Die Zukunft der deutschen Wirtschaft
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Visionen für 2030

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Die Zukunft der deutschen Wirtschaft

Visionen für 2030

Über dieses Buch

"Die Zukunft der deutschen Wirtschaft" richtet sich an alle von uns, die sich für die Zukunft interessieren. Wissenschaftler, Manager, Berater und Politiker präsentieren ihre persönlichen Zukunftsvisionen für fast alle Bereiche unserer Wirtschaft. Dabei liefern sie eine Fülle von Ideen, wie die Zukunft aussehen wird und was wir dazu beitragen können, sie in eine gute Richtung zu steuern. Mit Beiträgen von Jörg Adolf (Shell), Carl-Albrecht Bartmer (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft), Volker Bellersheim (Arthur D. Little), Rainer Brüderle (FDP), Hans-Jörg Bullinger (Fraunhofer-Gesellschaft), Ralf Christian (Siemens), Michael Diekmann (Allianz), Manfred Dietel (Charité), Jean-Pierre Dubois (Paris), Lord John Eatwell (Cambridge), Ralf Emmerich (Capgemini), Falko Fecht (European Business School), Michael Frenzel (TUI), Sigmar Gabriel (SPD), Gerald Gerlach (TU Dresden), Stefan Groß-Selbeck (XING), Thomas Gutberlet (tegut), Matthias K. Hartmann (IBM), Stefan Heidbreder (Stiftung Familienunternehmen), Markus Hofmann (NETWORK), Jürgen Hubbert (ehem. Daimler), Claudia Kemfert (DIW), Volker Kirchgeorg (Arthur D. Little), Andreas Knie (WZB, InnoZ), Gerhard Knies (DESERTEC), Hartmut Kreikebaum (European Business School), Kurt J. Lauk (CDU), Jörg Lennardt (ExperConsult), Meinrad Lugan (B. Braun Melsungen), Bernd Malmström (ehem. Deutsche Bahn, Schenker), Wolfgang Plischke (Verband Forschender Arzneimittelhersteller), Marc Reinhardt (Capgemini), Andreas Renschler (Daimler), August-Wilhelm Scheer (BITKOM), Werner Schnappauf (BDI), Antonio Schnieder (Capgemini, BDU), Ulrich Schriek (Qiagen), Karl-Gerhard Seifert (Allessa), Gerhard Seitfudem (Publicis), Tom Sommerlatte (Osiris MIC), Thomas Theuringer (Qiagen), Christopher Ulrich (Arthur D. Little), Jürgen Valentin (NanoFocus), Mark Wahrenburg (Universität Frankfurt), Henning Wallentowitz (RWTH Aachen), Marion A. Weissenberger-Eibl (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung), Christoph Wollny (Siemens), Sebastian Ziegaus (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung), Bernd Ziesemer (Handelsblatt).

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Klassische Industrien

Gerald Gerlach
Miniaturisierung – kein Thema mehr
Fünf Jahre eher als prognostiziert war nun eingetreten, was Fachleute seit mehr als sechs Jahrzehnten diskutiert hatten:
Das Ende des Moore’schen Gesetzes
1965 hatte Gordon Moore, damals CEO des Halbleiterchipherstellers Intel, festgestellt, dass sich die Speicherdichte bei Halbleiterspeichern alle drei Jahre verdoppelt. Lange war gerätselt worden, welche physikalischen Grenzen dazu führen würden, diese Entwicklung zu stoppen. Man hatte vermutet, dass sich etwa 2030 die Strukturgrößen so verringert haben würden, dass die Einzelkomponenten integrierter Schaltungen (ICs) jeweils gerade noch aus einem einzelnen Atom bestünden. Doch nun hatte bereits fünf Jahre früher auch der zweite der beiden verbliebenen Speicherschaltkreishersteller erklärt, dass er die letzte Technologiegeneration nicht einführen würde, da die Investitionen für eine solche neue Chipfabrik nicht mehr finanzierbar seien. Die Entscheidung war nachvollziehbar, weil die Kosten das Bruttoinlandsprodukt Koreas deutlich überstiegen hätten. Außerdem hatte der Übergang von 300 mm großen Siliziumwafern auf 450 mm in den letzten Jahren zu einem ähnlichen Preisverfall im Speichermarkt geführt, wie er schon einmal vor 25 Jahren beim Übergang von 200 mm auf 300 mm große Wafer eingetreten war. Damals hatte der letzte Speicher-IC-Hersteller in Deutschland seine Produktion eingestellt.
Dezentrale Prozesse
In den 10 Jahren seit 2010, als klar geworden war, dass die Herstellung von Speicherschaltkreisen in Deutschland keine Chance mehr hatte, wurde die hiesige Halbleiterindustrie völlig umgebaut. Diese Neuausrichtung war durch zwei unabhängige Entwicklungen angestoßen worden. Zuerst hatte sich gezeigt, dass viele Prozesse am besten dezentral vor Ort zu regeln sind. Lichtschalter zum Beispiel sind seitdem mit Sensoren ausgestattet, die die Beleuchtung ungenutzter Raumbereiche vermeiden. Netzteile für elektronische Geräte besitzen intelligente Regler, die Wirkungsgrade von fast 100 % sichern.
Anfang der 2020er Jahre kam dann ein zweiter Effekt dazu. Aus Klimaschutzgründen wurden Serverfarmen ab einer bestimmten Größe verboten, nachdem der Energieanteil für ihre Kühlung die 50-%-Marke überstiegen hatte. Daten- und Informationsverarbeitung mussten daher immer stärker dezentralisiert werden. Weltweite Forschungsinitiativen führten zu völlig neuen Verfahren der Datenfusion und -kompaktierung mit flexibel anpassbaren Schaltkreisen für unzählige Anwendungen im privaten und im industriellen Bereich.
Mess- und Automatisierungstechnik boomen weiterhin
Diese Entwicklungen, auf die sich auch die deutsche Mikroelektronikindustrie einstellte, hatten einen überaus positiven Einfluss auf die Mess- und Automatisierungsindustrie in Deutschland. Schon früher war klar gewesen, dass die Leistungsfähigkeit der Gebrauchsgegenstände im täglichen Leben, genauso wie die industrieller Produktionsanlagen, nur durch den massiven Einsatz von Sensoren und Regelungs- und Automatisierungslösungen verbessert werden konnte. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass zu Beginn des Jahrtausends ein Automobil gerade einmal ein Dutzend Sensoren enthielt. 10 Jahre später waren es dann schon etwa 50, die für Motormanagement, Fahrstabilisierung und Komfortverbesserungen benötigt wurden. Fahrerassistenzsysteme, das Powermanagement bei Elektro- und Hybridfahrzeugen und erweiterte Sicherheitseinrichtungen haben die Zahl der Sensoren während der nächsten 10 Jahre auf nunmehr über 500 pro Fahrzeug ansteigen lassen. Die Sensoren sind Teil eingebetteter Systeme mit verteilten Regelungsfunktionen.
Die gleiche Entwicklung trat in vielen anderen Bereichen ein, zum Beispiel in der Fertigungsautomatisierung, in der Medizintechnik und in der Gebäudetechnik, wo Sensornetze dafür sorgen, dass alle Funktionen, von Heizung und Klimatisierung über Wasser- und Elektroinstallation bis hin zur Lichtdurchlässigkeit der Fensterscheiben, individuell für jeden Raum, teilweise sogar für separate Raumbereiche geregelt werden können, um die Energieeffizienz von Gebäuden weiter zu verbessern.
Ähnlich dem Moore’schen Gesetz erkannte man, dass die Zahl der weltweit hergestellten Sensoren alle zwei Jahre um den Faktor 3 steigt. Der Anteil der siliziumbasierten Sensoren am gesamten Sensormarkt hat sich dabei in den letzten 20 Jahren von ca. 30 % auf ca. 60 % verdoppelt. Längst spekulieren Fachleute, wie lange dieses „Moore’sche“ Gesetz der Sensorik gültig und durch welche Effekte es begrenzt sein wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Branchenverband für die deutsche Sensorindustrie erst kürzlich bekannt gegeben hat, dass das jährliche Umsatzwachstum in diesem Bereich seit 1980 nun schon zum fünfzigsten Mal in Folge den 5-%-Wert überschritten hat und in diesem Zeitraum ein durchschnittliches Wachstum von fast 8 % pro Jahr zu verzeichnen war.
Denken in Systemen
Die Mess- und Automatisierungstechnik wird seit einigen Jahren als Flaggschiff der industriellen Produktion in Deutschland angesehen. Noch vor wenigen Jahren hatten Maschinenbau und Automobilindustrie diesen Ruf. Dies änderte sich aber schlagartig, als die Bundesregierung das Jahr 2023 zum „Jahr der Hidden Champions“ erklärte und ein umfangreiches Förderprogramm der für Deutschland bedeutsamsten „Hidden Technologies“ verabschiedete. Schlagartig wurde der Öffentlichkeit bewusst, dass elektrotechnische und elektronische Komponenten in Maschinen und Automobilen bereits mehr als die Hälfte des Wertes ausmachten und dieser Anteil nach wie vor stetig steigt. Dies bewirkt allerdings auch, dass die Komplexität der Systeme immer weiter zunimmt. Klein- und mittelständische Unternehmen mit ihrer Innovationskraft und Flexibilität haben sich dafür als hervorragend angepasst erwiesen, so dass sich ihr Anteil gegenüber den Großunternehmen im letzten Jahrzehnt erheblich erweitert hat. Ihre Systemkompetenz im Engineering verstärkt immer mehr ihre internationale Marktstellung im Bereich Systemlösungen, wie sie zum Beispiel gerade für Maschinen und den Automobilbau immer wichtiger werden, während die Fertigung von einfachen Systemkomponenten inzwischen nahezu vollständig aus Deutschland verschwunden ist.
Die neue Mikroelektronik
Viele Jahrzehnte lang hatte die Wissenschaft nach Alternativen geforscht, mit denen die Siliziummikroelektronik einmal abgelöst werden könnte. Nun war die Entwicklung entsprechend dem Moore’schen Gesetz zumindest hinsichtlich der Miniaturisierung zum Stehen gekommen, ohne dass eine der in den vergangenen Jahren angekündigten Technologien die in sie gesetzten Hoffnungen hatte erfüllen können. Die Forschung im Bereich der molekularen Elektronik war vor Kurzem ebenso eingestellt worden wie die für Quantenpunktbauelemente und die Spin-Elektronik. Letztendlich unterlagen alle neuen Technologien im Hinblick auf die Bauelemente-Miniaturisierung der gleichen Beschränkung der atomaren Auflösung. Dreidimensionale Selbstassemblierungstechniken, die wenigstens annähernd die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Komplexität von CMOS-Schaltkreisen erreichen, konnten bisher nicht zur Großserientauglichkeit gebracht werden. Nachdem sich dies seit geraumer Zeit mehr und mehr angedeutet hatte, gründeten einige findige Wissenschaftler aus diesen Forschungsbereichen Firmen aus, die mit dem Know-how der neuen Technologien nicht mehr den Ersatz der Silizium-Mikroelektronik anstrebten, sondern ganz auf neue Anwendungsgebiete setzten. Mehrere spektakuläre Entwicklungen haben sich inzwischen weltweit durchgesetzt. Eines der frühesten und bekanntesten Beispiele sind die organischen LED-, die OLED-Beleuchtungen. Heute kann sich keiner mehr vorstellen, dass noch vor wenigen Jahrzehnten Glühlampen den Hauptteil an Beleuchtungsquellen ausmachten. Die OLED-Technologie nutzt geschickt aus, dass Leuchtdioden nicht mehr auf platzbegrenzten Siliziumscheiben abgeschieden werden müssen, sondern sich auch auf großflächigen Substraten und Folien aufbringen lassen. Eingebettete Steuerungen erlauben seit einigen Jahren, Farbe und Helligkeit zu regeln. Leuchtfolien für die Heimbeleuchtung sind gegenwärtig einer der größten Umsatzrenner in den Baumärkten. Inzwischen ist die Technologie weiter entwickelt worden. Es gibt neuerdings Heiztapeten, bei denen großflächig infrarot strahlende Polymerschichten auf thermisch isolierende Kunststofffolien gedruckt werden. Förderprogramme setzen hier auf den Effekt, dass die Heizung von Räumen direkt den Anforderungen angepasst werden kann, so dass keine Zeitverzögerungen wie bei Fußbodenheizungen auftreten und sich auch die Energieeffizienz noch einmal um etwa ein Drittel steigern lässt.
Einen großen Hype hatte vor zwei Jahren die Einführung von i-Print (sprich „Ei-Print“) ausgelöst. i-Print ist ein tintenstrahlbasiertes Drucksystem, mit dem sich beliebige elektronische Schaltungen drucken lassen. Konnte man früher nur Apps als kleine Softwareprogramme im Apps-Store herunterladen, kann man nun auch seine Elektronikgeräte hardwaremäßig ständig verbessern und erweitern und somit technisch entsprechend seinen persönlichen Wünschen auf dem höchsten technischen Stand halten. In den zwei Jahren seit Einführung dieser Technologie sind allein in Deutschland bereits 100 Millionen Schaltungen für Geräteerweiterungen heruntergeladen und dann auf den Druckern der Kunden und Anwender ausgedruckt worden.
Gerätebedienung „seniorenleicht“
Vor Kurzem ist eingetreten, was in der Gesellschaft bereits seit mehreren Jahrzehnten diskutiert worden war: Der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung hat die 50-%-Marke überschritten. Bedingt durch diese Entwicklung ist die Zahl der Unfälle in privaten Haushalten durch Fehlbedienung elektronischer Haushaltssysteme (durch deren Komplexität spricht niemand mehr von Haushaltsgeräten) drastisch gestiegen. Die Bundesregierung hat unter dem Druck von Bürgerinitiativen und Seniorenverbänden ein umfangreiches Förderprogramm für neue Methoden und Technologien der Bedienung elektronischer und elektrischer Geräte aufgelegt. Unter dem Namen „Mensch-Maschine-Kommunikation“ hatte es früher schon wiederholt Initiativen in dieser Richtung gegeben. Der Bewusstseinswandel bei Bevölkerung und bei den Herstellern zeigt sich beispielsweise darin, dass innerhalb der letzten Jahre der Begriff „kinderleicht“ fast völlig aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist und stattdessen von „seniorenleichter Bedienung“ gesprochen wird. Tastaturen sind inzwischen verpönt, Touchpads selten geworden. Bei „Palmpads“ werden gedankengesteuerte Befehle über Funktechnologien in Handpotenzialänderungen umgewandelt und so auf die Geräte übertragen. Auch im Displaybereich haben sich große Änderungen ergeben. Das verbreitetste Betriebssystem verzichtet bei der Programmoberfläche immer mehr auf überladene Grafiken und Animationen. Wegen seiner Einfachheit und Klarheit im Bauhaus-Stil wird es seit Neuestem unter dem Namen „Bauhaus-Windows“ vertrieben. Aktuelle Systemvergleiche zeigen, dass sich mit diesem Betriebssystem etwa 50 % % der Rechenleistung einsparen lassen.
Der Mensch als elektrisches System
Der Beginn des 21. Jahrhunderts war durch einen immensen Fortschritt in der Entwicklung der Biotechnologie und der Zellbiologie charakterisiert. Es war gelungen, das menschliche Genom zu entschlüsseln. Die Biophysik hatte geholfen, die physikalisch-chemischen Prozesse, die in den Zellen ablaufen, zu verstehen und zu beeinflussen. Immer stärker wurde klar, dass sich viele Vorgänge durch Ionenströme und elektrische Potentiale beeinflussen lassen. Viele daraus resultierende Erkenntnisse sind inzwischen in neue Therapiemethoden eingeflossen, die dann in den letzten zehn Jahren zu einem weiteren imposanten Wachstum der Biomedizintechnik geführt haben. Zum Beispiel gibt es nun elektronische Pflaster zur Wundheilung oder Geräte zum schnellen Verheilen von Knochenbrüchen. Völlig neue Anwendungen und Therapien stehen kurz vor der Einführung. Damit verzeichnet die Biomedizintechnik bereits den zweiten Boom in den vergangenen beiden Jahrzehnten, nachdem in den Jahren 2010 bis 2020 durch das Ambient-assisted Living (AAL) schon einmal ein dramatisches Umsatzwachstum stattgefunden hatte. Damals war klar geworden, dass Assistenzsysteme älteren Menschen erlauben, ihr Leben im eigenen Heim aktiv und selbstbewusst zu gestalten. Ausschlaggebend für den Erfolg war letztendlich aber die Tatsache, dass dank gesetzlicher Regelungen solche Assistenzsysteme durch die Kranken- und Pflegekassen unterstützt wurden und sich so eine große Nachfrage nach AAL-Systemen ergab.
Was bringt die Zukunft?
Auch wenn in den ersten drei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts viele neue technische Entwicklungen die Elektrotechnik zu einem der wichtigsten Industriezweige der deutschen Wirtschaft gemacht haben, wird weiter intensiv an der Lösung von Problemen gearbeitet, die der Elektrotechnik eine neue, noch höhere wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zu eröffnen versprechen:
an Systemen der elektrischen Energiespeicherung mit hoher Speicherkapazität,
an autarken elektronischen Systemen, die ihre Energie vollständig aus der Umgebung entnehmen können und damit keine eigene Energiequelle brauchen,
an Systemen zur sicheren Übertragung von Daten, die nur der adressierte Empfänger decodieren kann,
an neuen Rechnerarchitekturen und Softwarelösungen, die trotz Erreichen der Miniaturisierungsgrenzen in der Mikroelektronik zu höheren Rechnerleistungen führen,
an flächenhaften Elektromotoren mit geringer Bautiefe und großer Leistung für neue gerätetechnische und mechatronische Anwendungen.
Der Fachkräftemangel bei Ingenieuren und Technikern der Elektrotechnik in Deutschland steht baldigen Lösungen allerdings ziemlich gravierend im Wege.
Volker Bellersheim, Volker Kirchgeorg, Christopher Ulrich
Spitzenposition durch Innovationskraft und Wandlungsfähigkeit
Der Maschinenbau hat sich lange Zeit aufgrund starker Spezialisierung und Fragmentierung im Vergleich zu anderen Industrien durch geringe Strukturveränderungen ausgezeichnet. Megatrends wie Globalisierung, wachsende Bedeutung der BRIC-Märkte und -Wettbewerber sowie Ressourcen- und Energieknappheit haben ab Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts fast alle Branchen massiv verändert. Während sich in vielen B2C-Märkten (Unterhaltungselektronik, Fast Moving Consumer Goods, Automobil) und auch einigen B2B-Märkten (Infrastruktur, Telekommunikation) bereits in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts globale Märkte und Wettbewerber herausgebildet haben, ist der Maschinenbau erst in den letzten 15 Jahren von diesen Trends erfasst worden.
Veränderungen der Markt- und Wettbewerbsstrukturen sowie der Geschäftsmodelle und Organisationsstrukturen der Maschinenbau-Unternehmen waren daher gegenüber anderen Branchen erst mit einem Jahrzehnt Verspätung zu beobachten. Vorbilder waren Konzerne wie der Stahlproduzent Mittal, der Weiße-Ware-Hersteller Haier oder die Telekommunikationsausrüster ZTE und Huawei. Als Vorbild bei der Transformation vom Produkt- zum Lösungsanbieter oder Dienstleister galten lange Zeit IBM und dann die Automobilfirmen, die mit dem Einzug der Elektromobilität ihr Geschäftsmodell vom reinen Hersteller zum Mobilitätsanbieter anpassen mussten.
Diese Trends haben heute auch den Maschinenbau grundlegend verändert. Die führenden Unternehmen aus den Industrieländern, insbesondere aus Deutschland, haben sich aber als wandlungsfähig erwiesen und gehören heute – im Jahr 2030 – nach wie vor zu den Marktführern.
Märkte und Kunden
Die klassische Aufteilung des Weltmarktes in die drei Triade-Märkte Europa, Amerika und Asien hat sich aufgelöst. Wir beobachten – wie in zahlreichen anderen Industrien heute eben auch im Maschinenbau – einen integrierten Weltmarkt mit globalen Produktsegmenten und weltweit tätigen, in allen wesentlichen Regionen mit eigener Wertschöpfung präsenten Wettbewerbern. Das Modell des Exporteurs, der „deutsche“ Technik in Industrieländer und Premium-Produkte in den Emerging Markets verkauft, hat sich überholt.
Durch das seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts starke Wirtschaftswachstum in den Emerging Markets, von denen sich viele zu Schwellenländern weiterentwickelten, haben sich auch in den Investitionsgüterindustrien die Gewichte massiv verschoben.
Nach dem massiven Anstieg der Industrieproduktion ist insbesondere in China, Indien und Brasilien nach einem gewissen Zeitverzug auch die lokale Maschinenbauproduktion explosionsartig angestiegen. Der Anteil dieser drei Länder am globalen Bruttosozialprodukt liegt nach einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum in den letzten 20 Jahren von ca. 8 % heute bei über 40 %, absolut hat sich deren BSP verdoppelt. Westeuropas BSP ist lediglich gute 2 % p.a. gewachsen, sein Anteil ist von über 40 % auf unter 30 % zurückgefallen. Noch dramatischer ist die Wachstumsschere bei der Maschinenbauproduktion auseinandergegangen – hier konnten wir ein Wachstum von durchschnittlich 12 % in China und Indien gegenüber einem Wachstum des deutschen Maschinenbaus von 5 % beobachten. Der Anteil beider Wachstumsländer am weltweiten Umsatz hat sich von knapp 20 % auf fast 60 % erhöht, auch durch die Direktinvestitionen westlicher und japanischer Wettbewerber. Die deutsche Maschinenbauproduktion konnte ihren Weltmarktanteil bei etwa 15 % stabil halten. ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Impressum
  3. Inhalt
  4. Einführung
  5. Klassische Industrien
  6. Zukunftsbranchen
  7. Consumerbranchen
  8. Geldwirtschaft
  9. Medien
  10. Übergreifende Betrachtungen und Rahmenbedingungen
  11. Die Sicht der Politik
  12. Die Sicht unserer Nachbarn
  13. Nachwort
  14. Vitae