus, um eine Geisel zu retten, vor Gericht tritt ein Überraschungszeuge auf usw. Nur bei den alten Griechen musste es tatsächlich immer eine Göttin oder ein Gott sein.
Es gibt eine solche Gestalt in Alkestis, einem Drama von Euripides. Dort ist es der Halbgott Herakles (Herkules), der Alkestis aus dem Totenreich zurückholt, nachdem sie für ihren Mann gestorben war. Es geht auch diesseits der Dramatik: In der Jugend-Kultserie Die drei Fragezeichen gibt es ebenfalls einen Deus ex Machina. Gegen Ende der meisten Folgen, wenn einer, zwei oder alle drei der jugendlichen Helden in Gefahr sind, taucht eine Gestalt auf und man hört einen erleichterten Seufzer: »Inspector Cotta!«

1.1 Die aktuelle Not beruhigen

Natürlich darf es auch mal heftig zugehen in einer Therapiesitzung: Starke Gefühle müssen sich ausdrücken dürfen, auch auf kindliche Art, durch Weinen oder (verbal) aggressiven Widerstand. Irgendwann muss dann die Basis für die gemeinsame Arbeit wiederhergestellt werden. Vor allem ist es mir wichtig, eine Sitzung möglichst nicht so zu beenden, dass der Patient in emotional aufgelöstem Zustand die Praxis verlässt – draußen tobt ja der gefährliche Straßenverkehr. Diese Regel hat unter anderem zur Konsequenz, dass ich mir angewöhnt habe, die Uhr genau im Auge zu behalten. Ich achte darauf, dass kurz vor Beendigung der Stunde kein neues, schmerzhaftes Thema angesprochen wird, fasse manchmal den bisherigen Verlauf der Sitzung kurz zusammen und entlasse den Patienten mit der Aussicht, dass wir an dieser Stelle in der nächsten Woche weiterarbeiten können.
Die folgenden Übungen sind im Wesentlichen dafür da, die Patientin, die Therapeutin und/oder die Situation zu beruhigen. Dabei entsteht immer auch Material für die gemeinsame Arbeit.
Anmerkung: Auch ein Witz kann entspannend und erleichternd wirken, entweder, weil wir uns darin erkennen – oder weil das Gehirn plötzlich mit etwas ganz anderem beschäftigt ist. An anderer Stelle (
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Kap. 10.4 Witze als Deus ex Machina) finden Sie einige Beispiel dazu.

Übung: Einen Retter (er)finden

Nachdem der Deus ex Machina erklärt ist, können Sie mit Ihrer Patientin nach deren persönlichem Retter fahnden: »In welchem Unglück hätten Sie eine starke Hilfe gebraucht und wer hätte das sein sollen?« Hier bauen Sie ein Hilfs-Ich auf, das in aktuellen Konfliktsituationen, Krisen und bei anstehenden Aufgaben ängstlichen Menschen hilfreich zur Seite stehen kann. Ich weiß von vielen meiner Patientinnen, dass sie sich in Krisensituationen fragen: »Was würde Frau Rohwetter dazu sagen?« Und so finden sie eine Antwort, die natürlich aus ihnen selbst kommt.
Die Arbeit kann dann längerfristig fortgesetzt werden, um eine hilfreiche Instanz zu internalisieren und zu stabilisieren. Mehr zur Arbeit mit inneren Instanzen finden Sie im
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Kap. 4 Wollen wir das mal spielen?.

Übung: Der Beobachter

Dies ist eine wichtige Technik, um Distanz zu Gefühlen und Erinnerungen zu bekommen. Der – durchaus variierbare – Ablauf ist folgender:
1. Die Patientin ist voll in ihrem Gefühl, ihrer Erinnerung. Immer wieder ist sie damit so identifiziert, als würde das alles gerade geschehen. (Hier erkläre ich manchmal das Phänomen der selbst-induzierten Retraumatisierung.) Ich frage die Patientin: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie stark ist jetzt das Gefühl? (1 = nicht vorhanden, 10 = so schlimm, dass ich am liebsten sterben würde). Hinweis: Wählen Sie für die Übung kein Erlebnis, das auf dieser Skala einen Wert von 9 oder zehn hat. In diesem Fall kann die Übung vom sicheren Ort eingeschoben werden. (
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Kap. 7Was wäre, wenn… – Gedankenspiele)
2. Sie bitten die Patientin, die schlimme Situation noch einmal zu erzählen, aber so, als sei sie selbst nicht beteiligt, sondern Beobachterin gewesen. Sie erzählt also in der dritten Person, berichtet von dem Kind von damals, dem Kind, das sie einmal waren und das das Schreckliche erlitten hat.
3. Erneute Überprüfung auf der Skala – in der Regel ist der Wert deutlich gesunken.
Eine ausführliche Beschreibung und Einordnung der Beobachter-Übung finden Sie in
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Kap. 4 Wollen wir das mal spielen?.

1.2 Ganz entspannt im Hier und Jetzt

Ganz entspannt im Hier und Jetzt ist der Titel eines Buches aus dem Jahre 1979. Geschrieben hat es der Journalist Jörg Andrees Elten (1927–2017) über seine Zeit in Poona als Schüler Bhagwans (Osho). Der Titel könnte auch Motto der gesamten Bhagwan-Bewegung sein, und er wurde zum Running Gag, wenn später kritische Menschen über diese Bewegung sprachen. Nach wie vor halte ich diesen Satz für eine gute Beschreibung dessen, was heute Achtsamkeit bedeutet. Ich benutze ihn manchmal, wenn ich einer Patientin vorschlage, in Notsituationen eine zweiteilige Übung zu machen, mit der sie sich beruhigen kann. Diese Übung wirkt auch gut bei kürzlich getriggerten Ängsten, besonders außerhalb des therapeutischen Settings.

Übung: Wer, wann, wo bin ich eigentlich?

Anleitung: »Atmen sie einmal ganz aus, ganz wieder ein und dann normal und bequem weiter. Machen Sie sich klar, wer Sie sind: Name, Geschlecht, Alter. Welchen Tag haben wir heute, an welchem Ort bin ich?«
Schon beim 1. Teil dieser Übung wird deutlich, dass es keinen Grund gibt, sich zu ängstigen, die Realitätsprüfung bringt erste Beruhigung.
Der 2. Teil der Übung knüpft dort an: Das Hier und Jetzt ist geklärt – Und was mache ich gerade? Warum sollte ich also Gedanken an … haben? Das gehört nicht in diese Situation.
Wir haben es alle schwer, mit unseren Gedanken bei dem zu bleiben, was wir gerade tun. Wer denkt schon beim Geschirrspülen an Wasser, Geschirr und Spülmittel? Gerade diese einfachen Alltagsdinge sind zum Üben sehr geeignet. Manchmal werden wir ungehalten mit uns selbst, erleben es als Versagen, nicht genau das zu tun, was wir uns vorgenommen haben. Genau an diese Stelle passen zwei Geschichten, die Sie im
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Kap. 6 Komm, ich erzähle Dir eine Geschichte finden, die von der Erleuchtung und die von der liebenden Güte handeln.
Nun folgen noch ein paar weitere Übungen auf dem Weg zur Selbstberuhigung.

Einfachste Atemübung

Atemzüge wahrnehmen, nicht kontrollieren, nicht verändern. Am besten in Gedanken dazu sagen: »Ich atme ein, ich atme aus.« Das beruhigt sehr angespannte und aufgeregte Patienten – und Therapeuten. Beide können die Übung gleichzeitig machen (nur zwei bis fünf Minuten) und tauschen sich hinterher darüber aus. Erst die Patientin, dann der Therapeut – nicht ganz so persönlich, er stellt die veränderten Gefühle in Bezug auf die aktuelle Situation dar – und bittet den Patienten, bei sich den Unterschied wahrzunehmen.

Achtsamkeitsübungen

Unterbrechen Sie »schlecht« laufende Sitzungen mit einer dieser kleinen Übungen und bieten Sie dem Patienten Folgendes an:
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mit voller Aufmerksamkeit eine Kerze anzuzünden
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einen Schluck klares Wasser zu trinken
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einzelne Körperteile zu spüren
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ein im Raum hängendes Bild zu betrachten
Erklären Sie dann das Prinzip der Achtsamkeit als Möglichkeit der Selbstberuhigung.

Übung: Mudra-Gesten

Eine andere Hilfe, die die Patientin dann auch zu Hause anwenden kann, sind Mudras. Das sind verschiedene Gesten mit unterschiedlichsten Bedeutungen. Mud bedeutet im Sanskrit: etwas, das Freude bringt. Mudras haben nicht nur religiöse Bedeutungen, sondern spielen auch eine Rolle in der asiatischen Heilkunst. Hier zwei einfache Beispiele:
1. Die Daumen berühren die Spitze der Ringfinger, das soll das Gefühl von Sicherheit und Stabilität stärken.
2. Die Daumen berühren die Spitze des Mittelfingers, das soll Geduld bringen – manchmal auch gut für Therapeuten. Jeweils ca. 3 Minuten halten.

Übung: Gefühle auflösen

Diese Übung ist aus dem Orangenen Buch (Osho, 2010, S.119ff.). Hier heißt sie Schau in deinen Kopfschmerz hinein und bezieht sich auf die Auflösung körperlicher Schmerzen. Sie ist auch bei der Auflösung seelischer Unbehagen durchaus wirksam. Ich beschreibe diese Variante so:
Gefühle werden einfach wahrgenommen, irgendwo im Körper lokalisiert. Nicht denken, nicht bewerten, nicht analysieren, nur wahrnehmen (und benennen). Nach einer Weile werden sie schwächer, manchmal lösen sie sich sogar auf.
Das Buch bietet noch weitere Übungen, die in der Therapie anwendbar sind, zum Beispiel Oshos Stopp! Meditation (ebd., S. 61). Darin wird der Patient aufgefordert, mindestens sechs Mal am Tag Stopp! zu sagen und eine halbe Minute im Augenblick zu verharren. Sie können diese Übungen in einer Sitzung vorstellen, gemeinsam prakt...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Deus ex Machina – Schnelle Hilfen
  7. 2 Körper und Geist verbinden
  8. 3 Ich denke: So bin ich – und so sollte ich sein
  9. 4 Wollen wir das mal spielen?
  10. 5 In der Sprache des Körpers sprechen
  11. 6 Komm, ich erzähl dir eine Geschichte
  12. 7 Was wäre, wenn… – Gedankenspiele
  13. 8 Seele auf Papier
  14. 9 Alle Wünsche kann man nicht erfüllen – aber viele
  15. 10 Psychoedukation, Humor und Fallen
  16. 11 Rollenverständnis und Rollensicherheit
  17. 12 Anhang
  18. Literatur