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Prolog
Im Prolog geht es um das Grundsätzliche und das Besondere: Welche Bedeutung hat Energie für den Menschen? Was ist Energie und in welchen Formen tritt sie auf? Welche Besonderheiten kennzeichnen den Energiesektor?
1.1 Energie als Teil der Geschichte der Menschheit
Nur wenn man sich ins Bewusstsein ruft, wie die Menschheit lebte, bevor das Feuer zu ihrem Begleiter wurde, und wie niedrig ihr Lebensstandard sein musste, solange sie für die meisten Arbeiten auf ihre eigene Muskelkraft angewiesen war, kann man die Bedeutung einer sicheren und wirtschaftlichen Energieversorgung in unserer heutigen Zeit ermessen.
1.1.1 Das Feuer
… musst mir meine Hütte doch lassen steh’n
und meinen Herd, um dessen Glut du mich beneidest…
(J. W. v. Goethe: Prometheus)
Wodurch unterscheidet sich der Mensch vom Tier? Nicht durch den aufrechten Gang, der lässt auch die befrackten Pinguine so menschlich erscheinen, nicht durch den Gebrauch von Werkzeugen, denn manche Affen und Vögel können sehr erfindungsreich sein, um an schwer erreichbare Nahrung zu gelangen, auch nicht generell durch die Nutzung externer Energie, diese beherrschen etwa auch Vögel, die sich vom Wind kraftsparend in große Höhen tragen lassen. Aber vor dem Feuer haben alle Tiere Angst, allein der Mensch hat es sich dienstbar gemacht. Das Feuer steht nicht am Anfang der Mensch heitsgeschichte, die vor 3 Mio. Jahren in Afrika beginnt. Der Mensch musste erst eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht haben, bis er das Feuer nutzen und kontrollieren konnte. In der Natur kommt Feuer selten vor: Man konnte es nur unter großer Gefahr bei Vulkanausbrüchen und durch Blitzschlag ausgelösten Bränden gewinnen. Bis der Mensch gelernt hatte durch Reiben von Holz, mühsam genug, feines brennbares Material zu entzünden, war das Hüten des Feuers eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Wahrscheinlich begann die Nutzung des Feuers vor etwa 1 Mio. Jahren; die bisher ältesten archäologischen Beweise für eine systematische Nutzung des Feuers sind in einer 790 000 Jahre alten Siedlung des Homo erectus in Israel gefunden worden [1].
Das Feuer hielt wilde Tiere von den Lagern des Menschen fern. Seine Wärme ermöglichte ihm, sich auch in weniger günstigen Klimazonen anzusiedeln und damit größere Teile der Erde in Besitz zu nehmen. Welche neuen Möglichkeiten eröffneten sich den Menschen, als sie ihre Tätigkeiten nicht mehr mit dem Erlöschen des Tageslichtes einstellen mussten? Hat sich im Kreis um das Feuer eine höhere Sprache entwickelt, weil man Erlebnisse aus der Vergangenheit heraufbeschwor, Hoffnungen und Sorgen für die Zukunft miteinander teilte und die ersten Geschichten erfand? Auch die ältesten künstlerischen Darstellungen der Menschen aus der späten Steinzeit, die Höhlenmalereien (Abb. 1.1), können nur im Fackelschein entstanden und betrachtet worden sein.
Kontrolle und Erhalt des Feuers förderten auch die Ausbildung sozialer, arbeitsteiliger Strukturen. Da die zunehmende Größe des Gehirns einen wachsenden Anteil am Grundumsatz des Homo erectus und des Homo sapiens beanspruchte, kam es mehr und mehr auf eine energiereiche Ernährung an. Durch Kochen und Backen wurde die Zerteilung und Verdauung der Nahrung aus pflanzlichen und tierischen Kohlehydraten sehr erleichtert, so dass sich Kiefer und Verdauungsapparat verkleinerten. Für Aufbewahrung und Zubereitung der Nahrung schuf sich der Mensch mit Hilfe des Feuers, beginnend vor 20 000 Jahren, Gefäße aus Keramik; aus Ton gebrannte Öllämpchen waren über Jahrtausende die wichtigste nächtliche Lichtquelle. Für die Archäologen sind Spuren dieser ersten im Feuer geschaffenen Materialien die wichtigste Informationsquelle zur Datierung von Funden.
Das Feuer half den inzwischen weit über die Erde verteilten Menschen, die Kälteperiode des Pleistozän mit ihren zahlreichen, nur von kurzen Warmphasen unterbrochenen Eiszeiten (Abb. 2.6) zuüberstehen, bis vor rund 10 000 Jahren unsere heutige Warmzeit und damit auch eine weit dynamischere Entwicklung der Menschheit begann.
Die Bedeutung des Feuers für die Entwicklung des Homo sapiens ist kaum zu überschätzen. In der griechischen Sage bestrafen die Götter Prometheus, weil er den Menschen das Feuer gebracht und sie damit den Göttern ähnlich gemacht habe.
Aber das Feuer konfrontierte den Menschen zum ersten Mal auch mit dem Problem, das mit jedem Energieverbrauch verbunden ist: der Nachbarschaft von Segen und Fluch. Denn das Feuer konnte auch die Behausungen zerstören, erntereife Felder vernichten, Menschen bei Wald- und Steppenbränden oder bei dem Versuch, das Feuer bei Gewittern und Vulkanausbrüchen zu erlangen, den Tod bringen. Wie jeder Fortschritt in der Geschichte der Menschheit war sicher auch die Einführung des Feuers von Rückschlägen begleitet, vielleicht auch schon von Auseinandersetzungen über das Für und Wider der Nutzung dieser neuen Errungenschaft. Wahrscheinlich hat es lange gedauert, bis das Feuer zum selbstverständlichen Begleiter der Menschheit wurde. Danach blieb das Holzfeuer lange die einzige Energiequelle der Menschheit, ergänzt um Bienenwachs und pflanzliches Öl für Lichtquellen.
Das Feuer hat die Entwicklung des Menschen gefördert, seine Verbreitung auf der Erde ermöglicht und seine Lebensbedingungen erweitert, aber dadurch war das Schicksal der Menschheit dann auch untrennbar mit der Nutzung des Feuers verbunden. Zum ersten Mal erfuhren die Menschen damit, dass die durch die Energietechnik erweiterten Lebensmöglichkeiten und Freiheiten neue Abhängigkeiten entstehen lassen, die kaum wieder rückgängig gemacht werden können. Was für ein Ausmaß im weiteren Gang der Geschichte diese Abhängigkeit bis heute angenommen hat, zeigt Exkurs 1 »Was bei einem Blackout geschieht«.
Erst im 9. Jahrtausend v. Chr. begann der Mensch, die Kraft domestizierter Tiere zu nutzen, zuerst die des Rindes als Tragtier.1) Fünftausend weitere Jahre dauerte es, bis der Mensch im Jungneolithikum erstmals die wegen ihrer Kraft und Geduld besonders geeigneten Ochsen für das Ziehen von Karren und Pflügen einsetzte. Später kamen andere Nutztiere dazu, darunter auch das Pferd, das bis vor 150 Jahren als schnellstes Verkehrsmittel diente. Genauso lange war der Mensch jedoch für die meisten Arbeiten auf die Kraft seiner eigenen Muskeln angewiesen.
Das Feuer wurde zum entscheidenden Hilfsmittel des Menschen bei der Entwicklung von Materialien und Werkzeugen, die zu höheren Lebensformen führten: 2200 v. Chr. begann die Bronzezeit, als die Menschen lernten, im Feuer aus Erzen Kupfer und Zinn für die Herstellung von Bronze zu gewinnen, ab 1200 v. Chr. schloss sich die Eisenzeit an. Diese Epochen werden deshalb nach diesen neuen Rohstoffen benannt, weil sie gesellschaftliche Umwälzungen auslösten, da nun Ressourcen und Know-how größere Bedeutung erlangten und dadurch soziale Unterschiede zunahmen. Die Römer setzten später das Feuer auch ein, um Ziegelsteine und Mörtel zu brennen, die eine elegantere und rationellere Bauweise ermöglichten (Abb. 1.2). Ihre Produktion nahm bereits halbindustrielle Züge an, und spätestens damit begann ein weiteres Konfliktthema der Energieverwendung, die Beeinträchtigung der Umwelt, denn der große Holzbedarf der Römer führte zum Raubbau an den Wäldern des Apennin, der, als das römische Reich unterging, praktisch abgeholzt war.
1.1.2 Erneuerbare Energien
Welche anderen Energiequellen hat sich der Mensch erschlossen? Wie hat er die erneuerbaren Energien genutzt, die ja seit jeher verfügbar waren?
Natürlich wird der Mensch von Anfang an die Sonne genutzt haben, um Wäsche und Tierfelle zu trocknen oder Fleisch und Fisch haltbar zu machen. Aber das war nur eine weitere Wärmequelle neben dem Feuer.
Lange, sehr lange fehlte, abgesehen von Arbeitstieren und der eigenen Muskelkraft des Menschen, eine Kraftquelle zum Antrieb von Getreidemühlen oder Wasserpumpen, von Fahrzeugen oder Schiffen. Bei der Erschließung der immer schon verfügbaren erneuerbaren Energien für diese Zwecke zeigt sich ein eigenartiges Bild, das nicht mit den Erfahrungen korrespondiert, die wir heute bei Innovationsprozessen machen. Heute reift eine neue Technik rasch in großen Schritten bis sie anwendungsreif ist, danach müssen immer kleinere Entwicklungsfortschritte mit immer größerem Aufwand errungen werden. Die Nutzung der Wind- und Wasserkraft durch den Menschen entwickelte sich dagegen ganz anders. Sie begann vor weniger als 10 000 Jahren, blieb lange in rudimentären Stadien und erreichte ihre Blüte erst in der Mitte des letzten Jahrtausends, bis sie gegen dessen Ende vom Einsatz der fossilen Energien weitgehend abgelöst wurde [2].
Der älteste Beleg für die Nutzung des Windes ist die Abbildung eines Segelschiffes auf einer 7000 Jahre alten ägyptischen Totenurne. Der meist stromaufwärts wehende Wind war ideal für den Antrieb der Nilschiffe gegen die Strömung, die die Reise in der Gegenrichtung erleichterte. In der Antike hatten sich zunächst die Phönizier, dann auch die Griechen mit Segelschiffen bereits den ganzen Mittelmeerraum erschlossen und erste Expeditionen zu ferneren Küsten unternommen. Aber ihre Schiffe, vor allem die Kriegsschiffe, wurden hauptsächlich von Ruderern angetrieben. Die Segelschiffe der Antike waren weitgehend auf Rückenwind angewiesen, bei Seitenwind musste man Kompromisse mit dem geplanten Kurs eingehen, bei Gegenwind kreuzen. Wegen des bis heute im Mittelmeerraum vorherrschenden Nordwestwindes konnte in der Antike eine Fahrt von Sizilien an die afrikanische Küste in 9–20 Tagen bewältigt werden, die Rückfahrt dauerte aber 45–60 Tage [2, S. 193]. Die Launen des Windes werden in einer der bedeutendsten Dichtungen der Antike, der von Homer in Verse gegossene Sage von den Irrfahrten des Odysseus, dafür verantwortlich gemacht, dass Odysseus, um nach dem trojanischen Krieg in seine nahe Heimat Ithaka zurückzukehren, mit seinem von Homer exakt beschriebenen Segelschiff [2, S. 162] jahrelang im ganzen Mittelmeer unterwegs war.
Die weitere Entwicklung führte zu Segelschiffen, die immer härter am Wind zu segeln vermochten, so dass sie weniger abhängig von der Windrichtung navigieren konnten. Um 1000 n. Chr. gab es die ersten wirklich leistungsfähigen Segelschiffe in Form der sicheren Dschunken in China und der sehr schnellen Boote der Wikinger. Aber erst im 15. Jahrhundert baute man Segelschiffe, die groß und leistungsfähig genug waren, um damit die Weltmeere zu erkunden, neue Kontinente wie Amerika und Australien zu entdecken oder den Seeweg nach Indien und anderen asiatischen Ländern zu finden. Danach wuchsen die Segelschiffe weiter und wurden zu einem zuverlässigen Transportmedium, das die großen Reichtümer aus den Kolonien nach Europa brachte.
Auch die Binnengewässer waren wichtig für den Transport schwerer Güter. Im Schwarzwald ließ man Baumstämme sogar von Bächen, die angestaut wurden, in einem Wasserschwall zu Tal transportieren, von wo sie, zu großen Flößen zusammengestellt, den Rhein hinunter bis nach Holland gebracht wurden, um zum Bau von Fachwerkhäusern und Schiffen zu dienen. Flussschiffe mussten stromaufwärts getreidelt, das heißt auf eigens angelegten Uferstraßen von Tieren oder Menschen an Tauen geschleppt werden (Abb. 1.3). Einem wahrscheinlich nach der Natur am Oberrhein gemalten Bild von Hans Purrmann aus dem Jahre 1901, das Männer beim Treideln eines Flusskahnes zeigt, kann man entnehmen, dass der äußerst mühsame Antrieb von Schiffen durch Menschen noch bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts andauerte [3].
Die Nutzung der Windenergie an Land wird erstmals in Byzanz um 1750 v. Chr. erwähnt, begann aber auch zeitgleich in Persien und China. Genutzt wurde die Windenergie zum Mahlen von Getreide und zum Pumpen von Wasser. Getreidemühlen breiteten sich danach über die ganze Welt aus. Ähnlich wie die Segelschiffe erreichten Windmühlen ihre Blüte Anfang des 16. Jahrhunderts, vor allem in Holland, wo sie in großer Zahl für die Entwässerung im Dienst der Landgewinnung eingesetzt wurden. Eine Holland-Windmühle (Abb. 1.4) konnte die Leistung eines heutigen kleineren Autos (30 kW) erreichen.
Windmühlen waren über lange Zeit ein Begleiter der Menschheit, so vertraut, dass Cervantes seinen Don Quichotte durch den Kampf gegen Windmühlenflügel zum skurrilen Symbol zwecklosen Widerstands machen konnte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Windmühlen dann durch den Siegeszug der elektrischen Energie bis auf einige Museumsstücke abgelöst, doch zum Ende dieses Jahrhunderts erlebte die Windenergie ihre Renaissance, nun für die Stromerzeugung in weit größeren Einheiten von einigen Tausend kW.
Die Geschichte der Wasserkraft begann wahrscheinlich vor 7000 Jahren in China; ab 3500 v. Chr. wurden Wasserräder in Ägypten, Mesopotamien und Indien für die Bewässerung von Feldern eingesetzt. In der klassischen Antike wurde die Wasserkraft bereits in vielfältiger Weise genutzt, stets aber nur als kinetische Energie des fließenden Wassers. Wieder erst im 15. Jahrhundert begann man, die potenzielle Energie des Wassers zu nutzen, also Staudämme zu bauen oder Wasser aus Flussläufen oberhalb von Mühlen in einem Kanal abzuzweigen, um es von oben auf ein Mühlrad mit Gefäßen zu leiten, so dass es nun vom Gewicht des Wassers angetrieben wurde (Abb. 1.5). Damit erreichte die Wasserkraft in den folgenden Jahrhunderten große Bedeutung, vor allem für Getreidemühlen, Sägewerke und Hammerschmieden. Mit dem Bau von Staudämmen entstand jedoch, wie immer bei der Ansammlung großer Mengen von Energie, auch ein neuer Risikofaktor: Beim Versagen des Staudamms drohten verheerende Überschwemmungen. Anders als die Windenergie kam die Wasserkraft nie aus der Mode. Zwar wurde sie als dezentraler Antrieb von Maschinen durch elektrische Energie abgelöst, stellt aber bis heute die effizienteste Quelle für deren zentrale Erzeugung dar.
Für alle anderen Arbeiten war nur die Kraft von Menschen oder Tieren verfügbar. In der Landwirtschaft zogen Rinder die Ackergeräte und Transportkarren, aber säen, mähen und dreschen mussten die Menschen. Für den Transport von Gütern wurden, wo man es sich leisten konnte, Maultiere und Esel eingesetzt, oft genug aber mussten Menschen die Lasten auf ihrem Rücken tragen [2, S. 10–19]. Mussten? Noch heute ist in vielen Entwicklungsländern die menschliche Arbeit so billig, dass sich die Verhältnisse kaum geändert haben.
Reisen konnten die meisten Menschen nur zu Fuß, etwa um in anderen Regionen ihr Handwerk zu lernen, wie es lange üblich war. Die Oberschicht reiste in Pferdekutschen, die auf den schlechten Straßen aber lange Zeit kaum schneller als Wanderer waren. Das schnellste Verkehrsmittel war Jahrtausende lang das Reitpferd. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts ließen die Straßen Reisegeschwindigkeiten der Kutschfahrzeuge von durchschnittlich 10 km/h zu, an einem Tag konnte man bestenfalls 100 km, meist deutlich weniger zurücklegen. Goethes Italienreise (1786–1788) von Karlsbad nach Neapel war unterteilt in 30 Tages-Etappen.
Die Wasserpumpen und die Mühlen, mit denen in der Antike Mehl gemahlen wurde (Abb. 1.6), auch die Kräne, die beim Bau der Basiliken, Arenen, Thermen und mehrstöckigen Wohnhäuser der Römer dienten, wurden überwiegend von Tieren oder Menschen an Drehgestellen oder in Laufkäfigen angetrieben. Auch für den Bau der Dome der Romanik und Gotik, sogar noch der Bahnhöfe im 19. Jahrhundert, war man auf die tierische und vor allem die menschliche Muskelkraft angewiesen [2, S. 101–117].
Der Hunger nach menschlicher Arbeitskraft führte früh zur Ausbildung der Sklaverei. Stämme unterwarfen andere Stämme, Völker benachbarte Völker, um über möglichst viele Sklaven zu verfügen. Auch die Kriege der Römer dienten nicht nur der Ausweitung ihres Imperiums, sondern der Gewinnung immer neuer Sklaven, ohne die das bemerkenswert angenehme Leben der Römer nicht möglich gewesen wäre. Den traurigen Höhepunkt erreichte die Sklaverei schließlich bei der Erschließung Nordamerikas. Erst die Aufklärung läutete mit dem wachsenden Bewusstsein für die Würde des Menschen ihr Ende ein. Aber danach und auch in Europa, das nach den Römern ohne Sklaven aus fremden Ländern auskam, mussten viele Menschen hart arbeiten, um kaum mehr als den nackten Lebensunterhalt zu verdienen: Knechte und Mägde in der Landwirtschaft, Gesellen, Lehrlinge und Gehilfen in den Handwerksbetrieben, Bedienstete bei den Händlern und im aufstrebenden Bürgertum erhielten als Lohn kaum mehr als Kost und Logis. Eine bessere Entlohnung ließ die begrenzte Produktivität eines auf menschlicher Arbeitskraft basierenden Wirtschaftssystem auch nicht zu. Der Mensch kann als Dauerbelastung eine Leistung von ca. 80 W erbringen, die Arbeit eines ganzen Tages entspricht damit nicht einmal einer Kilowattstunde, für die wir heute ca. 28 ct bezahlen. Entsprechend niedrig waren die Löhne für Menschen, bei denen nur ihre physische Kraft und nicht auch ihre Intelligenz genutzt wurde – und sie sind es in Entwicklungsländern unter diesen Bedingungen auch heute noch. Um den Vergleich mit der Geschichte bis vor kaum mehr als 100 Jahren herzustellen, kann man unseren heutigen Energiebedarf auch in die Arbeitsleistung virtueller »Energie-Sklaven« umrechnen [4, S. 29]. Der Strombedarf eines Durchschnittshaushalts von ca. ii kWh würde pro Tag im Durchschnitt 14 Sklaven beschäftigen. Es schadet nichts, sich bewusst zu machen, dass während des abendlichen Fernsehens zwei Sklaven auf einem Trimm-Dich-Rad mit Dynamo strampeln müssten, allein um den Strom für den Fernseher zu generieren.
Da das Stichwort »Krieg« gefallen ist, muss auch die unfriedliche Seite der Energietechnik erwähnt werden. Zu aller Zeit haben die Menschen neue Errungenschaften, oft genug zuerst, für kriegerische Zwecke eingesetzt. Für die Entwicklung neuer Materialien war meist der Bedarf für Waffen und Rüstungen maßgeblich. Der Erfindungsreichtum der Menschen führte schon in der Antike zu mechanischen Kampfmaschinen und Feuergeschossen; er erreichte im 20. Jahrhundert ein Potenzial, dessen Einsatz unseren Planeten unbewohnbar machen würde. Aber es gibt auch Ausnahmen: Als im ii. Jahrhundert n. Chr. das Schwarzpulver erfunden wurde, ein erster chemischer Energiespeicher, wurde es in Europa sofort zur Entwicklung von Schusswaffen benutzt. Die gleichzeitige Erfindung in China und Japan blieb dagegen weitgehend rituellen Zwecken und festlichen Ereignissen vorbehalten. Als sich die Briten im 19. Jahrhundert mit Gewalt Zugang zum chinesischen Markt verschafften, hatten die Chinesen ihrem Kanonenfeuer nichts Vergleichbares entgegenzusetzen [5]. In diesem Buch folgen wir dem Beispiel der Chinesen und konzentrieren uns auf die zivile Nutzung der Energie.
1.1.3 Kohle
Die Chinesen waren es auch, die als Erste Kohle als Wärmequelle nutzten, wie man aus den Berichten Marco Polos weiß. Anfang des 18. Jahrhunderts begann man in England, aus Mangel an Holz, auf Kohle als Brennstoff überzugehen, die infolge ihres Aschegehaltes und der schlechten Verbrennung in den offenen Kaminen für den berüchtigten Londoner Nebel verantwortlich war, der wiederum das passende Ambiente für die neue Gattung der Kriminalromane bildete.
Die Kohle wurde aber ...