Kinderjahre Kaiser Karls
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Kinderjahre Kaiser Karls

Aus unveröffentlichten Tagebüchern seines Großvaters

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Kinderjahre Kaiser Karls

Aus unveröffentlichten Tagebüchern seines Großvaters

About this book

"Ich sah den so netten theuren Enkel an - ein hübsches kräftiges Kind!", schrieb Erzherzog Carl Ludwig, Bruder Kaiser Franz Josephs, nach der Geburt seines ersten und lange Zeit einzigen Enkels in sein Tagebuch. Der kleine Carl, spätere Kaiser Karl, kam im August 1887 auf Schloss Persenbeug zur Welt. Im Tagebuch seines Großvaters, das den ganz privaten Alltag der österreichischen Kaiserfamilie dokumentiert, ist von vielen Emotionen zu lesen, von der Glückseligkeit, ein Lächeln des Babys zu erhaschen, ihm beim Großwerden zuzusehen, aber auch vom normalen Alltag einer Familie, die vier Thronfolger und zwei Kaiser hervorbrachte, zwischen Schlössern und Palästen pendelte und deren nächste Verwandte die Kaiser und Könige Europas waren. Kaiser Franz Joseph tritt als (über)großer, aber auch als sorgender Bruder auf, Kaiserin Elisabeth eigentlich gar nicht, und als besondere Überraschung häufig beider Sohn Kronprinz Rudolf. Er stand seinem Onkel Carl Ludwig sehr nahe und ebenso seinem Cousin Otto, dem Vater des nachmaligen Kaisers Karl.

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Information

Year
2014
eBook ISBN
9783902862990
Edition
1

Die Tagebucheintragungen
Erzherzog Carl Ludwigs (1887–1896)

Zu den großen Glücksmomenten eines Kulturhistorikers gehört es, nie gesichtete Privatkorrespondenzen und Tagebücher zu finden und Einblick nehmen zu können, umso mehr, wenn das Verfasste reichhaltig ist und von einer bekannten Persönlichkeit stammt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Tagebücher Erzherzog Carl Ludwigs, des zweitältesten Bruders Kaiser Franz Josephs. Zwischen ihm und dem Kaiser hatte es noch einen Bruder gegeben, der als Erzherzog Ferdinand Maximilian genannt und in der Familie Maxi und später Max gerufen wurde. Im Jahr 1864 verließ er Österreich, um als Kaiser Maximilian die Herrschaft von Mexiko anzutreten. Dieses Vorhaben, das von Anfang an unter keinem guten Stern stand, endete nur wenig später tragisch. Maximilian wurde im Juni 1867 in Querétaro in Mexiko erschossen.
Rangmäßig folgte Kaiser Franz Joseph sein Sohn Kronprinz Rudolf, der 1858 geboren wurde. Als Rudolf im Januar 1889 Selbstmord beging, übernahm Erzherzog Carl Ludwig, der Tagebuchschreiber, die Stelle des ersten Vertreters des Kaisers. Ihm folgten seine beiden ältesten Söhne Franz Ferdinand, der spätere Thronfolger, und Otto, der Vater des nachmaligen Kaisers Karl.
Da dieser Band der Kindheit Kaiser Karls im engsten und privatesten Familienkreis gewidmet ist, habe ich die Eintragungen seines Großvaters von der Zeit seiner Geburt im August 1887 bis zum Mai des Jahres 1896 herangezogen, als Erzherzog Carl Ludwig an den Folgen einer Infektion starb. Die täglichen Aufzeichnungen erlauben einen Einblick in den Tagesablauf der Familie, aber auch aktuelle tagespolitische und historische Ereignisse. Natürlich findet man in den Eintragungen viel Privates, vor allem wenn wie im August 1887 ein großes familiäres Ereignis, die Geburt des ersten Enkels, bevorstand. Das werdende Elternpaar Mitzi und Otto verbrachte die Zeit davor in Niederösterreich, in Schloss Persenbeug an der Donau, das ihnen der Vater respektive Schwiegervater als Familienresidenz geschenkt hatte.
Erzherzogin Marie Theresia, die Ehefrau Erzherzog Carl Ludwigs, zog ein paar Wochen vor der Geburt ebenfalls dorthin, um der Schwangeren nahe zu sein und im Notfall helfen zu können. Entbindungen waren über die Jahrhunderte fast immer Frauensache, sie wurden von Hebammen und von weiblichen Verwandten begleitet, die Kinder geboren hatten. Marie Theresia war eine der begehrtesten Pflegerinnen der Familie, weshalb es logisch war, dass sie in den letzten Wochen der Schwangerschaft die Aufsicht im Haushalt der Gebärenden übernahm. Ein Arzt war ebenfalls ständig im Haus. Er überwachte den Gesundheitszustand der Schwangeren und sollte, was damals noch gar nicht so üblich war, bei der Geburt dabei sein.
Der sehr aufgeregte werdende Großvater hielt sich inzwischen im unweit davon entfernten Schloss Artstetten auf, das ihm gehörte und das er später seinem ältesten Sohn Franz Ferdinand schenkte. Dass er nicht mit seiner Frau, seinem Sohn und der Schwiegertochter in Schloss Persenbeug wohnte, hängt damit zusammen, dass er eine Magen-Darm-Grippe auskurierte, und wohl auch damit, dass er mit seiner steigenden Nervosität niemanden zusätzlich belasten wollte. Aber er war selbstverständlich in die Vorbereitungsarbeiten miteingebunden. Er holte Anfang August den anreisenden Arzt von der Schiffsanlegestation ab und sorgte ein paar Tage für dessen Unterhaltung.
4.8.1887 »9 Uhr wachte ich auf, läutete, ließ mich wieder einreiben, trank das Ofener Bitterwasser (Maßnahmen gegen die Krankheit) u. frühstückte noch im Bett; las auch im Bett, stand erst 11 Uhr auf, las Acten u. Schriften vom Rothen Kreuz (dessen Protektor er war), sah dazwischen den Förster Hauzer. Nach 3 Uhr speiste ich, las dazwischen Zeitungen, schönes Wetter, warm, nach ¾ 5 Uhr ging ich in steyrischen Kleidern, kurzen Hosen, von einem Schneider von Artstetten gefertigt, nach (unleserlich) Fußwege und Feldwege durch Felder, längs derselben u. auf Wiesen, auch durch Wald theilweise, sehr hübscher Spaziergang … die Wiese hinab, die gegen Weidenach führt, am Fuß dieser Anhöhe war der Artstettner Wagen, der mich da erwartete. Von dort fuhr ich durch Weidenach, längs der Donau dann durch Ebersdorf; außer Kleinpöchlarn, wo ich einen Wagen fand, der bestimmt war dem Professor Weihs (dem Arzt, der die Schwangere betreuen sollte), der später erwartet war, nach Artstetten heraufzubringen. Kutscher Schrammel sagte mir, daß Weihs mit einem früheren Zug kommen werde; er kam von Amstetten aus, von Graz durch das Gesäuse gereist, nicht von Wien, wie ich ursprünglich glaubte. Ich setzte mich in meinen Wagen u. fuhr an den Landungsplatz. Dort kurz gewartet; da kam Weihs im Boot herüber; ich fuhr mit ihm nach Hause bei zwielichtem Abend; nach ¾ 8 Uhr waren wir da; nach ½ 9 Uhr soupirte ich mit ihm in der Bibliothek; nach ½ 12 Uhr schlafen gegangen
Zwischen Alltäglichem – dem Aufstehen, Bemerkungen zur Kur gegen die Darmgrippe und dem Erledigen täglicher Arbeiten – stechen in dieser Eintragung am Anfang zwei Wörter hervor: die steyrischen Kleider, ein Trachten-Ensemble mit knielanger Lederhose, das Erzherzog Carl Ludwig beim Spaziergang trug. Das Bemerkenswerte daran ist, dass er und seine Brüder im Unterschied zu Kaiser Franz Joseph eigentlich nie Trachtenkleidung trugen. Ich meine, in den Tagebüchern des Erzherzogs insgesamt nur zweimal darüber gelesen zu haben. Kaiser Franz Joseph liebte Lederhose und Trachtenjanker, die er immer anzog, wenn er zur Jagd ging. Aristokraten und Großbürger übernahmen flugs diesen Brauch, wohl weil ihn der Kaiser eingeführt hatte. Erzherzog Carl Ludwig und seine Brüder trugen sie kaum und waren auch keine begeisterten Jäger. Umso mehr stellte es eine Sensation dar, diese Hose im Sommer anzuziehen, vor allem deshalb, weil sie kurz war.
5.8.1887 »Wieder erst 9 Uhr aufgewacht (das war ein Vorwurf gegen sich selbst, da er sonst sehr früh aufstand, die Krankheit ihn aber länger im Bett hielt), geläutet, gerieben worden, wieder Bitterwasser getrunken, wieder im Bett gefrühstückt, da gelesen ein Buch und dann auch Acten, nach ½ 11 Uhr war ich aufgestanden, wieder sehr schönes Wetter, wieder Hauzer gesehen; ging auch vor 12 Uhr zum Professor Weihs, der ebenerdig wohnt, wo in früheren Jahren Mali Taaffe wohnte. Er war schon zeitlich früh auf gewesen, hatte an Correcturen der neuen Auflage seines …ichten Werkes gearbeitet; ich las dann noch Acten, auch andere Schriften. Nach ¼ 8 Uhr kam Gf Franz Falkenhayn (damaliger Präsident des Roten Kreuzes) hierher gefahren. Ich hatte ihn telegraphisch gebethen, hierher zu kommen, weil ich mit ihm in Rothe Kreuz-Angelegenheiten zu sprechen hatte. Er kam von seinem Schloß Walpersdorf bei Herzogenburg. Er war bis zum diner bei mir im Schreibzimmer. Nach ¾ 4 Uhr speiste ich mit ihm, u. mit Weihs im Speisezimmer ebener Erde. Ich hatte inzwischen Falkenhayn noch vor Tisch mehrere Räume des Schlosses gezeigt. Nach Tisch gingen wir zusammen, ich u. Gf Falkenhayn, auch etwas Professor Weihs mit, im Garten herum, um dem Grafen diesen zu zeigen. ¾ 6 Uhr fuhr Falkenhayn wieder fort, um den nächsten Zug zur Rückkehr zu erreichen. Ich ging darauf mit Weihs zu Fuß durch den Ort Artstetten, (zwei Worte unleserlich) dann rechts den Weg durch die Wiesen theilweise durch den Wald, so schön, wie im Park. Es gefiel dem Weihs auch sehr gut. So kamen wir hinab nach Klein-Pöchlarn, wo die Straße nach Artstetten herauf führt, gingen auch zu Fuß diese Straße hinauf, dann oben, wo dieselbe ist, rechts ab den Weg durch die Wiese nach Hause. Nach 9 Uhr mit Weihs soupirt im Speisezimmer ebener Erde, die Zeitungen gelesen, spät zum Schlafen gekommen.«
6.8.1887 »½ 9 Uhr aufgewacht, geläutet. Nach ¼ 10 Uhr aufgestanden, bald darauf gefrühstückt. Ich las darauf Acten unten im Speisezimmer u. schrieb da der Miana (der zweitältesten Tochter, die in Wien geblieben war) einen längeren Brief. Nach 12 Uhr fuhr ich mit Professor Weihs in einem Wagen nach Persenbeug, nachdem ich schon früher Vormittag bei ihm war. Otto kam uns die Stiege in den Schloßhof entgegen, darauf auch MTh (seine Frau Marie Theresia), u. oben auf der Stiege sahen wir Mitzi. Otto führte den Weihs herum, um ihm die Räume des Schlosses zu zeigen. Ich ging zu Mitzi, setzte mich früher in ihr Schlafzimmer, während sie sich auf die chaise longue (französisch: »langer Stuhl«; Fauteuil mit Verlängerung der Sitzfläche nach vorne als Auflage für die Beine) legte u. häkelte. Otto kam auch währenddem kurz herein. Nach 2 Uhr aßen wir alle zusammen mit Weihs, wie gewöhnlich im großen Speisezimmer. Darauf, nach dem diner noch längere Zeit beisammen. MTh ging dann auch mit Weihs auf u. ab auf der Terrasse bei der Einfahrt. Vorher war ich noch mit MTh zusammen, während Otto noch etwas im Schloß dem Weihs zeigte. Endlich ging ich mit Otto nach einem Punkt außer der Schloßterrasse, wo Aussicht gegen die Donau ist, u. wo er begann eine Ziegelmauer aufzuführen (aufzubauen) … dazu die Fundamente gemacht, das soll ein pavillon da werden. Ich blieb da einige Zeit. MTh u. Weihs kamen auch dahin, endlich auch Mitzi. Ich ging dann etwas mit Weihs noch im Schloß herum, zeigte ihm die Capelle vom Oratorium aus u. die Küche. Nach ¼ 9 Uhr fuhr ich mit Weihs nach Hause zurück, nachdem wir uns früher von MTh u. Ottos (ein männlicher Vorname mit angehängtem Mehrzahl-S bedeutete in der Familiensprache ein Ehepaar, aber auch Eltern mit ihren Kindern) verabschiedet hatten. Nach ½ 10 Uhr zu Hause, wieder wunderschöner Abend. Wir soupirten, wie gestern, ich las Zeitungen u. Conversation mit Weihs. Nach ½ 12 Uhr schlafen gegangen
In diesem Sinn ging es in den folgenden Tagen weiter. Erzherzog Carl Ludwig und der Arzt pendelten täglich zwischen Schloss Artstetten und Schloss Persenbeug, bis Mitte August die Geburt des Enkels näher rückte und alle nach Schloss Persenbeug übersiedelten. Eine bevorstehende Geburt stellte ein kritisches Ereignis dar, da im 19. Jahrhundert die Mütter- und die Säuglingssterblichkeit noch sehr hoch waren. An den Ahnentafeln kann man ablesen, wie viele Mütter und Säuglinge damals bei oder kurz nach der Geburt starben.
15.8.1887: »(Ich ging von meinem Zimmer in Schloss Persenbeug) zu Otto; saß bei ihm, als er sich den Körper wusch … Mitzi hatte plötzlich Wehen. Ich blieb mit Otto in MThs Salon; er war früher bei Mitzi. MTh, Otto u. ich waren dann bei Mitzi in ihrem Schlafzimmer, Otto spielte etwas Zither währenddem, dann gingen wir in den Garten … Mitzi saß meistens, Otto spielte viel mit den Hunden. Als es zu dunkeln begann, gingen wir wieder ins Schloß hinauf. Vor dem Segen (in der Kirche), der nach 8 Uhr war, sprach noch Braun (ein anderer Arzt, der die Schwangere betreute) mit Mitzi, u. gab ihr Rathschläge wegen der Nacht
16.8.1887 »Ich las Acten in meinem Zimmer, ich dann in das Schlafzimmer von Mitzi, wo auch MTh saß u. las. Mitzi hatte einen französischen Roman … aus der Bibliothek der Großmama heute zu lesen begonnen; ich setzte da fort, wo sie zu lesen aufhörte u. las ihr einige Zeit vor. Nach 8 Uhr soupirten wir noch zusammen, bald darauf Mitzi sich gelegt … zeitig zu Bett, ich auch, noch etwas gelesen. Mitzi hatte auch Abends Wehen, sie ist bewunderungswürdig geduldig. Ich wachte ein paar Male in der Nacht auf aufgrund der Erwartung … Nach ¾ 6 Uhr stand ich auf, zog mich an, wusch mich; Otto machte das auch, (ich) schlief dann weiter … Ich sprach mit Hofrath Braun zu wiederholten Malen, war bei MTh unten, sah sie vor dem Zimmer der Mitzi, schrieb dem Kaiser zum Geburtstag (für den 18. August), frühstückte vorher, sah den Verwalter, auch meinen Kutscher … Mitzi hat ruhig geschlafen; die Wehen haben etwas ausgesetzt, sie badete heute früh …«
Am 17.8.1887 setzten die Wehen morgens wieder ein. »Ich sah Otto, der … frühstückte, sprach mit ihm, dann wieder zu Mitzi … In dem Schreibzimmer des Kaisers Franz (seines Großvaters und Vorbesitzers von Schloss Persenbeug) las ich Acten u. im Buch Der Character. Nach ¾ 10 Uhr kam MTh hereingestürzt aus Mitzis Schlafzimmer. Es ist ein Bub! Sie selbst sehr emotionirt (gerührt), mit Thränen in den Augen. Ich war auch so sehr bewegt u. ging mit ihr gleich hinein zu Mitzi, es war dort schon Otto. Mitzi konnte ich nicht umarmen, weil Braun noch mit ihr beschäftigt war; Mitzi war sehr geröthet u. aufgedunsen von der Anstrengung. Es war eine schwere Geburt, zuletzt mit der Zange mußte das Kind genommen werden. Der Kopf vom kleinen Carl gab nicht nach, u. die Nabelschnur war auch schon um den Hals, so daß er fast erstickte … Mitzi war, wie ich dann hörte, so standhaft, kein Wehklagen, kein Seufzen u. kein Schrei, u. sie hat sehr viel gelitten. MTh soll ihr aber auch, wie Braun sagte, so gut beigestanden haben mit so viel Ausdauer u. Kraft. Die liebe Gute! Ich sah den so netten theuren Enkel an – ein hübsches kräftiges Kind! Nach einiger Zeit ging ich weg mit Otto, der auch sehr ergriffen war … Bei Regen vor dem Segen nach 8 Uhr fuhr ich mit Otto … durch den Ort bis zum Gasthaus J. … um die Beleuchtung anzusehen, die zur Niederkunft u. Geburt des Kleinen … warEinen Tag später: »Ich sah den Kleinen das erste Mal bei der Amme trinken …« Dass man für Carl eine Amme genommen hatte, war damals in oberen Gesellschaftsschichten üblich. Es gab aber auch Frauen wie Erzherzogin Sophie, die Mutter des Kaisers und Erzherzog Carl Ludwigs, die sich dieser Regel widersetzten und ihre Babys selbst stillten. Ungewöhnlich ist die Bemerkung allerdings aus einem anderen Grund. Erzherzog Carl Ludwig scheint zugesehen zu haben, als die Amme den einen Tag alten Enkel stillte. In einer Zeit, als Männer und Frauen ihren Alltag völlig nach Geschlechtern getrennt lebten, ist es verwunderlich, dass ein Mann das durfte.
Am 19.8.1887, zwei Tage nach der Geburt des kleinen Carl, wurde die Mutter gefeiert. Es gehörte zu den Bräuchen der Zeit, dass man sich bei der Frau bedankte, die einem Kind das Leben geschenkt hatte und damit den Fortbestand der Familie sicherte. »Otto frühstückte bei mir oben, übergab der Mitzi einen Taufschmuck; zwey Perlenbraceletts mit Miniaturportraits meines Großvaters des Kaiser’s Franz u. des Erzherzog’s Carl, seines Bruders … MTh gab ihr einen sehr schönen Ring mit einem Rubin u. einem Diamant … Von Ludwig (seinem Bruder Erzherzog Ludwig Victor) erhielt Mitzi eine sehr schöne Diamanten broche (Brosche) …«
Am selben Vormittag trafen in Schloss Persenbeug Verwandte und Hofleute aus Wien ein, denn auch das Baby wurde an diesem Tag gefeiert und in die katholische Gemeinde aufgenommen. »Nach ¾ 12 Uhr waren wir alle zur Taufe versammelt; diese war im großen Saal. Bischof Binder von St. Pölten taufte. Ich, der Taufpathe, war rechts vom Altar, vor einem Bethschemel, MTh links von demselben, hinter mir die Kinder u. Ludwig, hinter MTh die Damen; die Herren, Gf Pejacevich war auch gekommen, rückwärts, auch die Dienerschaft. Der Kleine bekam die Namen Carl Franz Joseph Hubert Otto Ludwig Georg Maria. Er schrie, als das Taufwasser, Jordanwasser9, das ich mitbrachte …« über seinen Kopf gegossen wurde.
Nach der Taufe übersiedelte Erzherzog Carl Ludwig mit vier Kindern – Ferdinand10 (19 Jahre), Margarethe (17 Jahre), Miana (11 Jahre) und Elisabeth (9 Jahre) –, die mit Gefolgsleuten aus Wien angereist waren, in das nahe gelegene Schloss Artstetten. Seine Ehefrau blieb bei der Wöchnerin. Nur einen Tag später erreichte Carl Ludwig eine beunruhigende Nachricht. Marie Theresia »schrieb mir, daß Mitzi unwohl sei, wohl Kindbettfieber … sie wünschte, daß ich heute nach Persenbeug käme …« Der Zustand der jungen Mutter hatte sich plötzlich derart verschlechtert, dass man sogar die Familie Marie Josephas benachrichtigte. Kindbettfieber war sehr häufig und da...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Zu dieser Ausgabe
  6. Zur Einführung
  7. Die Tagebucheintragungen Erzherzog Carl Ludwigs (1887–1896)
  8. Anmerkungen
  9. Literaturverzeichnis
  10. Stammtafeln
  11. Personen- und Ortsregister