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Jesus war kein Europäer
Die Kultur des Nahen Ostens und die Lebenswelt der Evangelien
- 640 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
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Jesus war kein Europäer
Die Kultur des Nahen Ostens und die Lebenswelt der Evangelien
Über dieses Buch
Jesus war kein Europäer, sondern lebte in einer Kultur, die uns fremd ist. Dieses faszinierende, leicht verständliche Sachbuch liefert Einblicke in die Denkwelt Jesu und des Neuen Testaments. Durch die Beschreibung des kulturellen Umfelds, in dem Jesus gelebt und gewirkt hat, bekommt man ein tieferes Verständnis seiner Aussagen. Der Autor Kenneth E. Bailey hat Jahrzehnte lang im Nahen Osten gelebt und gelehrt. Für seine Analysen zieht er noch weitere arabisch-christliche Bibelausleger des Mittelalters heran. So erfährt man zum Beispiel, warum Jesus in der Krippe, aber nicht im Stall geboren wurde, oder warum er in den Staub schrieb, als die Ehebrecherin vor ihm stand. Eine wertvolle Neu-Interpretation vieler biblischer Texte.
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Information
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| Jesu Gleichnisse |
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Einführung in die Gleichnisse
Schon sehr früh im Leben der Gemeinde Jesu sahen Außenstehende, dass Gleichnissen die Kraft- und Inspirationsquelle der Christen waren. Einer dieser Zeugen war Galen, der berühmteste Arzt des zweiten Jahrhunderts. Er gehörte außerdem zu den ersten Heiden, die sich positiv über die Christen äußerten. Um 140 n. Chr. schrieb er:
Die meisten Menschen sind nicht in der Lage, einer überzeugenden Argumentation fortlaufend zu folgen; daher brauchen sie Gleichnisse und profitieren davon […], so wie wir jetzt sehen, dass die Menschen, die Christen genannt werden, ihren Glauben aus Gleichnissen (und Wundern) beziehen und doch manchmal genauso handeln (wie diejenigen, die philosophieren) […], und in ihrem eifrigen Streben nach Gerechtigkeit eine Stufe erreicht haben, die echten Philosophen in nichts nachsteht.295
In späteren Jahrhunderten wurden die Gleichnisse zu einer Quelle des christlichen Lebens (Ethik), aber nicht des christlichen Glaubens (Theologie). Es ist eine aufschlussreiche Tatsache, dass Galen seinerzeit sah, wie die Christen ihren Glauben auf die Gleichnisse aufbauten. Wie kam es, dass die Gleichnisse ihren Status als Quelle des christlichen Glaubens verloren?
Heutzutage betrachten Christen Jesus ganz selbstverständlich als Sohn Gottes und Retter der Welt. Das Neue Testament stellt ihn außerdem als vollkommenes Vorbild der Liebe und als begnadeten Geschichtenerzähler für das einfache Volk vor. Doch haben wir ihn je als ernsthaften Theologen betrachtet?
Jesus vertrat eine metaphorische Theologie, das heißt, seine Hauptmethode zur Vermittlung von Inhalten waren Bilder, Vergleiche, Parabeln und dramatisches Handeln und weniger Logik und Argumentation. Er vermittelte Inhalte wie ein Dramatiker und Poet, nicht wie ein Philosoph.
Theologie: begrifflich und metaphorisch
In der westlichen Tradition wurde ernsthafte Theologie fast immer anhand von logisch miteinander verbundenen Ideen entwickelt. In einer solchen Welt wird der Theologe meist umso abstrakter, je intelligenter er ist, und umso schwieriger ist es für den Durchschnittsmenschen, das Gesagte zu verstehen. Paulus arbeitet sowohl mit Begriffen als auch mit Metaphern. In der westlichen Welt neigen wir schon lange dazu, seine Begriffe zu betonen und seine Metaphern beiseitezuschieben. Damit haben wir ihn für unsere Welt der begrifflichen Theologie passend gemacht.
Im Gegensatz dazu wird Jesus landläufig als einfacher Tischler gesehen, der Volksmärchen für Fischer und Bauern erfand. Doch wenn man seine Gleichnisse sorgfältig untersucht, stecken in ihnen tiefgründige theologische Aussagen, und Jesus tritt als scharfsinniger Theologe in Erscheinung. Er ist allerdings, wie bereits gesagt, in erster Linie ein metaphorischer Theologe, kein begrifflicher.
Doch was genau ist metaphorische Theologie? Vielleicht wird es an folgendem Beispiel deutlich. Wir wissen, dass Gott Geist ist und weder als männlich noch als weiblich beschreiben werden kann. Doch in der Heiligen Schrift lesen wir, dass jeder Glaubende „aus Gott geboren“ ist (1Jo 3,9). Hier beschreibt Johannes die Beziehung zwischen Gott und den Menschen, die an ihn glauben, mit einem weiblichen Bild. Ähnlich ist es, wenn Jesus Gott als „Vater“ ansprach: Es war eine männliche Metapher bzw. Anrede, um uns Gottes Wesen verstehen zu helfen. In der Bibel finden sich männliche und weibliche Bilder, um unser Verständnis von Gott zu bereichern, der Geist ist und daher jenseits eines biologischen Geschlechts steht.
Eine Metapher kann etwas auf eine Art und Weise vermitteln, wie es rationalen Argumenten nicht möglich ist. Bilder vermögen mehr zu leisten als abstrakte Logik, ersetzen diese jedoch nicht. Ein eindrückliches Fernsehbild kommuniziert Inhalte, die tausend Worte nicht ausdrücken können. Wenn Gleichnisse in der Theologie eingesetzt werden, um Inhalte zu vermitteln, fordern sie den Zuhörer auf einer Ebene hinaus, die abstrakte Wahrheitsaussagen nicht erreichen können. Dennoch ist beides oft miteinander verbunden, und beides ist für die Aufgabe der Theologie von entscheidender Bedeutung.
Theologen gebrauchen oft anschauliche Beispiele oder „Illustrationen“, um ihren abstrakten Gedanken Energie und Klarheit einzuflößen. Solche „Illustrationen“ sind häufig „die Zuckerglasur der theologischen Pille“, wie T. W. Manson es so treffend formulierte.296 Eine Metapher ist allerdings keine Illustration eines Gedankens, sondern eine Form des theologischen Diskurses. Die Metapher leistet mehr, als einen Inhalt zu erklären – sie schafft bzw. stiftet einen Inhalt. Ein Gleichnis ist eine erweiterte Metapher und als solche kein Medium für einen Gedanken, sondern ein Haus, in das der Leser bzw. Zuhörer eingeladen ist, einzuziehen.
Der Leser bzw. Zuhörer des Gleichnisses wird aufgefordert, eine menschliche Problematik aus dem Blickwinkel der Weltsicht zu betrachten, die das Gleichnis erschafft. Wenn eine Kugel abgefeuert wurde, bleibt nur noch die Patronenhülse. Ihr einziger Zweck besteht darin, die Kugel in die Richtung des Ziels zu befördern. Man könnte versucht sein, die Funktion eines Gleichnisses ebenso zu verstehen: als gute Möglichkeit, einen Gedanken „abzuschießen“. Sobald er „auf dem Weg“ ist, kann das Gleichnis vergessen werden. Doch dem ist nicht so. Wenn das Gleichnis ein Haus ist, in das der Leser bzw. Zuhörer eingeladen wird einzuziehen, dann wird dieser Mensch durch das Gleichnis aufgefordert, die Welt durch die Fenster dieses Hauses zu betrachten. Das ist die Realität der Gleichnisse, die Jesus von Nazareth erzählte: eine Realität, die ein besonderes Problem verursacht.
Wenn Theologie auf Logik und Argumenten beruht, muss man nur verstehen, dass Theologie eines klaren Verstandes und des Willens zu harter Arbeit bedarf. Doch wenn für Jesus Geschichten und Handlungsabläufe die Sprache der Theologie sind, ist die Kultur des Erzählers von entscheidender Bedeutung. Unsere Aufgabe besteht unter anderem darin, die Metaphern und Geschichten von und über Jesus im Licht der Kultur zu verstehen, zu der er gehörte.
Metaphern entschlüsseln
Um die Geheimnisse dieser Metaphern zu entschlüsseln, muss man einige einfache, aber weitreichende Herausforderungen bewältigen.
Die erste besteht darin, die Bedeutung der Aufgabe zu begreifen. Geschichtliche Fragen werden schnell einmal ignoriert. Ja, jeder kann die Bibel lesen und dadurch Segen empfangen, so wie jeder eine Bachkantate anhören und davon bewegt sein kann. Doch gleichzeitig hört das geschulte Ohr mehr und kann von der gleichen Musik viel tiefer bewegt sein.
Herauszufinden, was Jesus zu seinen Zuhörern gesagt hat, bedarf einiger Mühe. Oft versucht man, dieser Anstrengung zu entgehen, indem man den „universellen Anspruch“ seiner Gleichnisse konstatiert. In jeder Kultur gibt es liebevolle Väter, rebellische Söhne und selbstgerechte Brüder. Daher nehmen viele Menschen direkt oder indirekt an, dass das Gleichnis vom verlorenen Sohn keiner besonderen „kulturellen Brille“ bedarf. Es hat einen universellen Anspruch. Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt. Doch wenn im Nahen Osten ein junger Mann um sein Erbe bittet, während sein Vater noch lebt, bedeutet seine Bitte: „Fall doch tot um, Alter!“ Es wäre zu erwarten, dass der Vater wütend wird, dem Jungen eine Ohrfeige gibt und ihn aus dem Haus wirft. Doch nichts von alledem geschieht in dem Gleichnis. Wenn wir begreifen, was diese kleinen kulturellen Details bedeuten, gewinnt das Gleichnis eine neue Tiefe, die uns andernfalls entgehen würde.
Die zweite Herausforderung lautet, die Geschichtlichkeit des Wortes Gottes zu begreifen. Die Bibel ist für Christen nicht einfach das Wort Gottes, sondern das Wort Gottes, wie es durch Menschen in der Geschichte gesprochen wurde. Wenn wir diese Menschen und diese Geschichte ignorieren, entgeht uns die Absicht des Sprechers oder Schreibers und stattdessen schaffen wir unseren eigenen Ersatz dafür. Historische Interpretation ist der Schlüssel zu dem Tresor, der das Gold der theologischen Bedeutung enthält. Ohne diesen Schlüssel haben wir kein Gold, sondern nur Messing. Das gilt übrigens für jedes maßgebliche literarische Werk.
Wie ist Abraham Lincolns Rede von Gettysburg heute zu verstehen? Diese Rede war ein Wendepunkt der amerikanischen Geschichte, und zwar, weil sie inmitten eines Bürgerkriegs Sinn und Identität vermittelte („Krieg zwischen den Staaten“ oder „Die große Rebellion“ oder vielleicht „Der nördliche Angriffskrieg“?). Jeder Amerikaner bringt seine eigene Geschichte und Erfahrung mit ein, wenn er sich mit diesem Krieg beschäftigt. Trotzdem kann man Lincolns Rede nicht verstehen, wenn man den Kontext des Krieges und der Schlacht von Gettysburg ignoriert. Ähnlich ist es bei den Gleichnissen Jesu: Man muss sie im Kontext seiner eigenen Welt auslegen. Nur dann lässt sich verstehen, welche Inhalte er damit vermitteln wollte.
Die dritte Herausforderung besteht darin, welche Bedeutung oder Bedeutungen den Gleichnissen beigemessen werden können. Jahrhundertelang war die Allegorie die „Alleinherrscherin“ der Auslegungsmethoden: Das gemästete Kalb im Gleichnis vom verlorenen Sohn wurde also zu einem Symbol für Christus, weil das Kalb getötet wurde. Anhand von Allegorien konnten die Ausleger ihre Lieblingsideen fast überall einbringen. Verwirrung und letztendlich Bedeutungslosigkeit griffen um sich. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum die Gleichnisse dann kaum noch Quellen für christliche Glaubensinhalte waren, sondern allein auf die ethische Bedeutung beschränkt wurden. Wie es auf Lateinisch heißt: „Theologia parabolica non est theologia argumentativa“ („Gleichnishafte Theologie ist keine argumentierende Theologie“).297
Als Gegenbewegung zu den fantasievollen Übertreibungen, die die allegorische Methode in vergangenen Jahrhunderten hervorgebracht hatte, entwickelte sich im zwanzigsten Jahrhundert eine theologische Strömung, die für „eine einzige Aussage pro Gleichnis“ plädierte.298 Andere gestanden zu, dass ein Gleichnis mehrere Themen haben konnte. Das Anliegen war, zu verhindern, dass dem Text in der Auslegung Bedeutungen hinzugefügt wurden, die Jesus oder seinen Zuhörern gar nicht in den Sinn kommen konnten. Doch wenn ein Gleichnis Teil einer übergeordneten Weltsicht ist, und wenn es „ein Haus“ ist, „in das wir eingeladen sind einzuziehen“, dann kann der Bewohner dieses Hauses aus verschiedenen Fenstern auf die Welt hinaussehen. Das Haus hat mehrere Räume. Wenn das große Gleichnis vom verlorenen Sohn „nur eine einzige Aussage“ hat, welche sollen wir uns dann aussuchen? Sollte der Ausleger sich für „Das Wesen von Gott als Vater“ entscheiden oder lieber für „Was ist Sünde?“, „Selbstgerechtigkeit, die andere ablehnt“, „Das Wesen echter Buße“, „Freude in der Gemeinschaft“ oder „Das Verlorene finden“? Alle diese Themen spielen zweifels...
Inhaltsverzeichnis
- Umschlag
- Haupttitel
- Impressum
- Widmung
- Bild- und Textnachweise
- Inhalt
- Über den Autor
- Vorwort
- Einleitung
- ERSTER TEIL: JESU GEBURT
- ZWEITER TEIL: DIE SELIGPREISUNGEN
- DRITTER TEIL: DAS VATERUNSER
- VIERTER TEIL: DRAMATISCHES HANDELN JESU
- FÜNFTER TEIL: JESUS UND DIE FRAUEN
- SECHSTER TEIL: JESU GLEICHNISSE
- ANHANG
- Anmerkungen
- Leseempfehlungen