1 Die Geschichte und warum sie zählt
1 000 000 Menschen in Übersee können Ihren Job erledigen. Was macht Sie zu etwas so Besonderem?
Plakat über dem Highway 101, der Verbindungsstraße von San Francisco mit dem Silicon Valley
Das zweite vergoldete Zeitalter
Wenn man nach einem Datum sucht, an dem Amerikas Superreiche ihre Coming-out-Party feierten, könnte man einen schlechteren Tag wählen als den 21. Juni 2007. An jenem Tag nahm der Beteiligungskoloss Blackstone mit seinem Börsengang, dem größten seit 2002, über vier Milliarden Dollar auf, wodurch eine Aktiengesellschaft im Wert von damals 31 Milliarden Dollar entstand. Der Wert des Anteils von Steve Schwarzman, einem der beiden Firmengründer, belief sich zu diesem Zeitpunkt auf beinahe acht Milliarden Dollar, zusammen mit 677 Millionen Dollar in bar; der andere Gründer, Peter Peterson, löste einen Scheck von 1,88 Milliarden Dollar ein und zog sich in den Ruhestand zurück.
Der 21. Juni 2007 war zufällig auch der Tag, an dem Peterson eine Party schmiss, natürlich im Manhattaner Four-Seasons-Restaurant – eine Fügung von der Art, wie sie Historiker, Konspirologen und Buchverleger beglückt. Anlass der Feier war das Erscheinen des Debütromans seiner Tochter Holly, Mr. Nanny, eine milde Satire auf Leben und Liebe von Finanziers und ihren Ehefrauen im edelsten New Yorker Reichenviertel, der Upper East Side. Das Buch passte perfekt ins Genre der modernen »Mami-Literatur« und war, wie eine Rezensentin fand, ganz gut als Strandlektüre geeignet.1 Was die Autorin, wie sie mir selbst sagte, unter anderem zu dem Buch angeregt hatte, war der Umstand, dass »die Leute keine Ahnung haben, wie viel Geld es in dieser Stadt gibt«.
Holly Peterson, eine schlanke Frau mit mediterranen, von ihren griechischen Großeltern geerbten markanten Gesichtszügen, dunklen Augen und vollem braunem Haar, erläuterte mir nach der Veröffentlichungsparty in einer Reihe von Gesprächen, wie der Superreichtum der letzten Jahre aus ihrer Sicht die Bedeutung des Geldhabens verändert hat.
»In der Upper East Side gibt es heute so viel Geld«, sagte sie. »Eine Menge Leute unter 40 machen so 20 oder 30 Millionen Dollar im Jahr bei diesen Hedgefonds und hat keine Ahnung, was sie damit anstellen sollen.« Als Beispiel führte sie eine Unterhaltung auf einer Dinnerparty an: »Das Gespräch kam darauf, wie teuer das Leben wird, wenn man sich eine Menge leistet, zum Beispiel bei Netjets einsteigt« – das heißt, die Teileigentümerschaft an einem Flugzeug erwirbt, falls man sich kein ganzes kaufen will. »Und wenn man sich vier Häuser zulege, dann müsse man die ja auch unterhalten, und da würde man anfangen, schon ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen.«
Schließlich brachte einer der Dinnerteilnehmer das ganze Dilemma auf den Punkt, als sie sich zu Holly Peterson wandte und sagte: »›Weißt du, die Sache mit 20 [damit meinte sie 20 Millionen Dollar im Jahr] ist ja, dass 20 [nach Steuern] nur noch 10 sind.‹ Da haben alle am Tisch genickt.«
Holly Peterson ist kein blauäugiges Mädchen vom Land und hat Neid nicht nötig, doch selbst aus ihrer privilegierten Warte spielt sich an der Spitze der wirtschaftlichen Pyramide offensichtlich etwas Frappierendes ab. »Beim ersten Wall-Street-Film [vom Ende der 1980er Jahre] sah man Männer von 30 oder 40 Jahren, die zwei oder drei Millionen Dollar im Jahr machten, und das war abstoßend. Aber dann kam das Zeitalter des Internets und dann der Globalisierung, und das Geld spielte wahrhaft verrückt. Jetzt gab es Leute in den 30ern mit Jobs bei Hedgefonds und Partnern von Goldman Sachs, die 20, 30, 40 Millionen Dollar im Jahr verdienten. Und es gab eine Menge von diesen Leuten. Sie haben angefangen, sich zu treffen, sind zu einer Clique geworden. Sie sind bald als globale Megaverdiener um die Erde gereist, und die Kluft zwischen ihnen und dem Rest der Welt vergrößerte sich schier exponentiell. Es war nicht nur Gordon Gekko [der Finanzjongleur im Film Wall Street]. Es entwickelte sich zu einer komplett abgehobenen Sphäre.«2
Die Beobachtungen Holly Petersons auf den Dinnerpartys der Superreichen decken sich mit den Fakten. In Amerika hat sich der Graben zwischen dem obersten einen Prozent und allen anderen tatsächlich zu einer »komplett abgehobenen Sphäre« entwickelt. In den 1970er Jahren verdiente das oberste Prozent der Einkommensbezieher in den USA etwa zehn Prozent des nationalen Einkommens. 35 Jahre später ist sein Anteil auf beinahe ein Drittel des nationalen Einkommens gestiegen, so hoch wie zuletzt während des vorangehenden Höchststandes in der amerikanischen Gründerzeit, dem »vergoldeten Zeitalter« (Gilded Age). Robert Reich, Arbeitsminister unter Bill Clinton, illustrierte diese Ungleichheit mit einem anschaulichen Beispiel: 2005 besaß Bill Gates 46,5 Milliarden, Warren Buffett hatte 44 Milliarden Dollar. In jenem Jahr betrug das gesamte Vermögen der 120 Millionen Menschen, die die unteren 40 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung ausmachen, um die 95 Milliarden Dollar – kaum mehr als die Summe der Vermögen dieser beiden Männer.3
Es handelt sich um amerikanische Milliardäre und amerikanische Zahlen. Aber ein wichtiges Merkmal der heute aufsteigenden Plutokratie besteht darin, dass die Superreichen, wie Holly Peterson es ausdrückte, »globale Megaverdiener« sind. 2011 zeigte ein Bericht der OECD, dass im Lauf der letzten drei Jahrzehnte in Schweden, Finnland, Deutschland, Israel und Neuseeland – alles Länder mit weniger raubtierhaften Spielarten des Kapitalismus – die Ungleichheit im selben Tempo oder sogar noch schneller zugenommen hat als in den USA. Frankreich, wie gewöhnlich stolz auf seinen Ausnahmecharakter, scheint die einzige große Ausnahme im Westen zu sein, allerdings haben jüngste Studien gezeigt, dass es sich in der letzten Dekade ebenfalls in dieses Bild zu fügen beginnt.4
Auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften überflügelt das eine Prozent alle anderen. Die Einkommensungleichheit im kommunistischen China ist heute größer als die in den Vereinigten Staaten und hat auch in Indien und Russland zugenommen. Der Abstand hat in Brasilien, dem viertplatzierten BRIC-Land (Brasilien, Russland, Indien, China), nicht zugenommen, dies jedoch wohl deshalb, weil die Einkommensungleichheit dort schon von vornherein so enorm war. Selbst heute noch ist Brasilien unter den großen Schwellenländern dasjenige mit der größten Ungleichheit.
Wie sehr manche Leute an Orten, die wir früher Entwicklungsländer nannten, heute vor Geld strotzen, mag eine Begegnung veranschaulichen, die ich kürzlich mit dem Milliardär Naguib Sawiris, dem ägyptischen Vorstandsvorsitzenden und größten Aktionär des Telekommunikationsunternehmens Orascom Telecom, hatte, dessen Firmenimperium sich mittlerweile von seinem Geburtsland über Italien bis hin nach Kanada ausgedehnt hat. Sawiris, der die Rebellen auf dem Tahrir-Platz unterstützte, drückte in einer Rede vor einem Dinnerpublikum in Torontos Four-Seasons-Hotel, zu dem auch ich gehörte, seine Verwunderung über die Habgier von Autokraten aus: »Was ich im Leben nie verstanden habe, ist, warum diebische Diktatoren sich nicht einfach eine Milliarde unter den Nagel reißen und den Rest fürs Volk ausgeben.«
Interessant war für mich, dass er eine Milliarde als angemessene Begrenzung für die diktatorische Ausplünderung eines Volkes betrachtete. War in seiner Welt, fragte ich ihn hinterher, eine Milliarde Dollar das Vermögen, das man anstrebt? »Ja«, antwortete Sawiris, »um die Extras zu finanzieren, das Flugzeug, das Boot, da braucht man schon eine Milliarde. Ich meine, das ist meine Ziffer für das Minimum, auf das ich heruntergehen will – wenn ich heruntergehe.«5
In der Zwischenzeit sind der großen Mehrheit der amerikanischen Arbeiter – egal, wie gut sie ausgebildet sind und wie verbissen sie in ihren Jobs schuften mögen – solche unverhofften Gewinne nicht nur entgangen: Dieselben Triebkräfte, die den Reichtum und die Macht der Superreichen vermehrten, haben vielen von ihnen auch die Arbeit genommen, ihre Unternehmen zerstört und ihre Lebensersparnisse vernichtet. Globalisierung und technologischer Fortschritt haben dazu geführt, dass viele Berufe im Westen rasch veralteten; sie haben westliche Arbeiter in direkten Wettbewerb mit Niedriglöhnern in ärmeren Ländern gestellt; und sie haben allgemein jene bestraft, denen es an Klugheit, Ausbildung oder Glück mangelte, oder denen die Chuzpe fehlte, ihre Vorzüge zu ihrem Nutzen einzusetzen. Die Durchschnittslöhne stagnierten, während Maschinen und billige Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern den Wert der Arbeit der Mittelklasse im Westen nach unten drückten.
Durch meine Arbeit als Wirtschaftsjournalistin habe ich die neuen globalen Superreichen über zwei Jahrzehnte lang auf Schritt und Tritt begleitet: Ich bin zu denselben exklusiven Konferenzen in Europa gereist, auf denen sie präsent waren, habe bei Cappuccino auf Martha’s Vineyard oder in Konferenzräumen in Silicon Valley Interviews mit ihnen geführt und an hochkarätig besetzten Dinnerpartys in Manhattan teilgenommen. Manches, was ich dabei gelernt habe, war absolut vorhersehbar: Die Reichen sind, wie f. Scott Fitzgerald es ausdrückte, anders als Sie und ich.6
Für unsere heutige Zeit bedeutsamer aber ist, dass die Reichen von heute auch anders sind als die Reichen von gestern. Unsere mit Lichtgeschwindigkeit voraneilende, global vernetzte Wirtschaft hat zum Aufstieg einer neuen Superelite geführt, die zu einem beträchtlichen Teil aus Reichen der ersten und zweiten Generation besteht. Ihre Mitglieder sind hart arbeitende, hochgebildete, jetsettende Meritokraten, die das Gefühl haben, die verdienten Gewinner eines harten, weltweiten wirtschaftlichen Wettbewerbs zu sein – und die als Folge eine ambivalente Haltung gegenüber denjenigen unter uns haben, denen kein ganz so spektakulärer Erfolg beschieden war. Sie neigen zum Glauben an die Institutionen, die gesellschaftliche Mobilität ermöglichen, legen aber in bezug auf wirtschaftliche Umverteilung – das heißt Steuern –, die zur Bezahlung dieser Institutionen erforderlich ist, weniger Enthusiasmus an den Tag. Am auffälligsten ist vielleicht, dass sie sich zu einer transglobalen Gemeinde von Gleichen entwickeln, die untereinander mehr gemeinsam haben als mit ihren Landsleuten daheim. Ob sie ihre Hauptwohnsitze in New York oder Hongkong, Moskau oder Mumbai behalten: Die heutigen Superreichen sind zunehmend ein Volk für sich.
Das Aufkommen dieser neuen virtuellen Nation des Mammons ist so bemerkenswert, dass ein Team der besten Strategen bei Citigroup den Kunden der Bank riet, ihre Portfolios an der wachsenden Konsummacht der globalen Superreichen zu orientieren. In einem Memo von 2005 verkünden sie, dass »die Welt sich in zwei Blocks aufteilt: die Plutonomie und den Rest … In einer Plutonomie gibt es nicht so etwas wie ›den US-Konsumenten‹ oder ›den britischen Konsumenten‹ oder auch ›den russischen Konsumenten‹. Es gibt die reichen Konsumenten, gering an Zahl, aber unvergleichlich in ihrem gigantischen Anteil am Einkommen und am Konsum, über den sie verfügen. Und da sind die übrigen, die Nichtreichen, die vielen, die jedoch nur für ein überraschend kleines Stückchen am nationalen Kuchen verantwortlich sind.«7
In der Klasse der Investoren gehört diese Zweiteilung der Welt in Reiche und den Rest zum gängigen Wissen. 2011 sagte Bob Doll, leitender Aktienstratege beim weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock, einem Journalisten: »Der US-Aktienmarkt und die US-Wirtschaft sind zunehmend zwei verschiedene Paar Schuhe«: Ersterer steige, während Letztere stagniere.8
Selbst der einstige US-Notenbankpräsident Alan Greenspan, der Hohepriester der freien Märkte, ist über das zunehmende Auseinanderklaffen der Schere verblüfft. In einem Fernsehinterview erklärte er kürzlich, die US-Wirtschaft sei »stark verzerrt«. Im Gefolge der Rezession habe es unter Spitzenverdienern, Großbanken und Konzernen eine »beträchtliche Erholung« gegeben; der Rest der Wirtschaft, darunter kleine und mittelständische Unternehmen und »ein erheblicher Anteil der Arbeitskräfte«, stecke dagegen fest und habe noch immer zu kämpfen. Wir stünden hier, sorgte sich Greenspan, überhaupt nicht einer einzigen Wirtschaft gegenüber, sondern vielmehr »zwei grundsätzlich getrennten Typen von Wirtschaft«, die sich immer stärker unterschieden und auseinanderentwickelten.9
In jüngster Zeit verfeinerte Citigroup diesen Investitionsansatz mit der sogenannten Sanduhrtheorie. Danach findet aufgrund der Teilung der Gesellschaft in die Reichen und die übrigen der meiste Konsum im teuersten und im billigsten Segment statt, während der mittlere Teil wegen der Schwächung der Mittelschicht eingeschnürt sei wie eine Sanduhr in der Mitte. Die klügste Investmentstrategie besteht demzufolge also darin, die Aktien der edelsten Luxusgüterhersteller zu kaufen – der Unternehmen, die an die Superreichen verkaufen – sowie Anteile von Billiganbietern zu erwerben, die ihre Waren an die Masse der Einkommensschwachen absetzen. Unternehmen mit einem auf die ausgehöhlte Mittelschicht zugeschnittenen Angebot haben folglich keine guten Geschäftsaussichten.10
Bislang funktioniert es. Der Hourglass Index (Sanduhr-Index) von Citigroup, in den Aktien wie die des New Yorker Luxuseinzelhändlers Saks am oberen und des Discounters Family Dollar am unteren Ende aufgenommen wurden, stieg zwischen Dezember 2009 und September 2011 um 56,5 Prozent. Im Gegensatz dazu legte der Dow Jones Industrial Average im selben Zeitraum nur um elf Prozent zu.
Das erste vergoldete Zeitalter
Am 10. Februar 1897 versammelten sich 700 Mitglieder von Amerikas Superelite im New Yorker Waldorf-Hotel zu einem Kostümball, den der Anwalt Bradley Martin und seine Frau Cornelia gaben.11 Am beliebtesten bei den Damen, so berichtete die New York Times, war die Verkleidung als Marie Antoinette – gleich 50 hatten sich für diese Kostümidee entschieden. Cornelia, eine füllige, blauäugige Matrone mit geschwungenen Lippen, großzügigem Ausschnitt und hängenden Wangen, ging als Maria Stuart und stach sämtliche Konkurrentinnen mit einem Halsband aus, das einst der französischen Königin gehört hatte. Ihr Gatte Bradley kam als Ludwig XIV. – der Sonnenkönig selbst. John Jacob Astor war Heinrich von Navarra, seine Mutter, Caroline, war eine der Marie Antoinettes, in einem Kleid, das mit Juwelen im Wert von 250 000 Dollar besetzt war. J. P. Morgan verkleidete sich als Molière, seine Nichte, Miss Pierpont Morgan, kam als Königin Luise von Preußen.
Mark Twain hatte den Ausdruck »vergoldetes Zeitalter« 24 Jahre zuvor in seinem zusammen mit Charles Dudley Warner geschriebenen gleichnamigen satirischen Roman geprägt, doch der Ball der Martins repräsentierte selbst in einem Land, das sich an Krösusse zu gewöhnen begann, ein neues Niveau ostentativen Superreichtums. Der New York Times zufolge war das Ereignis »die gediegenste private Feierlichkeit, die je in der Metropole stattgefunden hat«. Eine andere Zeitung schrieb, zu den Gästen der Martins hätten 86 Personen gehört, deren Reichtum alles überträfe, was sich die meisten Menschen vorstellen könnten. Ein Dutzend von ihnen besaß über zehn Millionen Dollar, weitere zwei Dutzend waren fünf Millionen Dollar schwer. Nur einige wenige der Gäste waren keine Millionäre.
Gebannt starrte das Land auf diese Zurschaustellung des Geldes. »Es gibt heute eine große Aufregung in gehobenen Kreisen und selbst in der Öffentlichkeit«, berichtete der Commercial Adviser. »Der Grund für all das ist der Bradley-Martin-Ball, neben dem der [britisch-amerikanische] Schiedsvertrag, die Kubafrage und die Untersuchung des Lexow-Komittees [über Korruption in der New Yorker Polizei] zu Fragen von nachrangigem öffentlichem Interesse geworden sind.« Damals wie heute neigte Amerika dazu, seine Tycoons und das Wirtschaftssystem, das sie hervorgebracht hatte, zu feiern. Doch selbst in einem Land, das den Kapitalismus voll und ganz bejahte, erwies sich der Kostümball der Martins als Fehlkalkulation.
Dies nicht zuletzt, weil er zu einer Zeit wirtschaftlicher Angst breiter Massen veranstaltet wurde: 1897 röchelte die »Lange Depression«, die 1873 begonnen hatte und den schlimmsten wirtschaftlichen Abschwung darstellte, den die Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert erlebten, gerade erst ihrem Ende entgegen.
Mrs. Martin rechtfertigte ihr Fest mit den positiven ökonomischen Effekten, die nach unten durchsickern würden: Sie habe es deshalb erst drei Wochen vorher bekanntgegeben, weil eine so kurze Vorbereitung ihre Gäste zwingen würde, ihre üppigen Kostüme in New York statt in Paris zu kaufen und so die heimische Wirtschaft zu stimulieren. Die Musikergewerkschaft der Stadt stimmte zu, die Ausgaben der Superreichen seien schließlich eine wichtige Beschäftigungsquelle für alle anderen.
Die breitere Öffentlichkeit war davon allerdings nicht überzeugt. Die Schmach, die wegen dieses Balls auf die Martins fiel – und die Einkommenssteuer, die auf dem Gipfel der allgemeinen öffentlichen Empörung gegen die Plutokraten, zu deren Verkörperung sie geworden waren, gegen Superreiche verhängt wurde –, veranlassten sie, nach Großbritannien zu fliehen, wo sie bereits ein Haus besaßen und ein gigantisches Anwesen in Schottland von 26 000 Hektar pachteten.
Der Ball der Martins war die schillernde Manifestation eines tiefgreifenden, beunruhigenden wirtschaftlichen Wandels, der die westliche Welt während der vorangegangenen 100 Jahre erfasst hatte. Mittlerweile leben wir seit zwei Jahrhunderten mit der industriellen Revolution. Dadurch gerät leicht aus dem Blickfeld, was für ein radikaler Bruch die erste Gründerzeit gegenüber der übrigen Menschheitsgeschichte darstellte. In den beiden Jahrhunderten nach 1800 wuchs das Weltdurchschnittseinkommen um mehr als das Zehnfache, während die Weltbevölkerung nur um mehr als das Sechsfache zunahm. Das war etwas gänzlich Neues, von ebenso großer gesellschaftlicher Bedeutung wie die Domestizierung von Pflanzen und Tieren.
Wer das vergoldete ...