Wir und die Anderen?
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Wir und die Anderen?

Eine Analyse der Bildberichterstattung deutschsprachiger Printmedien zu den Themen Flucht, Migration und Integration

  1. 100 Seiten
  2. German
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Wir und die Anderen?

Eine Analyse der Bildberichterstattung deutschsprachiger Printmedien zu den Themen Flucht, Migration und Integration

Über dieses Buch

Flucht, Migration und Integration – diese Themen spielen in journalistischen Mediendiskursen aktuell eine wichtige Rolle. Während zu Inhalt und Sprache der Berichterstattung schon lange geforscht wird, ist das Wissen über den redaktionellen Einsatz und die Gestaltung von Bildern bislang sehr begrenzt.Diese Studie analysiert die Bildberichterstattung in Tageszeitungen und Magazinen zu den Themen »Flucht« und »Migration« anhand ausgewählter Ereignisse. Welche Bilder von Geflüchteten, von Migrantinnen und Migranten werden uns in deutschen Printmedien gezeigt, welche bleiben ungesehen? Wer wird als Individuum erkennbar, wer bleibt anonym? Wer wird als handlungsmächtig sichtbar und wer nicht?Deutlich wird, dass Pressefotografie keine Wirklichkeit abbildet, sondern eigene Muster der Sichtbarkeit erzeugt. Auch wenn dabei »Fremde« zu sehen sind, zielt die Bildaussage oft auf die Vergewisserung des »Eigenen«, der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Ob Geflüchtete als hilfsbedürftig oder als bedrohlich erkennbar werden, hängt maßgeblich von Selektions- und Darstellungskonventionen journalistischer Bildberichterstattung ab.

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1 Einleitung

Migration, Flucht und Integration sind auf der politischen Agenda wie auch in öffentlichen Debatten ein aktuelles und viel diskutiertes Thema.1 Entsprechend widmet sich auch die kommunikationswissenschaftliche Forschung in Deutschland seit rund 20 Jahren verstärkt diesem Themenkomplex und der Rolle, die journalistischen Medienangeboten dabei zukommt (siehe Kapitel 2). Journalistische Bilder wurden in diesem Kontext bisher kaum untersucht. Die vorliegende Studie nimmt daher journalistische Bildproduktionen gezielt in den Blick und untersucht sie im Rahmen der visuellen Migrationsberichterstattung in deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Dazu werden die Bildmotive ebendieser visuellen Berichterstattung analysiert und die dadurch hergestellten Sichtweisen auf die Themen »Migration«, »Flucht« und »Integration« herausgearbeitet. Ziel der Studie ist also die Analyse der journalistischen Selektions- und Darstellungskonventionen innerhalb der visuellen Migrationsberichterstattung. Es wird gezeigt, welche Bildmotive ausgewählt werden, wie diese redaktionell gestaltet werden und schließlich wie darüber spezifische Sichtweisen auf Migration hergestellt (und andere verhindert) werden. Berücksichtigt wird dabei auch die Frage, ob es sich hierbei vor allem um negative, abwertende und stereotypisierende Bilder und Sichtweisen handelt oder ob diese auch durchbrochen werden.
Die Studie basiert auf vier Fallbeispielen, die verschiedene Ereignisse und Themen umfassen. Bei der Auswahl der Ereignisse war zentral, dass sie unterschiedliche Aspekte aus den Bereichen Migration, Flucht und Integration einschließen und dass sie unterschiedlichen Ereignistypen angehören. So finden nicht nur negative und konfliktorientierte Ereignisse Eingang, sondern auch positive und/oder neutrale Themenfelder; auf diese Weise wird ein Spektrum an Ereignissen und Themen berücksichtigt, das besondere Erfolge, reguläre politische und gesellschaftliche Abläufe sowie konflikthafte Geschehen betrifft (vgl. Hafez 2002: 35). Enthalten sind dabei sowohl Ereignisse, die den Strategien politisch inszenierter öffentlicher Kommunikation folgen und somit journalistisch planbar sind, als auch solche, die unerwartet, als nicht geplante Ereignisse, schnelle Entscheidungsund Selektionsprozesse in den Redaktionen erfordern.
In den aktuellen Auseinandersetzungen um Migration ist die Integration in der Bundesrepublik Deutschland ein bedeutsames Thema. Wichtige Ereignisse, die den Migrationsdiskurs prägen, sind die sogenannten Integrationsgipfel: Sie zeigen zentrale Stellungnahmen der Bundesregierung zum Thema »Migration und Integration« und geben das thematische Feld wieder, auf dem sich die Migrations- und Integrationspolitik aktuell mit ihren regulativen Fragen bewegt (vgl. Castro Varela 2007: 23; Mecheril 2011: 51). Der 1. Integrationsgipfel fand 2006 auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt in Berlin statt. Die anwesenden 70 Vertreter_innen aus Politik und Gesellschaft verständigten sich darauf, einen Nationalen Integrationsplan zu erstellen. Als zentrale Ziele der staatlichen Integrationspolitik wurden bessere Ausbildungschancen und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund formuliert (vgl. hierzu und zum Folgenden: Nationaler Aktionsplan Integration 2011: 10 ff.).
Im Nationalen Integrationsplan, der auf dem 2. Integrationsgipfel 2007 vorgelegt wurde, verpflichteten sich Bund, Länder und Kommunen dazu, Migrant_ innen besser in die Gesellschaft und dabei vor allem in den Bildungsbereich und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zentrale Stichpunkte waren Integration durch Bildung und durch Sprache sowie in das Ausbildungs- und Erwerbsleben und die Wissenschaft, ebenso die Integration von Frauen und Mädchen sowie die kulturelle Integration durch Medien, Sport etc. Als Erweiterung und Weiterentwicklung wurde auf dem 5. Integrationsgipfel 2012 der Nationale Aktionsplan Integration mit insgesamt elf Themen vorgestellt, wobei bildungspolitische Themen weiterhin den Schwerpunkt bildeten.2 Das erste Fallbeispiel der vorliegenden Studie beschäftigt sich mit der visuellen Berichterstattung über die Integrationsgipfel 2006 sowie 2013 und 2014, in deren Mittelpunkt die Integration von Migrant_innen in den Bildungsbereich und in den Arbeitsmarkt stand.
Wenn es um das Thema Migration geht, spielen Fragen der Kultur und damit auch der Religion eine wichtige Rolle. In den religionspolitischen Debatten des Migrationsdiskurses stellt eine Rede des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff ein Ereignis dar, das bis heute in der Berichterstattung nachklingt. Anlässlich des 20. Jahrestags der Deutschen Einheit hielt Wulff eine Rede unter dem Titel »Vielfalt schätzen – Zusammenhalt fördern«.
In seiner Rede auf der zentralen Einheitsfeier in Bremen am 3. Oktober 2010 stellte Wulff fest:
Zuallererst brauchen wir aber eine klare Haltung. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland. Vor fast 200 Jahren hat es Johann Wolfgang von Goethe in seinem West-östlichen Divan zum Ausdruck gebracht: »Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen«. (Wulff 2010: 6)
Aus der gesamten Rede wurde in der darauffolgenden öffentlichen Diskussion und in der Presseberichterstattung vor allem der Satz(teil) »Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland« herausgegriffen und breit diskutiert. Diese Aussage des damaligen Bundespräsidenten hat die Diskussion um die Rolle des Islam in Deutschland nachhaltig geprägt.3 Mit der visuellen Berichterstattung über die Rede selbst und die daran anschließende Debatte über die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland beschäftigt sich das zweite Fallbeispiel.
Ein weiteres hochaktuelles Thema in medienvermittelten Migrationsdiskursen stellen Fluchtbewegungen dar. Nach Angaben des Flüchtlingswerks UNHCR waren 2013 etwa 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Jahr 2015 hat sich diese Zahl sogar auf 59,5 Millionen Menschen erhöht, wobei sich nur ein kleiner Teil davon auf den Weg nach Europa macht (vgl. UNHCR 2014, UNHCR 2015). Die Menschen, die auf dem Seeweg nach Europa flüchten, begeben sich indes in Lebensgefahr: Am 3. Oktober 2013 sank beispielsweise vor der italienischen Insel Lampedusa ein Schiff mit rund 500 Personen an Bord; vermutlich kamen dabei 366 Menschen ums Leben (vgl. IOM 2014: 11 und 15). Nur kurz darauf, am 11. Oktober 2013, starben am selben Ort weitere 34 Menschen (vgl. ebd.: 15). Die beiden Bootsunglücke und die hohe Zahl der Todesfälle an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer lösten 2013 eine öffentliche Debatte über die europäische Flüchtlingspolitik aus. Dessen ungeachtet konnte die Internationale Organisation für Migration (IOM) allein für die ersten elf Monate des Jahres 2014 über 3.000 Todesopfer im Mittelmeer dokumentieren (vgl. ebd.: 20 f.). Im April 2015 kamen bei einem einzigen Bootsunglück vor der libyschen Küste vermutlich 700 Menschen ums Leben. Die visuelle Berichterstattung über die Todesfälle an den EU-Außengrenzen und die Migrationsbewegungen über das Mittelmeer nach Europa bildet das dritte Fallbeispiel.
Im letzten Fallbeispiel wird das Thema »Flucht und Migration« anhand eines weniger konflikthaften Diskurses untersucht, nämlich der Willkommenskultur für Geflüchtete in Deutschland. Der Begriff der Willkommenskultur erfasst nach Heckmann eine »Grundhaltung der Offenheit und Akzeptanz gegenüber Migranten« (Heckmann 2012: 2). Ausgangspunkt ist im vorliegenden Fall die Ankunft von Geflüchteten in Deutschland, nachdem Ungarn ihnen am 1. September 2015 erlaubt hatte, ohne Kontrollen Richtung Westen zu reisen. Im vierten Fallbeispiel wird die visuelle Berichterstattung über die Ankunft von in Ungarn ›gestrandeten‹ Geflüchteten am Münchner Hauptbahnhof analysiert, die Deutschland einreisen ließ.
1Migration erfasst in der vorliegenden Studie alle Formen grenzüberschreitender Mobilität von Menschen, die zur Notwendigkeit einer neuen kulturellen Beheimatung führen. Flucht meint dabei eine spezifische Form der Migration (forced migration), die in der Regel durch akute Krisen- oder Kriegsgründe ausgelöst wird. Die Unterscheidung rechtlich diverser Flucht- und Migrationsgründe, aus denen unterschiedliche Ansprüche auf Aufenthalt in Europa abgeleitet werden, ist in der vorliegenden Studie nicht von Relevanz.
2Die thematischen Schwerpunkte sind: 1) Frühkindliche Förderung, 2) Bildung, Ausbildung und Weiterbildung, 3) Arbeitsmarkt und Erwerbsleben, 4) Migranten im öffentlichen Dienst, 5) Gesundheit und Pflege, 6) Integration vor Ort, 7) Sprache – Integrationskurse, 8) Sport, 9) Bürgerschaftliches Engagement, 10) Medien, 11) Kultur (vgl. Nationaler Aktionsplan Integration 2011).
3Auf der 1. Islamkonferenz 2006 hat Wolfgang Schäuble einen ähnlichen Satz formuliert. In einer Eröffnungsrede sagte er: »Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas.« (vgl. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Videos/DIK/DE/video-festakt-10-jahre-dik-schaeuble.html?nn=3330992)2006.

2 Forschungsstand

2.1 Migration und Cultural Citizenship

In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft hat das Themenfeld Medien und Migration seit den 1990er-Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Berichterstattung über Migrant_innen, ihr Medienhandeln sowie die Frage, wie sie an Journalismus als Profession teilhaben, sind verstärkt bearbeitet worden (vgl. als bibliografischen Überblick: Müller 2005a). Der normative Kontext des Forschungsfeldes wird oftmals schon in den Titeln der Publikationen erkennbar, wenn beispielsweise als Ziel die »Integration durch Massenmedien« (Geißler und Pöttker 2006) gefordert wird. Demnach sollen journalistische Medienangebote dazu beitragen, Migrant_innen zu integrieren. Die vorliegende Arbeit verfolgt eine andere Perspektive, indem sie die diskursive Hervorbringung von Wissen mit, durch und über Bilder von Migration, Flucht und Integration fokussiert.
Öffentlichkeit ermöglicht Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Gefüge – vielfältige Akteure, Interessen und Positionen können durch Öffentlichkeit in den Verständigungsprozess integriert werden. In komplexen, ausdifferenzierten Gesellschaften übernehmen journalistische Medien eine wesentliche Funktion bei der Konstituierung von Diskursen wie auch der diskursiven Vermittlung von Wissen, Themen, Positionen und Interessenlagen. Da gesellschaftliche Formationen immer mit und durch Medien konstituiert und fortgeschrieben werden, ist die Art und Weise, wie Migrant_innen und Geflüchtete in der journalistischen Berichterstattung sichtbar gemacht werden, besonders relevant für die Frage, ob und wie sie als zugehörig zur Gesellschaft wahrgenommen werden (vgl. Schaffer 2008). Zugang und Teilhabe an Mediendiskursen können hier als eine Dimension von Staatsbürgerschaft in der Mediengesellschaft begriffen werden.
Ein Konzept, um diese Teilhabe zu verstehen, wurde u. a. von Elisabeth Klaus und Margreth Lünenborg (2004: 194; vgl. auch Lünenborg 2015; Klaus und Lünenborg 2012) unter dem Begriff Cultural Citizenship in die deutschsprachige kommunikationswissenschaftliche Diskussion eingebracht (international vgl. Ong 1999; Rosaldo 1999). Die Autor_innen gehen davon aus, dass sich Citizenship nicht in der politischen Dimension von Staatsbürgerschaft erschöpft, sondern auch Zugehörigkeit zu wirtschaftlich, sozial, kulturell und räumlich verorteten Gemeinschaften bedeutet. Die Massenmedien spielen hier eine wichtige Rolle: Gerade in Zeiten der Individualisierung und kulturellen Ausdifferenzierung sind sie für eine gesellschaftliche Bedeutungsproduktion und Sinnstiftung konstitutiv. Sie stellen nationale wie auch grenzüberschreitende symbolische Ressourcen und sozial gebundene Deutungsmuster bereit (vgl. Klaus und Lünenborg 2004: 196 f.). Im Unterschied zum traditionellen Nationalstaat ist in der Mediengesellschaft der Souverän nicht der mit politischen Rechten und Pflichten ausgestattete Bürger, sondern das sozial situierte und kulturell kontextuierte Publikum. Cultural Citizenship ist grundlegend medieninduziert und medienvermittelt. Auch wenn andere kulturelle Ressourcen zu ihrer Herausbildung beitragen, so ist in der gegenwärtigen (Medien-)Gesellschaft keine kulturelle Identität jenseits oder außerhalb der medial vermittelten Wirklichkeit möglich. Diese zentrale Bedeutung von Medien macht das Konzept Cultural Citizenship für die Kommunikationswissenschaft in besonderer Weise interessant.
Cultural Citizenship ist eine wesentliche Dimension von Staatsbürgerschaft in der Mediengesellschaft. Sie umfasst all jene kulturellen Praktiken, die sich vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse entfalten und die kompetente Teilhabe an den symbolischen Ressourcen der Gesellschaft ermöglichen. Massenmedien sind dabei Motor und Akteur der selbst- und zugleich fremdbestimmten Herstellung von individuellen, gruppenspezifischen und gesellschaftlichen Identitäten. (Klaus und Lünenborg 2004: 200)
Wie Migration wahrgenommen wird, hängt nicht zuletzt mit den Bildern zu dem Thema zusammen. Vor allem für Menschen, die nicht auf eigene Erfahrungen und eigenes Wissen zurückgreifen können, stellen medial verbreitete Bilder Wissen über Migration und Migrant_innen bereit (vgl. Batziou 2011: 46). Die Art und Weise der Visualisierung von Migration entscheidet über die (Un-)Sichtbarkeit von Migrant_innen, denn mittels Bildern werden mediale »Identitätsräume« (Hipfl 2004) geschaffen, in denen über Inklusion und Exklusion, Zugehörigkeit und Ausschluss verhandelt wird. Nur wenn für die verschiedenen sozialen Gruppen anschlussfähige mediale Angebote existieren, die eine diskursive Auseinandersetzung mit den jeweils vorhandenen kulturellen Praktiken ermöglichen und damit auch erlauben, sie zu entwickeln und zu modifizieren, kann gesellschaftliche Zugehörigkeit entstehen. Vor diesem theoretischen Hintergrund fragt die vorliegende Studie also nicht nach den Integrationsleistungen, die journalistische Angebote erbringen, sondern danach, wie journalistische (Bild-)Berichterstattung Migrant_innen und Geflüchtete sichtbar macht und damit Möglichkeiten kultureller Teilhabe eröffnet oder verschließt.

2.2 Forschungsfeld Migration und Medien

In den letzten zehn Jahren kann ein gesteigertes Interesse der Kommunikationswissenschaft an der Bedeutung von Medien für die Migration konstatiert werden, wie verschiedene Überblicksdarstellungen zeigen (vgl. Bonfadelli et al. 2010; Trebbe 2009; Müller 2005a; Müller 2005b; Weber-Menges 2005). Als Hauptgegenstandsbereiche der kommunikationswissenschaftlichen Forschung gelten die Darstellung und Repräsentation von Migrant_innen in den Medien, migrantische Mediennutzung und -aneignung und deren Bedeutung für Integrationsprozesse sowie migrationsbezogene Aspekte bei der Medienproduktion. Idealtypisch lässt sich das Forschungsfeld auf den drei Ebenen des Kommunikationsprozesses darstellen: Makroebene (gesellschaftliche Prozesse der Integration, an der Medien beteiligt sind), Mesoebene (Medienproduktion und Medieninhalte) sowie Mikroebene (Rezeption und Aneignung von Medienangeboten sowie deren Rolle bei der Identitätsbildung und Integration) (vgl. Bonfadelli et al. 2010: 407). Jede Forschungsperspektive hat dabei ihren eigenen theoretis...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Forschungsstand
  8. 3 Methodische Vorgehensweise
  9. 4 Fallanalysen
  10. 5 Fazit und Schlussfolgerungen
  11. 6 Literaturverzeichnis
  12. 7 Abbildungsnachweise
  13. 8 Die Autorinnen
  14. 9 Abstract