Ethische Orientierung in der Pflege
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Ethische Orientierung in der Pflege

  1. 157 Seiten
  2. German
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Ethische Orientierung in der Pflege

Über dieses Buch

Für die professionelle Pflege wird es immer wichtiger, sich nicht nur wissenschaftlich und fachlich, sondern auch ethisch zu orientieren. Entgegen einem weit verbreiteten Verständnis von Ethik, das diese auf normative Fragen verkürzt, stehen das Verständnis zentraler Orientierungsmuster und deren kritische Reflexion im Zentrum. Das Buch diskutiert Fragen der Orientierung in der Pflege in unterschiedlichen Dimensionen des pflegerischen Handelns. Thematisiert werden allgemeine Fragen wie Menschenbild, Gesundheit und Krankheit, Sterben und Tod, aber auch der Umgang mit PatientInnen und BewohnerInnen, Konflikte im Team, die Organisation und Profession sowie pflegerelevante gesundheitspolitische Fragen. Es richtet sich sowohl an Studierende als auch an alle Personen aus der Praxis, die sich für den pflegeethischen Diskurs interessieren.

Häufig gestellte Fragen

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Information

Kapitel 1. Die guten Gründe – Sich in der Pflege orientieren

Zwei Patientinnen haben die Klingel gedrückt. Zu welcher Patientin soll ich zuerst gehen, zu Frau Schreiber oder zu Frau Wilhelm? Im Alltag gibt es immer wieder Situationen, in denen ich mich für eine Alternative entscheiden muss. Meistens sind die Situationen unproblematisch, ja trivial. In der Kantine: Nudeln oder Reis? Fernsehen oder ein Buch lesen? Zuerst zu Frau Schreiber oder zu Frau Wilhelm? Meistens fällt die Entscheidung leicht. Ich weiß, was ich – zumindest im Moment – will, oder ich entscheide mich spontan für das eine oder gegen das andere. Manchmal ist es aber nicht klar, was für mich und in dieser Situation die richtige Entscheidung ist. Dann stehe ich vor der Herausforderung, mich orientieren zu müssen. Sich orientieren bedeutet, den eigenen Standpunkt zu bestimmen, ein Ziel zu finden, Alternativen abzuwägen, Rat einzuholen, Prioritäten zu setzen.
Das pflegerische Handeln braucht – wie jedes Handeln – Orientierung. Orientierung zunächst in dem einfachen Sinn, dass ich mich in einer Situation zurechtfinden muss, um über den weiteren Weg entscheiden zu können. Und wie in jedem Handeln hat auch im pflegerischen Handeln die Orientierung verschiedene Perspektiven. Zunächst und selbstverständlich die fachliche und professionelle Perspektive. Pflege ist in erster Linie keine ethische oder moralische Profession, sondern sie ist bestimmt durch ihre eigenen Regeln der Fachlichkeit. Daneben gibt es eine rechtliche Perspektive, eine der Organisation, der Politik und eine der Gesellschaft – und eben auch eine ethische Perspektive. Die ethische Perspektive gewinnt vor allem in zwei Konstellationen ihre Bedeutung: Zum einen, wenn mir andere Perspektiven in einer konkreten Situation keine Orientierung bieten, zum anderen, wenn die anderen Perspektiven selbst fraglich werden. Es kommen im pflegerischen Alltag immer wieder Situationen vor, in denen ich von fachlichen Standards abweiche, weil für die Patientin – zumindest im Moment – andere Belange von Bedeutung sind. Und es gibt Tätigkeiten, die Pflegekräfte wegen ihrer Überzeugungen nicht übernehmen wollen, obwohl sie etwa rechtlichen oder fachlichen Standards entsprechen. Das am meisten diskutierte Beispiel hierfür ist die Beteiligung an einem Schwangerschaftsabbruch.

Orientierung

Bevor wir die Besonderheiten ethischer Orientierung erörtern, sollen kurz Besonderheiten der Orientierung im Allgemeinen erläutert werden. Denn das Bild der Orientierung liefert eine Reihe von Hinweisen, die für die spätere Entfaltung ethischer Perspektiven hilfreich sind.
Dabei ist erstens auffällig: Die Frage der Orientierung entsteht für mich erst dann, wenn ich mir des Weges nicht mehr sicher bin. Solange ich das Gefühl habe, zu wissen, woher ich komme und wohin ich gehe, suche ich nicht nach Orientierung. Allgemeiner gesagt: Das Bedürfnis nach Orientierung entsteht in einer als krisenhaft erlebten Situation. Krise verstehen wir hier ganz allgemein als eine Situation, in der unterschiedliche Optionen bestehen, wie ich weitergehen kann. Krisen sind Entscheidungssituationen, in denen abhängig von der eigenen Entscheidung der weitere Weg in unterschiedliche Richtungen gehen wird. Krisen setzen – um im Bild zu bleiben – mindestens eine Weggabelung oder eine Kreuzung voraus, von der mehrere Wege abzweigen. Im Normalfall bin ich oder fühle mich zumindest orientiert – und erst, wenn ich eine Entscheidung über den weiteren Weg treffen muss, stehe ich vor der Aufgabe, mich zu orientieren.
Die zweite Beobachtung innerhalb dieses Bildes: Für die Frage, wie ich mich orientieren soll, ist es weniger wichtig, woher ich komme, wichtiger ist, wohin ich will. Orientieren kann ich mich nur, wenn ich ein Ziel habe. Allgemeiner gesagt: Orientierungsfragen setzen Zielbestimmungen voraus. Diese erfordern eine besondere Art von Überlegungen. Und je nach der Antwort, die ich mir gebe, kann es sogar sein, dass ich zurückgehen muss, weil das Ziel in einer anderen Richtung liegt, als die, in die ich bisher gegangen bin. Nun ist deswegen die Herkunft nicht belanglos für die Frage, wie ich mich orientieren soll. Wo ich herkomme, ist insofern wichtig, als ich abschätzen kann, welche Strecke ich bereits zurückgelegt habe – und wie viel in der Folge noch vor mir liegt. Die zurückgelegte Wegstrecke kann mir z. B. Aufschluss über noch benötigte Ressourcen geben. Aber der Blick zurück sagt mir nicht, wie es weitergehen kann. Das Leben wird zwar rückwärts verstanden, aber vorwärts gelebt.
Eine dritte Beobachtung: Die Situation verschärft sich, wenn ich nicht allein, sondern mit anderen unterwegs bin. Jede, die auf einer gemeinsamen Wanderung unterwegs war, kennt Episoden, in denen über den richtigen Weg diskutiert, oft sogar gestritten wurde. Da gibt es die eine, die glaubt zu wissen, wo es langgeht und den anderen, der das ganz anders sieht. Mehrheitsentscheidungen sind dann auch nicht unproblematisch. Es stellt sich vielmehr die Frage, wem oder was man traut: der eigenen Überzeugung, der Autorität von Führungspersönlichkeiten oder der Schwarmintelligenz (wobei es natürlich auch so etwas wie eine Schwarmdummheit gibt). Auch der Blick auf die Wanderkarte verspricht nicht unbedingt eine Klärung, weil verschiedene Interpretationen der Karte miteinander konkurrieren (können).
Damit ist die vierte Beobachtung angesprochen. Um mich orientieren zu können, muss ich meine aktuelle Position kennen. Wenn ich nicht weiß, wo ich bin, ist die Wahl des weiteren Weges beliebig. Diese Position ist mehrfach bestimmt. Natürlich zunächst durch den physischen Ort, aber auch durch die Zeit (Wann wird es dunkel und sollte ich nicht besser nach einem möglichen Quartier oder zumindest einem Unterschlupf Ausschau halten?). Allgemein formuliert: Die Position ist durch ihren Kontext bestimmt – durch verfügbare Ressourcen, durch den Abstand zu anderen Positionen, durch meine Reserven und Vorräte, durch meine Kraft und Zuversicht, mein Ziel erreichen zu können.
Mehrfach angesprochen sind fünftens die Orientierungsmittel. Orientierung hatte ursprünglich die Bedeutung, sich am Sonnenstand auszurichten, nämlich den Osten (Orient) zu bestimmen. Später benutzte man einen Kompass dazu. Damit können heute wahrscheinlich nur noch die wenigsten etwas anfangen. Stattdessen treten Google Maps oder die Karten-App für iOS an die Stelle von Kompass und topografischer Karte. Allerdings helfen auch die nicht weiter, wenn ich kein Netz habe oder die Batterie leer ist – und mitten in der Landschaft gibt es selten Steckdosen für das Ladegerät. Anders gesagt: Es gibt Situationen, in denen die Kenntnis traditioneller Orientierungsmittel hilfreich sein kann. Aber die Handhabung solcher Mittel will erlernt sein. Wenn ich nicht weiß, was man damit wie anfangen kann, helfen mir Karte und Kompass nichts. Ich muss eine Karte lesen und sie mithilfe des Kompasses einnorden können. Das setzt allerdings auch eine gewisse Erfahrung und Vertrautheit mit diesen Orientierungsmitteln voraus. Aber selbst bei den modernen Navigationssystemen ist deren Qualität vom hinterlegten Kartenmaterial abhängig. Ich muss darauf vertrauen können, wenn ich mich von diesen Systemen wirklich orientieren lassen will. Und eines nimmt mir kein Navigationssystem ab: die Eingabe des Ziels.
Und der letzte Punkt: Irgendwann muss ich eine Entscheidung treffen. Und ich werde mich eher unwohl fühlen, wenn ich einfach rate, welchen Weg ich weiter nehmen will. Mir geht es in einer solchen Situation deutlich besser, wenn ich gute Gründe für meine Entscheidung habe. Das trifft wahrscheinlich auch dann zu, wenn sich herausstellen sollte, dass ich mich geirrt habe. Einen Irrtum kann ich mir selber zurechnen; wenn es gut geht, kann ich aus ihm etwas lernen, auf jeden Fall kann ich ihn korrigieren. Das funktioniert mit dem blanken Zufall nicht. Und nur, wenn ich Gründe für eine Entscheidung habe, kann ich selbstbestimmt eine Entscheidung treffen. Ich kann sie mir zu eigen machen. Zufälle bleiben mir immer in einer gewissen Weise fremd und äußerlich. Autonomie ist Selbstbestimmung und nicht reine Willkür, genauer gesagt: Sie ist Selbstbestimmung aus Gründen.
Mit der Angabe von Gründen antworten wir gewöhnlich auf Warum-Fragen. Zum Glück müssen wir solche Fragen nicht dauernd beantworten (es sei denn, wir haben kleine Kinder). Warum-Fragen werden uns gestellt, wenn andere unser Verhalten nicht verstehen. Mit der Antwort auf solche Fragen machen wir unser Handeln anderen gegenüber verständlich. Zuweilen stellen wir uns selbst solche Warum-Fragen; meistens dann, wenn wir uns nicht sicher sind, ob wir richtig gehandelt haben, oder wenn wir über Alternativen zu entscheiden haben. Die Antworten auf diese Fragen haben (neben anderen) eine funktionale und eine evaluative Komponente („Ich bin zuerst zu Frau Schreiber gegangen, weil sie Schmerzen hat.“). Die evaluative, also bewertende, Komponente dieser Antwort besteht in meiner aktuellen Überzeugung, dass die Schmerzen von Frau Schreiber es vordringlich machen, zu ihr zu gehen, weil die Behandlung der Schmerzen wichtiger ist als von anderen geäußerte Wünsche (etwa das Essenstablett wegzuräumen). Die Ethik der Pflege hat mit Orientierungsfragen und den Gründen für unser Handeln zu tun. Deshalb muss zunächst die Frage geklärt werden, welche Gestalt solche Gründe haben und wie die Sprache aussieht, die explizit moralische oder ethische Gründe ausdrückt.

Orientierung in der Ethik

Die ethische Orientierung umfasst verschiedene Dimensionen, die sich hinsichtlich ihres Bezugs und ihrer Reichweite unterscheiden. Diese Dimensionen überlagern sich in der Regel. Trotzdem ist es sinnvoll, sie zu unterscheiden, weil mit ihnen jeweils unterschiedliche leitende Fragen und darauf bezogen unterschiedliche Antworttypen verbunden sind. Wir stellen diese Dimensionen in der folgenden Tabelle dar und erläutern sie ausführlicher.
Zunächst ist in der Tabelle zu sehen, dass es eine auf einzelne Handlungen bezogene und eine stärker auf die Lebensführung sowie die Verfassung des oder der Handelnden bezogene Dimension gibt. Die eine bezieht sich auf das Gut-Sein von Personen oder sozialen Zusammenhängen, in die die Personen eingebettet sind, die andere auf das Gut-Sein von Handlungen, sei es nach dem Gut-Sein der Handlungen selbst oder der Regeln, denen diese Handlungen folgen. In der ethischen Tradition lässt sich diese Unterscheidung festmachen an Strebens- und Tugendethiken auf der einen und Sollensethiken auf der anderen Seite. Womit natürlich nicht gesagt ist, dass in Tugendethiken die Handlungen der tugendhaften Menschen schlicht belanglos oder dass in Sollensethiken die Verfassung der handelnden Personen unwichtig wären. Theorien des Ethos wiederum fragen nach den (alltäglichen) Orientierungen, die in einer Gruppe oder einer Kultur immer schon vorausgesetzt sind.
Für die erste Dimension wird meist der Begriff Moral gebraucht. Er stammt vom lateinischen mos (Gewohnheit, Sitte, Brauch, aber auch Gesetz, Vorschrift) ab und wurde von Cicero als Übersetzung des griechischen Begriffs Ethik eingeführt. Hier geht es darum, was sich schickt, also um das, was üblicherweise erwartet wird. In der philosophischen Diskussion wird spätestens seit der Aufklärung der Begriff der Moral auf das bezogen, was sich Menschen prinzipiell, also unabhängig von Sitten und Gebräuchen, gegenseitig als Menschen schulden. Moralische Fragen treten spätestens dann auf, wenn Handlungen die grundlegenden Interessen anderer berühren. Moral setzt einen Perspektivenwechsel voraus, bei dem die Beteiligten die Position des anderen immer mitberücksichtigen müssen. Es geht um Regelungen normativer Art, denen prinzipiell alle zustimmen können müssen. Die strikte Verallgemeinerung ist das Kennzeichen moralischer Diskurse. Verkörpert wird dies im „Kategorischen Imperativ“ Immanuel Kants, demzufolge die Handlung entsprechend einer Maxime (eines grundsätzlichen Prinzips) nur dann moralisch ist, wenn alle wollen können, dass alle in vergleichbaren Situationen dieser folgen. In den Worten Kants: „Dass wir wollen können, dass diese Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werden kann.“
Weil es um grundlegende Normen und Prinzipen geht, haben moralische Fragen eine gewisse Nähe zum Recht. Moralische Orientierungen sind der Pflege nicht fremd. Oft sind sie in rechtlichen Normen kodifiziert, wie z. B. im Verbot, Personen gegen ihren Willen über mehr als 24 Stunden ohne richterlichen Beschluss zu fixieren. Grundsätzlich gilt für alle Pflegehandlungen, dass sie nicht gegen den Willen der zu Pflegenden durchgeführt werden dürfen. Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen gut begründet werden (wir kommen darauf ausführlicher in Kapitel 7 zurück) und sind oft nur – wie im genannten Beispiel – nach einem richterlichen Beschluss erlaubt. Ebenso sind in der Pflege leitende Prinzipien bekannt. In den meisten Pflegeethiken findet sich der Bezug auf die Prinzipien der biomedizinischen Ethik, die von Tom Beauchamp und James Childress als Autonomie, Benefizienz und Nonmalefizienz sowie Gerechtigkeit formuliert wurden. Autonomie meint hier die Ausrichtung an der Selbstbestimmung der zu Pflegenden, Benefizienz die Ausrichtung am Wohl dieser Personen, Nonmalefizienz die Verpflichtung, ihnen nicht zu schaden und Gerechtigkeit das Absehen von äußeren Merkmalen und die Gleichbehandlung aller.
Für die zweite Dimension wird zumeist der Begriff Ethik gebraucht. Der Begriff geht auf den griechischen Philosophen Aristoteles zurück. Er spricht von ta ethika, der Sittenlehre. Das Wort bedeutet dabei zunächst Gewohnheit, Sitte oder Brauch. Aristoteles geht es um die Erörterung der Frage, welche Güter erstrebenswert sind, um ein „glückseliges Leben“ in der Gemeinschaft zu führen. Der Fokus liegt auf der gelungenen Lebensführung des Bürgers (Aristoteles schloss Frauen und Unfreie in diesen Fragen aus) in seiner Bürgerschaft (polis). In den heutigen Sprachgebrauch überführt geht es um die Frage, welches Leben man führen will und welche Person man ist und sein möchte. Solche ernsten Fragen stellen sich an Wendepunkten im eigenen Leben, wenn die Berufswahl oder die Familienplanung im Zentrum stehen. Solche Probleme sind immer auch Identitätsprobleme. Fragen des guten Lebens stellen sich für einzelne Personen oder Gruppen. Sie können fragen: Wie soll ich oder wie sollen wir gut leben? Welcher Mensch will ich sein? Die Identität einer Person ist allerdings in lebensweltlichen Zusammenhängen verankert. Zwar führt jeder sein Leben selbst, ist dabei jedoch nicht allein. Die Lebensführung ist geprägt durch soziale Beziehungen, durch gemeinsame Geschichte und Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen. Antworten auf Fragen der individuellen und kollektiven Lebensführung geben Ziele an, die erreicht werden sollen, und Vorstellungen, die meine oder unsere Identität bestimmen. Es geht um Güter (etwa Gesundheit, Wohlstand oder das Eingebundensein in soziale Beziehungen) oder um Werte (wie etwa Teilhabe, Freiheit oder Authentizität).
Das Vokabular der Güter und Werte lässt sich nur schwer trennscharf unterscheiden. Gemeinsam ist den Begriffen, dass sie Ziele formulieren, die in sich wertvoll und bedeutsam sind. Güter und Werte werden um ihrer selbst willen geschätzt – und nicht deshalb, weil sie noch für etwas Anderes wichtig sind. Und wie seinerzeit bei Aristoteles verbindet sich die Frage nach den Zielen mit der, wie ich selbst sein sollte, um diese Ziele auch erreichen zu können. Klassischerweise spricht man von den Tugenden einer Person, die deren Charakter bestimmen und damit die Lebensführung prägen (wir kommen in Kapitel 5 ausführlicher darauf zurück). Charakteristisch an solchen Zielformulierungen ist, dass sie nicht auf die gleiche Weise verallgemeinert werden können wie Normen und Prinzipien. Ich kann meine Werte schlecht anderen Personen verbindlich vorschreiben (auch wenn ich das manchmal möchte). Zwar fallen Werte nicht vom Himmel, ich finde sie schon in den Gemeinschaften vor, in die ich sozialisiert und kulturalisiert worden bin. Mit dem Vorgefundenen kann ich mich aber – und in der Regel werde ich das auch von Fall zu Fall tun – kritisch auseinandersetzen. Werte wandeln sich, sowohl meine eigenen als auch die von Gruppen, Gesellschaften und Kulturen. Sie sind aber nicht schlicht beliebig, sondern geben mir einen Rahmen vor, in dem sich die Auseinandersetzung um die richtigen Ziele der Lebensführung, um das gemeinsame Selbstverständnis und gegebenenfalls auch um die Berufsausübung vollzieht.
Selbstverständigungsfragen spielen auch in der Pflege eine wichtige Rolle. Während in den Anfängen der Pflege als Beruf Werte wie Nächstenliebe und Weiblichkeitsideale eine zentrale Rolle spielten, drehen sich aktuell die Debatten um Begriffe wie Autonomie, P...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. Kapitel 1. Die guten Gründe – Sich in der Pflege orientieren
  7. Kapitel 2. Der gute Mensch – Anthropologische Aspekte für die Ethik der Pflege
  8. Kapitel 3. Gesundheit und Krankheit
  9. Kapitel 4. Das gute Leben und Sterben
  10. Kapitel 5. Die guten Pflegenden
  11. Kapitel 6. Die gute Patientin, Bewohnerin
  12. Kapitel 7. Das gute pflegerische Handeln
  13. Kapitel 8. Das gute Team
  14. Kapitel 9. Die gute Einrichtung
  15. Kapitel 10. Die gute Profession
  16. Kapitel 11. Die gute Pflegewissenschaft und -forschung
  17. Kapitel 12. Die „gute Policey“
  18. Kapitel 13. Die gute Urteilsbildung
  19. Weitere E-Books von Mabuse