Auf Staat sein Nacken
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Auf Staat sein Nacken

Nimm dir alles, was du kriegen kannst

AK Ausserkontrolle, Josip Radovic

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  1. 224 pages
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Auf Staat sein Nacken

Nimm dir alles, was du kriegen kannst

AK Ausserkontrolle, Josip Radovic

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»Ihr habt mich ausgeschlossen, mir keine Chance gegeben. Also habe ich mir genommen, was ich wollte.«Aufgewachsen als Sohn kurdischer Eltern im Berliner Wedding machte sich AK AusserKontrolle früh mit spektakulären Einbrüchen, Drogendeals und Überfällen einen Namen. Lieferte sich wilde Verfolgungsjagden mit der Polizei. Saß jahrelang im Knast. Doch dann entschied er sich, statt zur Brechstange zum Mikrofon zu greifen – und mit seiner Musik das zu erreichen, was ihm immer verwehrt wurde: Glück und Anerkennung.In seinem Buch erzählt Davut Altundal, wie AK mit bürgerlichem Namen heißt, erstmals von seinem bewegten Leben zwischen Raub, Knast und der ständigen Angst, aus dem eigenen Land abgeschoben zu werden. Außerdem kommen Weggefährten wie Kontra K und Shindy zu Wort und machen klar: Viele Rapper nennen sich Gangstarapper, aber AK AusserKontrolle ist der Einzige, der wirklich erlebt hat, wovon er rappt.Auf Staat sein Nacken ist die Geschichte von AK AusserKontrolle. Eine Geschichte, die krasser ist als jeder Gangsterfilm – weil sie wahr ist.

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Information

Publisher
Riva
Year
2020
ISBN
9783745308754

1. Bandana

Vom Gangster zum Rapper

Wedding, Turiner Straße Ecke Amsterdamer. Internetcafés, Spielos, Dönerbuden. Alles Multikulti. Das komplette Klischee. Es war 2010, Mitte Dezember. Später Nachmittag. Wir waren hier, um das Video zu »Das ist AK« zu drehen. Unser erster richtiger Song. Unser erstes richtiges Musikvideo. Wir waren die Letzten, die am Set erschienen. Fux und ich. Die Jungs warteten schon seit über einer Stunde auf uns. Es fing bereits an zu dämmern. Wir waren spät dran.
»Los«, rief der Kameramann. »Bevor das Licht weg ist.«
Ich hatte schwitzige Hände. Mein Schädel brummte. Ich hatte die ganze Nacht wach gelegen. Kein Auge zugemacht. Ekel­hafte Selbstzweifel hatten mich gequält. Machte ich mich zum Affen, wenn ich mich als Rapper zeigte? Fickte ich mich selbst, wenn mich jeder in dem Video sehen konnte? Alles, was ich mir über die Jahre im Milieu aufgebaut hatte, konnte ich mir mit diesem einen Clip kaputt machen. Mit einer Aktion wäre alles im Arsch. Und ich für immer blamiert.
War es das wert?
Rapper sind Opfer. Waren sie für mich schon immer. Von Anfang an stand fest: Ich werde nie so einer. Jeder, der sich auf der Straße auskannte, wusste: Rapper waren Marionetten. Rapper waren diejenigen, die abdrückten. Die Schutzgeld an die Leute zahlten, die wirklich was zu sagen hatten. Jungs wie ich, die auf andere aufpassten, ihnen Schutz boten, ihr Rücken waren. Aber diese Typen, die Rapper, die dort oben auf der Bühne standen? Das waren Witzfiguren. Ohne Rücken waren die nichts. Als Rapper konntest du dir dein hartes Getue in den Arsch stecken. Deine »Karriere« war lächerlich, darauf gab niemand etwas. Ich nicht, und meine Kumpels, mit denen ich die Überfälle durchzog, noch weniger.
Ich hatte meine Karriere auf der Straße gemacht. Über Jahre hatte ich mir einen Ruf erarbeitet, meinen Status verdient. Die Rapper, die ich kannte, wünschten sich ein Standing, wie ich es besaß. Ich war real, sie waren fake. Sie wollten das Cash, überall erkannt werden, berühmt sein. Das war ihr einziger Antrieb – dieser Promi-Quatsch. Genau darauf hatte ich immer geschissen.
Ich, ein Rapper? Du hättest mich damals nicht krasser beleidigen können. Ich war 19 Jahre alt und hatte meine erste Haftstrafe hinter mir. Sechsundzwanzig Monate hatten sie mir aufgebrummt, zwei Jahre Knast. Es waren mehrere Einbrüche und Raub-Delikte zusammengekommen, für die ich mich verantworten musste. Vorher war ich mal mit Untersuchungshaft, mal mit Bewährung davongekommen, aber irgendwann war das Maß voll, und ich war eingebuchtet worden. Es hatte einfach keine Schlupflöcher mehr gegeben, die ich nutzen konnte.
Nachdem ich den Großteil der Haftstrafe abgesessen hatte, ohne mir was zu Schulden kommen zu lassen, durfte ich ein paar Monate früher raus. Ich chillte mein Leben, schlief jeden Tag aus, hing mit den Jungs ab. Ich verspürte keinen großen Druck, etwas tun zu müssen, erst mal ankommen in der Freiheit, dachte ich, ganz easy.
Mein Bro Deniz rief eines Mittags an, ob wir zusammen was essen gehen wollten, und eine halbe Stunde später stand er auch schon unten im Block. Er war immer mit seinem weinroten Benz unterwegs, ein altes Ding, aber ein echter Hingucker und topp gepflegt. Deniz kümmerte sich mehr um sein Auto als um alles andere, deshalb roch es in dem Wagen auch schlimmer als bei Douglas. Wir fuhren zu Imren Grill in der Müllerstraße, nur ein paar Minuten vom Leopoldplatz. Dürüm, Köfte, Adana Kebab, die stabilsten türkischen Gerichte und die heftigste Sesamsauce überhaupt. Ich hatte Bock auf Fasulye, eine traditionelle Bohnensuppe, Deniz bestellte Köfte. Und dann, wie es das Schicksal wollte, kam Hassan durch die Tür.
»Habibi!«
»Hassan, Bro! Was geht? Lebst du noch?«
»Safe, Bruder! Bist du wieder draußen? Haft ist rum, wa?«
»Ja, safe, Bruderherz. Endlich vorbei und wieder zurück im Kiez. Aber hier hat sich nicht viel verändert. Du siehst aus wie immer, Bruder.«
Hassan war ein dunkler Typ. Pechschwarze kurze Haare, Seiten auf null, Vollbart. Der übliche Südländer-Film. Bei uns im Wedding sah gefühlt jeder Zweite so aus, egal ob Libanese, Türke, Kurde oder Jugo. Er war seit jeher dünn und schlaksig. Egal welchen Pulli er trug, er schien immer drei Nummern zu groß zu sein. Seine Hosen wirkten wie Baggys, auch wenn es normale Levi’s 501 waren. Ich kannte Hassan seit frühester Jugend, hatte aber nie wirklich viel mit ihm zu tun gehabt. Er war einfach immer da und irgendwie sympathisch. Bis heute habe ich keine Ahnung, was der Typ eigentlich macht, wie er sein Geld verdient, aber irgendwie schlägt er sich wohl durch.
»Lass mal wieder chillen, Bro. Du hast safe ein paar geile Stories aus dem Knast zu erzählen.«
»Eigentlich gar nicht, Dikka. Totlangweilig da, ohne Witz. Aber lass chillen und einen buffen.«
Hassan erzählte, dass er seit ein paar Monaten eine kleine Wohnung hätte und ich einfach vorbeikommen sollte. Ich nahm das Angebot gern an, weil es immer entspannter war, bei jemandem zu Hause zu chillen, als irgendwo draußen im Park mit den Jungs auf Krampf. Wir tauschten Nummern aus, Deniz und ich nahmen unser Essen mit, verabschiedeten uns von Hassan und verschwanden aus dem Laden.
Abends schrieb ich Hassan direkt eine Nachricht und kündigte mich für den nächsten Nachmittag bei ihm an. Ich hatte ohnehin nichts zu tun.
Am nächsten Tag lief ich nachmittags über die Amsterdamer Straße zu Fuß zu ihm und hatte ein paar Gramm Gras dabei. Er wohnte in einem abgefuckten Altbau in einer Seitenstraße der Amsterdamer. Von draußen sah das Haus aus, als wäre es von Besetzern eingenommen worden. Die Fassade bröckelte, die Fenster waren 100 Jahre alt. Im Treppenhaus fiel der Putz von den Wänden, von der Decke hingen irgendwelche Kabel, richtiges Absturzgebäude. Seine kleine Wohnung dagegen war voll okay. Die klassische Einmannbude. Alles auf den fetten Fernseher ausgerichtet, vor dem eine PlayStation stand. Wir drehten uns zwei Joints ohne viel zu quatschen, und Hassan holte seinen Laptop aus dem Rucksack, noch bevor wir den ersten Zug genommen hatten.
»Feierst du Rap, Bruderherz?«
»Gar nicht, Bro. Warum?«
»Dein Ernst? Rappen ist beste, Bruder. Wenn man Talent hat, kann man mies Cash machen und sich was aufbauen. Ich habe mir ein Programm auf meinen Laptop gezogen, mit dem ich Beats selbst machen kann. Dann schreib ich meinen Text und kann mich mit dem Equipment easy aufnehmen. Ich kann alles selbst machen, keine große Sache, Bro.«
»Lass stecken, Dikka. Ich mach mein Ding, rappen ist nichts für mich.«
Er klappte seinen Laptop auf und ließ Musik laufen. Die Biggie- und Tupac-Songs, die in seiner Playlist in den folgenden Stunden regelmäßig zu hören waren, kannte ich noch, der Rest war mir fremd. Hassan chillte sich in den Sessel und versank in seinen Gedanken. Ich döste vor mich hin und merkte, wie er immer wieder aufstand und anfing, ein paar Zeilen zu rappen, so als wäre ich gar nicht da. Er nahm den Flow des Songs auf, der gerade lief, und quatschte einfach auf Deutsch drauflos. Er nahm ganz simple Doppelreime, Haus auf Maus, machen auf lachen, diese Filme. Dabei fuchtelte er auf krass mit seinen Armen, wie man es von den Ami-Rappern aus den Videos kannte.
Ich nahm ihn nicht ernst, aber ließ ihn machen. Ich wollte ihn nicht rasieren, weil ich merkte, dass er sich richtig reinsteigerte. Er glaubte wirklich, er könnte ein mieser Rapper werden und Cash machen.
Hassan war nicht so hardcore unterwegs wie ich. Er hatte nichts am Hut mit Scheiße bauen oder kriminellen Dingen. Er hat bloß immer viel gekifft. Hassan war einer, der über den Tag verteilt ständig chillen musste, um klarzukommen. Und wenn er nicht chillte, dann war Rap genau sein Ding. Er rappte auf Deutsch, was ich anfangs echt seltsam fand. Rap kannte ich eigentlich nur auf Englisch, dementsprechend verstand ich nie, was die Rapper da von sich gaben. Aber ich war eh nicht der Typ, der sich in die Texte anderer, zumal in einer fremden Sprache, reinsteigerte. Leute, die das taten, die ständig in der Welt dieser Musiker lebten, waren für mich Opfer. Ich war lieber auf der Straße.
Damals war die Straße mein Internet. Im Vergleich zu heute war das eine umgekehrte Welt. Heute kann man sich zu Hause den Laptop in den Schoß legen und die Welt digital ins Haus holen. Man kriegt alles mit und muss dafür nicht mal aus der Tür. Das war anders, als ich ein Teenager war. Wir hatten einen Fernseher in der Wohnung, und das war’s. Man konnte sich das TV-Programm reinziehen und mehr nicht. Wenn man was erleben wollte, musste man raus auf die Straße, da war die Action. Und in meinem Kiez, im Wedding, da war jeden Tag was los. Die Kids spielten Fußball in den Käfigen, die Jugendlichen zockten in den Wettbüros, die alten Typen spielen Tavla auf den Parkbänken, und wer sich auskannte, bekam an bestimmten Ecken sein Dope. Wenn man die Müllerstraße ein paar Schritte hinablief, hörte man ständig eine andere Sprache. Deutsch, Türkisch, Kurdisch, Arabisch oder eine afrikanische Sprache. Es gab Dutzende klassische und Schnellrestaurants. Der Duft von gegrilltem Fleisch und südländischen Gewürzen hing ständig in der Luft, man kriegte automatisch Hunger, wenn man dort herumlungerte.
Als Elfjähriger ging ich manchmal auch ins Jugendzentrum, um mich mit den anderen zu treffen und zu chillen. Und weil sich dort alle in irgendeiner Art für Hip-Hop interessierten, setzte auch ich mich gezwungenermaßen mit der Musik auseinander. Die etwas älteren Jungs dort ermutigten uns mit dem Breakdancen anzufangen, was ein wichtiger Teil der HipHop-Kultur war. Wieder andere waren Sprayer und hatten ständig eine Dose in der Hand, um das nächste Graffiti zu sprühen. Ich verstand schon, was diese Kultur ausmachte – aber ich selbst war nicht wirklich ein Teil davon. Ab und zu versuchte ich ein paar Dinge beim Breakdance. Man war eben ein heftiger Playboy, wenn man ein geile Sachen konnte wie den Helikopter. Das war eigentlich Standard, dass man das draufhatte, und nachdem ich es ein paarmal versucht und ein wenig trainiert hatte, war die Übung auch kein großes Problem mehr. Aber wirklich interessiert hat mich das nicht. Ich hätte niemals gedacht, dass ich eines Tages als Rapper eine Karriere starten würde.
Und dann lief mir Jahre später Hassan über den Weg, und ich landete wieder in dieser komischen Hip-Hop-Welt. Durch ihn checkte ich nach und nach, worum es eigentlich ging. Man versuchte im Hip-Hop eine Message zu vermitteln. Du erzählst, was du machst, denkst und erlebst. Du erzählst über deine Ziele, Träume, Erfahrungen. Du verpackst dein Leben in deine Sprache, rapst in deinem Flow und auf deinem eigenen Beat.
Aber Hassan rappte nur den üblichen Quatsch: Weiber und Kiffen, das waren seine Themen, da kam auch nicht viel mehr. Ich ließ ihn machen, weil ich gern zum Chillen in seine Wohnung kam, aber ich war nicht der Meinung, dass mir diese Musik mal irgendwas geben würde.
Seit 2007 kannte ich einen Typen namens Fux. Ich sah ihn immer wieder,...

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