Debussy: Brücke zur Moderne
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Debussy: Brücke zur Moderne

Einflüsse und Annäherungen

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Debussy: Brücke zur Moderne

Einflüsse und Annäherungen

About this book

Claude Debussy, diesen Namen verbindet man heute immer noch mit dem musikalischen Impressionismus. Er hat sich gegen diese Zuordnung gewehrt, und tatsächlich ist er weit mehr als das, denn seine Musik bildet eine Brücke von der Spätromantik bis hin zur Moderne.Was hat ihn bewegt, die Musik zu revolutionieren? Welche Einflüsse haben auf sein Schaffen gewirkt?Auf diese Fragen möchte ich Antworten finden. So gilt es zu klären, ob tatsächlich die auf den Weltausstellungen erlebte asiatische Musik einen Einfluss hatte, oder inwiefern seine Zeitgenossen ihn beeindrucken konnten. Aber auch die Zeit der Jahrhundertwende mit ihren radikalen technischen und sozialen Umwälzungen soll hier dargestellt werden, um Debussy etwas gerechter zu werden, als Wegbereiter der Moderne und Erneuerer der Musik.

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Information




Debussy


Brücke zur Moderne

Einflüsse und Annäherungen







von

Ingo Stoevesandt






1. Vorwort

„Einflüsse und Annäherungen fernöstlich asiatischer Musik im Klavierwerk von Claude Debussy“ - so lautete 2001 der etwas sperrige Titel meiner Diplomarbeit. Schon immer hat mich, vor allem als Pianist, die Musik von Debussy fasziniert, und da mich die traditionelle Musik Südostasiens ebenfalls schon lange begeistert, wollte ich damals untersuchen, welchen Einfluß die von Debussy auf den Weltausstellungen erlebte asiatische Musik auf sein musikalisches Schaffen hatte.

Heute, mehr als zwanzig Jahre später, hat sich nicht nur mein Wissen um die asiatischen Musiktraditionen erweitert, auch Debussy und seine Zeit haben mich stets weiter begleitet.

Die Diplomarbeit hat als musiktheoretische Abhandlung den Fokus auf die Analyse des Klavierwerks gelegt, inzwischen hat sich meine Perspektive jedoch noch etwas erweitert.

Sucht man nach Büchern zu Debussy und seiner Musik, finden sich neben den obligatorischen Biografien vor allem solche analytischen Behandlungen seiner Musik. Oft wird darin von seiner Suche nach einer neuen Harmonik oder einer neuen „Ästhetik“ gesprochen, in meinen Augen wird jedoch ein sehr wichtiger und zentraler Aspekt dabei vernachlässigt:

Debussy war ein aufmerksamer Beobachter der Umbrüche seiner Zeit und Umgebung. Alles um ihn herum war geprägt von einem neuen „Zeitgeist“. In den Alltag der Menschen brachen neue technische Entwicklungen ein, Elektrizität, Automobile, Telegrafie und später das Telefon, das Radio, Fotografie und später der Film und Kinos veränderten in rasantem Tempo das tägliche Leben der Menschen.
Die Welt rückte zusammen, ferne Welten wurden per Schiff, Flugzeug und Eisenbahn erreichbar, was nicht nur zum Kolonialismus in Asien oder Südamerika, sondern auch zur Migrationswelle von Europa nach Amerika führte.

Es war also eine Zeit der Umbrüche, geprägt von dem Gefühl des Wandels, von einem Aufbruch in eine neue, bessere Zeit.

Debussy hat diesen Wandel erlebt, und hat ihn auch auf die Musik übertragen. Mit seinen Zeitgenossen suchte er nach Wegen, sich von den empfundenen Fesseln der Spätromantik zu befreien, doch während in anderen Disziplinen schon bald der Begriff des „Impressionismus“ als neue Kategorie der Ästhetik etabliert wurde, ließ und lässt sich Debussy nicht fest darin verorten, hat er sich doch sogar gegen die Bezeichnung als „Impressionist“ gewehrt.

Dabei ist das Label „Impressionismus“ in der Musik heute fest mit seinem Namen verwoben. Der „Leisetöner“ mit seinen „schwebenden Nebelklängen“ ist jedoch weit mehr als das.

Seine klangliche Ästhetik war nicht nur Wegbereiter für den Jazz oder die Filmmusik, seine spezielle Harmonik und emanzipatorische Behandlung der Dissonanz war auch grundlegend für die Entwicklung der sog. „neuen Musik“.

Zuerst möchte ich im folgenden Kapitel versuchen, dieser Entwicklung zum „Erneuerer der Musik“ chronologisch anhand seines Lebenslaufes zu folgen. In dem Kapitel danach soll es dann um sein soziales Umfeld, die Musik seiner Zeitgenossen und die alltägliche Welt in Paris zur Zeit der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg gehen.
Natürlich soll auch der mögliche Einfluß der asiatischen Musik auf sein Schaffen noch einmal gründlich beleuchtet werden, und schließlich muss sein Schaffen für das Klavier gesondert betrachtet werden, da sich hier in komprimierter Form seine musikalische Entwicklung besonders gut verfolgen lässt.

Insgesamt hoffe ich, mit dem vorliegenden Buch Debussy von dem „Label“ als Vertreter des musikalischen Impressionismus zu befreien, denn er war weitaus mehr als „der Impressionist“.

Sein Interesse für die zusammen wachsende Welt mit ihren „fremden“ Musiktraditionen, aber auch sein Interesse an den künstlerischen Strömungen seiner Zeit in Literatur, Malerei, darstellender Kunst, Tanz, und Plastik bis hin zur sich neu strukturierenden Philosophie und einem sich ebenso neu formenden Weltbild, haben sich stets in seiner Musik wieder gefunden und sein Schaffen beeinflußt.

Seine Werke haben viele Komponisten weltweit beeindruckt und bis heute beeinflußt. Seine neue Harmonik und Rhythmik war nicht nur Wegbereiter der Filmmusik und des Jazz, sondern auch der Atonalität und der sogenannten „Neuen Musik“.

So bildet seine Musik eine Brücke zur Moderne, sein Leben führt nicht nur musikalisch von der gefeierten Virtuosität der Spätromantik zu einer Emanzipation des Klangs außerhalb der strengen Formeln.

Passend zu der Empfindung der „schönen neuen Welt“ am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt Debussy die dazu passende Musik, und leitet damit das moderne Zeitalter ein.

2.1 Kindheit und musikalisches Umfeld

Achille Claude Debussy wurde am 22. August 1862 in Saint Germain-en-Laye geboren. Seine Eltern, Manuel-Achille und Victorine Josephine Debussy hatten in der Rue au Pain 38 einen Steingut – und Porzellanladen. Im Gegensatz zu anderen großen Komponisten stammte Debussy also nicht aus einer Musikerfamilie, sondern aus dem Milieu der Geschäftsleute.

Er hatte vier jüngere Geschwister, die von der Schwester des Vaters erzogen wurden. Achille Claude wurde nur von seiner strengen Mutter erzogen, sie brachte ihm das Lesen und Schreiben bei, eine Schule hatte er nie besucht. Sein Vater nahm ihn zum Theater und zur Operette mit, in die Erziehung seines Sohnes wagte er sich jedoch nicht einzumischen.

Oft war er im Hause seiner Tante Octavie de La Ferronniere, sie war verheiratet mit dem reichen Bankier Arosa, und in seinem Haus in Cannes hatte er seine erste, ihn beeindruckende Begegnung mit dem Meer und erhielt die ersten Klavierstunden bei einem alten italienischen Lehrer namens Cerutti, der sein Talent jedoch völlig verkannte.

Im Jahre 1870, als im deutsch-französischen Krieg die französischen Truppen bei Sedan eine heftige Niederlage erlitten und der Kaiser Napoleon der III. abgesetzt wurde, lernte eine ehemalige Schülerin Chopins, Madame Maute de Fleurville, das begabte Kind kennen und veranlaßte Arosa, den Jungen vorspielen zu lassen. Sie erkannte sein Talent sofort und gab ihm daraufhin zwei Jahre lang bis zur Aufnahme am Pariser Conservatoire privaten Unterricht, zuerst jedoch gegen den Willen der Eltern, die ihn eigentlich zum Seemann ausbilden lassen wollten. Im Grundlagen-Unterricht der Madame de Fleurville lag einer der ersten Einflüsse Debussys, da er hier weiches Legatospiel und den zarten Anschlag lernte, der später auch Einklang im Schreibstil der Preludes fand. 1872 wurde er in der Klasse von Albert Lavignac aufgenommen (Musiktheorie und Tonsatz), ein Jahr später kam er als Elfjähriger in die Oberklasse für Klavier von Antoine Marmontel.

Der Unterricht am Conservatoire war wie ein Spiegelbild des damaligen französischen Musiklebens : Trotz des verlorenen Krieges und Kaisers befand sich das französische Volk weit entfernt von dem Zustand einer Depression. Die Operette war in Mode und Liebling des französischen Bürgertums. Offenbachs „Orpheus“ (1858) und „Die schöne Helena“ (1864) wurden immer noch gespielt und erfreuten sich großer Beliebtheit. Es entstand ein neuer Markt, vergleichbar mit der heutigen Popmusik-Szene, und die beständig steigende Nachfrage der unersättlichen Konsumenten ließ in rascher Folge neue Kompositionen und Nachahmungen entstehen.

Eine Flut neuer Werke überschwemmte den Markt, wie z.B. „La Fille de M. Angot“ (1872), „Les Cloches de Corneville“ (1877), oder „La Mascotte“ (1880), um nur einige zu nennen.
Diese neue Aufnahmebereitschaft des Volkes erzwang eine Erweiterung des öffentlichen Konzertlebens, schon 1725 entstand in Paris der erste öffentliche Konzertsaal Frankreichs („Concert spirituel“), 1828 wurde die „Societe des Concerts du Conservatoire“ gegründet (unter der Leitung des berüchtigten Dirigenten Habernek), 1861 die „Concerts Pasdeloup“, 1873 das „Concert Colonne“ und 1881 schließlich die „Concerts Lamoureux“. 1875 wurde mit dem „Palais Garnier“ eines der größten Opernhäuser der Welt eröffnet.
Die Ballettmusik erreichte in diesen Jahren den Höhepunkt ihrer klassischen Periode mit Werken wie „Coppelia“ (1870, dessen Komponist Leo Delibes zu Debussys Studienzeiten am Conservatoire unterrichtete), „Sylvia“ (1876) oder „Namouna“ (1882). Auch Debussy schrieb später Ballettmusik („Jeux“), während er jedoch nie versuchte, eine Operette zu schreiben.

Charles Gounod, später Vorsitzender der Jury des von Debussy verhassten Rompreises, Komponist der umstrittenen, jedoch beim Volk beliebten Oper „Mireille“ (1864), weilte ebenso am Conservatoire, wie seine bis heute berühmten Zeitgenossen C. Saint-Saens und zu Debussys Studienzeit der als konservativ geltende und damals noch eher unbekannte Cesar Franck.

Jules Massenet schrieb seine erfolgreichen Opern „Manon“ (1884) und „Werther“ (1892), und unterrichtete ebenfalls Komposition, als dessen Schüler sich Debussy später fälschlicherweise gegenüber Frau von Meck ausgab, um höher in ihrer Gunst zu stehen. In diesen Jahren gründete sich die Gruppe der „Schola“ um den progressiven Komponisten der „Symphonie cevenole“ (über ein frz. Gebirgslied, 1886), Vincent d` Indy, der später als großer Erneuerer verehrt, von Debussy jedoch verachtet wurde.

In den Opern manifestierten sich die ersten Anzeichen der Globalisierung, hier wurden die ersten exotischen Einflüsse deutlich. Bizet komponierte „Carmen“ (1875) und feierte mit seinen spanischen Einflüssen großen Erfolg beim Publikum, später gefolgt von Kompositionen wie „Espana“ (1883) oder Lalo`s „Symphonie espagnole“ (1879). Auch Debussy war begeistert von Bizet und den darin zu hörenden neuen, spanisch-folkloristischen Klängen.
Generell herrschte unter den Komponisten ein immer größeres Interesse, exotisches Material von den Randgebieten Europas einfließen zu lassen : Camille Saint-Saens schrieb bereits 1870 seine „Melodies persanes“ und Leo Delibes „Lakme“ (1883) stolperte im 5/4-Takt. Echte orientalische Musik erzeugte jedoch noch Befremden.

Verdi erfreute sich großer Beliebtheit, Wagner dagegen wurde kaum wahrgenommen.Auffällig ist, wie wenig die Franzosen sich für deutsche Komponisten interessierten. Hierfür ist der Grund jedoch wahrscheinlich weniger in der Musik als im verletzten Stolz der Franzosen nach dem verlorenen Krieg zu suchen, der Neoklassizismus um den alten Johannes Brahms wurde schlicht ignoriert oder abgelehnt.

Auch der sonst in der Gunst des Publikums stehende Virtuose Franz Liszt hatte mit seinen Kompositionen zu dieser Zeit eher mäßigen Erfolg, da er durch seine Freundschaft zu Wagner zu sehr in der Nähe deutscher „Unholde“ und ihrer „trüben, melodiefremden“ Musik stand.

Opern mit exotischen Themen, Operetten, die nationalen Schulen der Spätromantik, sowie die Vermarktung der Virtuosen in immer mehr Konzerthäusern prägten die Kommerzialisierung der Musik, was sich auch auf den Unterricht am Conservatoire auswirkte.

Der vielversprechende junge Musiker sollte schon bald in diesem Umfeld an seine Grenzen stoßen und musste auch schmerzhaft lernen, seine Träume von einem Leben als gefeierter Virtuose zu begraben.

2.2 Studienzeit, Rompreis und erste Reisen

Am Conservatoire du Paris versammelten sich in der damaligen Lehrerschaft die Größen der Komponisten französischer Operetten-, Opern- und Ballettmusik.

Diese Berühmtheiten blieben jedoch (außer C. Franck) während seine Studienjahre eher dunkle Schatten, der einzige seiner Lehrer, der sich größerer Bekanntheit erfreute, war sein Klavierlehrer Marmontel, der als glänzender Pianist galt.

Sein Unterricht war jedoch streng und autoritär, und seine Versuche den aufsässigen Schüler Debussy zu züchtigen wurden von dem Direktor des Conservatoire, dem Komponisten der komischen Oper „Mignon“ (Thomas), unterstützt. In einem Bericht schreibt er über Debussy:

„Debussy liebt die Musik mehr als das Klavier“
(Rapport du Professeur, 1875).

Dennoc...

Table of contents

  1. Debussy