1. DAS SPIEL DREHEN: POSITIVER LOOP
Positiver Loop bedeutet:
Ich unterstelle meinem Gesprächspartner eine positive Absicht bei der Zielverfolgung. Dadurch gelingt es mir, konstruktive Seiten am anderen wahrzunehmen und diese für wirksame Kommunikation und eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu aktivieren.
Einsatzmöglichkeiten:
Alle Gespräche und Verhandlungen, in denen die Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten (Konfliktgespräche, Kritikgespräche, Feedback und Beurteilungen).
Ihr Nutzen:
• Sie kommunizieren klar und zielorientiert, ohne zu verletzen.
• Sie öffnen Ihren Gesprächspartner für Argumente und erzielen nachhaltige Lösungen.
• Sie bleiben auch in schwierigen Gesprächen gelassen und souverän.
»Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden.«
KONFUZIUS
Ein Satz kann alles verändern
Es ist mitten im Winter, selbst im Rheinland herrschen eisige Temperaturen und Schneetreiben. Mein Flug in Düsseldorf ist so stark verspätet, dass ich mich in die lange Schlange vor dem Mietwagenschalter einreihe. Die Wartenden sind ungeduldig und genervt, die Schlange wächst stetig, die Mitarbeiterin am Schalter wirkt gestresst. Dann verhält sich auch noch der Kunde vor mir sehr unfreundlich; es entspinnt sich eine längere Debatte. Als ich schließlich an der Reihe bin, ist die Servicemotivation der Mitarbeiterin erkennbar aufgebraucht. Ich schaue sie an und sage: »Heute ist es für alle wirklich schwierig, freundlich zu sein!« Die Wirkung ist verblüffend: Die Dame stutzt und entschuldigt sich. Dann entspannt sie sich – und bietet perfekten Service.
Eine kleine Alltagssituation, die die Kraft der positiven Unterstellung verdeutlicht: Ein kurzes Signal mit dem Tenor »Ich verstehe Ihre Situation und weiß, dass Sie alles tun, was möglich ist« genügt, um dem Gespräch eine völlig neue Wendung zu geben. Ich hätte auch anders einsteigen können, ähnlich wie der Kunde vor mir: »Ich stehe hier seit einer geschlagenen halben Stunde! Geht das nicht ein bisschen schneller?« Auch das ist eine Unterstellung, allerdings eine negative: »Sie verschwenden willkürlich meine Zeit!« Man braucht kein Psychologiediplom, um zu ahnen, dass dies die Kooperationsbereitschaft des Gegenübers eher dämpft als fördert.
Neu ist diese Erkenntnis nicht. »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus«, sagt der Volksmund und spielt damit auf die emotionale Dynamik in Gesprächen an. Welche Resonanz wir beim anderen auslösen, hängt wesentlich davon ab, welchen Ton wir selbst anschlagen. Merkwürdigerweise vergessen wir diesen Resonanzfaktor gerade in Situationen, in denen wir dringend darauf angewiesen sind, Einfluss zu nehmen und unser Gegenüber zur Kooperation zu veranlassen. Da setzen wir eher auf Druck oder Forderungen in der irrigen Annahme, so schneller ans Ziel zu kommen. Damit ignorieren wir ein Grundbedürfnis: Jeder möchte als Mensch wahrgenommen und mit Respekt behandelt werden. Und wer spürt, dass er für unfähig oder gar böswillig gehalten wird, lässt sich schon aus Prinzip nicht überzeugen. Wenn ich im Unternehmenskontext nicht davon ausgehe, dass mein Kollege, Mitarbeiter oder Vorgesetzter grundsätzlich das (aus seiner Warte) Beste will, droht jedes Gespräch zu scheitern.
Positives heraushören – ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag
Sie beobachten mit Sorge den Leistungsabfall eines bisher engagierten Mitarbeiters und sprechen dies unter vier Augen an. Der Mitarbeiter entgegnet ziemlich brüsk: »Was meine sogenannte Leistungsverschlechterung in letzter Zeit betrifft, so möchte ich sagen, dass man an jedem etwas aussetzen kann, wenn man nur genau genug kontrolliert. Und das haben Sie ja wohl bei mir in letzter Zeit.«
Wie reagieren Sie darauf? Viele Führungskräfte würden dem Mitarbeiter anhand von Beispielen vor Augen führen, wo er in letzter Zeit Fehler gemacht hat, oder es ihm mit gleicher Münze zurückzahlen: »Weil Sie schlechte Leistung bringen, müssen wir Sie eben kontrollieren!« Andere beginnen rumzueiern: »Das müssen Sie doch nicht so persönlich nehmen.« Ob sie damit ihr Gesprächsziel – eine Leistungsverbesserung – erreichen, ist zweifelhaft.
Es mag nicht ganz so leichtfallen wie am Mietwagenschalter im Eingangsbeispiel, aber auch hier könnten Sie etwas Positives heraushören, etwa:
• »Ich will meine Arbeit gut machen (und deshalb macht mir Ihre Kritik etwas aus).«
• »Ich möchte, dass Sie meinen Einsatz anerkennen.«
• »Sprechen Sie mit mir (statt mich längere Zeit kommentarlos zu kontrollieren).«
Wenn Sie sich auf diese positiven Anteile konzentrieren, können Sie dem Gespräch eine konstruktive Wendung geben, etwa so: »Natürlich gehe ich davon aus, dass Sie gute Ergebnisse liefern wollen. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute über dieses Thema sprechen.« Oder: »In der Tat, es ist nicht angenehm, kontrolliert zu werden. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir Kontrollen verringern können, indem wir über Erfolgsparameter sprechen.«
Mit diesem »Positiven Loop« steuern Sie die Reaktionen Ihres Gegenübers im Sinne einer Lösungsorientierung, statt den anderen in die Defensive zu treiben.
Das sei ja wohl ein »Weichei-Konzept«, hat man mir schon vorgehalten. Meistens wird diese Kritik etwas höflicher formuliert, aber der Tenor ist der Gleiche: Warum nicht einfach Tacheles reden, statt dem anderen erst mühsam goldene Brücken zu bauen? Ganz einfach: weil »Tacheles« selten Wirkung zeigt, sondern das Gegenüber in ein emotionales Schneckenhaus treibt. Oder meinen Sie, im Business gehe es rein sachlich und rational zu? Erzählen Sie das mal Herrn Piëch, der mit gravierenden Vorwürfen zur Abgasaffäre gerade einen Rachefeldzug gegen den VW-Aufsichtsrat startet, während ich diese Zeilen schreibe.
Es wird sich für Sie und Ihre Interessen rasch auszahlen, den Positiven Loop einzusetzen. Schauen wir uns dieses Tool daher genauer an.
Positiver oder Negativer Loop? Ihre Entscheidung!
»Die Ampel ist grün.« Dieser kleine Satz kann eine Ehekrise auslösen. Vielleicht kennen Sie das Beispiel schon, da es oft verwendet wird, um die »vier Seiten einer Nachricht« (ein geniales Modell des Hamburger Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun)1 zu illustrieren. Lesen Sie bitte trotzdem weiter: Ich möchte auf einen zusätzlichen sehr wichtigen Punkt hinaus.
Die Situation: Ein Ehepaar im Auto, sie fährt. Die Ampel springt auf Grün, dann wieder auf Rot, ohne dass die Frau anfährt. Als die Ampel erneut Grün zeigt, sagt der Ehemann: »Die Ampel ist grün.« Den Satz kann man ganz unterschiedlich verstehen: als Sachinformation (grüne Ampel), als Selbsteröffnung (»Ich hab’s eilig«), als Beziehungshinweis (»Ich darf dir sagen, wie man richtig fährt«) oder als Appell (»Fahr los!«). Das sind die vier Seiten einer Nachricht, die prinzipiell in jeder Aussage mitschwingen.
Spinnen wir das Beispiel weiter. Auf den Satz »Die Ampel ist grün« entgegnet die Frau: »Fährst du oder fahre ich?«, und wirft den Mann raus. Was hat die Frau gehört? Seminarteilnehmer müssen nicht lange überlegen, wenn ich das frage: »Ich kann viel besser fahren als du!«, den Befehl »Fahr endlich!« oder sogar »Du bist ’ne blöde Kuh!«.
Die drastische Reaktion der Frau spricht Bände. Die Situation eskaliert, weil die Fahrerin einen Negativfilter eingeschaltet hat, durch den sie nur Unerfreuliches beim anderen heraushört. Darin sind die meisten Menschen Experten, wie die Spontaninterpretationen der Teilnehmer belegen. Nehmen wir an, Ihr Onkel sei der steinreiche Dagobert Duck. Sie rufen ihn an und sagen: »Onkel Dagobert, ich würde dich gerne mal zum Essen einladen!« Was hört Dagobert aller Wahrscheinlichkeit? »Onkel Dagobert, ich würde dich gerne beerben!« Negative Unterstellungen führen mitunter zu absurden Dialogen: Da bringt ein Partner dem anderen überraschend ein Geschenk mit: »Hier, für dich!«, und der andere entgegnet: »Hast du ein schlechtes Gewissen?«
Denkbar wäre in solchen Fällen auch eine positive Deutung: »Da meint es jemand gut mit mir!« Meistens jedoch funktioniert unser Negativfilter viel besser als der Positivfilter. Warum das so ist, darüber lässt sich spekulieren. Vielleicht haben wir dieses Verhalten schon von klein auf in unserer Umgebung beobachtet und übernommen. Wenn unser Selbstbewusstsein schwächelt, reagieren wir empfindlich und wittern überall versteckte Angriffe. Schlechte Erfahrungen machen vorsichtig. Und überdies war es im Laufe der Evolution vorteilhaft, Gefahren und Bedrohungen zu erkennen, weil dies unser Überleben sicherte. Das Gehirn reagiert daher noch heute auf negative Botschaften stärker als auf positive.2 Deswegen gilt auch für sämtliche Medien weltweit die simple Regel »Good News is no News« und die Zeitungen wimmeln nur so von Katastrophenmeldungen.
Dass potenziell Negatives unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, h...