Bankenaufsicht, unkonventionelle Geldpolitik und Bankenregulierung
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Bankenaufsicht, unkonventionelle Geldpolitik und Bankenregulierung

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In dieser Studie wird die Höhe von RisikoprÀmien in IndustrielÀndern, die Rolle von Quantitative Easing und die Bedeutung der verÀnderten Bankenregulierung nach der Bankenkrise sowie im Kontext des Brexit untersucht.Vor dem Hintergrund der Geldpolitik in den USA, in GB und in der Eurozone werden neue Politikperspektiven entwickelt und Reformen vorgeschlagen.
Die Studie richtet sich an Wirtschaftswissenschaftler, Politologen, Banker und Bankenaufseher.

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Information

Edition
1

1EinfĂŒhrung

Fragen der BankenstabilitĂ€t gehören seit der Transatlantischen Bankenkrise und auch wegen der Eurokrise – mit einer sichtbaren Verbindung von hohen Staatsschuldenquoten und latenter BankeninstabilitĂ€t infolge hoher Investitionen von Banken in nationale Staatsschuldtitel – zu den fĂŒr Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in Europa bzw. Deutschland wichtigen Kernproblemen. Dabei konnten nach der Transatlantischen Bankenkrise dank Reformen zur Bankenaufsicht in den USA und der EU28 sowie angekĂŒndigten institutionellen Neuerungen bei der Bank fĂŒr Internationalen Zahlungsausgleich (im Vorfeld zunĂ€chst bei G20) Stabilisierungserfolge ĂŒber eine verbesserte Banken-Aufsichtsstruktur erreicht werden. In den USA und UK erfolgte eine relativ zĂŒgige Stabilisierung der jeweiligen Bankensysteme nach der Transatlantischen Bankenkrise 2007-09, wĂ€hrend in der Eurozone Banken mit hohen Anteilen an nicht einbringlichen Forderungen auch 2017 in einigen LĂ€ndern noch eine wichtige Rolle spielten: etwa in Spanien (Abwicklung der Banco Popular – ohne Nutzung von Steuergeldern), Portugal, Zypern, Griechenland und auch in Italien, wo im Sommer 2017 von der EuropĂ€ischen Kommission nationale Bankenrettungen bzw. Rekapitalisierungen bei zwei nicht systemrelevanten Regionalbanken in der Region Veneto ebenso erlaubt wurden. Die Staatshilfen betragen 17 Mrd. € - wie von der EU und der EZB staatliche Hilfen fĂŒr die Großbank Monte dei Paschi di Siena genehmigt worden sind; sie erhielt 8,8 Milliarden Dollar an staatlicher Rekapitalisierung, was auf einen Staatsanteil von etwa 70% fĂŒr die Ă€lteste Bank der Welt (gegrĂŒndet 1472) hinauslĂ€uft. Ein im EU-Regelwerk (Bankenabwicklungsrichtlinie: BRRD) eigentlich vorgesehenes Bail-in privater Bank-Anleihe-Investoren unterblieb bei den vorrangigen Anleihe-Haltern, was man als Regelverstoß der Bankenunion werten könnte.
Die Anreiz-Funktion fĂŒr Bankanleihe-KĂ€ufer, sich nĂ€mlich genauer mit der Solvenz und LiquiditĂ€t des emittierenden Institutes zu beschĂ€ftigen, entfĂ€llt durch die großzĂŒgige Staatsrettung fĂŒr die beiden italienischen Regionalbanken. Italiens Staatsverschuldung steigt hier wegen der Bankenrettungen und ob die Probleme der Banken dauerhaft gelöst werden können, ist noch unklar; die Problemaktiva der beiden Regionalbanken werden einer „Bad Bank“ ĂŒbertragen, die gesunden Aktiva/Passiva gehen ansonsten an die Banca Intesa. Hier fallen Entscheidungsmacht und Haftung wieder einmal auseinander, denn die Investoren in nachrangige Bankanleihen werden bei den genannten ProblemfĂ€llen teilweise noch vom Staat entschĂ€digt und indirekt kann man das Thema gemeinsame EU-Einlagensicherung noch weiter von sich weisen als bisher – Italiens Verhalten steht fĂŒr Moral Hazard (Moral-Risiko). Im Vergleich zu den USA fehlt in der Eurozone eine energisch handelnde Gemeinschaftsinstitution, die als supranationale Behörde nach technokratischen Aspekten bzw. ohne Politisierung insolvente Banken abwickelt (Die langjĂ€hrige WachstumsschwĂ€che Italiens, die seit 1995 besteht, und der anderen genannten KrisenlĂ€nder spielt natĂŒrlich fĂŒr das Thema ForderungsausfĂ€lle bei Banken in Italien eine wichtige Rolle. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei fehlendem wirtschaftspolitischen Reformprogramm Italien in einigen Jahren aus der Eurozone austritt, wobei manche Kritiker der Eurozone schon jetzt argumentieren, dass dann Italien ĂŒber Abwertungen seine internationale WettbewerbsfĂ€higkeit wird wiederherstellen können. WĂ€hrend eine reale Abwertung mittelfristig die Netto-GĂŒterexporte in der Regel steigert – bei Geltung der Marshall-Lerner-ElastizitĂ€tsbedingungen –, ist jedoch zu bedenken, dass etwa im QUEST-Modell der EuropĂ€ischen Kommission eine Abwertung langfristig zu Kostensteigerungen bei importierten Vorprodukten und damit zu weniger WettbewerbsfĂ€higkeit fĂŒhrt; mehr Innovationsdynamik also ist hier das SchlĂŒsselwort.
Aus Sicht Deutschlands, wo man sich auf Seiten der Bundesregierung bei der Bankenunion um die „AltfĂ€lle-Kosten“ sorgt, ist man vermutlich nunmehr noch weniger bereit als bisher, eine gemeinsame Einlagensicherung mit zu tragen. Das wiederum hieße, dass man letztlich auch bei der Stabilisierung der WĂ€hrungsunion nicht richtig voran kommt, was umso problematischer ist, da nach dem BREXIT der Druck auf osteuropĂ€ische EU-LĂ€nder steigen wird, in die Eurozone einzutreten – vor allem um eine weitere politische Isolation zu vermeiden. Man wird es aber kaum klug nennen können, wenn in eine unzureichend reparierte WĂ€hrungsunion auch noch zahlreiche neue Mitglieder aus Osteuropa eintreten werden.
Was die StabilitĂ€t der EU-FinanzmĂ€rkte bzw. des Banken- und Versicherungssystems angeht, so sind angemessene Regulierungen wichtig; insbesondere solche, die die Unterlegung von Risiken durch Eigenkapital betreffen. Die seit der Transatlantischen Bankenkrise vorgenommenen regulatorischen VerschĂ€rfungen in den USA, der EU und der Schweiz sollte man im Rahmen einer ÜberprĂŒfung nochmals seitens der Aufsichtsbehörden genauer betrachten. Die potenzielle EigenkapitalstĂ€rkung des Bankensektors bzw. die Minderung des Systemrisikos durch Contingent Convertible Bonds (Coco Bonds: bei bestimmten kritischen Bankentwicklungen erfolgt die Umwandlung dieses Bank-Bonds in Eigenkapital, was im Fall einer Systemkrise die SystemstabilitĂ€t des Bankensektors mit wiederherstellen kann) ist ein ökonomisch vernĂŒnftiger Ansatzpunkt. Das Umwandlungsrisiko bei Coco-Bonds in Bank-Eigenkapital wird sich im Markt durch einen Zinssatz oberhalb des Standard-Bondszinssatzes abbilden. Zu fragen ist allerdings einerseits, weshalb etwa in der EU auch Banken solche Coco-Bonds halten dĂŒrfen, da ja fĂŒr die Systemstabilisierung in einer Krise gerade die ZufĂŒhrung von mehr Eigenkapital in den Bankensektor insgesamt fĂŒr eine Stabilisierung des Sektors entscheidend ist. Andererseits stellt sich die Frage, wie die Regulierungsvorschriften bei der Eigenkapitalunterlegung sind, soweit institutionelle Anleger wie Versicherungen oder RĂŒckversicherungen in Coco-Bonds investieren wollen. Wie man mit Default-Risiken und VolatilitĂ€tsrisiken von Seiten der Aufsichtsbehörden umgeht, ist eine wichtige Frage, wobei hier Versicherungsaufsichtsfragen mit BankenstabilitĂ€tsfragen verbunden sind.
Infolge des BREXIT bzw. des wohl absehbaren EU-Austritts Großbritanniens am 29. MĂ€rz 2019 sowie der Wahl von Donald Trump zum US-PrĂ€sidenten hat sich das Interesse an Fragen der StabilitĂ€t bzw. der Deregulierung von Bankensystemen nochmals verstĂ€rkt. Denn die Trump-Administration hat durchblicken lassen, dass man wohl eine gewisse Deregulierung des US-Finanzsystems anstrebt bzw. Teile des Dodd-Frank Act aufheben will. Großbritannien, das schon gegen die neue Bonus-Begrenzungsregel der EU vor den EuropĂ€ischen Gerichtshof gehen wollte – allerdings dann unter der Cameron-Regierung darauf letztlich verzichtete –, dĂŒrfte im Verlauf des BREXIT zu neuer Deregulierung des Bankensektors schreiten, um die im Zuge des BREXIT absehbaren Wachstumsverlangsamung bzw. dem drohenden Abzug internationaler Banken aus London entgegen zu wirken. Solche Banken sind fĂŒr den Finanzplatz London traditionell wichtig, wobei der BREXIT fĂŒr die Großbanken in London wohl den Verlust des bisherigen EU Passports – erlaubt von London aus AktivitĂ€ten im gesamten EU-Binnenmarkt – bringen wird. Der BREXIT wird wohl eine deutliche BeschrĂ€nkung beim EU27-Marktzugang von London aus fĂŒr die Zukunft bzw. nach der Realisierung des BREXIT bedeuten und fĂŒhrt zu einer Verlagerung von BankaktivitĂ€ten von UK in einige EU27-LĂ€nder mit attraktiven Standortbedingungen fĂŒr Banken und andere Finanzdienstleister. Diese Verlagerungsdynamik selbst kann in der Bankenaufsichtspraxis durchaus zu einer gewissen Aufweichung der neuen Regeln fĂŒhren, denn die Konkurrenz mehrerer EU-LĂ€nder um umsiedlungswillige Banken aus Großbritannien mag einen Teil der Aufsichtspraxis in der Eurozone bzw. der EU auflockern lassen.
Es stellt sich die Frage, wie sich die neue Aufsichts-Architektur in Europa bzw. den G20- bzw. den OECD-LĂ€ndern entwickelt und wie die neueren EU-Entwicklungen sich auswirken dĂŒrften; und zwar in einem zinsmĂ€ĂŸig unnormalen extremen Niedrigzinsumfeld fĂŒr USA, UK – verstĂ€rkt durch den BREXIT bzw. das Referendum von 2016 – und fĂŒr die EU27 bzw. die Eurozone. Dass die EuropĂ€ische Zentralbank (EZB) seit 2010 deutlich an Einfluss in der Wirtschaftspolitik gewonnen hat, ist unverkennbar, da neben der AktivitĂ€tssĂ€ule der Geldpolitik auch die Großbankenaufsicht bei der mikroprudenziellen Aufsicht zu einem Hauptfeld der EZB geworden ist; ergĂ€nzend um die ohnehin von der EZB angefĂŒhrte makroprudenzielle Aufsicht. Die Rolle einzelner Zentralbanken aus EU-LĂ€ndern ist dabei weiterhin wichtig, wobei etwa die Deutsche Bundesbank wie die Banque de France oder die Nederlandsche Bank hohe Reputation in die Sachdebatte zu geld- und aufsichtspolitischen Fragen einbringen können. FĂŒr die StabilitĂ€t von Finanzsystemen wichtig sind:
–eine Begrenzung und Kontrolle von systemischen ExternalitĂ€ten;
–hinreichende Eigenkapitalquote bzw. Schock-Abfederungsmöglichkeiten bei Banken und anderen Anbietern im Finanzsystem: hier ist etwa an zusĂ€tzliche Eigenkapitalanforderungen fĂŒr systemrelevante Finanzakteure zwecks Begrenzung eines denkbaren AufblĂ€heffektes zu denken;
–Verankerung von sinnvollen Anreizen fĂŒr Investoren und Finanzdienstleister; so sind etwa kontrazyklische Kapitalpuffer-Vorgaben mit Blick auf wĂŒnschenswerte EindĂ€mmungen von Prozyklus-Effekten erwĂ€genswert (auch sind z.B. Loan-to-Value-Obergrenzen oder Debt-to-Income-Grenzen oder Debt service to income-Grenzen denkbar);
–ausreichende internationale Verzahnungen der aufsichtsrechtlichen Akteure wie nationale Zentralbanken, EuropĂ€ische Zentralbank, BIZ und IMF/G20.
Im EuropĂ€ischen System der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision: ESFS) wirken auf der mikroprudenziellen Ebene 28 nationale Aufsichtsbehörden plus drei EU Institutionen zusammen; makroprudenziell wirken der EuropĂ€ische Ausschuss fĂŒr SystemstabilitĂ€t (European System Risk Board: mit Fokus auf Banken, Versicherungen, Marktinfrastruktur) unter EZB-FĂŒhrung und das Financial Stability Committee der EZB (FSC: zustĂ€ndig fĂŒr Banken bzw. Möglichkeit, verstĂ€rkte Aufsicht bei nationaler Regulierung anzumahnen) mit den nationalen FinanzstabilitĂ€tskomitees und sechs EU-Institutionen, inklusive EZB, zusammen. In Deutschland sind im German Financial Stability Committee die Deutsche Bundesbank – mit Vetorecht – das Finanzministerium (Vorsitz) und die BaFin sowie die als bundeseigene Abwicklungsanstalt wirkende FSM (siehe Anhang) vertreten; dieses Committee realisiert auf nationaler Ebene die makroprudenzielle Finanzmarktaufsicht bzw. ist Ansprechpartner fĂŒr die EZB bzw. den European Systemic Risk Board (ESRB). Bei der VerschĂ€rfung der Bankenaufsicht nach der Bankenkrise ist normativ gesehen darauf zu achten, dass die Aufsichtsvorgaben bzw. –belastungen fĂŒr die eher regional agierenden Banken adĂ€quat ausfallen; jedenfalls nicht durch sachlich nicht gerechtfertigte ĂŒbermĂ€ĂŸige KomplexitĂ€t zu einem Bremsfaktor der Kreditvergabe etwa bei Sparkassen und Volksbanken werden. NatĂŒrlich werden aber sehr große Banken oder Sparkassen ab den relevanten Schwellenwerten gleichen Vorschriften der EZB unterliegen wie die Großbanken, wobei insgesamt Wettbewerbsverzerrungen in der Kreditwirtschaft zu vermeiden sind.
Die Transatlantische Bankenkrise 2007-09 hat zu erheblichen negativen realwirtschaftlichen Effekten und markanten Anstiegen bei den Staatsschuldenquoten vieler OECD-LĂ€nder gefĂŒhrt – letzteres weil der Staat in diesen LĂ€ndern ĂŒber massive kreditfinanzierte Konjunkturprogramme intensive Rezessionsphasen zu bekĂ€mpfen hatte und destabilisierte Großbanken ĂŒber KapitaleinschĂŒsse oder Beteiligungen (oder gar umfassende Verstaatlichungen) rekapitalisierte. Die EU-Bankenaufsicht hat sich durch die weitgehende Übernahme der Großbankenaufsicht durch die EuropĂ€ische Zentralbank verĂ€ndert bzw. ist damit teilweise zentralisiert worden, wobei die EZB auch federfĂŒhrend beim European Systemic Risk Board aktiv ist, dem die makroprudenzielle Aufsicht in der Eurozone obliegt: also die im makroökonomischen Kontext wesentlichen Risiken fĂŒr die Banken- bzw. FinanzmarktstabilitĂ€t – zusammen mit nationalen Behörden-/ Bankenaufsehern – auf dem Analyse-Radar hat. Geht man davon aus, dass die im G20-Rahmen bzw. bei der Bank fĂŒr Internationalen Zahlungsausgleich vereinbarten Grundlinien fĂŒr die internationale Bankenaufsicht sinnvoll entwickelt werden, so sollte sich international ein effizienz- und innovationsförderlicher Wettbewerb unter Banken und anderen Finanzmarktakteuren ergeben; jedenfalls sofern auch die nationalen bzw. supranationalen Akteure der Bankenaufsicht ihre Aufgaben erfĂŒllen, wozu auch das Aufnehmen neuartiger Finanzmarktanbieter – wie der Fintechs – oder die Nutzung der neuen digitalen WĂ€hrung Bitcoin gehört. Die EU wie die USA sind seit dem Lehman-Brothers Konkurs am 15. September 2008 – dem sichtbaren Kern der Transatlantischen Bankenkrise – von dem BemĂŒhen um eine verbesserte Bankenaufsicht geprĂ€gt, wobei in der Eurozone noch besondere Anstrengungen zur Umsetzung einer Kapitalmarktunion hinzukommen.
Es gab nur wenige Ökonomen, die die Bankenkrise vorher sahen, wobei insbesondere Rajan (2005) mit seinem Beitrag auf der Jackson Hole-Konferenz zu erwĂ€hnen ist und zudem Artus/Virard (2005). Schon Rajan hatte betont, dass die zunehmende Verbriefung von Krediten und deren Platzierung in Bank-Töchtern bzw. Spezialgesellschaften (Special Purpose Vehicles: SPV) außerhalb der Bankbilanzen zu Intransparenz bei Kredit-Risiken bzw. negativen Anreizen bei der Kreditvergabe-Sorgfalt von Banken fĂŒhrte. Hinzu kam die Gefahr, dass Ă€hnliche Bonus-Entlohnungssysteme von großen Fonds und Banken zu einem möglicherweise problematischen Herdenverhalten auf den westlichen FinanzmĂ€rkten fĂŒhren konnten. Auch dies könnte ein Destabilisierungsfaktor werden.
Die Basel-II-Eigenkapitalvorgaben, die mit Blick auf eine Mindesteigenkapitalquote von 8% eine risikodifferenzierte Eigenkapitalunterlegung von verschiedenen Bank-Bilanzpositionen vorsahen, wurden letztlich dadurch ausgehebelt, dass viele Großbanken vor allem eine Expansion des KreditgeschĂ€fts ĂŒber langfristige Kredit-verbriefungen bzw. die Platzierung der entsprechenden Papiere im Kapitalmarkt realisierten. Dabei haben die SPVs in der Regel eine Refinanzierung ĂŒber kurzfristige Commercial paper betrieben – zu meist guten Konditionen in Normalzeiten, die mit auf einer jeweils großen Kreditlinie der Mutterbank an die jeweilige SPV-Tochter basierte.
Dieses GeschĂ€ftsmodell des Originate-and-Distribute (Verbriefungsstrategie inklusive Verbriefungsproduktabsatz im Kapitalmarkt) begĂŒnstigte ungewöhnlich niedrige nominale und reale ZinssĂ€tze und damit einen kreditfinanzierten Boom, der in den USA, Irland, Großbritannien, Spanien, Griechenland und einigen anderen EU-LĂ€ndern wesentlich zu einer Blase an den ImmobilienmĂ€rkten und entsprechendem starkem Wachstum der Hypothekenkredite fĂŒhrte. Denn viele Verbriefungen betrafen private Hypothekenkredite. Die nominalen Kreditvolumina stiegen in der EU vor allem in Irland und Spanien (siehe Anhang 2) in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts absolut und relativ zum nominalen Bruttoinlandsprodukt enorm an. In Spanien spielten Korruptionsprobleme (Garicano, 2012) und eine schwache nationale Bankenaufsicht eine wichtige Rolle, so dass sich beim ersten Punkt, Korruption, ein wichtiges Teilelement der Asienkrise 1997/98 nun in einem Teil der Eurozone wiederholte. Transaparency International weist fĂŒr viele LĂ€nder regelmĂ€ĂŸig Analyseergebnisse zu Korruptionsgraden in LĂ€ndern aus. Nach der Asienkrise hatte der IWF mit dem neuen Monitoring-Instrument des Financial Sector Assessment Program (FSAP) ein Signal fĂŒr mehr Transparenz und QualitĂ€t der nationalen Bankenaufsicht gegeben – eine Wiederholung der Asienkrise sollte so vermieden werden. Das FSAP-Instrument des IWF kann grundsĂ€tzlich als sehr wertvoll gelten, sofern es analytisch sauber aufgesetzt wird; Zweifel hieran ergaben sich etwa im Irland-Kontext, wo der FSAP des IWF noch Mitte 2006 bekundete, dass es im Bankenbereich keine Probleme gebe; nur im Bereich RĂŒckversicherung. Zur QualitĂ€t der FSAP-Arbeiten des IWF besteht wenig Transparenz und das FSAP in Europa war im Vorfeld der Bankenkrise nicht nur im Fall Irland sonderbar zweifelhaft. Solide DatenverfĂŒgbarkeit zu SchlĂŒsselfeldern von Wirtschaft und Finanzen ist wesentlich, wobei einige besonders interessante Daten von der OECD bereitgestellt werden.
Damit die meist bankeigenen SPVs eine gĂŒnstige Finanzierung im US/EU- Kapitalmarkt durch Commercial papers erhielten, gab die Muttergesellschaft bzw. Bank dem eigenen SPV jeweils eine großzĂŒgige Kreditlinie, stattete jedoch SPVs meist mit sehr wenig Eigenkapital aus. FĂŒr Außenstehende weithin unsichtbar – und nicht abgebildet in Bankbilanzen – blieben faktisch die Kreditvergaberisiken aus den Verbriefungen letztlich doch im Zweifelsfall bei den Großbanken, die sich hĂ€ufig selbst verdeckt Klumpenrisiken geschaffen hatten, wobei die oft schwachen PrĂŒfungen der KreditwĂŒrdigkeit von Kreditnehmern etwa im Immobilienbereich die eigenen Risiken erhöhten: Denn spĂ€testens wenn ein SPV die Kreditlinie der Mutterbank ziehen wollte, musste diese die GeschĂ€fte und damit auch die AnleihenbestĂ€nde wieder in die eigene Bilanz holen. Über GeschĂ€ftsbeziehungen unter den Großbanken entstanden wiederum potenzielle Infektionsmechanismen im ganzen Bankensystem und in dem Augenblick, wo fast jede Großbank in westlichen OECD-LĂ€ndern Ă€hnlich riskante verdeckte KreditgeschĂ€fte bei Konkurrenzbanken vermutete, waren die InterbankenmĂ€rkte bald wie eingefroren (LiquiditĂ€tskrise). Damit wiederum sank der Geldangebotsmultiplikator fĂŒr die exogene Geldbasis der jeweiligen Zentralbanken – etwa in UK oder in der Eurozone sowie in anderen EU-LĂ€ndern.
Neuere Befunde zu den Ursachen der Bankenkrise 2007-09 (siehe Kapitel 2) haben auch die Wichtigkeit bzw. Rolle der Leistungsbilanzungleichgewichte bei der Entstehung der Banken- und Finanzkrise nochmals verdeutlicht. Die Ungleichgewichte wurden nur zum Teil abgebaut, so dass der Druck, der auf den DefizitlĂ€ndern liegt, nach wie vor groß ist. Jeder LeistungsbilanzĂŒberschuss ist bei flexiblen Wechselkursen mit einem Netto-Kapitalabfluss bzw. Netto-Kapitalexport verbunden. Das Kapital fließt wiederum den DefizitlĂ€ndern zu und erhöht somit tendenziell auch das Risiko einer weiteren Krise. Auch Goodhart (2011) geht in seinem Papier auf diese Thematik zum Teil ein. Ein Mehr an verbesserter makroprudenzieller Aufsicht dĂŒrfte unabdingbar Teil von mehr Finanz- und SystemstabilitĂ€t in der Zukunft sein – in der EU und in den OECD-LĂ€ndern insgesamt.
Wegen der Ähnlichkeit der GeschĂ€ftsmodelle in den Großbanken in den USA und wichtigen EU-LĂ€ndern entstand dann spĂ€ter – nach dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers – das Problem, dass der nach bekannt gewordenen RĂŒckzahlungsproblemen bei privaten Immobilienkrediten einsetzende Kollaps des SPV-Refinanzierungsprozesses ĂŒber den austrocknenden Commercial paper-Markt in 2007/2008 in den USA und dem Vereinigten Königreich zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarktes auch in EU- LĂ€ndern fĂŒhrte. Da jede Großbank wusste, dass andere Großbanken die eigenen fragwĂŒrdigen GeschĂ€ftsmodelle mit gewissen Modifikationen ebenfalls realisiert hatten, nun aber von den refinanzierungslosen SPVs die risikomĂ€ĂŸig relativ schlechten Kreditverbriefungsprodukte auf die eigene Bilanz zurĂŒcknehmen mussten, war die Bereitschaft zu der bis dahin ĂŒblichen ungesicherten Interbanken-Kreditvergabe im Herbst 2008 dann kaum noch vorhanden.
Das aber bedeutete mit Blick auf die Eurozone, dass Banken mit ÜberschussliquiditĂ€t diese im Kern vor allem bei der EuropĂ€ischen Zentralbank halten wollten: Der Geldangebotsmultiplikator n’, der die Geldmenge M beschreibt ĂŒber die Gleichung M= n’Bex (mit Bex fĂŒr exogene Geldbasis) wird daher entsprechend sinken, so dass eine Ausweitung der Zentralbank-Bilanz nicht die frĂŒher ĂŒbliche Erhöhung der Geldmenge haben sollte – vereinfachende Inflationswarnungen im Kontext der Ausweitung der Zentralbank-Bilanz waren von daher fehl am Platze. Der Geldangebotsmultiplikator hĂ€ngt im einfachsten Modell von wenigen Parametern ab, auf die einerseits die Zentralbank einen Einfluss hat, aber auch solche Parameter, die StellgrĂ¶ĂŸen des privaten Bankenverhaltens widerspiegeln. Daher fĂŒhrten die im weiteren sich ergebenden Ausweitungen der Zentralbank-Bilanzen, etwa im Zuge des Ankaufs von Staatsanleihen (zunĂ€chst in den USA und UK, spĂ€ter auch in der Eurozone) keineswegs zu inflationĂ€ren Entwicklungen, wie sie viele Kritiker der unkonventionellen Geldpolitik bzw. des Quantitative Easing befĂŒrchteten. Die US-Zentralbank fĂŒrchtete im Anschluss an die Bankenkrise eher Deflationsdruck, wobei auch in der Eurozone mittelfristig – teilweise auch beeinflusst von der Eurokrise – sehr geringe Inflationsraten nahe Null beobachtet wurden und temporĂ€r leichte DeflationsphĂ€nomene zu beobachten waren...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Abbildungsverzeichnis
  6. Tabellenverzeichnis
  7. 1 EinfĂŒhrung
  8. 2 RisikoprÀmien-Entwicklung in USA, UK und der Eurozone
  9. 3 Die Rolle der Kapitalverkehrsströme fĂŒr Finanzmarktkrisen
  10. 4 Quantitative Easing: Analytische Aspekte
  11. 5 EU-Bankenaufsichtsreform und Aspekte der Wirtschaftspolitik
  12. 6 Perspektiven fĂŒr Europa nach dem BREXIT
  13. 7 Anhang 1: RisikoprÀmien
  14. 8 Anhang 2: Kreditentwicklung in dem privaten und nicht finanziellen Sektor
  15. 9 Anhang 3: Trend Output Decline after the Banking Crisis
  16. 10 Anhang 4: Makroprudenzielle Aufsicht
  17. 11 Anhang 5: FDI restriction indices
  18. 12 Anhang 6: Wirtschaftswachstum, Direktinvestitionen und FinanzmÀrkte
  19. 13 Anhang 7: ProfitabilitÀt im Banken-, Versicherung- und anderen Finanzsektoren
  20. 14 Anhang 8: Auswirkung der Bankenunion auf Fusionen und Übernahmen in der Eurozone
  21. Literaturverzeichnis