VIII | Nach der gesetzlichen Regelung – immer neue Streitfragen |
Das Gesetz zur Regelung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid von 2001 hat klar abgegrenzt, was fortan erlaubt und was weiterhin verboten sein soll. Ist damit die Debatte über die Lebensbeendigung beendet? Ganz im Gegenteil, die Debatte scheint mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, das das Töten von Menschen unter bestimmten Bedingungen erlaubt, erst richtig in Gang gekommen zu sein. Seitdem sind eine Reihe neuer Streitfragen hinzugekommen.
Die Sterbehilfeorganisation NVVE hat sich neue Ziele gesetzt. Um zu unterstreichen, dass sie neue Aufgaben für sich sieht, hat sie ihren Namen von „Niederländische Vereinigung für freiwillige Euthanasie“ in „Niederländische Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende“ geändert. Damit führt sie einen erweiterten Begriff von aktiver Sterbehilfe ein.
Um enttäuschten Patienten, deren Bitte um aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung von ihren Ärzten abgelehnt worden ist, eine Alternative zu bieten, hat die NVVE die Initiative für eine Lebensende-Klinik mit mobilen Sterbehilfeteams ergriffen. Diese operiert innerhalb des bestehenden Gesetzes (s. S. 107f.).
Spektakulär ist ihr Vorschlag, alte, lebensmüde Menschen auf Wunsch bei einem Suizid zu unterstützen (s. S. 108ff.). Dabei handelt es sich wohlgemerkt um über 70-Jährige, die lebensmüde, aber nicht krank sind. Weil diese Menschen zwar alt sind, aber nicht aussichtslos und unerträglich leiden, fällt diese Gruppe heute ebenfalls noch nicht unter das Sterbehilfegesetz. Daher kämpft die NVVE gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Aus freiem Willen“ (Uit Vrije Wil) für eine Gesetzesänderung (NVVE, 2008, S. 24).
Außerdem engagiert sich die NVVE seit Februar 2008 dafür, Demenzkranken und psychisch Kranken „ein selbstgewähltes Lebensende“ zu ermöglichen (s. S. 113ff.und 117ff.). Diese beiden Gruppen fallen häufig nicht unter das Sterbehilfegesetz, weil Zweifel an ihrer Einwilligungsfähigkeit bestehen.
Manche Ärzte sind der Auffassung, das niederländische Sterbehilfegesetz sei zu streng, um eine Lösung für schwer leidende Kinder bieten zu können. Einige von ihnen plädieren für die Erlaubnis, auch das Leben von Kindern unter zwölf Jahren zu beenden (s. S. 123ff.). Kinder dieses Alters fallen bisher nicht unter das Sterbehilfegesetz, da sie noch nicht als einwilligungsfähig gelten.
Neonatologen haben den Versuch unternommen, im sogenannten „Groninger Protokoll“ ein Reglement für die aktive Sterbehilfe bei Neugeborenen aufzustellen. Und auch über die Sterbehilfe an behinderten Neugeborenen, die aktuell noch gar nicht leiden, wurde schon diskutiert (s. S. 133ff. und 140ff.).
Mobile Sterbehilfeteams
2012 wurde in Den Haag die sogenannte Lebensende-Klinik eröffnet, die auf Initiative der NVVE von einer eigens dafür gegründeten Stiftung geschaffen worden ist. Die Klinik bietet Patienten, die sterben möchten, die Möglichkeit eines Klinikaufenthalts in Den Haag, wo aufgrund des Gesetzes aktive Sterbehilfe oder eine Beihilfe zum Suizid angeboten werden kann. Aber die Klinik verfügt auch über mobile Teams, die Patienten zu Hause aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid leisten.
Die Lebensende-Klinik und ihre mobilen Teams füllen die Lücke, die entsteht, weil viele Bürger meinen, einen Anspruch auf aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung zu haben, während das Gesetz nur Ärzten erlaubt, einer entsprechenden Bitte ihrer Patienten um solche Hilfe nachzukommen – oder sie abschlägig zu bescheiden. Viele Patienten sind Jahr für Jahr enttäuscht, weil ihre Ärzte die erbetene Hilfe ablehnen oder so lange zögern, bis der Patient eines natürlichen Todes stirbt. In den Niederlanden wechselt man nicht schnell den Arzt, und vor allem den Hausarzt kennt man oft über Jahrzehnte. Aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid werden am häufigsten von eben diesem Hausarzt geleistet. Weigert sich dieser, einer Bitte um Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid zu entsprechen, dann hat der Patient, der sterben möchte, ein Problem, weil viele Ärzte diese Hilfe nur bei Patienten leisten, die sie gut kennen. Spannungen zwischen Patienten und Ärzten werden immer wieder gemeldet (Van Dam, 2005).
Seit 2012 kann der Patient in diesen Fällen die Lebensende-Klinik und ihre mobilen Teams zu Rate ziehen, obwohl auch die nach dem Gesetz arbeiten und manche Bitten abschlägig bescheiden müssen.
Hilfe zur Selbsttötung für ältere, lebensmüde Menschen
Eine heiß diskutierte Initiative zur Erweiterung des Gesetzes zur Regelung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid sieht vor, einwilligungsfähigen Senioren, die den Freitod suchen, dabei Hilfe zu leisten.
Manche ältere Menschen sehen keinen Sinn mehr im Weiterleben und sehnen sich nach dem Tod. Wenn der Tod nicht von selbst eintrete, müsse es die Möglichkeit geben, ihnen bei der Selbsttötung zu helfen. Die Initiative „Aus freiem Willen“ sagte, sie wolle mit dieser Hilfe jedem das Recht verschaffen, selbst über sein Leben zu entscheiden. Dazu müsse das Gesetz geändert werden. Insgesamt 116.871 niederländische Bürger haben eine solche Gesetzesänderung ausdrücklich befürwortet.
Nach dem niederländischen Sterbehilfegesetz ist Hilfe zur Selbsttötung nur dann legal, wenn ein Arzt einem schwer leidenden Patienten assistiert. Die Initiative „Aus freiem Willen“ setzte sich dafür ein, Hilfe zur Selbsttötung auch Menschen zu ermöglichen, die nicht aussichtslos und unerträglich leiden, jedoch älter als 70 sind und „mit dem Leben abgeschlossen“ haben. Für sie soll die Möglichkeit einer Assistenz durch speziell ausgebildete Sterbehelfer geschaffen werden.
Der Vorschlag fand Anfang 2011 im niederländischen Parlament wenig Gegenliebe. Die Befürworter hoffen jedoch auf eine bessere Gelegenheit; sie sind der Überzeugung, es sei für die ablehnende Haltung des Parlaments nicht unerheblich gewesen, dass die Niederlande damals von einer Minderheitsregierung geführt wurden, die von der Unterstützung der kleinen konservativchristlichen SGP (Staatkundig Gereformeerde Partij) abhängig war. Das könnte sich in ein paar Jahren ganz anders darstellen.
Die niederländischen Ärzte haben den Vorschlag nicht rundweg abgelehnt, ihn aber auch nicht begrüßt. Der Ärzteverband KNMG plädiert für einen Mittelweg: Jeder, der alt und lebensmüde sei, habe Gebrechen, die man mit etwas gutem Willen als „aussichtsloses und unerträgliches Leiden“ betrachten könne. So dürfe der Bitte um einen assistierten Suizid auch ohne eine Gesetzesänderung entsprochen werden. Faktisch erweitern die niederländischen Ärzte auf diese Weise den Anwendungsbereich des Gesetzes zur Regelung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung.
Die Initiativgruppe „Aus freiem Willen“ forderte dennoch weiter eine Gesetzesänderung: Jeder über 70-Jährige soll ohne Berufung auf eine Krankheit und ohne direkte Beteiligung eines Arztes von speziell ausgebildeten Helfern Hilfe zur Selbsttötung erhalten dürfen. Am 28. November 2013 stellte „Aus freiem Willen“ die eigene Arbeit ein und übertrug ihre Aufgabe an die NVVE. Die NVVE versprach, weiter für die Legalisierung der Beihilfe zum Suizid für lebensmüde ältere Menschen zu kämpfen.
Es ist fraglich, ob eine solche Regelung der Hilfe zur Selbsttötung in der Praxis klare Grenzen setzen würde (vgl. Kap. IV, S. 62f.). Auf einer Veranstaltung der Initiativgruppe „Aus freiem Willen“ und des niederländischen Humanistischen Verbands, die am 9. November 2010 in Amsterdam stattfand, kamen so viele Gleichgesinnte zusammen, dass manch einer anscheinend vergaß, dass es sich um eine öffentliche Veranstaltung handelte. So sagte etwa der niederländische Hirnforscher Dick Swaab, einer der Initiatoren: „Die Altersgrenze ist willkürlich. Unter uns gesagt, wir haben die Altersgrenze aus pragmatischen Gründen festgelegt, um die Chance auf eine Mehrheit im Parlament zu erhöhen.“ Tatsächlich leuchtet es ein, dass sich eine derartige Grenze nur schwer aufrechterhalten ließe. Hilfe zur Selbsttötung soll bei einem 72-Jährigen erlaubt sein, bei einem 68-Jährigen dagegen unter Strafe stehen?
Ein weiterer Befürworter einer Gesetzesänderung lässt Zweifel aufkommen, ob sich eine solche Hilfe zur Selbsttötung sauber regeln ließe. Eugène Sutorius, ein bekannter niederländischer Jurist, spielt in der Sterbehilfebewegung eine bedeutende Rolle. Am 15. Januar 2011 erklärte er in Rotterdam auf einem Symposium der niederländischen Pro-life-Juristenvereinigung „Pro Vita“, dass es nicht einfach sei, eine angemessene Bezeichnung für die Personengruppe zu finden, der die Initiative „Aus freiem Willen“ beistehen will. Weder „Menschen, die ihr Leben vollendet haben“ noch „Menschen, die mit ihrem Leben abgeschlossen haben“ sei als Bezeichnung angemessen; eigentlich gebe es gar keine richtige Bezeichnung, so Sutorius. „Aus freiem Willen“ plädierte also für die Möglichkeit, einer nicht eindeutig zu bezeichnenden, undefinierbaren Personengruppe bei der Selbsttötung zu helfen. Doch was sich nicht definieren lässt, lässt sich auch nicht eingrenzen. Die Tatsache, dass es selbst einem Juristen wie Sutorius schwer fällt, eine präzise Definition zu finden, verdeutlicht, wie leicht die Gesetzesinitiative mit dem Status der Rechtskräftigkeit zu einem vage definierten Recht auf assistierten Suizid für jedermann führen könnte.
Sollte dieser Gesetzesvorschlag eines Tages angenommen werden, dann wird es in den Niederlanden nicht nur Ärzte geben, die schwer leidenden Patienten aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid leisten, sondern auch Laien, die lebensmüden Menschen beim Suizid assistieren, obwohl diese nicht schwer leiden. Möglicherweise ließe sich das unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht legitimieren: Wer sind wir denn, dass wir einen Menschen, der sterben will, daran hindern? Allerdings stellte sich die Initiativgruppe „Aus freiem Willen“ nicht die Frage, ob daraus nicht ein Druck erwachsen kann. Ein Druck auf Menschen, zu sterben.
Die Mitglieder des Vereins „Aus freiem Willen“ waren wohlerzogene, gebildete Bürger, die in Ruhe über ihr Leben nachdenken und meinen, für sich selbst entscheiden zu können. In der realen Welt gibt es jedoch auch schwache oder schlechte Menschen – und auch viele gute Menschen, die hin und wieder einen schlechten Tag haben. Stellen Sie sich vor, das Gesetz würde geändert, und es gäbe die Möglichkeit, sich auf legale Weise töten zu können. Und Sie wären schon seit zwanzig Jahren psychisch krank. Die Streitereien mit den Angehörigen, der Verlust Ihrer Freunde und die Blicke Ihrer Nachbarn würden Sie tagtäglich daran erinnern, dass Sie verrückt sind oder zumindest aus der Rolle fallen, dass Sie große Kosten verursachen und nichts einbringen. Bald wüssten Ihre Kinder, Ihre Nachbarn und Ihre letzten verbliebenen Bekannten, die noch hin und wieder anrufen: Wenn er wollte, könnte er sterben. Schon die Tatsache, dass die Menschen in Ihrer Umgebung von dieser Möglichkeit wüssten, würde Ihre sozialen Beziehungen verändern: „Du hast dich dafür entschieden weiterzuleben, dann hör’ auch auf zu jammern!“ (vgl. Kap. XI, S. 191).
Einmal angenommen, eine Selbsttötung wäre einfach eine Wahlmöglichkeit wie jede andere. Und Sie hätten wegen Ihrer Drogenprobleme gerade den dritten Klinikaufenthalt hinter sich und wären binnen einer Woche wieder rückfällig geworden. Ihre Freunde und Verwandten hätten Sie bisher immer unterstützt, würden jetzt aber an Ihnen und Ihren Problemen verzweifeln. Und Sie könnten sich für den Tod entscheiden. Das wüssten Sie, und das wüssten die anderen. Vielleicht wären Ihre Freunde ja sogar so liberal, Sie auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
Die Gefahr liegt darin, dass dann bald niemand mehr lästig sein dürfte, dass irritierende, kranke, unangepasste Menschen unter Druck gerieten, ihrem Leben ein Ende zu machen. Was einst als Selbstbestimmung begann, mündete in Bevormundung.
Selbst wenn sich jemand wirklich aus freiem Willen für eine Selbsttötung entscheiden würde, wenn es sich tatsächlich um diese – häufig romantisierte – Entscheidung für den eigenen Freitod handelte, selbst dann hätte auch das Auswirkungen, über die sich die Befürworter ausschweigen. Denn die freie Willensentscheidung eines Menschen hat Konsequenzen für andere. Der niederländische Schriftsteller und Essayist Joost Zwagerman hat beschrieben, wie sich eine Selbsttötung auf die Hinterbliebenen auswirken kann. Kinder, deren Vater oder Mutter durch Selbsttötung umgekommen ist, nehmen sich viel häufiger das Leben als andere, schreibt der Autor (Zwagerman, 2005, S. 13 und 16).
Die Befürworter eines assistierten Suizids konzentrieren sich auf das Individuum, von dem erwartet wird, dass es seine Entscheidungen völlig autonom trifft. Ob das Umfeld das Individuum beeinflusst oder umgekehrt, ob ein lästiger Mensch von seiner Umgebung zum Suizid gedrängt wird oder ob ein Einzelner durch seinen selbst gewählten Tod in seinem Verwandten- und Bekanntenkreis eine Spur der Verwüstung hinterlässt und damit andere zum Suizid bewegt: Beide Formen der menschlichen Beeinflussung kommen in den Überlegungen der Befürworter einer Hilfe zur Selbsttötung nicht vor. Sie sehen nur das Individuum.
„Darf ich sterben?“ – ein Film über Hilfe zur Selbsttötung in der Psychiatrie
Eine weitere Diskussion entzündete sich nach Annahme des Gesetzes zur Regelung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung an der Forderung, auch Psychiatriepatienten die Hilfe zur Selbsttötung zu ermöglichen. Im Auftrag des niederländischen Humanistischen Verbands drehte Eveline van Dijck 2008 für das öffentlichrechtliche Fernsehen die Dokumentation „Darf ich sterben?“(Originaltitel: Mag ik dood). Die psychisch kranke Schwester der Dokumentarfilmerin hatte sich erhängt. Seitdem fragte sich van Dijck, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie ihrer Schwester bei ihrem Suizid hätte helfen können. Denn dann hätte diese sich vielleicht auf eine weniger grausame Art töten können. Auf der Website zum Film10 wird die Thematik des Films folgendermaßen beschrieben: Es gehe „um die fehlende Hilfe für chronisch kranke Psychiatriepatienten, die den Wunsch haben zu sterben.“ Unter „Hilfe“ ist hier „Hilfe zur Selbsttötung“ zu verstehen.
Besonders Psychiater begegnen der Hilfe zur Selbsttötung mit Skepsis, weil der Todeswunsch ihres Patienten auf dessen psychische Erkrankung zurückgehen könnte. Verweigert der Arzt die Mitwirkung, ist für den Patienten weder aktive Sterbehilfe noch assistierte Selbsttötung möglich. Ein normaler Bürger darf in den Niederlanden keine Hilfe zur Selbsttötung leisten, dieses Recht ist allein Ärzten vorbehalten. Daher ist ein assistierter Suizid für psychisch Kranke so gut wie ausgeschlossen. Die Befürworter einer Ermöglichung von Hilfe zur Selbsttötung für Psychiatriepatienten drängen daher die niederländischen Psychiater, ihre Zurückhaltung in dieser Frage aufzugeben. Dies verlangt nicht unbedingt eine Gesetzesänderung, sondern eher eine andere Auffassung bei Psychiatern. Auch ein psychiatrischer Patient müsse, so die Befürworter, um aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid bitten können und nicht von vornherein als einwilligungsunfähig eingestuft werden.
In einer Filmszene sehen wir, wie Eveline ihrer damals noch lebenden Schwester Mut macht: „Versuch um Himmels Willen durchzuhalten.“ „Ich weiß aber nicht wie.“ „Mach einfach weiter.“ Dann sieht man ein nordniederländisches Panorama mit flatternden Möwen und hört im Hintergrund die Stimme der Filmemacherin: „Zwei Jahre lang hat sie sich größte Mühe gegeben, es doch zu schaffen. Heute glaube ich, sie hat es vor allem für uns getan.“ Denn ihre Schwester wollte nicht mehr leben.
Im weiteren Verlauf zeigt die Dokumentation andere Hinterbliebene, die von ihnen nahestehenden Menschen erzählen, die sich das Leben genommen haben. Die Filmemacherin stellt nicht die Verstorbenen in den Mittelpunkt, nicht, wer sie waren und warum sie sterben wollten, sondern die Art ihrer Selbsttötung: „Es kann doch nicht sein, dass man in unserer modernen Zivilisation Terpentin schlucken oder sich vor einen Zug werfen muss.“ Wegen der Grausamkeit mancher Suizide sollten wir Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, bei ihrer Selbsttötung unterstützen und ihnen so einen weniger grausamen und einsamen Suizid ermöglichen, argumentiert Eveline van Dijck.
Die Begründung Marleen van Bijnens, einer humanistischen Beraterin und Mitarbeiterin der Sterbehilfeorganisation NVVE, geht in dieselbe Richtung: „Die NVVE ist der Ansicht, dass man diese sehr große Gruppe – denn darum handelt es sich in den Niederlanden – nicht so im Regen stehen lassen darf, wie es derzeit hierzulande geschieht.“ „Nicht im Stich lassen“ oder „nicht im Regen stehen lassen“ bedeutet hier, Menschen, die zum Suizid neigen, bei ihrer Selbsttötung zu unterstützen.
Das ist eine neue Lesart des Wortes „helfen“. Sie wird auch von Eveline van Dijck verwendet. „Einmal angenommen, es gäbe diese Option, es gäbe tatsächlich eine gewisse Möglichkeit, und einmal angenommen, es ginge ...