1 Worum es geht
Vor drei Jahren hatte ich mich entschlossen, ein Buch zu schreiben. Mit ihm wollte ich zeigen, dass der Mensch keine Maschine ist, dass die Medizin als profitables GeschĂ€ftsmodell dabei ist, ihre Seele zu verlieren, und dass man gegen Krankheiten keinen Krieg fĂŒhren kann. Ich war zunehmend empört ĂŒber eine Gesundheitspolitik, die wie am FlieĂband stĂ€ndig neue Gesetze mit immer neuen Fantasienamen produzierte, um die Umgestaltung des Gesundheitswesens zu einer renditeorientierten und digitalisierten Gesundheitswirtschaft zu beschleunigen.
Im Kommunistischen Manifest schrieben Karl Marx und Friedrich Engels schon 1848: »Das BedĂŒrfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz fĂŒr ihre Produkte jagt die Bourgeoisie ĂŒber die ganze Erdkugel. Ăberall muĂ sie sich einnisten, ĂŒberall anbauen, ĂŒberall Verbindungen herstellen.« Diese Beschreibung des Prozesses der Kapitalexpansion als Ausbreitung Â»ĂŒber die ganze Erdkugel« wird in heutigen Analysen der Globalisierung und des Imperialismus hĂ€ufig herangezogen, um Marx und Engels fast hellseherische FĂ€higkeiten zuzuschreiben. Sie schrieben damals weiter: »Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller LĂ€nder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat ⊠den nationalen Boden der Industrie unter den FĂŒĂen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch tĂ€glich vernichtet. Sie werden verdrĂ€ngt durch neue Industrien, ⊠die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. ⊠An die Stelle der alten lokalen und nationalen SelbstgenĂŒgsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige AbhaÌngigkeit der Nationen voneinander.«1
Neben der Globalisierung gibt es jedoch noch einen anderen wichtigen Weg der Kapitalexpansion. WĂ€hrend die Globalisierung als externe, als zentrifugale Expansion beschrieben werden kann, so geschieht â zeitgleich â eine nach innen gerichtete, eine zentripetale Expansion, bei der immer mehr Bereiche der wirtschaftlichen und sozialen AktivitĂ€ten innerhalb eines Landes unter die Kontrolle des Kapitals gebracht werden. Diesen Prozess bezeichnet man beschönigend als »Privatisierung«. Er bedeutet aber nichts anderes als die Expansion kapitalistischer Produktions- und Distributionsmethoden in bislang staatliche, öffentliche oder gemeinnĂŒtzige TĂ€tigkeiten hinein. Diese Kapitalexpansion ist im Bildungswesen zu erkennen, wo sich in den letzten Jahrzehnten gewinnorientierte UniversitĂ€ten und Privatschulen ausgebreitet haben. Sie ist zum Beispiel auch in der Auslagerung der Verwaltung von Sozialhilfeprogrammen an private Firmen zu erkennen, sogar privatwirtschaftlich gefĂŒhrte GefĂ€ngnisse gibt es schon. Diese VerĂ€nderungen sind im Einzelfall sehr unterschiedlich. Allen gemeinsam ist aber eine umgehende Verschlechterung der Bezahlung, der Arbeitszeiten und der Personalplanung. Oder um es noch einmal mit Marx und Engels zu sagen: »Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwĂŒrdigen und mit frommer Scheu betrachteten TĂ€tigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.«2
Die Privatisierung als Destruktionsprozess ist an den VerĂ€nderungen des Gesundheitswesens, wie sie hierzulande in den letzten drei bis vier Jahrzehnten geschehen sind, am deutlichsten zu erkennen. Diese Destruktion geschieht in ganz kleinen, fast unmerklichen Schritten, weswegen sie in der Ăffentlichkeit kaum zu erkennen ist. Aber sie geht immer in die gleiche Richtung, das ist das GefĂ€hrliche daran. Die Protagonisten sagen unaufhörlich, sie sei alternativlos. Die Digitalisierung zum Beispiel sei alternativlos, aber verschwiegen wird, welche Art von Digitalisierung hier erzwungen wird â als ob es nur eine Art gĂ€be. Die Privatisierung sei alternativlos, weil nur der Markt fĂŒr bessere ZustĂ€nde sorgen könne, aber verschwiegen wird, fĂŒr wen diese besseren ZustĂ€nde gedacht sind. Und die Kommerzialisierung sei alternativlos, da dringend neues Kapital im Gesundheitswesen gebraucht wĂŒrde. Verschwiegen wird, dass der katastrophale Mangel an Investivkapital allein darauf beruht, dass ausnahmslos alle BundeslĂ€nder seit Jahren und zunehmend ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen, die KrankenhĂ€user in ihrem Bestand ausreichend zu finanzieren. Verschwiegen wird, dass das Gesundheitswesen mit diesem neuen Kapital nicht mehr dasselbe ist, sondern automatisch zu einem Teil des Wirtschaftssystems wird.
Das Gesundheitswesen war bislang ein Teil unseres Sozialsystems. Die Sozialgesetze, nach denen es funktioniert hat und zum Teil immer noch funktioniert, sind zum groĂen Teil ĂŒber 120Â Jahre alt. Vor wenigen Jahrzehnten erst setzte die scheibchenweise Deformation ein, sozusagen eine Art kleinschrittiger Entdeckung des Gesundheitswesens durch den Kapitalismus, die zentripetale Expansion. Aus dem Gesundheitswesen wird die Gesundheitswirtschaft.
Im Zuge der BekĂ€mpfung der Corona-Pandemie ist nach dem Ăbergang vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft jedoch ein weiterer groĂer Schritt vollzogen worden: Dem Gesundheitswesen wurde eine politische Aufgabe zugeordnet, um es zur AusĂŒbung politischer Macht zu gebrauchen. Die hat inzwischen eine neue Dimension erreicht, eine Dimension, die man bisher nur aus mehr oder weniger hellsichtigen Science-Fiction-Romanen kannte. Im Zeichen der Corona-Pandemie wurden sĂ€mtliche ehernen GrundsĂ€tze des Gesundheitswesens und der Humanmedizin gebrochen. Die »Ăberlastung unseres Gesundheitswesens« als Horrorvision wurde zur »alternativlosen« BegrĂŒndung fĂŒr einschneidende MaĂnahmen in jeden Alltag, von der Kinderkrippe bis zum Altersheim. Grenzen wurden geschlossen. Die Wohnung wurde zum abgeschotteten Ort der BerufsausĂŒbung, der Arbeit, des Kindergartens, der Schule und des Privatlebens gleichzeitig â kein Entrinnen. Und die Wissenschaft erlebte ihr Waterloo, besonders die medizinische, indem ihre Aussagen je nach Bedarf richtig oder falsch zitiert, hervorgehoben oder verschwiegen wurden. Ein Diskurs fand und findet nicht mehr statt. Alles andere als der Lockdown konnte nicht mehr begrĂŒndet, geschweige denn diskutiert werden. Atemmasken waren anfangs schĂ€dlich, dann sinnlos, plötzlich Mangelware, aber dann ĂŒberall vorgeschrieben. DarĂŒber entschieden haben Politiker:innen. Nicht genehme Wissenschaftler:innen und Berater:innen wurden aus Gremien ausgeschlossen und nicht mehr angehört. Damit hatten sie auch jede weitere Teilnahme an der medialen Kakophonie verwirkt, insbesondere an Talkshows, wo Abend fĂŒr Abend fast immer die gleichen GĂ€ste ihre fast immer gleiche apokalyptische Botschaft verkĂŒnden konnten. Die neuen Impfstoffe, die schon ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie zur Zulassung bereitstanden, wurden von der einzig qualifizierten StĂ€ndigen Impfkommission nicht mit der ĂŒblichen Ruhe und Sorgfalt beurteilt und geplant, sondern es kam unter ungeheurem Druck von Politiker:innen zu sogenannten Notfallzulassungen â ein bislang nicht bekannter Begriff. Das funktionierende System der niedergelassenen Ărzte wurde monatelang von der PandemiebekĂ€mpfung komplett ausgeschlossen, stattdessen wurden riesige Impfzentren aus dem Boden gestampft, wodurch erstmals zentrale Erfassungskonzepte erprobt und eingeĂŒbt werden konnten. Die Pandemie wurde mit manipulierten Infektionsregistern plötzlich zu einer Pandemie der Ungeimpften erklĂ€rt, auch wenn die Impfungen nicht hielten, was sie versprochen hatten und stĂ€ndiger Auffrischungen bedurften. Impfpflicht, Impfzwang und ein bevorstehendes nationales Impfregister waren die allerersten Themen. Dass die stĂŒmperhafte Digitalisierung in Deutschland bis heute eine Erfassung der wirklich wichtigen Pandemie-Daten verhindert, ist nur noch ein Nebenschauplatz, wenn auch ein blamabler. Ein Infektionsschutzgesetz nach dem anderen ersetzte das vormalige Bundesseuchengesetz. Es wurde in raschem Rhythmus mehrfach immer wieder modifiziert, sprich: verschĂ€rft, insbesondere hinsichtlich der »ErmĂ€chtigungen« der Exekutive, die monatelang die Alleinherrschaft ĂŒbernahm, und dies â das ist das eigentlich Neue â konnte sie nur mit Hilfe der Medizin. Legislative und Judikative hatten fĂŒr lĂ€ngere Zeit abgedankt.
Deswegen genĂŒgt es nicht mehr nur, den schon weit beschrittenen Weg vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft kritisch zu beschreiben, sondern der nĂ€chste, um ein Vielfaches bedrohlichere Schritt von der Gesundheitswirtschaft zur Gesundheitsherrschaft ist lĂ€ngst und unbemerkt RealitĂ€t geworden. Er kann nicht mehr ignoriert werden. Oder wie Heribert Prantl sagt: »Aus dem Ausnahmezustand wird ein Normalzustand, aus den Notregeln werden Normalregeln. Das ist unnormal, unstatthaft und gesellschaftsschĂ€dlich.«3
2 Geld
Wahrscheinlich gibt es Ărzte, Heilkundige oder heilkundige Priester, seit es Menschen gibt, denn seit es Menschen gibt, werden sie auch krank. In lĂ€ngst vergangenen Zeiten bestand in den meisten uns bekannten Hochkulturen eine PersonalidentitĂ€t zwischen Priester und Arzt, denn Gesundheit und Krankheit waren gottgegeben. In unseren heutigen Zeiten glaubt eigentlich fast niemand mehr, dass Krankheit und Gesundheit gottgegeben sind. Vielmehr sind es hochqualifizierte Ărzte, an die wir die ZustĂ€ndigkeit und Verantwortung fĂŒr unsere Gesundheit abgegeben haben, und sie bewegen sich dabei in hochkomplexen Sozialsystemen, in diesem Fall also in den Gesundheitswesen, um ihrem Auftrag nachkommen zu können. Diese Gesundheitswesen verstehen selbst Eingeweihte kaum noch bis ins Detail, denn sie werden seit Jahren und Jahrzehnten in immer höherer Frequenz mit immer neuen sogenannten Gesundheitsreformen modifiziert. »Gesundheitsreform« gehörte daher zu den Lieblingswörtern von Loriot: »Denn Gesundheit soll dabei ja nicht reformiert werden, soweit ich das beurteilen kann.«1
Von Hammurabi I. zu Friedrich II.
Erste schriftliche ErwĂ€hnungen von Belohnungen Ă€rztlicher TĂ€tigkeit stammen aus dem 3. Jahrtausend v. u. Z. aus Mesopotamien.2 Dort gab es ein Bezahlsystem fĂŒr operative Eingriffe, niedergelegt im Codex Hammurabi, das je nach Schweregrad fĂŒrstliche Honorare versprach, bei Versagen der Behandlung aber eine erhebliche GeldbuĂe vorsah, im schlimmsten Fall sogar das Abhacken der Hand. Die nicht operativ tĂ€tigen PriesterĂ€rzte waren Beamte des Königs, bezogen ein festes Gehalt und waren den Kranken gegenĂŒber zur unentgeltlichen BerufsausĂŒbung verpflichtet. Von den Kranken wurden allenfalls Weihegaben erwartet, die sie im Tempel zu opfern hatten. Interessant an der VergĂŒtung fĂŒr operative Eingriffe ist, dass diese sich nicht nur nach der Art des Eingriffs, sondern auch nach dem sozialen Stand des Kranken richtete: Wenn der Eingriff bei einem vornehmen BĂŒrger zehn Sekel einbrachte, so konnte man bei einem Freigelassenen nur fĂŒnf Sekel, bei einem Sklaven nur zwei Sekel in Rechnung stellen (zum Vergleich: Die Jahresmiete eines guten Stadthauses betrug fĂŒnf Sekel). Dieses soziale Prinzip findet sich auch bei den Strafen: Ein durch eine Ă€rztliche MaĂnahme getöteter Sklave musste durch einen anderen Sklaven ersetzt werden, der Tod eines vornehmen BĂŒrgers fĂŒhrte zum Abhacken der Hand.
Im alten Ăgypten waren die Ărzte in eine strenge Rangordnung eingeteilt. Am unteren Ende befand sich der »Arzt ohne besondere Attribute«, ĂŒber viele Stufen stand an der Spitze der »GröĂte Arzt von Unter- und OberĂ€gypten«. Die besten Ărzte arbeiteten bei den MĂ€chtigsten des Landes, wĂ€hrend den Arbeitern bei den Pyramiden immerhin noch »WerksĂ€rzte« zugeteilt waren. Ărzte der Pharaonen konnten sehr reich werden und hatten ein Schiff auf dem Nil, die WerksĂ€rzte wurden hingegen in Naturalien bezahlt, so wie auch die Arbeiter, die sie betreuten. In den Tempeln gab es PriesterĂ€rzte, welche die Behandlungen von Kranken, die nicht zu einem Haushalt mit Arzt gehörten, unentgeltlich vornahmen. Dies wurde mit Opfergaben im Tempel »honoriert«. Im frĂŒhen Persien war die Bezahlung der Ărzte ganz und gar »sozial« geregelt und bis ins Detail ausgeklĂŒgelt: Einen Hausherrn zu heilen, kostete ein GroĂvieh von geringer GröĂe, einen Gauherrn zu heilen, ein GroĂvieh mittlerer GröĂe, bei einem Landesherrn war ein mit vier StĂŒck GroĂvieh bespannter Wagen fĂ€llig, die Heilung der Frau eines Hausherrn kostete einen Esel, bei der Frau des Dorfherrn war ein weibliches Rind fĂ€llig, bei der Frau des Gauherrn eine Rossstute und bei der Frau des Landesherrn eine Kamelstute. Auch die Bezahlung der Heilung von Vieh und Schafen wurde im gleichen »Gesetzbuch des Vendidad« geregelt.
Im alten Griechenland waren die Ărzte öffentlich angestellt, mussten daher die Armen umsonst kurieren. Die Gemeinden erhoben eine spezielle Arztsteuer, mit der die GehĂ€lter der Ărzte, meistens auch deren Einrichtungen, finanziert wurden, was schon die Idee eines versicherungsartigen Umlagesystems enthĂ€lt. BegĂŒterte Patienten mussten zahlen, aber ĂŒber die Höhe ist nichts ĂŒberliefert. Hippokrates rĂ€t zur MĂ€Ăigung bei der Ă€rztlichen Honorarforderung, zur RĂŒcksichtnahme auf Vermögen und Einkommen des Kranken, aber auch zur Vorkasse, denn die Ărzte mussten die Arznei selbst herstellen. Bei den Goten verfiel der Honoraranspruch bei Tod des Kranken, bei Fehlern des Arztes gab es GeldbuĂen. Bei Tod eines Unfreien musste der Arzt diesen ersetzen, bei Tod eines Freien war der Arzt der Blutrache der Angehörigen ausgeliefert. Im alten Rom waren die Ărzte zunĂ€chst ĂŒberwiegend Sklaven und Eigentum ihrer Herrschaft, fĂŒr die sie ohne Bezahlung arbeiten mussten. SpĂ€ter dann wurde die Medizin zu einer »freien Kunst«, und KĂŒnstlern stand nach römischem Recht keine Bezahlung zu (!). Kranke zahlten freiwillig nach ihrem GutdĂŒnken ein »Honorar«. Der Gesundete gab seinem Arzt also nach seinem freien Ermessen eine Art Geschenk. Auch als zu spĂ€terer Zeit Mindesttaxen eingefĂŒhrt wurden, waren sie dennoch so niedrig, dass sich mit der Zeit eine Art Ă€rztliches Proletariat herausbildete, wĂ€hrend es einigen wenigen Ărzten gelang, durch besondere Heilungen bei mĂ€chtigen und reichen BĂŒrgern und geschickte Werbung berĂŒhmt zu werden, sodass sie, meistens als LeibĂ€rzte, riesige Honorare verlangen konnten und auch erhielten.
Eine besondere Variante der Bezahlung wird aus der Sung-Zeit des alten China (960â1279) ĂŒberliefert, wo sich nur reiche Familien einen »Hausarzt« leisten konnten, der eine feststehende monatliche Bezahlung erhielt, allerdings nur so lange, wie alle Familienmitglieder gesund waren. So meinte man sich des »stĂ€ndigen Eifers« des Arztes zu versichern, um die Genesung des Kranken herbeizufĂŒhren. Im frĂŒhen Japan hingegen galt lange Zeit das Prinzip, dass sich die Höhe des Ă€rztlichen Honorars aus der Schwere der Krankheit und aus der Vermögenssituation des Patienten zu ergeben habe. Ein armer Mensch, der fĂŒr seinen Arzt auf eine Mahlzeit verzichtete, wurde mehr geachtet als ein Reicher, dessen zwar enorm hohe Bezahlung dennoch sein Vermögen nicht ankratzte.
In der mittelalterlichen Mönchs- und Klostermedizin findet sich die Variante, dass das Ă€rztliche Honorar als eine Art AufwandsentschĂ€digung, nicht aber als ein Kaufpreis fĂŒr Wissen und Können angesehen wurde. Daher stammen heute noch gĂŒltige Einstellungen wie z. B. das Recht des Arztes, selbst bei unheilbaren Krankheiten ein Honorar zu fordern, verbunden allerdings auch mit der Pflicht, selbst in den aussichtslosesten Situationen weiter und weiter zu behandeln, denn der christliche Glaube lieĂ ein jederzeitiges Wunder Gottes erwarten, zumindest möglich erscheinen. Solche Behandlungen musste der Arzt sogar gegen den erklĂ€rten Willen des Patienten ausfĂŒhren, so wie die Engel Lot und seine Familie gegen deren Willen aus dem dem Untergang geweihten Sodom entfĂŒhrten und retteten.
Eine schon fast modern anmutende Variante Ă€rztlicher Bezahlsysteme kommt im 13. Jahrhundert durch den Stauferkaiser Friedrich II. im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Zuge. Er erlieĂ zwischen 1231 und 1241 eine »Medizinalordnung«: »Im Hinblick auf den schweren Nachteil und nicht wieder gut zu machenden Schaden, der aus der Unerfahrenheit der Ărzte entstehen könnte, befehlen wir, dass kĂŒnftig keiner unter dem Deckmantel des Ă€rztlichen Titels es wagen soll zu praktizieren, wenn er nicht vorher in Salerno im öffentlichen Disput der Professoren durch eine PrĂŒfung bestĂ€tigt ist.«3 Die Möglichkeit des Schadens durch medizinische Behandlung wurde von da an erstmals nicht mehr durch eine entsprechende Bestrafung reguliert, sondern durch die Festlegung einer bestimmten Ausbildung, die man erfolgreich zu absolvieren hatte. Chirurgen mussten ein Jahr studieren, handwerkliches Geschick und anatomische Kenntnisse nachweisen; Ărzte mussten ein dreijĂ€hriges vorbereitendes Studium der Logik nachweisen, um dann fĂŒnf Jahre Medizin studieren zu dĂŒrfen. Erst ein einjĂ€hriges Prakt...