Grammatik der Namen im Wandel
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Grammatik der Namen im Wandel

Diachrone Morphosyntax der Personennamen im Deutschen

Tanja Ackermann

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Grammatik der Namen im Wandel

Diachrone Morphosyntax der Personennamen im Deutschen

Tanja Ackermann

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Eigennamen weisen im Gegenwartsdeutschen im Vergleich zu anderen Substantiven einige grammatische Unterschiede auf, die sich erst in der jĂŒngeren Sprachgeschichte herausgebildet haben. Die vorliegende Studie untersucht dieses spezielle morphosyntaktische Verhalten fĂŒr die prototypischste Namenklasse, die Personennamen, mit Blick auf die diachrone Entwicklung. So werden im Wesentlichen die Struktur des zweiteiligen Gesamtnamens einer Person, die (De-)Flexion hinsichtlich Kasus und Numerus sowie der Status und die Entwicklung des possessiven -s untersucht und (sprachwandel)theoretisch modelliert. Anhand umfangreicher diachroner und synchroner Korpus-, Fragebogen- und Experimentalstudien wird gezeigt, in welchem zeitlichen Rahmen Personennamen ihre Sonderstellung ausgebaut haben, durch welche Determinanten dies bedingt ist und wie das sukzessive grammatische AbrĂŒcken von den Appellativen zu erklĂ€ren ist. Insgesamt schließt die Arbeit somit eine ForschungslĂŒcke innerhalb der (diachronen) Nominalmorphologie des Deutschen.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2018
ISBN
9783110598728

1Einleitung

1.1Gegenstandsbereich und Ziel der Arbeit

Im Fokus dieser Arbeit stehen Eigennamen. Im Gegensatz zu anderen, vorwiegend diachron ausgerichteten onymischen Studien werden hier jedoch nicht Probleme der Etymologie oder der Namengeschichte ins Zentrum des Erkenntnisinteresses gerĂŒckt. Auch die semantische Unterscheidung zwischen Appellativen und Eigennamen, die in den letzten Jahren sowohl in der Sprachwissenschaft als auch in der Philosophie ausfĂŒhrlich diskutiert wurde, bildet nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit. Es soll hier vielmehr die synchrone und diachrone onymische Grammatik – speziell die Morphologie und (Morpho-)Syntax – in den Blick genommen werden. Bislang hat die theoretische Linguistik den Eigennamen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und sie somit oft wie den „poor cousin“ anderer grammatischer Kategorien behandelt, wie Van Langendonck (2007: 2) in der Einleitung seiner primĂ€r sprachwissenschaftlich orientierten Monographie zu Eigennamen anmerkt. Das sich in diversen zur Zeit stattfindenden Workshops und neu erscheinenden SammelbĂ€nden widerspiegelnde, aktuell aufkommende Interesse an den explizit grammatischen Eigenschaften von Eigennamen zeigt, dass aus synchroner, diachroner und typologischer Perspektive bislang noch viele Forschungsfragen unbeantwortet sind.1
Die vorliegende Arbeit macht es sich nun zum Ziel, das auf dem funktionalen Sonderstatus basierende morphosyntaktische Verhalten von Eigennamen im Deutschen aus diachroner und synchroner Sicht zu analysieren. Dabei liegt der Schwerpunkt ganz klar auf den Personennamen, die als die prototypischsten Vertreter dieser Klasse gesehen werden können (vgl. 2.2). Andere Namentypen werden aber immer wieder mit einbezogen und mit Personennamen kontrastiert.
Allen Namenarten gemein ist, dass sie im Gegenwartsdeutschen im Vergleich zu anderen Substantiven einige grammatische Unterschiede aufweisen, die in Kap. 2.1.2 noch ausfĂŒhrlich thematisiert werden sollen. Prominentes Beispiel fĂŒr die spezielle Morphologie von Eigennamen ist ihre Minimalflexion: Der nahezu einzige Defaultmarker, der im Plural und in gemeinhin als genitivisch beschriebenen Konstruktionen2 – außer bei auf Sibilant endenden Namen – an den Eigennamen treten kann, ist das invariante -s (zwei Carinas, Carinas Schwester), das anders als im appellativischen Bereich nie in der silbischen Variante erscheint (Matthias’ Schwester statt Matthiasses Schwester versus die Schwester dieses Mann(e)s; vgl. z. B. NĂŒbling & Schmuck 2010, Fuß 2011, Plank 2011 und NĂŒbling 2012). Im nicht-onymischen Substantiv-Bereich herrscht – vor allem hinsichtlich der Pluralmarkierung – weit grĂ¶ĂŸere Allomorphie (vgl. z. B. Dammel & Gillmann 2014). Aus morphosyntaktischer Sicht ist bekannt, dass Eigennamen zur sogenannten Monoflexion tendieren – d. h. die Genitivanzeige erfolgt tendenziell nur einmal bzw. nicht-kongruierend innerhalb einer onymischen Nominalgruppe (die HĂ€nge des Himalaya) –, wĂ€hrend im nichtonymischen Bereich eher Polyflexion gilt (die HĂ€nge des Hochgebirgssystems; vgl. z. B. NĂŒbling 2005, 2012 oder Zimmer 2018). Was die Syntax der Eigennamen betrifft, wurde bereits rege die fĂŒr bestimmte Namenklassen – wie die Personennamen im Standarddeutschen – geltende primĂ€re Artikellosigkeit diskutiert, die fĂŒr Appellative defaultmĂ€ĂŸig nicht gilt (ich kenne _ Susi nicht vs. ich kenne die Frau nicht; vgl. z. B. Bellmann 1990, Kolde 1995, Gallmann 1997, Karnowski & Pafel 2005 und Longobardi 2005). Allein diese kurze Auflistung zeigt, dass Eigennamen im Gegenwartsdeutschen ein grammatisches Verhalten aufweisen, das sie von dem ĂŒbrigen Substantivbereich unterscheidet. Dieses spezielle namengrammatische Verhalten soll in dieser Arbeit nun auch mit Blick auf seine diachrone Entwicklung detailliert beschrieben und empirisch fundiert erklĂ€rt werden.
Was die Diachronie der onymischen Morphosyntax betrifft, so ist aus der Forschungsliteratur bereits bekannt, dass Eigennamen ihre Sonderstellung im substantivischen Bereich erst in den letzten Jahrhunderten ausgebaut haben und grammatisch sukzessive von den Appellativen – aus denen Eigennamen primĂ€r entstanden sind – abdriften (vgl. z. B. Steche 1927: 140–152, Fuß 2011, Plank 2011 oder NĂŒbling 2012). Umfassende Korpusstudien, die eine genaue zeitliche Einordung dieses Wandels und eine Bestimmung seiner Determinanten erlauben, sind jedoch bislang ein Desiderat, das NĂŒbling (2012: 244) wie folgt formuliert: „Dass wir so wenig Genaues ĂŒber seine Diachronie wissen, liegt daran, dass in den Darstellungen zur historischen Nominalflexion die Eigennamen bestenfalls in Fußnoten abgedrĂ€ngt, in aller Regel jedoch gar nicht berĂŒcksichtigt werden“. Die vorliegende Arbeit nimmt es sich nun zum Ziel, offene Forschungsfragen hinsichtlich der Eigennamen-Morphosyntax empirisch zu beantworten und somit innerhalb der diachronen Nominalmorphologie eine ForschungslĂŒcke zu schließen, auf die bereits Steche (1925: 205) aufmerksam gemacht hat:
Die Eigennamen sind die einzigen Wörter der deutschen Sprache, die im 19. Jahrhundert eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren habenÍŸ die ĂŒbrige Sprache stimmt dagegen noch fast völlig mit derjenigen unserer großen klassischen Dichter ĂŒberein. Diese Unterschiede bei den Eigennamen sind altbekannt, aber eine ErklĂ€rung findet man eigentlich nie [...].
Im Fokus dieser Arbeit stehen also die Beschreibung, Analyse und theoretische Erfassung der Entwicklung des morphosyntaktischen Verhaltens der Eigennamen, das immer wieder mit den Entwicklungen im ĂŒbrigen substantivischen Bereich in Bezug gesetzt werden soll. Im Kern werden hier die paradigmatische Deflexion – sprich der Allomorphieabbau – und die syntagmatische Deflexion – sprich der Flexivabbau am Eigennamen – mit all ihren Auswirkungen auf die Nominalgruppe vom FrĂŒhneuhochdeutschen bis zum Gegenwartsdeutschen untersucht, wofĂŒr nun einige historische und gegenwartssprachliche Beispiele gegeben werden sollen.
Im Genitiv beispielsweise – so zeigen die in (1) aufgefĂŒhrten Belege aus dem Deutschen Textarchiv (DTA) – herrscht innerhalb der onymischen Deklination noch im spĂ€ten FrĂŒhneuhochdeutschen/frĂŒhen Neuhochdeutschen reiche Allomorphie. Neben den deutschen Flexiven -(e)n, -(e)ns und -s werden auch lateinische Deklinationsendungen wie -i oder -ae genutzt, um den Genitiv am Namen zu markieren.
Die syntagmatische Deflexion, die im postnominalen Genitiv bis heute fortwirkt und aktuell – mehr bei Toponymen und Ergonymen als bei Anthroponymen, die aktuell kaum noch Flexive aufweisen – einen Zweifelsfall darstellt, setzt ebenfalls erst im frĂŒhen Neuhochdeutschen ein, was die DTA-Belege in (2) exemplifizieren.
Auch die Pluralmorphologie, die sich nicht weniger stark gewandelt hat als die Kasusmorphologie (vgl. die historisch nachweisbare Allomorphie in (3)), stellt heute einen Zweifelsfall dar. So fragen sich vor allem TrĂ€gerInnen von auf /s/ endenden Namen hĂ€ufig, wie man ihren Namen in den Plural setzt (vgl. die Korpusbelege aus dem synchronen Webkorpus DECOW2012 in (4)). Wie Beispiel (4a) zeigt, ist auch hier Monoflexion – sprich, die alleinige Pluralmarkierung am Begleitwort – eine Option.
(4) a. er sah zwei Max
[http://dev.nickstories.de/stories/hajo/Jan_oder_anders_anders-04.html]
b. das Ergebnis unserer beiden Maxe (groß und klein)
[http://www.golfclub-owingen.de/htdocs/de/0101_311.html]
c. Wir laden alle MĂ€xe aus NRW dazu herzlich ein
[http://yamaha-xmax.de/forum/archive/index.php/thread-680-2.html]
Insgesamt, so wird in dieser Arbeit gezeigt, ist die Geschichte der onymischen Flexion stark durch Reduktion und Verlust geprĂ€gt. Mit dem -s hat sich im Singular jedoch ein Marker gehalten und auf alle – auch feminine – Eigennamen ausgebreitet (vgl. (5)). Dieser Marker tritt heute primĂ€r an prĂ€nominale onymische Possessoren und stellt ein interessantes PhĂ€nomen am Übergangsbereich von Morphologie und Syntax dar.
(5) a. Sebastians neuer Kollege
b. Claudias neuer Kollege
Die Stellungsasymmetrie bei adnominalen Possessivkonstruktionen zeigt, dass Eigennamen auch aus syntaktischer Perspektive – die hier ebenfalls behandelt werden soll – ein interessantes namengrammatisches Untersuchungsobjekt darstellen: So gelten Eigennamen in PrĂ€stellung noch heute als voll akzeptabel (vgl. (6a)) und unterscheiden sich darin von den Appellativen, die zwar im Ahd. auch noch gewöhnlich vor ihrem Bezugsnomen standen, in dieser Position gegenwartssprachlich jedoch archaisch wirken und defaultmĂ€ĂŸig hinter ihr Bezugsnomen treten (vgl. (6b)).
Ein PhĂ€nomen, das ebenfalls einen interessanten Fall am Übergangsbereich zwischen Syntax und Morphologie darstellt und dem bisher ...

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