
- 127 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Kommune, das ist weit mehr als eine Verwaltungseinheit, das sind wir alle. Kommune bedeutet ursprünglich "Gemeinschaft ": die Familie, das Dorf, die Stadt. Das sind die wahren Lernorte, für Kinder wie für Erwachsene. Hier lernt der junge Mensch, worauf es im Leben ankommt, wie man gemeinsam mit anderen sein Leben gestaltet und Verantwortung übernimmt.
Gerald Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands, fordert uns auf, diesen entscheidenden Erfahrungsraum wiederzubeleben und radikal umzudenken: "Wir brauchen eine neue Beziehungskultur."
Kommunale Intelligenz bedeutet, den wahren Schatz der Kommune zu heben: die in die Gemeinschaft hineinwachsenden Kinder und Jugendlichen, deren Begabungen und Talente es zu entdecken und zu entfalten gilt.
Häufig gestellte Fragen
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Information
IV. Community Education
Ansätze und Strategien zur Herausbildung einer Potenzialentfaltungskultur in Kommunen
Das menschliche Gehirn ist formbarer und passt seine innere Struktur in viel stärkerem Maße an die Art seiner Nutzung an, als das bis vor wenigen Jahren selbst die Hirnforscher für möglich gehalten haben.
Stellen Sie sich eine Gemeinschaft von Menschen vor, deren Leben von Hunger, Not und Elend bestimmt wird, die mit dauernden Überfällen rechnen muss, von Kriegen bedroht ist und die durch Vorschriften und Gesetze, durch Verhaltensmaßregeln, Rituale und Gebote einigermaßen zu überleben imstande ist. Da die meisten Menschen der Erde noch heute unter solchen Bedingungen leben müssen, sind sie gezwungen, ihr Hirn genau so zu benutzen, wie es unter diesen Bedingungen erforderlich ist. Zwangsläufig bekommen sie auch ein entsprechendes, für die Bewältigung all dieser Probleme einigermaßen brauchbares Gehirn.
Wahrscheinlich fällt es ihnen aber etwas leichter, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der Menschen leben, die es mit viel Anstrengung geschafft haben, sich aus diesen Fesseln, Notwendigkeiten und Zwängen einigermaßen zu befreien, deren Leben nicht mehr von Armut und Not, von Krieg und Elend, von Vorschriften und Maßregeln bestimmt wird. Das wäre dann eine Gesellschaft, in der es den Menschen im Grunde recht gut geht, die ihnen die Möglichkeit bietet, ihr Leben weitgehend nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Da diese Menschen ihr Gehirn dann weitgehend so benutzen können, wie es ihnen gefällt, bekommen sie auch entsprechende Gehirne: Jeder macht damit, was er besonders gut kann oder wonach ihm der Sinn steht. Die Menschen, die das Glück haben, in einer solchen Gesellschaft zu leben, entwickeln dann sehr unterschiedliche Fähigkeiten. Die einen diese, die anderen jene, je nachdem, was jeder besonders gut kann oder wozu ihm besondere Gelegenheit geboten wird. Am Ende hat jeder etwas anderes im Kopf, jeder und jede verfolgt ein anderes Ziel. Es gibt nur noch wenig Gemeinsames, der einstige Zusammenhalt der Gesellschaft schwindet allmählich dahin. Das Zusammenleben der Menschen gestaltet sich immer beschwerlicher. Familien zerfallen, das ganze soziale Gebilde verliert zunehmend an Stabilität. Die Menschen erleben sich als vereinzelt, jeder muss versuchen, sich in der anonym gewordenen Masse irgendwie zu behaupten. Davon wird dann auch das Denken, Fühlen und Handeln der so lebenden Menschen maßgeblich bestimmt. Ihr entsprechend strukturiertes Gehirn ist folglich optimiert für die Durchsetzung eigener Interessen, für die bestmögliche, das heißt auffälligste Darstellung der eigenen Person, für die maximale Verwirklichung der jeweiligen individuellen Interessen und Vorstellungen.
Ahnen Sie schon, wie es weitergeht? Klar, es wird nicht lange funktionieren, wenn jeder all das, was er an Vorstellungen, Ideen und geheimen Wünschen im Kopf hat, im realen Leben auch tatsächlich verwirklichen kann. Dann geht es irgendwann zu wie in dieser Zeitungsmeldung: »Als Elvis Presley 1977 im Alter von 42 Jahren starb, gab es weltweit 48 Elvis-Imitatoren. 1995 waren es schon 7328. Wenn das so weitergeht, ist im Jahr 2012 jeder vierte Erdenbewohner ein Elvis-Imitator, hat Jean Wilson von der Universität Michigan ausgerechnet.«
Aber es geht ja inzwischen noch weiter. Längst ist es nicht mehr nur das reale, komplizierte Leben, in dem man sich mithilfe seines Gehirns zurechtzufinden versucht. Mittels moderner Geräte lässt sich eine gänzlich virtuelle Welt erschaffen, in die man eintauchen und in der man seine Vorstellungen ganz so, wie es einem gefällt, umsetzen, also in Gedanken leben kann.
Ahnen Sie schon, wie das weitergeht? Dass es so gar nicht weitergehen kann. Weil dann bald niemand mehr da ist, der sich um das, was in Ihrer Kommune passiert, kümmert. Und ahnen Sie auch, was dann aus Ihrer Kommune wird? Es wird Zeit, aufzuwachen. Wir sind dabei, genau das zu verlieren, was uns erst zu dem gemacht hat, was wir heute sind: Menschen, die gemeinsam von Generation zu Generation immer wieder ein Stück weit über sich hinausgewachsen sind. Die voneinander gelernt und miteinander eine Lebenswelt geschaffen haben, die es uns ermöglicht hat, bisher ungeahnte, in uns Menschen angelegte Potenziale zu entfalten. Sprache und Kultur, Wissenschaft und Technik zu entwickeln und sogar auf den Mond zu fliegen.
Aber nicht deshalb, weil wir so begabt sind, sondern weil es uns gelungen ist, Bedingungen zu schaffen, unter denen wir diese in uns angelegten Begabungen immer besser entfalten können. Auch als Einzelne, aber immer eingebunden in eine Gemeinschaft. Auch die der Erwachsenen, aber immer mit dem Fokus auf der nachwachsenden Generation. Immer mit dem Bemühen um die Verbesserung der Lebensperspektiven und Entfaltungsmöglichkeiten für die in diese Gemeinschaft hineinwachsenden Kinder. Das war der Grund für das gemeinschaftliche Leben in – und die Voraussetzung für – den Fortbestand von Familien und Kommunen. Das, was heutzutage als »Community Education« bezeichnet wird, war also in Wirklichkeit schon immer das Geheimnis unserer eigenen Erfolgsgeschichte. Es geht dabei um nichts anderes als die Schaffung von Erfahrungsräumen, die es den Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich als ein wichtiges Subjekt dieser Gemeinschaft zu erleben, als jemand, auf den es ankommt, ohne dessen Einsatz, ohne dessen besondere Talente und Begabungen, ohne dessen Wissen und Können diese Gemeinschaft nicht fortbestehen und sich von Generation zu Generation weiterentwickeln, ihre Potenziale als Gemeinschaft entfalten kann.
Community Education ist damit die entscheidende Triebfeder kommunaler Weiterentwicklung. Sie macht die Kommune zur Keimzelle und Übungswerkstatt für die Herausbildung individualisierter Gemeinschaften. Die ersten Kommunen sind dabei, dieses Potenzialentfaltungsinstrument neu zu erfinden. Es wird Zeit, dass wir uns genauer anschauen, wie weit sie bisher auf diesem Weg vorangekommen sind.
Community Education als Konzept
Ebenso wie im Gehirn, wo durch die Erfahrungen, die ein Mensch im Verlauf seines Lebens macht, Strukturen in Form von bestimmten, erfahrungsabhängig herausgeformten Verschaltungsmustern entstehen, bilden sich auch innerhalb menschlicher Gemeinschaften im Lauf der Zeit bestimmte Beziehungsstrukturen heraus. Die können dann in Form von Verwaltungs-, Organisations-, Ordnungs- und Kontrollstrukturen bisweilen so starr werden, dass sie nicht nur jede Weiterentwicklung der betreffenden Gemeinschaft behindern, sondern auch die Denk- und Handlungsmuster der Mitglieder einer solchen Gemeinschaft zunehmend bestimmen. Irgendwann sind sie dann nicht mehr in der Lage, sich vorzustellen, wie ihr Zusammenleben anders als bisher gestaltbar wäre.
Schließlich fehlen ihnen dann nicht selten sogar die Begriffe, um das, was anders sein könnte, in Worte zu fassen. Und weil die Menschen selbst dann, wenn sie spüren, dass sich etwas ändern müsste, auf ihrer Suche nach neuen Konzepten in ihren alten, eingebürgerten Begrifflichkeiten gefangen bleiben, wird auch ihre Vorstellungskraft allzu leicht in die alten Muster zurückgeworfen. Ein typisches Beispiel hierfür sind unsere deutschen Begriffe »Erziehung« und »Bildung«.
Sie stammen aus einer Zeit, in der unsere Vorfahren noch der Meinung waren, man könne einen anderen Menschen durch den Einsatz bestimmter Verfahren und Methoden so »erziehen« oder »bilden«, wie man das für ihn selbst und für das Zusammenleben innerhalb einer Gemeinschaft für erforderlich hielt. Zwangsläufig machten diese damaligen »Erzieher« und »Lehrer« den zu »Erziehenden« oder zu »Bildenden« zu Objekten der jeweiligen Erziehungs- und Bildungsanstrengungen in den dafür geschaffenen Institutionen. Auch wenn wir heute wissen, dass man niemanden »erziehen« oder »bilden« kann, sondern dass alle Lernprozesse sich im Gehirn des Lernenden selbst vollziehen, dass also jede Bildung nur Selbstbildung sein kann, fällt es uns schwer, diese einmal entstandenen Begriffe von »Erziehung« und »Bildung« mit dem neuen Verständnis zu denken und anders als bisher umzusetzen.
Andere Gemeinschaften haben offenbar andere Erfahrungen gemacht und andere Begrifflichkeiten entwickelt. Das aus dem Lateinischen stammende Wort »educere« und der daraus im englischen Sprachraum abgeleitete Begriff »Education« bietet hier ganz andere Möglichkeiten. Wer diesen Begriff verwendet, geht davon aus, dass man einen anderen Menschen »hinausführen«, ihn mit Kompetenz auf seinem Weg in die Welt und in eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung »begleiten« »anleiten«, vielleicht auch »lenken«, nicht aber für bestimmte Zwecke und nach bestimmten Vorstellungen und unter Einsatz möglichst effizienter didaktischer Verfahren »formen«, »ziehen« oder »bilden« kann.
Deshalb ist der Begriff »Community Education« geeignet, unsere eingefahrenen Denkmuster in Bezug auf das, worauf es für die Entfaltung der Potenziale von Kindern und Jugendlichen, aber auch noch von Erwachsenen ankommt, zu öffnen und in eine neue Richtung zu lenken: Je größer die Zahl derjenigen Personen ist, die vor allem die Heranwachsenden auf diesem Weg begleiten und anleiten, und je unterschiedlicher diese Personen sind, desto größer wird auch das Spektrum von Erfahrungen, von Kompetenzen, von Wissen und Fähigkeiten, das diese Heranwachsenden sich anzueignen imstande sind. Community Education ist also die Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche die in ihnen angelegten unterschiedlichen Begabungen und Talente auch wirklich entfalten können.
Anstatt sie in separaten Einrichtungen nach vorgegebenen Erziehungs- und Bildungsprogrammen zu unterrichten, müssten diejenigen, die diese jungen Menschen begleiten, sich ganz andere Fragen stellen als die, wie sie ihren Lehrplan erfüllen oder welcher Stoff in der nächsten Stunde unterrichtet werden soll:
- Welche kommunalen Themen oder Aufgaben könnten für die Schüler sinnvoll sein und ihnen Gelegenheit zu Lernaktivitäten bieten, die für andere Menschen in der Kommune nützlich sind und die es Schülern ermöglichen, sich für das kommunale Leben und Arbeiten zu engagieren?
- Welcher schulische Lernstoff ließe sich ohne Weiteres mit einem kommunalen Thema oder einer kommunalen Aufgabe verbinden?
- Welche übergreifenden Fragen könnten die Lernaktivitäten der Schüler lenken?
- Welche spezifischen Lernziele oder Lernstandards könnten über ein gewähltes kommunales Thema erreicht werden?
- Auf welche Art und Weise ließen sich wichtige, in der Kommune gemachte Lernerfahrungen überprüfen?
- Welche Partner in der Kommune könnten Sie einladen, damit sie die Arbeit am Thema innerhalb und außerhalb der Schule unterstützen?
- An welchen Feldstudien, Untersuchungen oder anderen Aktivitäten können sich die Schüler in Ihrer Kommune oder Region beteiligen?
- Welche kommunalen Bedürfnisse und Aufgaben lassen sich über Schulprojekte in der Kommune erfüllen?
- Auf welche Art und Weise könnten Sie die Leistungen der Schüler würdigen?
- Wie könnten sich die Schüler innerhalb ihrer Kommune für bestimmte gemeindeamtliche Verwaltungsaufgaben engagieren? Auf welche Weise könnten sie durch Datenerhebungen, Projektberichte oder durch die Organisation öffentlicher Sitzungen und Veranstaltungen partizipieren?
- Welche kreativen und herausfordernden Möglichkeiten in den Bereichen Kunst, Musik, Tanz, Film oder Theater eignen sich zur Bereicherung des kulturellen Lebens in der Kommune? Welche Möglichkeiten eröffnen sich in Bezug auf das spätere berufliche Leben in der Kommune? Wo können Schüler erste berufliche Erfahrungen sammeln?
Solche Fragen öffnen den Blick für ein neues Selbstverständnis von Schule und schulischer Arbeit. Bildung findet nicht in Unterrichtsstunden, sondern in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler statt, und die Lernorte der Zukunft sind nicht unsere Schulen und Klassenzimmer, sondern die von uns geschaffenen realen Lebenswelten, in die unsere Kinder und Jugendlichen hineinwachsen.
Community Education als Programm
Der Begriff »Community Education« wird in Deutschland mit »gemeinwesenorientierter Bildung« übersetzt. Ausgehend von unserem gegenwärtigen Verständnis von Bildung wird versucht, Kindern und Jugendlichen entsprechendes Wissen zu vermitteln und sie dazu zu bringen, sich sämtliche Kenntnisse anzueignen, die für das Leben in den jeweiligen Kommunen wichtig erscheinen. Neben diesen gemeinwesenorientierten Bildungszielen geht es dabei aber auch um die strukturelle, soziale und ökonomische Entwicklung der Kommune. Genau aus diesem Verständnis heraus werden schließlich Programme entwickelt, die eine Öffnung der Schule hin zum Gemeinwesen erreichen sollen. Umgekehrt gilt es auch, das Gemeinwesen in die Schule und die schulischen Bildungsprozesse zu integrieren. Initiator solcher Programme sind nur selten die Kommunen selbst. Meist werden diese Programme von übergeordneten Behörden (Land, Bund) oder von überregional operierenden Stiftungen unter Beteiligung entsprechender Experten entworfen, ausgearbeitet und ausgeschrieben. Kommunen können sich dann um eine Teilnahme an diesen Programmen bewerben. Wenn sie als Modellkommunen für die Umsetzung eines solchen Programms ausgewählt werden, erhalten sie eine entsprechende Unterstützung, in der Regel in Form einer anteiligen Finanzierung der zur Umsetzung dieses Programms erforderlichen Projekte und Maßnahmen. Diese Finanzierung endet nach Abschluss der Laufzeit des jeweiligen Programms. Die Weiterführung und Verstetigung solcher Programme ist deshalb meist zwangsläufig von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Aufgrund dieser negativen Erfahrungen versuchen die Initiatoren solcher Programme inzwischen, von den betreffenden Kommunen bereits im Rahmen der Ausschreibung tragfähige Konzepte und verlässliche Zusagen über die weiterführende Finanzierung einzufordern. Angesichts der finanziellen Notlagen vieler Kommunen erweisen sich die bei der Bewerbung vorgelegten Finanzierungskonzepte allerdings nicht selten als schwer umsetzbar. So enden viele dieser Programme, ähnlich wie in der Entwicklungshilfe für die sogenannte »Dritte Welt«, nicht mit den angestrebten nachhaltigen Wirkun-gen.
Die an der Umsetzung dieser Programme beteiligten, oft sehr engagierten Personen vor Ort erleben sich dann nicht selten als ohnmächtige und hilflose Opfer solcher Abbrüche. Aufgrund der damit einhergehenden Frustrationen verlieren so manche ihr Vertrauen und ihre Bereitschaft, sich an weiteren kommunalen Vorhaben zu beteiligen. Andere machen ihre künftige Mitwirkung an solchen Programmen von verlässlichen, langfristigen vertraglichen Regelungen abhängig, die aber kaum eine Kommune abzuschließen in der Lage ist. All jene Mitglieder der betreffenden Kommunen, die von den befristeten Maßnahmen profitiert hatten, empfinden deren Einstellung als Rückwärtsbewegung einer für sie positiven Entwicklung. Allzu leicht empfinden sie sich dann sogar als mit ihren Problemen nicht mehr hinreichend beachtete und geachtete Mitglieder der betreffenden Kommune. Solche unbeabsichtigten, aber bei zeitlich befristeten Programmen kaum vermeidbaren Nebeneffekte sind fatal. Sie werden selten evaluiert, möglicherweise ist aber der damit einhergehende Schaden und Nachteil für die Kommune größer als der während ihrer Umsetzung erreichte Nutzen.
Das gilt für alle von außen an eine Kommune herangetragenen oder einer Kommune angebotenen kommunalen Entwicklungsprogramme, die zeitlich begrenzt sind und deren Weiterfinanzierung aus der Kommune heraus nicht gewährleistet werden kann. Besonders fatal aber sind diese unbeabsichtigten Nebenwirkungen und Spätschäden bei all jenen Programmen, die auf eine Verbesserung der »gemeinwesenorientierten Bildung« von Kindern und Jugendlichen abzielen.
Was für eine Erfahrung ist es, die ein Schüler machen muss, der sich im Rahmen eines solchen Programms gemeinsam mit anderen um den Aufbau eines Theaters, eines Umweltzentrums, eines Literaturklubs oder einer Computerwerkstatt in seiner Kommune gekümmert hat und der nun mitgeteilt bekommt, dass das Programm beendet wird, weil kein Geld für die Weiterarbeit mehr da ist?
Vielleicht ist es einer Schule im Rahmen eines solchen Programms tatsächlich gelungen, ein Schülerunternehmen zu gründen. Vielleicht gelang es, Menschen aus der Kommune, die etwas Besonderes können und machen, Bildhauer, Maler, Unternehmer, Schriftsteller, Journalisten oder solche, die etwas Besonderes erlebt und erfahren haben, ehemalige Häftlinge etwa oder Kriegsopfer, Mitbürger aus anderen Kulturen, in die Schule hineinzuholen, damit sie ihre besonderen Fähigkeiten, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Schülern teilen.
Wie geht es diesen Schülern, die all das von externen Personen in die Schule Gebrachte nun von heute auf morgen nicht mehr erleben können? Was Menschen, vor allem junge Menschen, prägt, ist nicht das Wissen, das sie sich aneignen, sondern die Erfahrungen, die sie machen oder zu machen gezwungen sind. Günstige Erfahrungen verdichten sich in ihrem Frontalhirn zu günstigen inneren Einstellungen und Haltungen.
Wenn Menschen, insbesondere junge Menschen, aber die Erfahrung machen müssen, dass sie von noch so gut gemeinten Programmen eine Zeitlang bei der Entfaltung ihrer Talente und Begabungen und bei der Verfolgung ihrer Interessen unterstützt, aber nach Beendigung des betreffenden Programms wieder alleingelassen, zurückgeworfen und in ihren Bemühungen nicht weiter gefördert werden, so ist das eine sehr ungünstige Erfahrung. Die sich daraus in ihrem Frontalhirn herausbildende und verfestigende Haltung ist fatal.
Community Education als Projekt
Meist bestehen kommunale Entwicklungs- und Bildungsprogramme aus einzelnen Projekten, die dann als konkrete Maßnahmen auf kommunaler Ebene umgesetzt werden.
Im Rahmen der gegenwärtig in Deutschland durchgeführten kommunalen oder gemeinwesenorientierten Bildungsprojekte wird angestrebt, neue Lernräume und Lernmöglichkeiten innerhalb einer lokalen Einheit (Sozialraum, Kommune, Kreis, Ortschaft oder Stadtteil) zu schaffen, die außerhalb gängiger Lernorte, wie Kindergarten oder Schule, angesiedelt sind. Die Zielgruppe sind dabei Kinder und Jugendliche, die in Schulen und Kindergärten durch die Umsetzung von Projekten Teil eines kommunalen Lernprozesses werden. Meist wird dabei angestrebt, Kinder und Jugendliche in lokale Entscheidungsprozesse zu involvieren und ihnen dabei die Erfahrung demokratischer Partizipation zu ermöglichen. Ein mittelfristiges Ziel vieler Projekte ist es, strukturelle Veränderungen im Angebot des sch...
Inhaltsverzeichnis
- Es geht nur gemeinsam
- I. Weshalb wir Kommunen brauchen
- II. Was aus unseren Kommunen geworden ist
- III. Was aus unseren Kommunen werden könnte
- IV. Community Education
- Der Autor
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