Physiker zwischen Autonomie und Anpassung
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Physiker zwischen Autonomie und Anpassung

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich

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Physiker zwischen Autonomie und Anpassung

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich

Über dieses Buch

Welche Rolle spielte die Deutsche Physikalische Gesellschaft in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, welche Position nahm sie im Prozess der wissenschafts- und forschungspolitischen Neuorientierung ein und was war ihre Funktion im politischen Macht- und Handlungsgefuge des Dritten Reiches? Welchen Einfluss hatten die Vertreter der so genannten "Deutschen Physik" in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und in der damaligen Physik generell? Welche Handlungsspielraume hatten die Physiker im Dritten Reich, sich der Vereinnahmung durch ein totalitares und verbrecherisches Regime zu entziehen? Eine Gruppe namhafter Autoren versucht Antworten auf diese Fragen zu finden und beleuchtet die wissenschaftsimmanenten Aspekte sowie die gesellschaftspolitischen Zusammenhange, die die Geschichte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft wahrend des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen politischer Anpassung und wissenschaftlicher Autonomie bestimmt haben.

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2012
ISBN drucken
9783527405855
eBook-ISBN:
9783527660230
Auflage
1
Thema
Physics
Dokumentenanhang
Die Vorstände zwischen 1933 und 1945
Deutsche Physikalische Gesellschaft
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Der Vorstand wurde im zweijährigen Turnus auf den jeweiligen Physikertagungen gewählt; zum erweiterten Vorstand gehörten noch als Beisitzer die Vorsitzenden der zehn Gauvereine: Baden-Pfalz, Bayern, Berlin (mit 3 Vertretern), Hessen, Niedersachsen, Österreich (ab 1939 Ostmark), Ostland (seit 1938), Rheinland-Westfalen, Thüringen/Sachsen/Schlesien, Württemberg sowie drei weitere Vertreter derjenigen Mitglieder, die ihr Wahlrecht in keinem Gauverein ausübten.
Gesellschaft für technische Physik
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Mitgliederentwicklung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) und der Gesellschaft für technische Physik (DGtP) 1930–1945
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Die Physikertagungen 1930 bis 1941 mit den Schwerpunktthemen
1930, 4.–7. September in Königsberg
Quanten- und Wellenmechanik, Korpuskularstrahlen, Technische Probleme im Lichte der neuzeitlichen Atomvorstellung
1931, 13.–18. September in Bad Elster
Leitungs- und Photoeffekte in Halbleitern und Grenzschichten, Physikalische Probleme des Tonfilms, Kernprozesse
1932, 20.–24. September in Bad Nauheim
Magnetismus, Elektrophysik der hohen Atmosphäre, Gasentladungen
1933, 17.–22. September in Würzburg
Atomforschung, Grenzen der elektrischen Messungen
1934, 10.–15. September in Bad Pyrmont
Physik der Werkstoffe, Physik der tiefen Temperaturen
1935, 22.–28. September in Stuttgart
Elektronen- und Ionenleitung fester Körper, Ultrastrahlung und Kernphysik, Mechanische Schwingungen inclusive Lärmbekämpfung
1936, 13.–19. September in Bad Salzbrunn
Astrophysik, Geometrische Optik, Akustik exclusive Lärm
1937, 19.–24. September in Bad Kreuznach
Physikalische Meß- und Regelverfahren der Technik, Kernphysik
1938, 11.–16. September in Baden-Baden
Physikalische und technische Optik, Dielektrika, Elektrische Stromschwankungen
1939, 24.–29. September in Marienbad (wegen Kriegsausbruch abgesagt)
Metallischer Werkstoff in der technischen Physik, Kernphysik
1940, 1./2. September in Berlin
Kernphysik, Hartmetalle
Bestätigung der neuen Satzung
Albert Einstein, Max von Laue und Johannes Stark
Fritz Haber an den Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (B. Rust), Berlin 30. April 1933
Quelle: DPGA Nr. 10011
Sehr geehrter Herr Minister!
Hierdurch bitte ich Sie, mich zum 1. Oktober 1933 hinsichtlich meines preußischen Hauptamtes als Direktor eines Kaiser Wilhelm-Instituts wie hinsichtlich meines preußischen Nebenamtes als ordentlicher Professor an der hiesigen Universität in den Ruhestand zu versetzen. Nach den Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes vom 7. April 1933, deren Anwendung auf die Institute der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft vorgeschrieben worden ist, steht mir der Anspruch zu, im Amte zu verbleiben obwohl ich von jüdischen Grosseltern und Eltern abstamme. Aber ich will von dieser Befugnis nicht länger Gebrauch machen, als es für die geordnete Abwicklung der wissenschaftlichen und verwaltenden Tätigkeit notwendig ist, die mir in meinen Aemtern obliegt.
Meine Bitte deckt sich inhaltlich mit den Gesuchen, welche die von der Kaiser Wilhelm Gesellschaft angestellten wissenschaftlichen Mitglieder und Abteilungsleiter des Kaiser Wilhelm Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie, die Herren Professoren H. Freundlich und M. Polanyi, an den Herrn Präsidenten der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft gerichtet haben. Ich habe die Annahme derselben befürwortet.
Mein Entschluß, meine Verabschiedung zu erbitten. erfließt aus dem Gegensatze der Tradition hinsichtlich der Forschung, in der ich bisher gelebt habe, zu den veränderten Anschauungen, welche Sie, Herr Minister, und Ihr Ministerium als Träger der großen derzeitigen nationalen Bewegung vertreten. Meine Tradition verlangt von mir in einem wissenschaftlichen Amte, dass ich bei der Auswahl von Mitarbeitern nur die fachlichen und charakterlichen Eigenschaften der Bewerber berücksichtige, ohne nach ihrer rassenmäßigen Beschaffenheit zu fragen. Sie werden von einem Manne, der im 65. Lebensjahre steht, keine Aenderung der Denkweise erwarten, die ihn in den vergangenen 39 Jahren seines Hochschullebens geleitet hat, und Sie werden verstehen, dass ihm der Stolz, mit dem er seinem deutschen Heimatlande sein Leben lang gedient hat, jetzt diese Bitte um Versetzung in den Ruhestand vorschreibt.
Hochachtungsvoll, Fritz Haber
Max von Laue an Albert Einstein, Berlin 14. Mai 1933
Quelle: AEA Nr. 16-088
Lieber A. E.!
Ich benutze eine Gelegenheit, Dir einen Gruss zu senden, nachdem ein Sonderdruck mit entsprechender Widmung, den ich Dir schickte, soviel ich weiss, nicht an Dich gelangt ist. Dass ich über die Ereignisse hier sehr traurig bin, brauche ich kaum zu versichern; das Schlimmste ist die vollkommene Ohnmacht etwas dagegen zu tun. Was Aufsehen erregt, verschlimmert die Lage nur.
Mit Deinem Fortgehen von hier ist mir Berlin zum großen Teil verödet; trotz Planck, Schrödinger und manchen Anderen. Aber warum musstest Du auch politisch hervortreten! Ich bin weit entfernt, Dir aus Deinen Aeußerungen einen Vorwurf zu machen. Nur, finde Ich, soll der Gelehrte damit zurueckhalten. Der politische Kampf fordert andere Methoden und andere Interessen, als die wissenschaftliche Forschung. Der Gelehrte kommt in ihm in der Regel unter die Raeder.
So ist’s nun auch mit Dir gegangen. Aus den Truemmern laesst sich, was war, nicht wieder zusammensetzen. Aber wenn wir uns auch nur noch selten sehen sollten: ich denke, wir halten uns beide in gutem Angedenken.
In alter Freundschaft Dein M. Laue
Max von Laue an Albert Einstein, Berlin 30. Mai 1933
Quelle: AEA Nr. 16-091
Lieber A. E.!
Deinen Brief vom 26.5. habe ich schon am 28.5. erhalten und danke Dir herzlichst. Dass ich Dir einen zweiten Sonderdruck des Handbuchartikels zusandte, geschah in der irrtümlichen Ansicht, der erste wäre nicht angekommen. Jetzt bitte ich Dich, das zweite, nicht handschriftlich gezeichnete, an einen, der sich für diese Dinge interessiert, weiter zu geben.
Ich bleibe im Übrigen dabei, daß Unsereiner sich nicht in die Politik aktiv einmischen soll. Du nennst Giordano Bruno, Spinoza, Voltaire und Humboldt als Beispiele für Gelehrte, welche es doch getan haben. Aber dabei übersiehst Du, soviel Ich beurteilen kann, einige recht wesentliche Unterschiede. Inwieweit Giordano Bruno Gelehrter war, kann ich wegen vollständiger Unbildung, was diesen Mann anlangt, nicht sagen. Voltaire war es bestimmt nicht, selbst wenn er einige wissenschaftliche Essais geschrieben haben sollte. Bei Spinoza und Humboldt weiß ich andererseits nicht, inwiefern sie in Politik »gemacht« haben sollen. Aber das Alles waren doch keine Vertreter irgend einer der exakten Wissenschaften! Kannst Du mir einen Mathematiker, einen Physiker, einen Chemiker von Ruf nennen, der sich mit einigem Erfolge um Politik gekümmert hat? Diese Wissenschaften sind nun einmal – ob man es bedauert oder nicht – so weltfremd, dass sie an sich einen umfassenden Geist, der sich beruflich mit ihnen befasst, weltfremd machen. Wer über Geschichte, Ethik, Jura arbeitet, der steht dem Weltgetriebe so nahe, daß er sich recht gut darum kümmern kann. Er braucht sich dazu nicht geistig umzustellen. Aber unsereiner soll seine Hände davon lassen.
Ich kann diese Unterschiede nicht besser erläutern, als an Kant und Fichte, zwei Männern, die sich geistig doch recht nahe standen. Aber der eine war ganz Gelehrter, wie unsereiner. Er kam nie auf die Idee, außerhalb seiner Philosophie wirken zu wollen, ja er hätte wohl etwas gelächelt, hätte Jemand ihm dazu geraten. Der andere war ein Mann von gewaltiger ethischer Leidenschaft – dem lag es, die Reden an die deutsche Nation zu halten.
Hier ist viel Unruhe; man kommt wenig zum Arbeiten.
Mit herzlichen Gruß
Dein M. Laue
Albert Einstein an Max von Laue, Oxford 5. Juni 1933
Quelle: MPGA, III. Abt., Rep. 50, Bl. 1
Lieber Laue,
Ich habe erfahren, daß meine nicht geklärte Beziehung zu solchen deutschen Körperschaften, in deren Mitgliederverzeichnis mein Name noch steht, manchen meiner Freunde in Deutschland Ungelegenheiten bereiten könnte. Deshalb bitte ich Dich, gelegentlich dafür zu sorgen, daß mein Name aus den Verzeichnissen dieser Körperschaften gestrichen wird. Hierher gehört z. B. die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die Gesellschaft des Ordens pour le Merite. Ich ermächtige Dich ausdrücklich, dies für mich zu veranlassen. Dieser Weg dürfte der richtige sein, da so neue theatralische Effekte vermieden werden.
Freundlich grüsst Dich
Dein A.E.
Max von Laue an Albert Einstein, Berlin 14. Juni 1933
Quelle: AEA Nr. 16-094
Lieber A.E.!
Bei der gestrigen Rückkehr von einer wundervollen Auto-Fahrt nach dem südlichen Schwarzwald fand ich hier Deinen Brief vom 5.6. Ich habe daraufhin Deinen Austritt aus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft dem Geschäftsführer mitgeteilt und Deinen Brief sodann an Planck weitergegeben.
So sehr ich Dir dankbar bin, daß Du uns die Lage möglichst zu erleichtern strebst, so konnte ich Beides doch nicht ohne die herzlichste Betrübnis tun. Ich hoffe, daß in nicht zu langer Zeit die Geister sich beruhigt haben werden, und daß dann die Deutsche Physikalische Gesellschaft in der einen oder anderen Form die Verbindung mit Dir wiederherstellen kann.
Mit herzlichstem Gruß und besten Empfehlungen an Deine Gattin.
Dein M. Laue
Max von Laue an Albert Einstein, Berlin 26. Juni 1933
Quelle: AEA Nr. 16-095
Lieber Einstein!
Ich benutze eine besondere Gelegenheit, Dir diesen Brief zu senden. Er soll Dir zunächst einen herzlichen Gruß bringen. Daneben die Mitteilung, dass die Berliner Physik, trotzdem ihr noch weitere schmerzliche Verluste bevorstehen, doch in der Sache ungestört weiter geht. Im Schrödingerseminar wird munter referiert, und wir brauchen uns auch keineswegs zu scheuen, daselbst von der Relativitätstheorie zu reden. Nicht einmal mir ist etwas widerfahren, als ich in der ersten Vorlesung dieses Semesters von der Relativitätstheorie sprach, »die bekanntlich aus dem Hebräischen übersetzt ist«. Du verstehst wohl die Anspielung auf den »berühmten« Aufruf der so genannten Studentenschaft »wider den undeutschen Geist«. Oder hast Du dies Prachtstück unfreiwilligen Humors nicht zu sehen bekommen?
Wo hältst Du Dich zurzeit auf? Von Oxford sollst Du vorige Woche weggegangen sein, man munkelt etwas von Glasgow. Wir sind hier schon sehr beruhigt, Dich auf englischem Boden zu wissen. Wärst Du auf französischem, so fürchteten wir, Du könntest wieder in Politik verwickelt werden. Und das möchten wir nicht, Deinetwegen wie unseretwegen. Denn man macht hier so ungefähr die Gesamtheit der deutschen Gelehrten dafür verantwortlich, wenn Du etwas Politisches tust.
Mit großer Freude habe ich von den Hilfsunternehmen für deutsche Vertriebene in England, Holland und Amerika gehört. Leider ist die Freude nicht ganz frei von Beschämung. Vor wenigen Jahren noch schuf man Hilfskomitees für Armenier und andere, halbwilde Völkerschaften, wenn sie politisch bedrückt wurden. Und nun muss man uns so helfen; das ist bitter.
An der Universität wird jetzt die Frage brennend, wer Nachfolger von Nernst wird. Morgen soll etwas Entscheidendes geschehen. Ich fürchte, auch dabei wird die Politik übel mitspielen. Du ahnst gar nicht, wie der Zusammenhalt selbst nächster Kollegen unter dem Parteiwesen leidet. Nernst hält sich in diesen schwierigen Zeiten prächtig. Von anderen, die wir Beide gut kennen, braucht man das nicht erst zu versichern.
Mit besten Empfehlungen an Deine Gattin und herzlichem Gruß
Dein M. Laue
Max von Laue: Ansprache bei der Eröffnung der Physikertagung in Würzburg am 18. September 1933
Quelle: Physikalische Zeitschrift 34,1933, S. 889–890
Wenn wir uns morgen im Physikalischen Institut der hiesigen Universität versammeln, so stehen wir an historischer Stelle. In diesem Hause entdeckte Ende 1895 Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen. Über deren Bedeutung für die Physik und den ganzen Bereich ihrer Anwendungen zu reden, wäre überflüssig, um nicht zu sagen geschmacklos. Aber wir wollen doch der Größe der Leistung Röntgens gedenken, der zuerst mit Bewußtsein sah, und aus dem Zwielicht der Ungewißheit in die Klarheit sicherster wissenschaftlicher Erkenntnis hob, woran mancher vor ihm dicht vorübergegangen war. Wissen wir doch aus der Röntgenbiographie von Glasser, daß es jenseits des Ozeans eine richtige photographische Durchleuchtungsaufnahme aus dem Jahre 1890 gibt, die man freilich erst nach den Veröffentlichungen Röntgens in ihrer Natur erkannt hat.
Sodann gedenken wir an dieser Stelle des Nachfolgers von Röntgen; Willy Wien hat 17 Jahre in diesem Hause gelehrt und geforscht. Seine klassischen theoretischen Arbeiten über die Wärmestrahlung, die in der Form des Wienschen Verschiebungsgesetzes ein integrierender Bestandteil unserer Wissenschaft geworden sind, stammen aus seinen früheren Jahren, als er als junger Physiker unter Helmholtz an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt arbeitete. Aber nirgends sonst hat er eine so lange Reihe von Jahren mit so vielen Schülern und Freunden der ruhigen und so überaus fruchtbaren experimentellen Forschung widmen können wie hier. Was an Erkenntnis über die Natur der Kanalstrahlen hier erzielt wurde, bildet keinen kleinen Teil des Inhalts jener stattlichen Handbuchbände, welche jetzt darüber erscheinen. Zwei Wiensche Arbeiten aus jener Zeit will ich hier besonders hervorheben, da sie grundlegend waren: die erste quantentheoretische Bestimmung der Schwingungszahl der Röntgenstrahlen, die zwar nur einen ungefähren, aber doch im wesentlichen richtigen Wert lieferte, sodann die experimentelle Bestätigung für die Relativität des elektromagnetischen Feldes, wie sie die Relativitätstheorie fordert. Die bewegten Kanalstrahlteilchen zeigen im magnetischen Felde, spektral untersucht, den Starkeffekt, wie wir ihn bei ruhenden Lichtquellen nur im elektrischen Felde kennen.
Aber auch ganz andere Dinge hat dasselbe Haus erlebt. Im Weltkriege verwandelte Wien sein Institut, und unter Mitwirkung von Max Seddig auch das benachbarte Chemische Institut, in einen Betrieb zur Untersuchung aller der modernen Nachrichtentechnik notwendigen Apparate, vor allem zur Herstellung von Verstärkerröhren. Das Nachrichtenwesen des Heeres nämlich, das wir 1914 ins Feld stellten, war im Gegensatz zu dessen sonstiger Ausbildung und Ausrüstung keineswegs auf der Höhe, die Gegner waren uns darin weit überlegen. Wenn sich dies im Laufe der 4 Jahre langsam, aber sehr wesentlich besserte, so haben die in diesem Hause arbeitenden Physiker ein gut Teil des Verdienstes daran.
Einen Gedenktag besonderer Art hat die Physik am 22. Juni dieses Jahres feiern können. An diesem Tage waren es 300 Jahre, daß der Prozeß Galileis vor der Inquisition endigte. Den Anlaß zu dem Prozeß gab bekanntlich die Lehre des Kopernikus über die Bewegung der Erde und der anderen Planeten um die Sonne, eine Lehre, die damals als den hergebrachten Anschauungen widerstreitend ähnliches Aufsehen und Aufregung hervorrief, wie in unserem Jahrhundert die Relativitätstheorie. Galilei war nicht ihr einziger, aber ihr erfolgreichster Verfechter, weil er sie durch seine wundervollen Entdeckungen der Jupitermonde, der Phasen der Venus und der Eigendrehung der Sonne so überzeugend zu stützen vermochte. Der Prozeß endigte mit der Verurteilung. Galilei mußte die Kopernikanische Lehre abschwören und wurde zu lebenslänglichem Kerker verdammt. Freilich wurde diese Freiheitsbeschränkung bei ihm verhältnismäßig milde gehandhabt; ihm wurde ein Haus zur Wohnung angewiesen, das er nicht verlassen und in dem er auch ohne Erlaubnis keine Besuche empfangen durfte. Und tatsächlich hat er ja sein physikalisches Hauptwerk, die »Untersuchungen über zwei neue Wissenszweige«, von der Haft aus erscheinen lassen können. Aber er blieb eben doch für den Rest seines Lebens ein Gefangener.
An diese Verurteilung hat sich nun die bekannte Legende geheftet, Galilei habe, während er den Widerruf der Lehre von der Bewegung beschwor und unterschrieb, gesagt: »Und sie bewegt sich doch.« Das ist Legende, historisch unbeweisbar und ohne innere Wahrscheinlichkeit – und doch unausrottbar im Volksmunde. Worauf beruht ihre Lebenskraft? Doch wohl darauf, daß Galilei ja bei den ganzen Prozeßverhandlungen innerlich die Frage gestellt haben muß: »Was soll das alles? Ob ich, ob irgendein Mensch es nun behauptet oder nicht, ob politische, ob kirchliche Macht dafür ist oder dagegen, das ändertdoch nichts an den Tatsachen! Wohl kann Macht deren Erkenntnis eine Zeitlang aufhalten, aber einmal bricht diese doch durch.« Und so ist es ja auch gekommen. Der Siegeszug der Kopernikanischen Lehre war unaufhaltsam. Selbst die Kirche, die Galilei verdammt hat, hat den Widerstand schließlich, wenn auch erst 200 Jahre später, in aller Form aufgegeben.
Auch später gab es für die Wissenschaft manchmal schlechte Zeiten, so in Preußen unter dem sonst so verdienten Könige Friedrich Wilhelm I. Aber bei aller Bedrückung konnten sich ihre Vertreter aufrichten an der sieghaften Gewißheit, die sich ausspricht in dem schlichten Satze: Und sie bewegt sich doch!
Johannes Stark: Organisation der physikalischen Forschung
Quelle: Zeitschrift für technische Physik 14, 1933, S. 433–435
Am 1. Mai dieses Jahres hat mich der Herr Reichsminister Dr. Frick an die Spitze der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt berufen. Damit ist mir eine große Verantwortung übertragen worden, die Verantwortung, die größte wissenschaftlich-technische Anstalt des Reiches so zu entwickeln und zu leiten, daß sie ihren wichtigen Aufgaben im Dienste des deutschen Volkes gerecht wird. Sie hat Aufgaben gegenüber der Wissenschaft und Aufgaben gegenüber der Wirtschaft; sie hat sowohl die physikalische Wissenschaft wie die gesamte deutsche Wirtschaft zu fördern und entsprechend dieser Verbindung mit zwei großen Gebieten der deutschen Kultur hat sie zwischen ihnen zu vermitteln, eine Wechselwirkung zwischen ihnen herzustellen.
Gegenüber der physikalischen Wissenschaft hat die Physikalisch-Technische Reichsanstalt folgende Aufgaben. Sie ha...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Wiley
  3. Title
  4. copyright
  5. Geleitwort
  6. Vorwort
  7. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im nationalsozialistischen Kontext
  8. Die Naturforscherversammlung in Nauheim im September 1920
  9. Rahmenbedingungen und Autoritäten der Physikergemeinschaft im Dritten Reich
  10. Die Ausgrenzung und Vertreibung von Physikern im Nationalsozialismus
  11. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die »Deutsche Physik«
  12. Die Ramsauer-Ära und die Selbstmobilisierung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
  13. Die Planck-Medaille
  14. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die Forschung
  15. Misstrauen, Verbitterung und Sentimentalität Zur Mentalität deutscher Physiker in den ersten Nachkriegsjahren
  16. »Sauberkeit im Kreise der Kollegen« Die Vergangenheitspolitik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
  17. Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung im Dritten Reich: Fachpolitik im Netz der nationalsozialistischen Ideologie
  18. »Dem Duce, dem Tenno und unserem Führer ein dreifaches Sieg Heil«.: Die Deutsche Chemische Gesellschaft und der Verein deutscher Chemiker in der NS-Zeit
  19. Abbildungen
  20. Dokumentenanhang
  21. Abkürzungen
  22. Siglen
  23. Autorenverzeichnis
  24. Bildnachweis
  25. Namenregister