Atmosphärenschauspiele und Wetterkapriolen
dp n="92" folio="78" ? dp n="93" folio="79" ?
Polarlichter – das himmlische Theater
Bunt leuchtende Vorhänge und Kaskaden von wechselnden Farben ziehen über den Nachthimmel. Wer jemals ein Polarlicht erlebt hat, wird von der Schönheit der Erscheinung beeindruckt gewesen sein. Die ältesten Berichte über Polarlichter sind mehr als 2000 Jahre alt und stammen aus verschiedenen Kulturen im Norden Amerikas, Europas und Asiens. Nicht selten sahen die Menschen in Polarlichtern ernstzunehmende Zeichen der Götter – Vorboten von Dürre, Hungersnöten, Pest und Krieg. Die Wikinger etwa interpretierten Polarlichter als Zeichen, dass irgendwo auf der Welt gerade eine große Schlacht geschlagen worden war. Ihrer Mythologie zufolge ritten die Walküren nach jedem Gefecht über den Himmel und wählten die Helden aus, die fortan an Odins Tafel speisen sollten. Dabei spiegelte sich das Licht des Mondes an ihren schimmernden Rüstungen und das Nordlicht entstand. Die Eskimos glauben, dass die Geister der Verstorbenen am Himmel Ball spielen, wobei ein hin und her geworfener Walrossschädel das Leuchten erzeugt.
Die ersten wissenschaftlichen Interpretationen tauchten Anfang des 19. Jahrhunderts auf. Einige Physiker gingen davon aus, dass es sich bei dem in Höhen von 100–1000 km stattfindenden Ereignis um Sonnenlicht handelt, das an Eiskristallen in der Atmosphäre reflektiert und in seine Bestandteile zerlegt wird. Dies konnte der schwedische Astronom und Physiker Anders Jonas Ångstrøm später jedoch widerlegen, indem er mit spektralen Analysen wesentliche Unterschiede zwischen der Zusammensetzung von Polarlicht und Sonnenlicht nachwies. Viele Wellenlängen, die im Sonnenspektrum vertreten sind, fehlen im Spektrum des Polarlichts. Dadurch konnte ausgeschlossen werden, dass es sich um reflektiertes Sonnenlicht handelt.
Heute weiß man, dass Polarlichter durch den so genannten Sonnenwind hervorgerufen werden. Unser Zentralgestirn schickt uns nicht nur Licht und Wärme, sondern auch einen unablässigen Strom elektrisch geladener Teilchen (Elektronen und Protonen), der auf das Magnetfeld der Erde trifft und es zur sonnenabgewandten Seite wie einen Kometenschweif hinausdrückt.
Aurora Borealis (Polarlicht) im Winter.
Bei diesem Ereignis wirkt auf die Elektronen und Protonen des Sonnenwindes die Lorentzkraft des Magnetfeldes, das durch Überlagerung des Sonnen- und des Erdfeldes entsteht. Protonen und Elektronen werden aufgrund ihrer ungleichnamigen Ladung in verschiedene Richtungen abgelenkt – die Protonen nach rechts und die Elektronen nach links (für einen irdischen Beobachter). Das im hohen Norden einmündende Magnetfeld lässt daher eine negative und eine positive Ladungswolke entstehen. Der negative Pol liegt auf der Abendseite, der positive auf der Morgenseite. Zwischen diesen Ladungswolken baut sich in der Magnetosphäre ein elektrisches Feld auf, wodurch eine Art natürlicher Polarlichtgenerator entsteht.
Da in der Magnetosphäre noch einzelne Gasmoleküle vorhanden sind, die durch die UV-Strahlung der Sonne und den Sonnenwind ionisiert werden, fließt ein Strom zwischen den beiden Ladungspolen, und zwar von der Morgenseite (Pluspol) zur Abendseite (Minuspol). Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn auch der Van-Allen-Gürtel ist an dem Naturereignis beteiligt. Diese Region ist für das Einfangen geladener Teilchen im inneren Magnetfeld der Erde verantwortlich. Sobald Elektronen oder Protonen in den Van-Allen-Gürtel eintreten, werden sie wie in einer magnetischen Flasche festgehalten und gelangen nur in Polnähe in die obere Atmosphäre.
In der Atmosphäre regen die Teilchen die Luftmoleküle zum Leuchten an. Dies geschieht gewöhnlich zwischen 65 und 400 km Höhe, in Ausnahmefällen (bei hoher Sonnenaktivität, den so genannten erdmagnetischen Stürmen) bis 1200 km. Dann ist das Polarlicht auch in Mitteleuropa und zum Teil bis in den Mittelmeerraum hinein zu beobachten.
Auch in Deutschland sind Polarlichter keineswegs selten
In Deutschland sind Polarlichter im Durchschnitt 10- bis 15-maul pro Jahr zu sehen, wobei sie aber nicht immer so kräftig ausfallen, wie es zum Beispiel im November 2003 in Brandenburg der Fall war. Durch Sonnenbeobachtung können Polarlichter kurzfristig vorhergesagt werden. Da der Sonnenwind als Partikelstrom zwei bis vier Tage von der Sonne bis zur Erde benötigt, ist in diesem Zeitabstand nach Eruptionen auf der Sonne mit Polarlichtern zu rechnen. Die meisten Polarlichter treten von Ende Oktober bis Mitte Dezember und von Ende Februar bis Anfang April auf, da zu dieser Jahreszeit die Magnetfelder von Sonne und Erde parallel zueinander stehen. Daraus folgt, dass Polarlichter von mittleren Breiten wie Deutschland oder Norditalien aus in der Regel nur zu diesen Jahreszeiten und bei maximaler Sonnenaktivität zu sehen sind. In der Nähe des Polarkreises können Polarlichter dagegen über den größten Teil des Jahres mit unterschiedlicher Aktivität beobachtet werden. Ausgenommen sind die »weißen Nächte« im Juni und Juli, wo sich das zarte Polarlicht gegen die Helligkeit des Himmels nicht durchsetzen kann.
Polarlichter können unterschiedliche Farben haben. Treffen die Partikel des Sonnenwindes in 100 km Höhe auf Sauerstoffatome, wird grünes Licht emittiert. Rotes Licht wird von Sauerstoffatomen ausgesandt, die in 200 km Höhe angeregt werden, violettes von Stickstoffatomen. Da der Sonnenwind außerhalb der Polarregionen nur selten tief in die Atmosphäre eindringen kann, sind Polarlichter in mittleren Breiten fast ausnahmslos rot gefärbt.
Kuriosum am Rande: Einem Bericht der Technischen Universität München zufolge durchquerte einmal eine Raumfähre ein Polarlicht. Während der Durchquerung nahmen die Astronauten auch mit geschlossenen Augen Lichtblitze war. Die geladenen Teilchen gingen demnach durch die Wände der Raumfähre und den Augapfel; die Blitze entstanden durch Wechselwirkung mit den Atomen des Körpers.
Van Allens Gürtel ist eine raue Schale
Der 1958 von dem amerikanischen Physiker James Alfred van Allen entdeckte und nach ihm benannte Strahlungsgürtel ist eine lebensfeindliche Zone mit Teilchenstrahlung sehr hoher Intensität. Der Strahlungsgürtel liegt rotationssymmetrisch zur erdmagnetischen Achse wie eine Schale um die Erde und erstreckt sich in bis zu ca. 45 000 km Höhe. Die größte Strahlungsintensität herrscht in zwei Zonen etwa zwischen 1000 und 6000 km und zwischen 15 000 und 25 000 km über der Erdoberfläche. Im inneren Van-Allen-Gürtel befinden sich hauptsächlich energiereiche Protonen mit Energien von 10–100 MeV (Mega-Elektronenvolt). Diese Zone erstreckt sich in einer Höhe ab etwa 6000 km über dem Äquator, wobei sie im Bereich des Südatlantiks eine Eindellung aufweist, die bis auf ca. 200 km herabreicht. Der äußere Strahlungsgürtel besteht hauptsächlich aus Elektronen mit einer mittleren Energie von ca. 1 MeV.
Die Teilchen stammen aus dem Sonnenwind und der kosmischen Strahlung oder deren Wechselwirkung mit Atomen der höheren Atmosphäre. Diese elektrisch geladenen Partikel pendeln auf spiralförmigen Bahnen entlang der Magnetfeldlinien zwischen den Polen hin und her. Somit fangen die beiden Van-Allen-Gürtel, bedingt durch das Magnetfeld der Erde, aus dem Sonnenwind oder der kosmischen Strahlung stammende Teilchen ein. Sie bilden daher einen wichtigen Schutzschild gegen das Eindringen ionisierender Strahlung aus dem Kosmos auf die Erdoberfläche.
Polarlichter auf anderen Planeten
Wie man heute weiß, sind Polarlichter kein irdisches, sondern allgemein ein planetares Phänomen. Sie wurden sowohl auf dem Mars als auch auf den Riesenplaneten Jupiter und Saturn nachgewiesen. Die Entdeckung von »Polarlichtern« auf dem Mars überraschte die Forscher, weil der Planet kein im Innern erzeugtes Magnetfeld mehr besitzt. Allerdings sind Relikte eines früheren Magnetfelds in Form punktueller Magnetfelder auf der Oberfläche bis heute erhalten geblieben. Diese magnetischen Spots sind offenbar stark genug, um Ionen aus dem Weltraum einzufangen und in die Marsatmosphäre zu zwingen.
Die mit Abstand stärksten Polarlichter treten auf dem Jupiter auf. Der Gasplanet besitzt ein starkes Magnetfeld, das durch metallischen Wasserstoff im Innern des Planeten hervorgerufen wird. Diese exotische Form des Wasserstoffs kann nur bestehen, wenn der Druck über vier Millionen Hektopascal liegt, wie es im Inneren der Gasriesen Jupiter und Saturn der Fall ist. Die für die Entstehung von Polarlichtern verantwortlichen Ionen bezieht der Planet nicht nur von der Sonne, sondern auch von seinem Vulkanmond Io. Dieser speit große Mengen geladener Teilchen – insbesondere Schwefelpartikel – in den Weltraum hinaus, die die Atmosphäre des Jupiters zum Leuchten bringen.
Auch auf dem Ringplaneten Saturn gibt es Polarlichter. Die Ionen stammen zum einen aus dem Sonnenwind, zum anderen wiederum von einem Mond, dem Enceladus. Dieser Trabant wird von starken Gezeitenkräften »durchgewallct«, was sich in einem aktiven Kryovulkanismus äußert, bei dem Eisvulkane große Mengen von Wassereispartikeln in den Weltraum schleudern. Die Polarlichter des Saturns weisen eine Besonderheit auf: Sie bilden von Weltraum aus betrachtet keine geschlossenen Kreise, sondern offene Spiralen. Eine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen steht noch aus.
dp n="98" folio="84" ? dp n="99" folio="85" ?
Wenn nachts die Wolken leuchten
Ein weiteres atmosphärisches Phänomen sind nachtleuchtende Wolken. Im Unterschied zum Polarlicht haben sie aber nichts mit dem Sonnenwind zu tun, sondern entstehen durch Partikel, die in Höhen von 80–90 km gelangt sind. Demnach sind nachtleuchtende Wolken rund zehnmal höher als »normale«, wetterbestimmende Wolken.
Nachtleuchtende Wolken, im Englischen als Noctilucent Clouds (NLC) oder Polar Mesospheric Clouds (PMC) bezeichnet, entstehen in den Sommermonaten in hohen geographischen Breiten, wenn die Temperatur der oberen Mesosphäre auf unter –130 °C fällt und genügend Wasserdampf vorhanden ist. Da die Eiskristalle in diesen Wolken extrem fein verteilt sind, sind NLCs am Tage unsichtbar. Dieses Naturphänomen wird für das menschliche Auge erst sichtbar, wenn während der Nacht das Licht der Sonne an den Eiskristallen dieser Wolken gestreut wird, wobei der dunkle Himmel in faszinierender Weise zu leuchten beginnt.
Nachtleuchtende Wolken verdienen nicht nur wegen ihrer Schönheit eine genauere Betrachtung. Beispielsweise können sie zur Untersuchung der planetaren Wellenaktivität in der oberen Atmosphäre dienen. Weiterhin wird momentan kontrovers diskutiert, ob nachtleuchtende Wolken Indikatoren für eine globale Veränderung in der oberen Atmosphäre sind. Präzise Aussagen dazu können vorerst nicht getroffen werden, da die genaue Untersuchung dieser Wolken, sei es vom Boden oder vom Satelliten aus, immer noch eine große Herausforderung ist. Die Wolken bestehen aus kleinsten Eiskristallen ungefähr von der Größe der Partikel im Zigarettenrauch. Das Sonnenlicht, das sich in diesen Kristallen bricht, gibt den Wolken ihre charakteristische blaue Farbe. Wie sich die Eiskristalle in der trockenen Mesosphäre bilden können, ist letztlich das Geheimnis der nachtleuchtenden Wolken.
In einer Studie, an der neben Forschern des Naval Research Laboratory, der Universität Wuppertal und des Leibniz-Instituts für Atmosphärenphysik auch Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg/Lindau beteiligt waren, konnte gezeigt werden, dass Abgase des Space-Shuttle-Haupttriebwerks, die nahezu vollständig aus Wasserdampf bestehen, nachtleuchtende Wolken hervorrufen können. Nach dem Start in Cape Canaveral verbrennt das Space Shuttle während des Aufstiegs bei rund 110 km Höhe (in der unteren Thermosphäre) über 300 Tonnen Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei bildet sich eine über tausend Kilometer lange Abgasfahne, die in den Sommermonaten durch starke Winde nach etwas mehr als einem Tag in polare Regionen geweht wird, um etwa 5 km pro Tag in die kühlere Mesopause absinkt und nach mehreren Tagen Eiswolken bildet.
Die Abgasfahne konnte von einem Mikrowellenspektrometer des Max-Planck-Instituts, das auf einer Insel in Nordnorwegen stationiert ist, identifiziert werden. Höher als 85 km ist Wasserdampf normalerweise nicht mehr nachweisbar. Die Analyse der Space-Shuttle-Abgasfahne ist die erste direkte Messung von Wasserdampf in der unteren Thermosphäre.
Mittlerweile konnte auch die Abgasfahne einer anderen Trägerrakete beobachtet werden. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Raketenstarts nachleuchtende Wolken generierte, könnte dies einen signifikanten Einfluss auf die Statistik von Beobachtungen dieser Erscheinungen haben. Schlüsse auf Klimaschwankungen anhand von Trendanalysen sollten deshalb den Einfluss von Weltraumverkehr berücksichtigen, empfehlen die Experten des Max-Planck-Instituts.
Die Wolken des Krakatau
»Nachtleuchtende Wolken sind ein relativ neues Phänomen«, sagte Gary Thomas, Professor an der Universität in Colorado, der NLCs erforscht. Sie wurden erstmals 1885 gesichtet, etwa zwei Jahre nach dem mächtigen Ausbruch des Vulkans Krakatau in Indonesien, der Ascheschwaden 80 km hoch in die Atmosphäre geschleudert hatte. Damit kommen wir zu einem zweiten Entstehungsmechanismus nachtleuchtender Wolken: Eine Reihe von Wissenschaftlern ist davon überzeugt, dass viele dieser Wolken kuriose Manifestationen vulkanischer Asche sind.
Normale Wolken, die sich in relativ geringer Höhe befinden, erhalten ihren Staub beispielsweise durch Wüstenstürme. Es ist jedoch sehr schwierig, den Staub bis in die Mesosphäre zu schleudern. »Krakatau mag die Mesosphäre 1883 mit Staub angereichert haben, jedoch erklärt das nicht die Wolken, die wir jetzt sehen«, merkt Thomas an. »Vielleicht ist der Weltraum selbst die Quelle.«
»Krakatau. Der Tag, an dem die Welt zerbrach. 27. August 1883« – so lautet der Titel eines Buches (siehe Literatur im Anhang), dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist. An diesem Tag explodierte der zwischen Java und Sumatra gelegene Vulkan. Die Explosion war so heftig, dass im 3000 km entfernten australischen Elsey Creek Schlafende geweckt wurden. Kürbisgroße Lavabomben flogen bis zu 40 km weit und die vulkanische Asche fiel noch auf den 2000 km entfernten Cocos-Inseln nieder.
Insgesamt schleuderte der Krakatau 18 km3 Asche und Gestein in die Atmosphäre. Zum Vergleich: Beim Ausbruch des Mount St. Helens im Mai 1980 war es gerade einmal 1 km3. Schwieriger ist die beim Ausbruch des Krakatau freigesetzte Energie zu berechnen. Sie dürfte zwischen 200 und 2000 Meg...