Umweltchemie

Claus Bliefert

• Verlag: Wiley-VCH
• Jahr: 2012
• ISBN drucken: 9783527303748
• eBook-ISBN: 9783527662999
• Auflage: 3
• Thema: Physical Sciences
• Thema: Organic Chemistry

Auch in seiner dritten Auflage besticht dieses Lehrbuch durch seine verst ndliche Darstellung und die einpr gsamen Abbildungen, die die komplexe Materie nicht nur dem Studenten nahebringen. Der Inhalt wurde fur die neue Auflage durchgehend aktualisiert und um wichtige neue Aspekte des Umweltrechts erg nzt. Stimmen zum Buch: ..".ein umfassender, flott zu lesender Einstieg in das weite Feld der Umweltchemie." (Nachrichten aus der Chemie) "Zahlreiche Tabellen und Grafiken helfen beim Verstehen der Zusammenh nge." (Umwelt Magazin) "Besonders erw hnenswert ist das umfangreiche Register. [Dieses] verleiht dem Buch beinahe einen lexikalen Charakter." (Advances in Food Sciences) "Durch seinen durchg ngien Praxisbezug ... bietet das Buch auch dem in der Industrie t tigen Praktiker ein umfassendes Nachschlagewerk zu den Fragen des Umweltschutzes." (Aluminium)

Teil II

Luft

7

Die Lufthülle der Erde

7.1 Vorbemerkungen

7.1.1 Bedeutung der Atmosphäre

Unter Atmosphäre (griech. atmos, Dunst, Dampf; lat. sphaira, Kugel, Erdkugel) versteht man die gasförmige Hülle eines Himmelskörpers, speziell die Lufthülle der Erde. Die wichtigsten Bereiche der Erdatmosphäre im Zusammenhang mit der Diskussion umweltrelevanter Prozesse sind die Troposphäre – hier spielt sich das Leben ab, hier finden die wesentlichen das Wetter betreffenden Vorgänge statt – und die Stratosphäre (ein erster Überblick wurde in Abschn. 2.4.3 gegeben).

Luft zählt zwar rechtlich nicht zu den Lebensmitteln, sie ist jedoch das wichtigste überhaupt: Der Mensch kann bis zu ca. zwei Wochen ohne Nahrung leben und bis zu zwei Tagen ohne Wasser, aber noch keine fünf Minuten ohne Luft. Pro Atemzug werden ca. 0,5 L Luft aufgenommen. Bei 16 Atemzügen pro Minute (ruhigem Atmen) ergibt sich ein Luftvolumen von 11,5 m³ (ca. 13,5 kg), das ein Mensch täglich einatmet; diese Menge übertrifft bei weitem die des aufgenommenen Wassers oder der aufgenommenen Nahrung.

Luftvolumen beim Atmen

in Ruhe	0,5 m^3/h
bei der Arbeit	1,2 m^3/h

Luft

1 m³ wiegt 1,17 kg (bei 15 °C, 1 bar)

Veränderungen in der Atmosphäre sind für die Umwelt von größerer Bedeutung als Veränderungen in den Bereichen Wasser oder Boden:

– Die Atmosphäre ist das wichtigste Kompartiment für den Transport von Schadstoffen. Für Gase und Flüssigkeiten mit ausreichend hohem Dampfdruck ist dies leicht einzusehen (vgl. Abschn. 3.2.2); aber auch Feststoffe werden über die Luft, z. B. an Staub gebunden, transportiert (vgl. Abschn. 14.1).

– Die Masse der Atmosphäre ist um ein Vielfaches kleiner als die der anderen großen Reservoire wie Boden oder Gewässer/Ozeane; dieses Kompartiment reagiert deshalb bedeutend empfindlicher schon auf kleinere Substanzmengen, wie sie beispielsweise durch Vulkanausbrüche oder durch Aktivitäten des Menschen eingetragen werden können.

– Die Zeiträume, in denen sich die Zusammensetzung bei Belastung durch Schadstoffe nachhaltig verändert, sind für die Atmosphäre besonders kurz (vgl. Abb. 2-13 in Abschn. 2.5).

Wie empfindlich die Atmosphäre auf die Aktivitäten des Menschen reagiert, kann man beispielsweise am Chlorgehalt (Cl in chlororganischen Verbindungen) ablesen, der in den vergangenen 40 Jahren um ca. 600 % angestiegen ist, und am CO₂-Gehalt, der im gleichen Zeitraum um rund 20 % zugenommen hat.

7.1.2 Atmosphärenchemie

Gegenstand der Atmosphärenchemie sind die chemischen Aspekte all derjenigen Vorgänge, die maßgeblich die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre bestimmen.

Die Atmosphäre ist trotz einer scheinbar nahezu unveränderlichen Zusammensetzung (vgl. Abschn. 7.2.1) ein dynamisches System. Die gasförmigen Komponenten sind stets miteinander in Wechselwirkung, es werden andauernd Stoffe gebildet und abgebaut und mit den Ozeanen und der Biosphäre ausgetauscht. Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre können schon in Zeiträumen von Jahren wahrnehmbar sein.

Die zahlreichen Stoffe, die in den meisten Fällen mit geringen Gehalten in der Atmosphäre vorkommen, können in unübersehbar vielfältiger Weise miteinander reagieren. Deshalb ist es notwendig, aus den vielen heute bekannten Reaktionen in der Atmosphäre im Folgenden einige auszuwählen, die einen Einblick in wichtige Ereignisse und Vorgänge in der Umwelt geben können.

Viele der komplexen Reaktionsfolgen in der Atmosphäre sind noch nicht oder nicht zweifelsfrei aufgeklärt; zum Teil ist unser Wissen über die Vorgänge in Troposphäre und Stratosphäre noch unvollständig. So gibt es beispielsweise unterschiedliche Meinungen dazu, ob die Abgase von Flugzeugen in der Stratosphäre den Ozonabbau fördern oder bremsen. Auch weiß man noch ziemlich wenig über den Einfluss der Ozeane auf die Zusammensetzung der Atmosphäre. Und in welchem Ausmaß Vulkaneruptionen für die Chemie der Stratosphäre eine Rolle spielen, beginnt man erst in den letzten Jahren genauer zu verstehen.

7.2 Zusammensetzung und Eigenschaften der Atmosphäre

7.2.1 Zusammensetzung der Atmosphäre

Luft ist niemals sauber oder rein in dem Sinn, dass sie nur Stickstoff, Sauerstoff, Kohlendioxid, Wasser und die Edelgase enthielte (Tab. 7-1). Bereits vor der Existenz von Menschen gab es in der Atmosphäre Bestandteile, die wir heute als Luftverunreinigungen oder Schadstoffe bezeichnen (s. Abschn. 7.3). Solche natürlichen Luftschadstoffe entstammten beispielsweise Vulkanen und Pflanzen oder entstehen bei Waldbränden.

Tab. 7-1. Zusammensetzung der trockenen Atmosphäre in der Nähe der Erdoberfläche (Bezugsjahr 1992).

Hauptbestandteile der Luft sind Stickstoff, N₂ (Volumenanteil 78,084 %), und Sauerstoff, O₂ (20,946 %); Argon mit 0,934 % ist ein Nebenbestandteil. Diese drei machen also zusammen einen Volumenanteil von 99,964 % aus – die restlichen mit einem Volumenanteil von weniger als 0,04 % sind Spurengase: Kohlendioxid, CO₂, nimmt darunter mit zur Zeit ca. 0,037 % (370 ppm) den ersten Rang ein. (Einige Informationen zur Angabe von Konzentrationen in der Atmosphärenchemie sind in Anhang A zusammengestellt.)

Die Zusammensetzung der Erdatmosphäre ist nicht überall und immer gleich; sie kann von vielen Faktoren abhängen, u. a. von der

– Höhe über dem Erdboden (z. B. der vertikalen Verteilung der FCKW; vgl. Abb. 13-8 in Abschn. 13.3.2),

– geographischen Breite (z. B. der horizontalen Verteilung von CO₂; vgl. Abschn. 8.3),

– Tageszeit (z. B. der tageszeitlichen Veränderung der Volumenanteile von O₃; vgl. Abb. 13-11 in Abschn. 13.4.1),

– Region (z. B. Meer/Festland, Stadt/Land; vgl. beispielsweise Abschn. 7.2.2).

Einige Spurengase können – trotz ihrer geringen Konzentrationen – bedeutende Auswirkungen in der Umwelt, auf Menschen, auf Pflanzen usw. zeigen; darauf wird in den folgenden Abschnitten und Kapiteln ausführlich eingegangen.

7.2.2 Luftqualität

Manchmal teilt man Gebiete nach ihrer Luftqualität ein. Man verwendet verschiedene Begriffe, aber nicht einheitlich und auch nicht scharf voneinander abgrenzbar. Im Folgenden sollen unter Belastungsgebieten (Ballungsgebieten) diejenigen Gebiete der Erde verstanden werden, die die Hauptquellen der Luftverunreinigung enthalten, also Ansammlungen von Industrie und Großstädte. Unter unbelasteten Gebieten fasst man ländliche, weitflächige Gebiete zusammen, die mehr oder weniger weit von den Hauptquellen im engeren Sinn entfernt sind (manchmal spricht man auch von Freiland). Solche Gebiete sind in der Regel nur indirekt belastet.

Bei Regionen, die von möglichen Emissionsquellen sehr weit entfernt liegen, die also von jeglicher Art menschlicher Tätigkeit nicht betroffen sind, spricht man von Reinluftgebieten. Jede Belastung solcher Gebiete mit Schadstoffen ist das Ergebnis eines „natürlichen“ Eintrags durch Wind, Regen, Schnee oder Staub. In Mitteleuropa kommen als Reinluftgebiete in diesem strengen Sinn höchstens noch wenige Hochalpenregionen und die Meere außerhalb eines Küstenstreifens von 50…100 km in Frage. Ansonsten kann man extrem dünn besiedelte Gebiete auf der Südhalbkugel unserer Erde oder Bereiche über den Ozeanen zu den Reinluftgebieten zählen. Ähnliches gilt für ...

Inhaltsverzeichnis

• Cover
• Title page
• About the author
• Copyright page
• Dedication
• Vorwort
• Teil I
• Teil II
• Teil III
• Teil IV
• Teil V
• Anhang