Einführung in die Nanobiomechanik
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Einführung in die Nanobiomechanik

Bildgebung und Messung durch Rasterkraftmikroskopie

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Einführung in die Nanobiomechanik

Bildgebung und Messung durch Rasterkraftmikroskopie

Über dieses Buch

Die Nanotechnologie ist ein hochaktuelles, viel versprechendes interdisziplinäres Forschungsgebiet. Weltweit werden neue Institute gegründet, um Ressourcen zu bündeln und Anwendungen der Nanotechnologie in Materialforschung, Halbleitertechnik und Biophysik voranzutreiben. Der Druck auf Wissenschaftler und fortgeschrittene Studierende steigt, ihr vorhandenes Wissen auf dieses Gebiet anzuwenden bzw. sich spezifisches neues Wissen anzueignen. Dieses konzise Übersichtswerk in deutscher Sprache vermittelt Master-Studierenden und Doktoranden den aktuellen Stand nanotechnologischer Forschung in der Biophysik.

Häufig gestellte Fragen

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Information

1

Kräfte in der Biologie

1.1 Woraus bestehen wir?

Das zentrale Thema dieses Buches wird die Frage sein: „Aus welchen Materialien bestehen wir?“ Verglichen mit vielen – natürlichen oder künstlichen – unbelebten Objekten in dieser Welt ist unser Körper weich und zerbrechlich. Warum ist unser Körper nicht so hart, dass bei einem Autounfall das Auto zerstört wird, während wir unverletzt überleben? Oder wenn das schon nicht möglich ist, weil unser Körper auf dem organisierten Zusammenwirken einer großen Zahl von Molekülen beruht, können wir dann wenigstens irgendwann die Montage und Demontage dieser Moleküle so weit kontrollieren, dass wir sie wieder zusammenbauen können, wenn unser Körper durch Verletzungen beschädigt ist? Die gezielte Manipulation von Atomen, Molek ülen, Zellen und Geweben in unserem Körpers ist das Thema der „ Nanobiomechanik“ . Damit wir die Bestandteile unseres Körpers in einer entfernten Zukunft manipulieren können, müssen wir die physikalischen Eigenschaften der Materialien kennen, die ihn ausmachen. Da der Körper eher einem mechanischen als einem elektronischen Gerät ähnelt, untersuchen wir folglich die mechanischen Eigenschaften seiner Komponenten, also der Proteine, der Nukleinsäuren, der Polysaccharide, der Lipidgewebe, der Biomembranen und Zellen usw. Dabei setzen wir die modernsten Techniken ein, die uns gegenwärtig zur Verfügung stehen. Es ist eine wichtige Tatsache, dass die häufigsten Bausteine des Körpers – die Proteine – elektrisch nichtleitend sind. Die Informationsübertragung innerhalb und zwischen Proteinstrukturen erfolgt daher hauptsächlich durch mechanische Deformationen.
Da jede mechanische Manipulation durch Anwendung einer Kraft auf die betreffenden Objekte erfolgt, werden wir im ersten Kapitel den Begriff der Kraft in unserer Alltagserfahrung erforschen. Kraft ist etwas, was wir fühlen können, und daher ein vertrauteres Konzept als thermodynamische Funktionen wie Enthalpie oder Entropie. Dieses Buch befasst sich mit der Wirkung von Kräften im Kleinen, weil wirüber Atome und Moleküle und schließlichüber lebende Zellen sprechen werden, die weniger als 1 mm groß sind. Atome sind aus Protonen, Neutronen und Elektronen aufgebaut; sie sind sehr stabil und zerbrechen in unserem Körper nicht (abgesehen von einem winzigen Anteil von Radioisotopen). Moleküle sind Gruppen von Atomen, die durch kovalente Bindungen zusammengehalten werden und die ebenfalls ziemlich stabil und schwierig zu zerstören sind, aber doch viel leichter als Atomkerne. Moleküle können von einer Form in eine andere umgewandelt werden, indem kovalente Bindungen geschaffen, gebrochen oder ausgewechselt werden, häufig mithilfe eines Katalysators. Ein viel zitiertes Beispiel ist die industrielle Umwandlung von Stickstoffgas in Ammoniak mithilfe von Katalysatoren. In lebenden Organismen sind mehrere zehntausend Katalysatoren damit beschäftigt, aus Nahrungsmitteln die Gewebe unseres Körpers aufzubauen und die Energie zu gewinnen, die wir brauchen, um zu leben.
Die Katalysatoren in unserem Körper werden Enzyme genannt. Eines von ihnen, die Invertase, bindet beispielsweise ein Zuckermolekül und wandelt es in Glukose und Fructose um, indem es die kovalente Bindung spaltet, die die beiden im ursprünglichen Zuckermolekül verbindet. Ein spezifisches Substratmolekül aus den Millionen ähnlich aussehender Moleküle gezielt binden zu können, ist der entscheidende erste Schritt für ein Enzym. Die Bindung wird in diesem Fall durch schwächere Kräfte bewirkt, die mit so genannten nichtkovalenten Wechselwirkungen oder nichtkovalenten Bindungen zusammenh ängen. Alle Handlungen und Bewegungen unseres Körpers sind das Resultat dieser nichtkovalenten Wechselwirkungen zwischen Zehntausenden von Molekülen in unserem Körper. In den folgenden Kapiteln werden wir die Arten von Wechselwirkungen untersuchen, die auf molekularer Ebene in lebenden Organismen wirken. Leben bedeutet Bewegung und Aktivität. Um dazu in der Lage und dabeimöglichst effizient zu sein haben Organismen viele raffinierte Mechanismen entwickelt, die hauptsächlich auf Proteinen, Nukleins äuren, Lipiden und Kohlenhydraten beruhen. Wir werden die grundlegende Natur der so geschaffenen Mechanismen und ihrer Bestandteile auf molekularer Ebene untersuchen.

1.2 Kräfte und der menschliche Körper

1.2.1 Schwerkraft und hydrodynamische Kraft

Was „Kraft“ ist, spüren wir in den Muskeln unseres Körpers, wenn wir ein Gewicht gegen die Schwerkraft anheben oder wenn wir plötzlich unser Auto beschleunigen. Weil Kraft das Produkt aus Masse (m) und Beschleunigung (a) ist, spüren wir, wenn das Auto beschleunigt, aber nicht, wenn es mit einer konstanten Geschwindigkeit fährt (d. h. wenn a = 0 ist). In der Achterbahn spüren wir sowohl die Schwerkraft als auch die Zentrifugalkraft, wenn der Wagen um scharfe Kurven rast. Wenn uns jemand plötzlich von hinten stößt, empfinden wir die Kraft als einen Schubs. Eine plötzliche Einwirkung einer Kraft wie in diesem Fall wird Stoß genannt. Kraft ist offensichtlich immer etwas, das wir körperlich spüren können, wenn wir angestoßen werden.
Wir fühlen die Schwerkraft der Erde, weil wir mit unserem großen und schweren Körper in Luft leben, die eine viel geringere Dichte hat als unser Körper. Würden wir wie Wale und Fische im Wasser leben, spürten wir die Schwerkraft viel weniger, weil die Kraft der Gravitation größtenteils durch den Auftrieb im Wasser kompensiert würde. Wenn wir nun zu viel kleineren Maßstäben übergehen, lernen wir ein Leben ohne Schwerkraft kennen. Bakterien schwimmen beispielsweise frei herum, ohne viel von der Schwerkraft zu spüren. Ihr Leben ist viel stärker von der Viskosität des Wassers bestimmt. Weil ihr Körper so klein ist,überwiegt der Viskositätseffektüber die Wirkung der Massenträgheit. Die Reynoldszahl Re gibt eine Abschätzung der relativen Bedeutung von Trägheit und Zähigkeit:
(1.1)
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wobei ρ, R, v und η die Dichte, die charakteristische Größe und die Geschwindigkeit des bewegten Körpers und der Viskositätskoeffizient von Wasser sind. Wenn die Reynoldszahl kleiner als etwa 2 000 ist, ist das Strömungsmuster um den bewegenden Körper glatt ohne jede Turbulenz und wird laminare Strömung genannt. Für Re > 2000 ist die Strömung dagegen turbulent. In beiden Fällen spürt der bewegte Körper erstens einen Trägheitswiderstand, weil er eine Wassermasse beiseite schieben muss, und zweitens einen viskosen Widerstand durch das Wasser an seiner Oberfläche. In einer turbulenten Strömung spürt der bewegte Körper aufgrund von Wirbeln außerdem eine Zugkraft. Die Kraft auf eine Kugel mit dem Radius r in einer laminaren Strömung ist durch das stokessche Gesetz gegeben, wobei f, η und v der Reibungskoeffizient, die Viskosität der Flüssigkeit und die Geschwindigkeit der Kugel sind:
(1.2)
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Von dieser Kraft stammen etwa 2/3 aus der Viskosität und 1/3 vom Druckeffekt des Wassers. Für ein Bakterium mit einem Durchmesser von etwa 1 μm, das mit einer Geschwindigkeit 1 μm pro Sekunde in Wasser schwimmt, ist die Kraft etwa 0.02 pN, was ziemlich klein im Vergleich zu der durch das Geißelsystem des Bakteriums erzeugten Kraft ist. Auf einer Skala von Mikro- oder Nanometern ist die Viskosität wichtiger als die Trägheit oder die Kraft aufgrund von Wirbeln in der Flüssigkeit, sodass die Kraft auf die Kugel nach dem stokesschen Gesetz berechnet werden kann. Der Reibungskoeffizient muss je nach der Form des bewegten Körpers verändert werden. Reibungskoeffizienten für nicht kugelförmige Körper können näherungsweise durch die von Garcia de la Torre entwickelte Methode [1, 2] berechnet oder durch numerische Anpassung an analytische Ausdrücke für abgeplattete oder verlängerte Ellipsoide [3, 4] erhalten werden. Nach [1] kann man einen Näherungswert für den Reibungskoeffizienten eines beliebig geformten Gegenstands erhalten, indem man die Form des Gegenstands durch Kugeln mit den Radien Ri in Abständen rij von den Zentren anderer Kugeln mit den Radien Rj aufbaut und die folgende Gleichung verwendet:
(1.3)
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Nach dieser Methode bestimmte Ikai den Reibungskoeffizienten von komplexen Proteinen [5].
Die hydrodynamische Kraft auf Mikroorganismen und Moleküle ist recht klein; sie ist jedoch ein wichtiger Faktor, um ihr Verhalten verstehen zu können.
Die Biomechanik untersucht die Wirkung von verschiedenen Arten von Kräften auf makroskopische biologische Strukturen. Durch ausgefeilte Analysen auf der Grundlage einer mathematischen Formulierung der Mechanik kann man die Reaktion biologischer Strukturen auf äußere Kräfte verstehen. Umfassende Abhandlungen dazu sind in der Literatur [6, 7] zu finden.

1.2.2 Reibungskoeffizienten

Die Reibungskoeffizienten eines Zylinders mit der Länge L und dem Radius r in einer laminaren Strömung sind in Tabelle 1.1 angegeben. Die Indizes geben an, ob die Strömung und der Zylinder parallel oder senkrecht zueinander angeordnet sind [3].

1.3 Der große Bruder: Biomechanik

Die Biomechanik selbst hat eine lange Geschichte. Dieser Zweig der Wissenschaft befasst sich mit den mechanischen Grundlagen der Funktion und der Bewegung unseres Körpers und somit vor allem mit makroskopischer Mechanik. Ihre Grundlage ist die hoch entwickelte theoretische und experimentelle Mechanik mit ihrer langen Geschichte hervorragender Grundlagenforschung und zahlreichen nützlichen Anwendungen z. B. im Bauwesen und der Werkstoffkunde. Obwohl sie ursprünglich ein Zweig der technischen Mechanik ist, wurden auch viele Arbeiten gerade im Bereich der medizinischen Anwendungen wie z. B. der Sport-und Rehabilitationsmedizin veröffentlicht, und es arbeiten Wissenschaftler aus vielerlei Disziplinen auf diesem Gebiet. Sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Industrie stößt die Biomechanik auf großes Interesse; der World Congress of Biomechanics ist eine gut besuchte Veranstaltung (zuletzt 2006 in München). Dort wurde eine Vielfalt von Themen diskutiert wie z. B. die Mechanik der Muskelkontraktion, der Blutfluss, die Organentwicklung, die Wirkungen von Verletzungen, künstliche Gliedmaßen, Sportmedizin und seit kurzem auch die Mechanik der Moleküle und Zellen in unserem Körper. Nanobiomechanik kann als Kind der Biomechanik aufgefasst werden, in dem Sinn, dass sie sich mit der Wirkung von Kräften auf Biomoleküle und Biostrukturen befasst, die in der Größenordnung von Nanometern bzw. Nanonewton liegen. Das Prinzip der Mechanik ist in der Biomechanik und in der Nanobiomechanik dasselbe, aber die Methoden zur Messung einer kleinen Kraft und ihrer Wirkung auf Biosysteme unterscheiden sich von denjenigen, die in der makroskopischen Biomechanik zum Einsatz kommen. Die klassische Mechanik befasst sich hauptsächlich mit Materialien, die homogen zusammengesetzt und deren Abmessungen groß im Vergleich zu einer Messsonde sind. Eine umfassende Behandlung der Biomechanik ist bei Fung [6] zu finden.
Tabelle 1.1 Reibungskoeffizienten von verschiedenen Körpern in einer laminaren Strömung.
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Die Entwicklung von verschiedenen physikalischen Methoden zur Messung kleiner Kräfte und Verschiebungen hat Wissenschaftler auf den Gebieten Biomakromoleküle und Zellstrukturen dazu ermuntert, die Beziehung zwischen der angewandten Kraft und der Deformation zu untersuchen, die in ihren Proben auf molekularem Niveau auftritt (Spannungs-/Dehnungs- Beziehung). Indem wir solche Beziehungen experimentell untersuchen und theoretische Vorhersagen anwenden, können wir mechanische Parameter be stimmen, die für die Materialeigenschaften der Probe charakteristisch sind. Dank der technologischen und theoretischen Fortschritte in der Nanowissenschaft und der Nanotechnologie können wir heute ein einzelnes Proteinmolekül anstoßen und/oder ziehen, um die Kraft zu bestimmen, die wir benötigen, um es von einem kompakten Kügelchen zu einer linear ausgedehnten Schnur zu entfalten. Die resultierenden Kurven geben uns viele Informationenüber die Starrheit und Zugfestigkeit der intramolekularen Struktur. Ein ähnliches Experiment ist auch mit einem einzelnen DNA-Strang möglich – mit dem genetischen Material selbst. Mit dieser Methode konnte der Mechanismus aufgeklärt werden, nach dem sich DNA mit einer Gesamtlänge von etwa 1 m in einen Zellkern mit einem Durchmesser von einigen Mikrometern faltet.
Tabelle 1.2 Mechanische Parameter, die in diesem Buch verwendet werden. Anmerkung: Formelzeichen in Klammern sind häufig verwendete alternative Ausdrücke.
ParameterZeichenEffekt
Elastizitätsmodul, Young-ModulY, (E)Dehnung und Kompression
Torsionsmodul, SchubmodulG, (μ)Verformung durch Scherspannung
Poissonzahl, Querdehnzahlν, (σ)Dickenänderung bei Dehnung
KompressionsmodulκKompression bei isotropem Druck
TorsionssteifheitΤVerdrehung
BiegesteifheitYI, (EI)Verbiegung
In diesem Buch werden die Materialeigenschaften von biologischen Makromolekülen aus ihnen zusammengesetzten Strukturen erklärt. In Tabelle 1.2 sind einige der hierfür relevanten Parameter mit kurzen Anmerkungen vorgestellt.

1.4 Molekulare Grundlagen biologischer Konstruktionen

Das Grundprinzip biologischer Konstruktionen ist, dass alles „bottom up“ aus Molekülen aufgebaut wird, d. h. alle makroskopischen Bauteile des Körpers werden mithilfe von molekularen Wechselwirkungen direkt aus Molekülen zusammengefügt. Da es für diese Aufgabe keine geeigneten Bauarbeiter gibt, hilft sich unser Körper mit dem Prinzip der Selbstmontage (engl. self-assembly) der einzelnen Moleküle. Um einen Vergleich zu bemühen: Ein Kran auf einer Baustelle ist aus einer relativ kleinen Zahl möglichst starrer und steifer makroskopischer Bauteile mit einem vorgegebenen Design aufgebaut, die von einem Team von Monteuren oder Robotern zusammengefügt werden. Seine Beweglichkeit beruht auf einer relativ kleinen Zahl flexibler Gelenke, und seine Bewegungen werden durch die Kraft eines zentralen Elektromotors angetrieben, dieüber Kabel verteilt wird. Der menschliche Arm führt eine ähnliche Aufgabe aus wie ein Kran, nur auf einem kleineren Maßstab, aber seine Bewegung wird direkt durch eine Ansammlung von Muskelzellen kontrolliert und die Kraft wird direkt von der molekularen Bewegung von Proteinfilamenten in der Zelle erzeugt. In dieser Weise beruhen biologische Systeme auf den dynamischen Wechselwirkungen einer großen Zahl von Molekülen, vor allem Proteinen. Proteine sind lineare Polymere aus zwanzig Arten von Aminos äuren, die zu speziellen dreidimensionalen Anordnungen zusammengefaltet werden, sodass sie optimal für ihre jeweilige Funktion programmiert sind.
Auf molekularer Ebene wirken Proteine als Enzyme, Antikörper, Rezeptoren, Kanäle, Inhibitoren und Hormone, und in organisierten Ansammlungen bilden sie Mikrotubuli, Muskelfilamente, Sehnen, Knochen, Zähne, Haare oder Seidenfasern, um nur einige zu nennen. Es sind Tausende von Enzymen bekannt, von denen jedes eine spezifische Reaktion katalysiert, sodass Tausende von biochemischen Reaktionen kontrolliert ablaufen, um den jeweiligen Organismus am Leben zu erhalten. Wie oben angedeutet hat ein Enzym die Fähigkeit, genau eine Art von Molekül, das so genannte Substrat, aus Millionen von anderen an sein aktives Zentrum zu binden und eine notwendige Veränderung an diesem Molekül auszuführen. Das Andocken eines Substrats an das aktive Zentrum ist der erste Schritt der Enzymkatalyse. Dieses Andocken ist im Prinzip ein mechanischer Prozess in dem Sinn, dass das Substrat durch mechanisch gesteuerte Prozesse angezogen und zum aktiven Zentrum geleitet wird. Und wenn das Substrat schließlich am aktiven Zentrum des Enzyms angekommen ist, verändert sich die dreidimensionale Anordnung des Enzyms, um das Substrat in sein aktives Zentrum aufzunehmen, wobei es dieses zwingt, auch seine Konformation etwas aus der stabilsten Anordnung zu verzerren, vor allem in dem Bereich um die zu brechende(n) Bindung(en). Diese verzerrte Konformation ähnelt schon dem aktivierten Zustand des Substrats entlang des Reaktionsweges, der zu dem gewünschten Produkt führt. Das gebundene Substrat sitzt somit’aktiviert’ im aktiven Zentrum des Enzyms. Diese Aktivierung wird ohne Temperaturerhöhung erreicht, aber auf Kosten der Bindungsenergie an das aktive Zentrum. Das aktive Zentrum des Enzyms besitzt an strategischen Positionen funktionelle Gruppen aus Aminos äure-Seitenketten, um das Substrat in eine Anordnung zu bringen, die seinem aktivierten Zustand ähnelt, und so die Konversion vom Reaktanten zum Produkt unter milden Bedingungen zu erleichtern. Im aktivierten Zustand liegt das Substrat in der Regel in einer mechanisch gespannten Konformation vor, und das Enzym muss starr genug sein, um diese Spannungüber eine angemessene Zeit aufrechtzuerhalten, während der die Reaktion mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ablaufen kann.
Bindung – genauer gesagt spezifische Bindung – ist ein wichtiges und zentrales Thema in der Biochemie. Viele Proteine arbeiten mit anderen Molekülen zusammen und wiederholen immer wieder dieselben Prozesse von Bindungsbildung und -bruch. Wenn die bindenden Moleküle klein sind, nennt man sie Liganden und das Protein heißt Rezeptor; häufig sind die Liganden aber auch bestimmte Teile von Makromolekülen wie z. B. DNA, Proteinen oder Polysacchariden. In diesen Fällen nennt man die Makromoleküle ebenfalls Liganden. Antikörper sind ein Beispiel für Bindungsproteine...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Series Page
  3. Title Page
  4. Copyright
  5. Vorwort
  6. Beitragende Autoren
  7. 1: Kräfte in der Biologie
  8. 2: Einführung in die Grundlagen der Mechanik
  9. 3: Kräfte und Kraftmessung
  10. 4: Die Mechanik von Polymerketten
  11. 5: Wechselwirkungen
  12. 6: Wechselwirkungen zwischen einzelnen Molekülen
  13. 7: Die Mechanik einzelner DNA- und RNA-Moleküle
  14. 8: Die Mechanik einzelner Proteinmoleküle
  15. 9: Bewegung in der Nanobiologie
  16. 10: Die Mechanik von Zellen
  17. 11: Manipulation einzelner Moleküle
  18. 12: Finite-Elemente-Analyse von mikroskopischen biologischen Strukturen
  19. A: Grundzüge der linearen Mechanik nach Landau und Lifschitz
  20. B: Die Mechanik von Balken
  21. C: Persistenzlänge und Kuhnlänge
  22. D: Das Hertzmodell
  23. E: Farbtafeln
  24. Index