Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht
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Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht

Praxisbeispiele, Erfahrungen und Handlungsempfehlungen

  1. 244 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht

Praxisbeispiele, Erfahrungen und Handlungsempfehlungen

Über dieses Buch

Flipped Classroom ist eine Methode, die es ermöglicht, in heterogenen Lerngruppen individuell auf die Bedürfnisse Einzelner einzugehen. Warum? Weil das eigenständige Aneignen von digital bereitgestelltem Lernstoff zu Hause stattfindet und im Unterricht mehr Zeit zum Vertiefen, Üben, Anwenden und Reflektieren ist. Die Publikation "Flipped Classroom - Zeit für deinen Unterricht" stellt Unterrichtskonzepte und ihre Erprobung vor. Neben den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt "Flip your class!" an drei Berliner Schulen dokumentiert der Band auch die Erfahrungen von Lehrkräften aus ganz Deutschland, die bereits seit Längerem nach diesem Ansatz arbeiten, und gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis.

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Information

1. Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht

Julia Werner, Christian Ebel, Christian Spannagel und Stephan Bayer
Die Methode Flipped Classroom (auch: Inverted Classroom oder Umgedrehter Unterricht) ist seit einigen Jahren in der Diskussion über moderne Unterrichtsformen, auch unter Nutzung digitaler Medien, sehr präsent. Die Grundidee ist schnell erklärt: In real stattfindendem Unterricht ist der Redeanteil von Lehrerinnen und Lehrern oft übermäßig hoch. Wertvolle Unterrichtszeit, die für Schüleraktivitäten genutzt werden könnte, wird stattdessen für Lehrervorträge oder Lehrererklärungen verwendet. Die Schüleraktivität verlagert sich daher meistens in die Nachbereitung des Unterrichts in Form von Übungsaufgaben, die zu Hause allein gelöst werden sollen. Flipped Classroom dreht dies Prinzip um: Einführungen in ein Thema und Erklärungen der Lehrkraft werden vorverlagert in die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde, oft per Video. Die Schülerinnen und Schüler kommen dann vorbereitet in die Unterrichtsstunde, um dort gemeinsam Aufgaben zu lösen und vertiefende Diskussionen zu führen. Die Lehrperson übernimmt dort die Rolle einer Helferin bzw. eines Helfers, der die Schülerinnen und Schüler beim Arbeiten unterstützt und Feedback gibt.
Dieses simple Konzept verspricht einige Vorteile: Bestimmte Lernaktivitäten lassen sich besser allein durchführen – etwa die Einarbeitung in bestimmte Themen –, andere besser zusammen – beispielsweise das Lösen komplexer Aufgaben, die in Gruppen bearbeitet werden oder bei denen man sich gegenseitig helfen könnte. Um komplexe Aufgaben zu lösen, benötigt man aber oft grundlegendes Wissen auf einem Gebiet, in das man sich zumindest ein Stück weit eingefunden haben sollte, bevor man mit der Bearbeitung der Aufgaben beginnt. Flipped Classroom scheint dieser Überlegung gut zu entsprechen: Die Schülerinnen und Schüler arbeiten sich zu Hause in ein Thema ein (z. B. mithilfe von Videos und geeigneter Aufträge), kommen dann in der Unterrichtsstunde zusammen, um dort anhand von gemeinsamen Aufgaben das zu Hause Vorbereitete anzuwenden, zu üben, zu diskutieren oder zu hinterfragen. Dies entspricht einem Wechsel von einem lehrerzentrierten zu einem schülerzentrierten Unterricht. Die gemeinsame Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler im Unterricht wird dafür genutzt, wofür gemeinsame Präsenz notwendig ist: für die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung. Dabei ändert sich auch die Rolle der Lehrperson. Sie agiert im Unterricht so, wie man es von einem Coach oder Lernbegleiter erwartet: Sie hilft den Schülerinnen und Schülern bei ihren Aktivitäten, kann sich intensiver mit deren individueller Förderung befassen und gibt persönliche Rückmeldungen.
Das Konzept Flipped Classroom ist eng verwoben mit dem Einsatz digitaler Medien, auch wenn diese nicht unbedingt notwendig sind, um die Methode anzuwenden. Kern des Konzepts ist nicht der Einsatz digitaler Medien, sondern die sinnvolle Nutzung der Präsenzzeit. Flipped Classroom ist ein Präsenzkonzept und keine Online-Lehre oder Ähnliches. Dennoch nutzen viele »flippende« Lehrerinnen und Lehrer digitale Medien: Für die Vorbereitung eignen sich oft Videos gut, weil diese Prozesse besser abbilden können als Texte. In Videos kann man zeigen oder vorführen, wie etwas funktioniert. Darüber hinaus bieten viele Online-Quiz den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ihr Verständnis aus der Vorbereitungsphase zu überprüfen, und Online-Kollaborationstools können für die Zusammenarbeit auch schon in der Vorbereitungsphase genutzt werden. Digitale Technologien im Klassenzimmer ermöglichen zudem den Zugriff auf Ressourcen während der Arbeitsphasen und bieten Tools für die kreative Erstellung von Produkten.
Bekannt wurde das Konzept durch das Buch »Flip your classroom« von Bergmann und Sams (2012). Beide Lehrer experimentierten an der Woodland Park High School mit Videos zur Vorbereitung und entwickelten dabei die Methode Flipped Classroom. Parallel dazu gab es ähnliche Entwicklungen im Hochschulbereich, dort zunächst eher unter dem Begriff »Inverted Classroom« (Handke und Sperl: 2012). Traditionell gehaltene Vorlesungen werden als Video für die Vorbereitung zu Hause zur Verfügung gestellt. Studierende kommen dann vorbereitet in die Vorlesung, in der kein Dozentenvortrag mehr gehalten wird, sondern wo gemeinsam diskutiert wird und die Inhalte mit unterschiedlichen Methoden vertieft werden. Der Mehrwert der Methode wird weniger in den Videos, als vielmehr in der anders gestalteten Unterrichtszeit gesehen: »Despite the attention that the videos get the greatest benefit to any flipped classroom is not the videos. It’s the in-class time that every teacher must evaluate and redesign.« (Bergmann und Sams 2012: 47). Seitdem wurde die Methode Flipped Classroom bzw. Inverted Classroom im Schul- wie auch im Hochschulkontext von zahlreichen Lehrenden weiterentwickelt und umfassend diskutiert.
Beim Einsatz ist zu beachten: Keine Methode ist prinzipiell besser als andere Methoden – es kommt immer auf den Kontext an. Dieser wird bestimmt durch die Klassenstufe, das Fach, den Inhalt, die zu erlernenden Kompetenzen, durch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Schülerinnen und Schüler sowie die Methodenpräferenz und Persönlichkeit der Lehrperson, um nur einige wichtige Faktoren zu nennen. Das bedeutet: In einem bestimmten Kontext kann die Methode passen, in einem anderen nicht. Das Ziel dieses Buchs ist somit nicht, Flipped Classroom als Supermethode zu propagieren, sondern die Methode anhand von Beispielen, Erfahrungsberichten und Gestaltungstipps vorzustellen. Ob Sie in Ihrem Unterricht die Methode einsetzen wollen und gegebenenfalls in welchem Kontext, können nur Sie selbst entscheiden. Und diese Entscheidung sollte immer nach der Maßgabe erfolgen, ob die Methode zu dem entsprechenden Zusammenhang passt – nicht danach, ob sie hip, neu oder modern ist.
Darüber hinaus sollten Sie bedenken, dass das Modell »Erklären zu Hause, Üben im Unterricht« nur für einige Inhalte passt. Wenn am Anfang des Lernprozesses keine Erklärung stehen sollte, sondern eine gemeinsame, selbstentdeckende Erarbeitung durch Schülerinnen und Schüler, ist das Modell didaktisch völlig unpassend. Das bedeutet nicht, dass Schülerinnen und Schüler nichts vorbereiten können – vielleicht besteht die Vorbereitung aber nicht im Durcharbeiten eines Videos, sondern in einer anderen vorbereitenden Aufgabe. Doch vielleicht passt die Vorbereitung zu Hause auch überhaupt nicht zu einem bestimmten Inhalt. Das Flippen einer Unterrichtsstunde sollte daher nicht unreflektiert auf alle möglichen Inhalte übertragen werden, sondern es ist immer für die konkreten Unterrichtsinhalte und die dabei zu erlernenden Kompetenzen zu überlegen, ob zu Beginn des Lernprozesses eine Erklärung stehen sollte oder nicht, ob die Schülerinnen und Schüler zu Hause etwas vorbereiten können, und wenn ja wie, und welche Aktivitäten in welcher Reihenfolge mit großer Wahrscheinlichkeit zum angestrebten Lernziel führen.
Flipped Classroom sollte also nicht zu einem starren monomethodischen Vorgehen führen. Doch die Methode kann immer wieder daran erinnern und dazu bewegen, die Vorbereitung einer Stunde systematisch in den Verlauf einer Unterrichtseinheit zu integrieren und die Stunde selbst schülerzentrierter zu gestalten. Diese und ähnliche Überlegungen waren Ausgangspunkt des Projekts »Flip your class!«, das von der Bertelsmann Stiftung, der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Firma sofatutor gemeinsam durchgeführt wurde (zur Entstehung des Projekts vgl. Sprung 2017). Ziel war, zusammen mit Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schularten, Schulstufen und Fächer die Methode Flipped Classroom zu erproben, anzupassen, weiterzuentwickeln und dabei Einsatzszenarien und gute Praxisbeispiele herauszuarbeiten. Dabei sollte insbesondere der Aspekt der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern in den Blick genommen und die Frage untersucht werden, welche Rolle digitale Medien in diesem Kontext spielen können. Diese Publikation stellt den Abschluss des Projekts dar. Zahlreiche Erfahrungen aus dem Projekt – aber auch von flippenden Lehrerinnen und Lehrern außerhalb des Projekts – wurden hier zusammengetragen. Wenn Sie als Lehrerin oder Lehrer die Methode Flipped Classroom einsetzen wollen, können Sie von den Erfahrungen anderer profitieren. Genau diese Funktion soll dieses Buch erfüllen – wir hoffen, dass uns dies gelungen ist.
Im ersten Teil werden das Projekt und seine Ergebnisse näher erläutert. Im Rahmen eines Design-Based-Research-Ansatzes wurde die Methode in mehreren Zyklen in unterschiedlichen Berliner Schulklassen erprobt. Dabei wurden auch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte intensiv dazu befragt. Über diese Ergebnisse wird im ersten Beitrag berichtet. Darüber hinaus wurden Erfahrungen, die sich über mehrere Iterationen als stabil erwiesen, in Gestaltungsempfehlungen (sog. Design Patterns) verdichtet. Hier lassen sich zahlreiche Anregungen für die Umsetzung des Flipped Classroom finden. Der Projektpartner sofatutor stellt in einem Beitrag die Umsetzungsmöglichkeiten der Methode mit professionell gestalteten Videos vor. Der Abschnitt schließt mit einem Resümee zu den zahlreichen Herausforderungen und Schwierigkeiten, die ein solch groß angelegtes Unterrichts- und Schulentwicklungsprojekt mit sich bringt, und wie mit ihnen umgegangen wurde.
Im zweiten Teil kommen zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer mit Berichten aus der Praxis zu Wort, die entweder schon sehr lange oder erst seit Kurzem die Methode in ihrem Unterricht einsetzen, erproben und weiterentwickeln. Dabei wollten wir ein möglichst breites Spektrum an Fächern und Einsatzszenarien abdecken. Auch wenn Flipped Classroom und digitale Medien nicht notwendigerweise zusammengehören, werden beide doch oft zusammen gedacht. Daher beziehen sich viele Erfahrungsberichte in diesem Teil auf den Einsatz digitaler Technologien zu Hause und im Klassenzimmer. Diese Technologien können natürlich auch in anderen Unterrichtssettings eingesetzt werden – somit kann dieser Teil darüber hinaus Anregungen für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht generell geben.
Der dritte Teil widmet sich den Ergebnissen der Flipped Classroom Convention im Juni 2017 in Berlin, die gleichzeitig den Höhepunkt und offiziellen Schlusspunkt der Zusammenarbeit im Projekt markierte: Rund 100 Lehrkräfte aus ganz Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern tauschten sich über ihre Erfahrungen mit der Flipped Classroom-Methode aus, lernten von- und miteinander. Die Veranstaltung wurde im Flipped Classroom-Format durchgeführt: Die Themenpatinnen und -paten stellten vor der Konferenz Videos und Materialien online zur Verfügung, die der Vorbereitung der einzelnen Workshops dienten. Die Convention hat auf diese Weise ermöglicht, Flipped Classroom-Szenarien kennenzulernen und Einsatzmöglichkeiten für den (Fach-)Unterricht zu reflektieren.
Wir hoffen, mit diesem Buch zur weiteren Entwicklung und Diskussion der Methode Flipped Classroom beizutragen, Ihnen zahlreiche Anregungen für die Gestaltung Ihres Unterrichts zu geben und Ihnen vielleicht Mut zu machen, Ihren Unterricht einmal ganz anders zu denken. Weitere Anregungen, Ideen und Diskussionsbeiträge finden Sie online (www.flipyourclass.de) auf der Projektwebsite.

Literatur

Bergmann, Jonathan, und Aaron Sams (2012). Flip your classroom. Reach every student in every class every day. International Society for Technology in Education (ISTE). Eugene, OR.
Handke, Jürgen, und Alexander Sperl (2012). Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München.
Sprung, Tina (2017). »Flipped Classroom – Wenn Lehrer ausflippen«. didacta Digital 27.7.2017. www.didacta-digital.de/lernen-lehren/flipped-classroom-wennlehrer-ausflippen (Download 27.4.2018).
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2. Der Flipped Classroom als Impuls für Schul- und Unterrichtsentwicklung

Christian Ebel

2.1Das pädagogische Potenzial des Ansatzes

Beim Flipped Classroom im klassischen Sinne werden die zentralen Aktivitäten des Lehrens und Lernens umgekehrt: Die Wissensvermittlung und -aneignung erfolgt unabhängig von Ort und Zeit – beispielsweise zu Hause oder im Ganztag – mithilfe digitaler Medien. Die gemeinsamen Präsenzphasen bzw. der Unterricht können stärker für die Vertiefung, Übung, Anwendung oder Reflexion des Gelernten genutzt werden.
Wird die Wissensvermittlung nach Hause verlagert, bietet das den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich die Inhalte selbstbestimmt und im eigenen Tempo mit (digitalen) Lernmaterialien anzueignen. Oft sind dies von der Lehrperson erstellte oder von Bildungsanbietern zu gängigen curricularen Themen produzierte Erklärvideos; es können aber auch Podcasts, schriftliche Unterlagen und weitere Materialien zum Einsatz kommen.
Da im Unterricht kein neuer Stoff vermittelt wird, kann die gewonnene Zeit genutzt werden, um die Schülerinnen und Schüler gezielt zu unterstützen bzw. individuell zu fördern: Zunächst können im Unterricht Fragen, die während der Vorbereitung aufgekommen sind, von der Lehrkraft aufgenommen und vor versammelter Klasse geklärt werden. Anschließend können die Schülerinnen und Schüler die zu Hause erarbeiteten Inhalte möglichst selbstständig einüben und anwenden; die Lehrkraft kann dabei individuell auf Fragen oder Probleme einzelner Kinder oder Jugendlicher eingehen. Darüber hinaus kann die Unterrichtszeit nun zur gemeinsamen Diskussion, Reflexion und interaktiven Vertiefung genutzt werden. Der Flipped Classroom bietet Lehrerinnen und Lehrern somit mehr Möglichkeiten, in heterogenen Lerngruppen individuell auf die Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler einzugehen.
Das Besondere am Flipped Classroom ist demzufolge, dass durch die Auslagerung der Wissensvermittlung im Unterricht mehr Zeit für das Wesentliche bleibt. Um es mit den Worten Aaron Sams‘ zu sagen: »The magic happens in the classroom« (Bergmann und Sams 2012: 47). Damit ist auch gemeint, dass sich mit der Einführung des Flipped Classroom-Ansatzes die Lernkultur im Klassenraum verändern kann – etwa von einem lehrerzentrierten Unterricht mit geringer Selbststeuerung aufseiten der Schülerinnen und Schüler hin zu einem stärker individualisierenden oder kooperativen Unterricht mit wachsenden Anteilen an selbst gesteuertem Lernen. Ein passendes Bild für diese veränderte Lehrerrolle findet sich in einem Fachartikel von Alison King mit dem sprechenden Titel »From Sage on the Stage to Guide on the Side« (King 1993), was etwas weniger poetisch übersetzt werden könnte mit: »Vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter«.
Heute, mehr als zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung von Kings Artikel, wird die Debatte darüber, was die richtige Lehrerrolle ist, immer noch vehement geführt – und hat im Kampf um die Deutungshoheit über die Ergebnisse der Hattie-Studie (Hattie 2008) neue Nahrung erhalten: Pädagogen, Wissenschaftlerinnen und Bildungspolitiker diskutieren über die Vorzüge traditioneller Lehrmethoden gegenüber konstruktivistischen Unterrichtsansätzen und vice versa...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Digitalisierung im Unterricht konkret: Ein vielfältiger Flipped Classroom ermöglicht spannende Lernreisen
  6. 1. Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht
  7. Das Projekt »Flip your class!«
  8. Die Praxisberichte
  9. Der Abschluss des Projekts
  10. Die Autorinnen und Autoren
  11. Abstract