1 Einleitung
In diesem Buch wird zunächst der Begriff Entwicklungspsychologie und die Entstehung der Disziplin erläutert. Im Anschluss werden verschiedene Faktoren, welche bei der Entwicklung eines jeden Menschen eine beträchtliche Rolle spielen, dargelegt. Das lebenslange Lernen und konstante Beziehungen sind der Schlüssel für ein gesundes und humanes Leben, daher stütze ich mich auf Erkenntnisse von Psychologen, in deren Theorie die Kognition, also das Denken, und die Gefühlswelt eines Heranwachsenden grundlegend für die Entwicklung sind. So werden Jean Piagets Modell der kognitiven Entwicklung sowie das Stufenmodell der Identitätsbildung nach Erik Erikson als Grundannahme für die menschliche Entwicklung dargestellt. Theorie und Praxis werden in diesem Buch aber nicht strikt voneinander getrennt, im Gegenteil, die Theorien werden anhand kleiner Beispiele veranschaulicht und so verständlicher.
Im weiteren Verlauf stehen grundlegende Entwicklungsschritte im Fokus. Die motorische Entwicklung wird stufenweise als Überblick und zur Orientierung werdender Eltern beschrieben und die Sprachentwicklung ist mit verschiedenen Beispielen, die den jeweiligen Entwicklungsschritt verdeutlichen, aufgeführt. Hier gebe ich Ihnen als Leser immer auch Tipps zur Förderung der Entwicklung Ihres Kindes an die Hand. Die Erziehung eines Kindes ist der Kern der weiterführenden Kapitel. Warum es notwendig ist, was die Aufgaben der Eltern und auch Pädagogen sind und warum Erziehung auch manchmal an ihre Grenzen stößt, wird dort exemplarisch erklärt. Auch mögliches sozial abweichendes Verhalten und eine psychische Erkrankung wie eine Essstörung sind Teil der Darstellung, um unter anderem auch den Einfluss von Medien und die Bedeutsamkeit des sozialen Umfeldes hervorzuheben.
Mit dem Erreichen des Erwachsenenalters hört die Weiterentwicklung eines Menschen jedoch nicht auf. Er steht weiterhin vor verschiedenen Aufgaben, die ihn wachsen lassen, so sind der Eintritt und das Zurechtfinden in der Berufswelt sowie das Eingehen einer festen Partnerschaft Entwicklungsherausforderungen eines jungen Erwachsenen. Dass sich der Mensch ein Leben lang weiterentwickelt und ein unstillbares Streben nach Veränderung besitzt, wird mithilfe der Maslowschen Bedürfnispyramide veranschaulicht. In der Zusammenfassung können Sie die Kernaussagen dieses Buches noch einmal nachlesen.
2 Der Begriff
Entwicklungspsychologie
Die Disziplin der Entwicklungspsychologie entstand erst im 19. Jahrhundert, im Anschluss an die Evolutionstheorie von Charles R. Darwin, denn nach dem Interesse an der biologischen Entwicklung des Menschen folgte nun der Drang, auch die psychologische Komponente des Heranwachsens eines Menschen verstehen zu wollen.
Die Entwicklung eines Individuums erfolgt in der Regel in einer vorherbestimmten Reihenfolge und meint zugleich immer auch Veränderung. So lernt ein Baby beispielsweise erst das Krabbeln, dann eigenständig zu sitzen und zum Schluss das Laufen. Zudem entwickeln sich zuerst die Hände und Finger eines Embryos, bevor die Füße und Zehen vollständig entwickelt sind. Daher kann ein Neugeborenes zuerst greifen, bevor es laufen kann.
Die Psychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten eines Menschen, demnach konzentriert sich die Entwicklungspsychologie auf die Veränderungsprozesse des Erlebens und Verhaltens einer Person im Laufe der Zeit, von der Zeugung bis zum Tod, da es sich um einen andauernden, kontinuierlichen Prozess handelt. In den Fokus der Forschung rücken hierbei die Ursachen sowie die Aufgaben, mit denen das Individuum, abhängig von seiner Entwicklung, konfrontiert wird.
3 Faktoren der
Entwicklung
Unsere eigene Entwicklung, neben “gewöhnlichen” Lernprozessen wie die des Laufen- und Sprechen-Lernens, unterliegt verschiedenen Einflüssen. Vererbung oder Erziehung? Diese Debatte hat sich sehr lange gehalten. Heute gehen die meisten Psychologen davon aus, dass beides eine Rolle spielt. Die Entwicklung und Persönlichkeitsbildung eines Menschen werden sowohl von der genetischen Disposition (Ausstattung), der sogenannten individuellen Anlage, also endogenen, “vorprogrammierten” Faktoren, als auch von direkten und indirekten Umwelteinflüssen, den exogenen Faktoren, beeinflusst. Hier wird zwischen der natürlichen Umwelt, der belebten Natur, der kulturellen Umwelt, der ökonomischen und der sozialen Umwelt unterschieden. Die Natur ist für das Erleben eines Kleinkinds besonders wichtig.
So begreift es zum Beispiel die Fotosynthese, wenn wir Blumen in die Sonne stellen und gießen, ohne zu wissen, dass das so heißt, wenn die Pflanzen so mithilfe von Sonnenlicht und Wasser wachsen. In der freien Natur lernt es weitere verschiedene Arten und Lebewesen kennen. Die kulturelle Umwelt ist von Traditionen geprägt. Feiert die Familie Weihnachten oder fastet sie an Ramadan?
Diese Dinge fließen in die Erziehung mit ein und vermitteln familiäre Werte oder eine gewisse Weltanschauung. Die soziale Umwelt resultiert aus Kontakten zu Freunden, den Geschwistern und anderen Schülern und Lehrern. Die ökonomische Lage der Familie, in der wir heranwachsen, ist von immer höherer Bedeutung. Sind die Eltern in der Lage, die Schulbücher und eventuell Nachhilfestunden zu finanzieren? Wird eine Stärke des Kindes in einer Sportart oder das Interesse in ein Instrument mit Privatstunden gefördert? Und noch simpler: Kann das Kind unbeschwert aufwachsen, sieht die Eltern arbeiten und lernt so, dass Ehrgeiz wichtig ist, um eine Familie zu ernähren oder wird die Kindheit von Geldsorgen der Eltern, fehlender Motivation, die Situation zu verbessern und sich dem Kind zu widmen, oder anderen Schicksalsschlägen wie Krankheiten überschattet? Welche Faktoren eine gesunde Identitätsentwicklung ausmachen, wird im Verlauf dieses Buches noch erläutert.
Doch die Entwicklung eines Menschen wird nicht nur durch die genetische Disposition und von außen erschwert oder begünstigt. Ein weiterer erheblicher Faktor, welcher bereits in der frühen Kindheit greift, ist die aktive Selbststeuerung. Das sind die Kräfte, mit denen das Individuum Entwicklungsprozesse aus dem eigenen Inneren heraus beeinflussen und sogar herbeiführen kann. Daher wird die aktive Selbststeuerung als autogener Faktor bezeichnet. Der Mensch wird in der Psychologie so seit einiger Zeit zunehmend als Mitgestalter seiner Entwicklung betrachtet, also als erkennendes und sich selbst reflektierendes Wesen, das ziel- und zukunftsorientiert handelt. Wichtig ist es jedoch zu betonen, dass keiner der erläuterten Faktoren allein für sich steht, im Gegenteil: Sie beeinflussen sich wechselseitig. Lernt ein Kind im Umgang mit seinen Geschwistern beispielsweise, dem Jüngeren zu helfen, und wird dieses Verhalten gelobt (es erfolgt also eine positive Verstärkung), so ist es wahrscheinlicher, dass es im weiteren sozialen Umfeld, zum Beispiel in der Schule, von sich aus anderen Schülern hilft. So kann es g...