Aufstieg der Roboter
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Verfügbar bis 11 May |Weitere Informationen

Aufstieg der Roboter

Wie unsere Arbeitswelt gerade auf den Kopf gestellt wird - und wie wir darauf reagieren müssen

  1. 400 Seiten
  2. German
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Aufstieg der Roboter

Wie unsere Arbeitswelt gerade auf den Kopf gestellt wird - und wie wir darauf reagieren müssen

Über dieses Buch

Künstliche Intelligenz wird immer intelligenter. Algorithmen machen unser Leben leichter, ange­nehmer, sicherer … doch die Entwicklung hat auch eine gravierende Kehrseite: Immer mehr Menschen werden von der Technik verdrängt. Jobs für gering Qualifizierte, zum Beispiel in Fast-Food-Ketten und Supermärkten, fallen weg. Doch auch hoch Qualifizierte wie Radiologen werden von Computern aus­gestochen, die deutlich schneller – und zuverlässiger – Diagnosen erstellen können.

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KAPITEL 1
Die Automatisierungswelle

Ein Lagerarbeiter nähert sich einem Stapel mit Kisten. Die Kisten sind von unterschiedlicher Größe, unterschiedlicher Form und unterschiedlicher Farbe und sie sind ziemlich wild durcheinandergewürfelt.
Stellen wir uns für einen Moment vor, wir könnten diesem Lagerarbeiter ins Gehirn blicken, während er die Aufgabe angeht, die Kisten wegzubringen. So verschaffen wir uns einen Eindruck von der Komplexität des Problems, das es zu lösen gilt.
Viele der Kisten sind im üblichen Braun und stehen dicht aneinandergedrängt, sodass man die Ränder nur schwer ausmachen kann. Wo genau hört die eine Kiste auf, wo fängt die nächste an? An anderen Stellen klaffen Lücken und die Kisten sind verschoben. Einige sind verdreht, sodass eine Ecke hervorsteht. Ganz oben auf dem Haufen überbrückt eine kleine Kiste die Lücke zwischen zwei größeren Kisten. Die meisten Kisten sind in schlichtem Braun oder Weiß gehalten, aber einige weisen Firmenlogos auf, einige sind vierfarbig bedruckte Verpackungskartons, wie sie in Geschäften in den Regalen stehen.
Das menschliche Gehirn ist natürlich imstande, all diese vertrackten visuellen Informationen praktisch sofort in ein sinnvolles Bild zu übersetzen. Mühelos nimmt der Arbeiter die Dimensionen und Ausrichtungen der einzelnen Kisten wahr und weiß instinktiv, dass er zunächst einmal die Kisten an der Spitze des Stapels entfernen muss. Er weiß auch, in welcher Reihenfolge er die Kisten bewegen muss, will er vermeiden, dass der Rest des Stapels instabil wird.
Auf genau diese Art von Rätsel der visuellen Wahrnehmung ist das menschliche Gehirn im Laufe der Evolution trainiert worden. Es wäre völlig unspektakulär, wenn es dem Arbeiter gelingen sollte, die Kisten wegzuräumen – wenn da nicht der Umstand wäre, dass es sich in diesem Fall bei dem Lagerarbeiter um einen Roboter handelt. Genauer gesagt haben wir es hier mit einem schlangenartigen Roboterarm zu tun, dessen Kopf aus einem Greifer mit Saugvorrichtung besteht. Der Roboter ist in seiner Wahrnehmung langsamer, als es ein Mensch wäre. Er sieht sich die Kisten an, korrigiert seinen Blickwinkel etwas, überlegt noch etwas und stürzt dann schließlich nach vorne, um sich eine Kiste von oben wegzunehmen.* Die Trägheit resultiert praktisch einzig daraus, dass diese vermeintlich einfache Aufgabe unglaublich komplexe Berechnungen erfordert. Und wenn uns die IT-Geschichte eines gelehrt hat, dann dass dieser Roboter schon sehr bald ein Upgrade bekommen wird, das ihn deutlich schneller macht.
Tatsächlich glauben die Ingenieure bei Industrial Perception, dem Silicon-Valley-Start-up, wo der Roboter entwickelt und gebaut wird, dass die Maschine letztlich eine Kiste pro Sekunde wird bewegen können. Zum Vergleich: Ein menschlicher Arbeiter kommt bestenfalls auf eine Kiste etwa alle sechs Sekunden.1 Und es ist unnötig zu erwähnen, dass der Roboter ohne Unterbrechung arbeiten kann. Er wird nie müde, er wird auch nie Rückenprobleme bekommen … und garantiert wird er auch nie auf Schadenersatz klagen.
Was den Roboter von Industrial Perception so besonders macht, ist der Umstand, dass seine Fähigkeit in der Schnittmenge von visueller Wahrnehmung, räumlichem Denken und Geschicklichkeit liegt. Anders gesagt: Er stößt vor in die letzte Grenze der maschinellen Automatisierung, wo er um die wenigen verbliebenen manuellen Routineaufgaben konkurrieren wird, die dem menschlichen Arbeiter noch geblieben sind.
Natürlich sind Roboter in Fabriken nichts Neues mehr. Sie sind heutzutage in praktisch jedem Bereich der Herstellung unersetzlich geworden, von der Automobilindustrie bis hin zum Halbleiterbereich. Tesla, der Hersteller von Elektroautos, hat ein neues Werk im kalifornischen Fremont stehen. Dort fertigen 160 hochflexible Industrieroboter circa 400 Fahrzeuge pro Woche. Sobald ein Chassis an der nächsten Position der Fertigungsstraße auftaucht, stürzen sich mehrere Roboter auf das Fahrgestell und arbeiten als Team. Damit sie eine Vielzahl von Aufgaben abarbeiten können, wechseln die Maschinen selbstständig die Werkzeuge an ihren Roboterarmen. So installiert ein und derselbe Roboter beispielsweise die Sitze, rüstet sich dann um, trägt Klebstoff auf und setzt die Windschutzscheibe ein.2 Nach Angaben des internationalen Verbands der Robotikindustrie wurden 2012 weltweit über 60 Prozent mehr Industrieroboter ausgeliefert als noch im Jahr 2000. Gesamtumsatz: etwa 28 Milliarden Dollar. Der mit Abstand am schnellsten wachsende Markt war China, wo zwischen 2005 und 2012 die Zahl der installierten Roboter jedes Jahr um etwa 25 Prozent zulegte.3
Industrieroboter sind konkurrenzlos, was Geschwindigkeit, Präzision und schiere Kraft angeht. Größtenteils sind sie jedoch blinde Akteure in einer streng durchchoreografierten Aufführung. Sie sind in erster Linie abhängig von präzisem Timing und präziser Positionierung. Es gibt einige Fälle, in denen Roboter über optische Fähigkeiten verfügen, aber dann können sie meist nur zweidimensional sehen und nur bei kontrollierten Lichtverhältnissen. Beispielsweise können sie Teile auswählen, die auf einer planen Oberfläche liegen, aber das Fehlen von Tiefenschärfe lässt sie in einer Umgebung, die auch nur ein gewisses Maß an Unberechenbarkeit aufweist, stark an Wirksamkeit einbüßen. Das führt dazu, dass es noch eine Reihe routinemäßiger Fabrikjobs gibt, die von Menschen ausgeübt werden. Bei diesen Aufgaben geht es meistens darum, die Lücken zwischen den Maschinen zu füllen, oder es handelt sich um Aufgaben am Ende des Fertigungsprozesses. So geht es vielleicht darum, Teile aus einem Korb zu wählen und die nächste Maschine damit zu füttern, oder darum, die Laster, die die Produkte transportieren, zu be- und entladen.
Die Technologie, die dazu führt, dass der Roboter von Industrial Perception dreidimensional sehen kann, ist ein Musterbeispiel dafür, wie wechselseitige Befruchtung Innovationsdurchbrüche in überraschenden Bereichen anstoßen kann. Man könnte nämlich sagen, dass die Ursprünge der Roboteraugen auf den November 2006 zurückgeführt werden können – damals stellte Nintendo seine Spielekonsole Wii vor.
Teil der Wii war ein völlig neuer Gamecontroller – ein schnurloses Gerät, das ein günstiges Bauteil enthielt, einen Beschleunigungssensor. Dieser Sensor kann Bewegungen in drei Dimensionen feststellen und daraus einen Datenstrom generieren, den die Spielekonsole verarbeiten kann. Jetzt ließen sich Videospiele durch Körperbewegungen und durch Gesten steuern. Das Resultat war ein völlig neues Spielerlebnis. Nintendos Neuerung bereitete dem Bild vom Computernerd ein Ende, der mit einem Joystick vor dem Bildschirm klebt. Es eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten für Spiele als aktives Erlebnis.
Nun mussten auch die anderen Größen des Videospielmarkts reagieren. Der PlayStation-Hersteller Sony kopierte im Grunde die Idee von Nintendo und entwickelte seinen eigenen bewegungsempfindlichen Controller. Microsoft dagegen wollte an Nintendo vorbeiziehen und etwas komplett Neues auf den Markt bringen. Mit dem Zusatzgerät Kinect für die Spielekonsole Xbox 360 fiel die Notwendigkeit eines Controllers völlig weg. Das gelang Microsoft, indem man ein Gerät ähnlich einer Webcam baute, die fähig zu dreidimensionalem maschinellem Sehen ist. Dahinter steckt bildgebende Technik, die das kleine israelische Unternehmen Prime Sense entwickelt hat. Um in drei Dimensionen blicken zu können, nutzt der Kinect im Grunde ein lichtschnelles Sonar – der Kinect schießt einen Infrarotstrahl auf die Menschen und Gegenstände in einem Raum. Je nachdem, wie lange das reflektierte Licht benötigt, um zum Sensor zurückzukehren, werden dann die Entfernungen berechnet. Nun konnten die Spieler ganz einfach mit der Xbox-Konsole interagieren, indem sie Handbewegungen machten oder sich vor der Kinect-Kamera bewegten.
Das eigentlich Revolutionäre an der Kinect-Hardware war ihr Preis. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte man für derart ausgeklügelte Technik für maschinelles Sehen Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Dollar hinlegen müssen und dafür große, sperrige Geräte bekommen. Jetzt gab es das Ganze in einem kompakten und leichten Stück Unterhaltungselektronik für 150 Dollar. In der Robotik erkannten die Forscher sofort, dass die Kinect-Technologie das Potenzial besaß, ihren Bereich grundlegend zu verwandeln. Nur wenige Woche nach Markteinführung des Produkts hatten Forscherteams von Hochschulen und Amateur-Erfinder den Kinect gehackt. Auf Youtube posteten sie Videos von Robotern, die nun dreidimensional sehen konnten.4 Auch Industrial Perception beschloss, für sein optisches System die Technologie hinter dem Kinect zu nutzen. Das Resultat ist eine bezahlbare Maschine, die sich in raschem Tempo den Fähigkeiten des Menschen annähert, was das Wahrnehmen und Interagieren mit der Umwelt angeht, und gleichzeitig mit den Ungewissheiten auszukommen lernt, die für die echte Welt typisch sind.

Ein vielseitig verwendbarer Arbeitsroboter

Der Roboter von Industrial Perception ist eine hoch spezialisierte Maschine. Ihre Aufgabe besteht explizit darin, mit größtmöglicher Effizienz Kisten zu bewegen. Einen anderen Weg hat das in Boston ansässige Unternehmen Rethink Robotics mit Baxter eingeschlagen. Baxter ist ein leichter, humanoider Produktionsroboter, dem man einfach eine Vielzahl repetitiver Aufgaben antrainieren kann. Gegründet wurde Rethink von Rodney Brooks, einer weltweiten Robotik-Koryphäe. Brooks forscht am MIT und ist Mitgründer von iRobot, dem Hersteller des Staubsaugerroboters Roomba. Das Unternehmen hat für das Militär aber auch Roboter hergestellt, die im Irak und in Afghanistan Bomben entschärfen. Baxter kostet deutlich weniger, als ein typischer amerikanischer Arbeiter aus dem Herstellungsbereich im Jahr verdient. Im Grunde handelt es sich um einen abgespeckten Industrieroboter, der dafür gedacht ist, direkt neben Menschen sicher und zuverlässig zu arbeiten.
Industrieroboter benötigen eine aufwendige und kostspielige Programmierung, wohingegen man Baxter einfach die erforderlichen Armbewegungen vormacht. Wenn ein Unternehmen mit mehreren Robotern arbeitet, kann man einen Baxter trainieren und das Wissen dann einfach per USB-Stick auf die anderen übertragen. Der Roboter kann eine Vielzahl von Dingen tun. Er kann leichte Montagetätigkeiten ausführen, er kann Teile zwischen Fließbändern transportieren, er kann Produkte für den Einzelhandel verpacken oder Maschinen in der Metallherstellung warten. Besonders gut ist Baxter darin, fertige Produkte in Transportbehälter zu packen. Weil Baxter die Produkte sehr eng packen kann, ist bei K’NEX, einem Unternehmen aus Hatfield, Pennsylvania, das Konstruktionsspielzeug herstellt, die Zahl der benötigten Verpackungen um 20 bis 40 Prozent gesunken.5 Rethinks Roboter kann dank Kameras auf beiden Handgelenken zweidimensional sehen, er kann Teile aufheben und sogar einfache Qualitätskontrollen durchführen.

In der Robotik steht eine Explosion bevor

Baxter und der kistenrückende Roboter von Industrial Perception mögen zwei völlig unterschiedliche Maschinen sein, aber sie basieren beide auf derselben Software-Plattform. ROS (Robot Operating System) wurde vom Labor für Künstliche Intelligenz der Universität Stanford erdacht und dann von Willow Garage zu einer ausgewachsenen Robotik-Plattform entwickelt. Willow Garage ist ein kleines Unternehmen, das programmierbare Roboter entwirft und herstellt. Diese Roboter kommen vor allem bei Forschern an Universitäten zum Einsatz. ROS ähnelt Betriebssystemen wie Microsoft Windows, Macintosh OS oder Googles Android, ist aber speziell dafür ausgelegt, dass Roboter einfach programmiert und gesteuert werden können. ROS ist ein kostenloses Open-Source-Programm – was bedeutet, dass Entwickler einfach Veränderungen und Erweiterungen an der Software vornehmen können – und wurde rasch die Standardsoftware in der Roboterentwicklung.
Eines hat uns die EDV-Geschichte gelehrt: Hat sich beim Betriebssystem ein Standard herausgebildet und gibt es kostengünstige und leicht programmierbare Werkzeuge, dann kommt es bald darauf zu einer explosionsartigen Vermehrung von Angeboten. Das war so bei PC-Software und in jüngerer Vergangenheit gerade erst wieder bei Apps für iPhone, iPad und Android. Tatsächlich gibt es für diese Plattformen mittlerweile dermaßen viele Anwendungen, dass es sehr schwerfällt, sich etwas vorzustellen, was es noch nicht gibt.
Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es im Feld der Robotik ähnlich sein wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach stehen wir an der Schwelle zu einer Innovationsexplosion, die zu Robotern führen wird, die für praktisch jede vorstellbare kommerzielle, industrielle und Verbraucheraufgabe geeignet sind. Vorangetrieben werden wird diese Sturzwelle von der Verfügbarkeit standardisierter Software- und Hardware-Bausätze. Sie werden es vergleichsweise einfach machen, neue Dinge zu entwerfen, ohne jedes Mal gleich das Rad neu erfinden zu müssen. So wie der Kinect maschinelles Sehen bezahlbar machte, werden die Kosten für andere Hardware-Komponenten (etwa Roboterarme) in den Keller rauschen, wenn die Massenproduktion von Robotern anläuft. 2013 gab es bereits Tausende Software-Komponenten, die unter ROS laufen, und die Entwicklungsplattformen waren so günstig, dass fast jeder anfangen konnte, neue Roboteranwendungen zu entwickeln. Willow Garage beispielsweise verkauft für rund 1.200 Dollar TurtleBot, einen kompletten Bausatz für einen mobilen Roboter, der über maschinelles Sehen verfügt. Berücksichtigt man die Inflation, ist das deutlich weniger, als man Anfang der 1990er-Jahre, als Microsoft Windows in der Frühphase seiner eigenen Software-Explosion stand, für einen günstigen PC mit Monitor bezahlen musste.
Im Oktober 2013 besuchte ich die „RoboBusiness“, eine Konferenz und Fachmesse im kalifornischen Santa Clara. Dort war es ganz offensichtlich, dass sich die Roboterbranche bereits auf eine bevorstehende Explosion einstellte. Firmen in allen Größen waren dort vertreten und präsentierten Roboter, die Präzisionsfertigung beherrschten, medizinische Vorräte zwischen verschiedenen Krankenhausabteilungen transportieren konnten oder in Landwirtschaft oder Bergbau eigenständig schweres Gerät steuerten. Da gab es Budgee, ein Roboterbutler, der im Haus oder im Geschäft bis zu 22 Kilo tragen konnte. Da gab es eine Vielzahl von Lernrobotern zur Förderung der technischen Kreativität oder von autistischen Kindern oder von Kindern mit Lernschwierigkeiten. Am Stand von Rethink Robotics war Baxter zu bewundern, der inzwischen eine Halloween-Ausbildung absolviert hatte und nun damit beschäftigt war, kleine Schachteln mit Süßigkeiten auf kürbisförmige Eimerchen zu verteilen. Unternehmen bewarben Komponenten wie Motoren, Sensoren, Bildverarbeitungssysteme, Steuerungssysteme und spezielle Software zum Bau von Robotern. Das Silicon-Valley-Start-up Grabit zeigte einen innovativen Greifer, der mit Elektrostatik arbeitete. Allein durch eine kontrollierte elektrostatische Ladung kann dieser Roboter nahezu alles packen, tragen und an einem beliebigen Ort wieder absetzen. Und zu guter Letzt war auch noch eine globale Anwaltskanzlei vertreten, die über Erfahrung in der Roboterbranche verfügte und anbot, Arbeitgeber über die arbeitsrechtlichen und sicherheitsrelevanten Bestimmungen zu informieren, die es zu beachten gilt, wenn man Roboter anstelle von Menschen oder in nächster Nähe mit Menschen arbeiten lässt.
Einen besonders erstaunlichen Anblick bei dieser Messe boten die Gänge. Neben den vielen menschlichen Besuchern waren dort auch Dutzende Roboter unterwegs, die Suitable Technologies bereitgestellt hatte. Diese Roboter hatten einen Flachbildfernseher und eine Kamera auf einem mobilen Untersatz montiert und waren ferngesteuert. So konnten Teilnehmer, die nicht vor Ort waren, die Stände abklappern, Vorführungen ansehen, Fragen stellen und sich ganz normal mit anderen Besuchern austauschen. Gegen eine kleine Gebühr konnte man sogenannte „Remote Presence“-Roboter von Suitable Technologies auf der Messe nutzen. So sparten sich Besucher, die nicht im Großraum San Francisco lebten, Tausende Dollar Reisekosten. Es dauerte ein paar Minuten, aber dann wirkten diese Roboter – jeder mit einem menschlichen Gesicht auf dem Bildschirm – gar nicht mehr fremd, wie sie zwischen den Ständen hin- und herrollten und sich mit anderen Besuchern unterhielten.

Arbeitsplätze in der Herstellung und das Reshoring

Im September 2013 veröffentlichte die New York Times einen Artikel von Stephanie Clifford. Darin schildert Clifford die Geschichte von Parkdale Mills, einer Textilfabrik in Gaffney, South Carolina. In dem Werk sind rund 140 Menschen beschäftigt. 1980 hätte Parkdale Mills für ein derartiges Produktionsniveau, wie es heute erreicht wird, über 2.000 Mitarbeiter benötigt. Heute dagegen störe nur noch gelegentlich ein Mensch die Automatisierung, schreibt Clifford, „und das vor allem deshalb, weil einige Aufgaben von Hand immer noch billiger sind – zum Beispiel das Bewegen von halb aufgebrauchtem Garn zwischen den Maschinen per Gabelstapler“.6 Fertiges Garn gelangt automatisch per Fließband zu Verpack- und Versandmaschinen. Die Strecken, auf denen sich die Menschen bewegen, verlaufen oberhalb der Maschinen unter der Decke.
Und dennoch: Allein schon diese 140 Arbeitsplätze stellen einen Wendepunkt dar, nachdem jahrzehntelang Jobs in der Herstellung weggefallen waren. Das große Ausbluten der Textilindustrie in den USA begann in den 1990er-Jahren, als die Fertigung in Niedriglohnländer verlagert wurde, vor allem nach China, Indien und Mexiko. Zwischen 1990 und 2012 wurden mehr als drei Viertel aller amerikanischen Arbeitsplätze im Textilsektor gestrichen, in Zahlen: 1,2 Millionen Jobs. In den letzten Jahren allerdings zog die Fertigung schlagartig wieder an. Zwischen 2009 und 2012 konnte die amerikanische Textil- und Bekleidungsindustrie ihre Exporte um 37 Prozent auf nahezu 23 Milliarden Dollar steigern.7 Motor dieser Wende ist eine Automatisierungstechnologie, die dermaßen effizient ist, dass sie selbst im Vergleich zu den günstigsten Niedriglohnstando...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. 1 Die Automatisierungswelle
  7. 2 Wird es dieses Mal anders?
  8. 3 Informationstechnologie: Eine noch nie da gewesene disruptive Kraft
  9. 4 Bürojobs im Visier
  10. 5 Das Hochschulwesen im Wandel
  11. 6 Herausforderung Gesundheitswesen
  12. 7 Zukunftstechnologie und Zukunftsbranchen
  13. 8 Verbraucher, Wachstumsgrenzen … Krisen?
  14. 9 Superintelligenz und die Singularität
  15. 10 Hin zu einem Paradigmenwechsel in der Wirtschaft
  16. Fazit
  17. Danksagung
  18. Fußnoten