Teilen, nicht töten!
eBook - ePub

Teilen, nicht töten!

  1. 128 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Teilen, nicht töten!

Über dieses Buch

Papst Franziskus: "Diese Wirtschaft tötet"Hat Papst Franziskus Recht, wenn er behauptet, dass die jetzige Wirtschaftsordnung ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzt, soziale Ungerechtigkeiten erzeugt und Gewalt hervorbringt? Diese Frage wird man eindeutig mit "Ja" beantworten. Also gilt, was einige namhafte Wirtschaftsexperten längst entdeckt haben: Reichtum, den viele erzeugen, darf nicht von wenigen angeeignet werden. Eine ausgewogene Verteilung des geschaffenen Reichtums dient dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Frieden. Und es kann nicht Staatsziel Nummer Eins sein, alle Nationen konkurrenzfähig und alle Menschen beschäftigungsfähig zu machen. Friedhelm Hengsbach, Deutschlands führender Sozialethiker, fordert eine Verteilung, die die bisherige Regel der vorrangigen Kapitalverzinsung korrigiert: Natur, Arbeit, Geld und gesellschaftliche Vorleistungen erarbeiten gemeinsam eine Wertschöpfung, und müssen gleichberechtigt entlohnt werden.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Teilen, nicht töten! von Friedhelm Hengsbach im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Social Sciences & Social Work. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1 Die Auslöser
Zu Beginn des neuen Jahrhunderts hatte Wolfgang Thierse behauptet: »Die Gerechtigkeitsfrage ist in die Gesellschaft zurückgekehrt.«1 Mehr als zehn Jahre danach stellte der Leiter des Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, fest, dass die Wirtschaftswissenschaft sich von einem Menschenbild verabschiede, das moralische Werte, soziale Normen und menschliche Beziehungen ausklammert. Das Kieler Institut habe »seinen Bereich von der traditionellen Konzentration auf Effizienzprobleme hin zu Gerechtigkeitsproblemen erweitert«.2 Eine breite Öffentlichkeit kritisiert bereits seit Jahren die zunehmend ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Erleben wir einen Gezeitenwechsel im Urteil darüber, was der Wirtschaft und dem Staat zu tun geboten ist?
Ich bin beim Schreiben dieser Schrift von zwei Autoren inspiriert worden, die im vergangenen Jahr die soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Polarisation thematisiert und eine ungewöhnliche Resonanz gefunden haben. Es handelt sich um Papst Franziskus und den französischen Ökonomen Thomas Piketty.
Papst Franziskus
»Diese Wirtschaft tötet.«3 So urteilt der Papst über die sozioökonomischen Verhältnisse, denen sich die Mehrheit der Menschen und auch viele Christen wie einem unabwendbaren Schicksal ausgeliefert sehen.
Prophetische Kritik
Den anonymen Mechanismen setzt der Papst ein vierfaches radikales »Nein« entgegen. Er sieht ganze Gruppen der Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, wie Müll und Abfall behandelt. Er wehrt sich dagegen, dem Fetischismus des Geldes und der Logik des Marktes eine religiöse Weihe zu verleihen und sie anzuhimmeln. Er verurteilt die Vorherrschaft der Finanzmärkte, die der Realwirtschaft nicht dienen. Und er warnt vor der wachsenden sozialen Ungleichheit, aus der gesellschaftliche Konflikte und Kriege hervorgehen. Die politischen und wirtschaftlichen Führungseliten sollten die Worte eines Bischofs aus der frühen Kirche beherzigen: »Die eigenen Güter nicht mit den Armen zu teilen bedeutet, diese zu bestehlen und ihnen das Leben zu entziehen. Die Güter, die wir besitzen, gehören nicht uns, sondern ihnen.«4
Über diese Aussagen des Papstes, die er einer programmatischen Schrift zu Beginn seiner Amtszeit eingefügt hatte, sind deutsche Wirtschaftsjournalisten hergefallen: Der Papst irrt, er urteilt pauschal und wenig differenziert, er versteht nicht, wie die Wirtschaft funktioniert, er ist auf seine Erfahrungen in Argentinien fixiert und kennt die segensreichen Wirkungen der sozialen Marktwirtschaft nicht, die erfolgreicher als Almosen den Wohlstand vermehrt.
Den Armen der erste Platz
Seltsam, dass die Wirtschaftsjournalisten von den 270 Seiten des päpstlichen Schreibens neun Seiten herausgegriffen und das Hauptanliegen überlesen haben: Die Menschen in den reichen Ländern und vor allem die Christen sollen den Schrei der Armen hören. Dieser Schrei hat aus biblischer Sicht eine religiöse Dimension, weil der Gott Israels das Schreien seines Volkes im Sklavenhaus Ägypten gehört und es aus diesem Schmelzofen befreit hat. Heute ist es der Schrei derer, denen der gerechte Lohn vorenthalten wird, der Migranten, die illegal in privaten Haushalten Kranke pflegen, der Frauen, die man als Handelsware vermarktet, der Kinder, die zum Betteln vorgeschickt werden. Diesen weggeworfenen Armen sollen die Gesellschaft und die Kirchen einen bevorzugten Platz einräumen und sie in ihrer Würde respektieren. Armut in reichen Ländern ist nämlich ein Indiz dafür, dass die erwirtschaftete Gütermenge, die für alle ausreicht, ungleich verteilt ist. Deshalb klingt das Vertrauen auf die unsichtbare Hand des Marktes oder die automatischen Sickereffekte des Wohlstands naiv. Vielmehr verweist der Grundsatz, dass die Güter der Erde für alle bestimmt sind, die Rolle der Privatwirtschaft und des Privateigentums auf den zweiten Rang. Das Wachstum der Gerechtigkeit habe Vorrang vor einem Wachstum der Wirtschaft, meint der Papst.
Thomas Piketty
Ein vergleichbares Aufsehen wie der Papst löste der französische Ökonom Thomas Piketty mit seinem Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert aus.5 In den USA wurde Piketty als Star einer neuen Weltformel gefeiert, sein Buch als »Wasserscheide« bezeichnet, die unsere Vorstellungen über die Wirtschaft und die Politik verändere.
Was Piketty beunruhigt, ist gerade diese sich öffnende Schere zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen in einer demokratischen Gesellschaft. Was reißt Gesellschaften auseinander, was hält sie zusammen? In seinen Forschungen sucht er nach einer Antwort, die empirische Daten, ökonomische Theorien sowie geschichtliche, politische und soziale Perspektiven miteinander verbindet. Seit der industriellen Revolution hat sich im 19. Jahrhundert die Verteilung der Einkommen von Managern und Arbeitern gespreizt. Aber viel stärker und schneller als das Arbeitseinkommen ist das Kapitaleinkommen gewachsen, weil das Wachstum der Kapitalrendite über das Wachstum des Volkseinkommens hinausgeht. »Kapital« ist bei Piketty ein Sammelbegriff für Grund und Boden, Häuser, Wertpapiere, Geld und Patente. Durch Arbeiten als Arzt oder Rechtsanwalt könne man nicht reich werden, wohl aber dadurch, dass man eine Frau aus begütertem Hause heirate, belehrt ein kriminelles Genie aus dem feudalen Frankreich einen mittellosen Adligen, wie Piketty der zeitgenössischen Literatur entnimmt.
Mit dem Ersten Weltkrieg beginnt eine historische Ausnahmesituation, die tendenziell Mitte der 1970er Jahre endet. Während der »Trente glorieux« in Frank-reich oder des deutschen »Wirtschaftswunders« sinkt die Wachstumsrate der Kapitaleinkommen unter die der Arbeitseinkommen. Welche Gründe nennt Piketty dafür? Die massive Vernichtung von Kapital während der Kriegszeiten, verschärfte Steuer- und komfortable Sozialgesetze, ein hohes Wirtschaftsund Bevölkerungswachstum, den technischen Fortschritt und die höhere Bildungskompetenz der Beschäftigten. Aber seit den 1980er Jahren verheißen marktradikale Ökonomen in den USA, in Großbritannien und Deutschland einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise, wenn nur die Selbstheilungskräfte des Marktes entfesselt, die Steuern gesenkt, die öffentlichen Ausgaben gekürzt und die Lohnforderungen gezügelt werden. In der Folge sinken die Wachstumsraten, während die Kapitalrenditen steigen.
Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, wird in den reifen Industrieländern im 21. Jahrhundert das 19. Jahrhundert zurückkehren: Das Gewicht des Kapitals wird zunehmen und sich bei wenigen konzentrieren. Einer kleinen Gruppe wird ein extrem hoher Anteil des Volkseinkommens und vor allem des Volksvermögens gehören, während der größere Teil der Bevölkerung über kaum mehr als das Arbeitsvermögen verfügt. Allerdings wird sich das Gesicht des Kapitalismus ändern: Neben die Klasse der Vermögenseigentümer treten reiche Angestellte, Unternehmensmanager und Finanzinvestoren mit hoher Bildungskompetenz. Sie eignen sich die Produktivitätszuwächse an, weil sie ihre Vergütung selbst festsetzen oder mit dem Aufsichtsrat darüber verhandeln können. In der Folge wächst die Bandbreite der Mittelklasse, indem Vermögen auf nachfolgende Generationen übertragen und damit gestreut wird. Allerdings bleibt es wegen der relativ geringen Kinderzahl der Vermögenseigentümer wohl bei der Konzentration des Kapitals. Die Klassengesellschaft hört mit dem »Erben-Kapitalismus« nicht auf zu existieren. Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm. Und dies nicht auf Grund persönlicher Leistung, sondern durch glückliche Umstände, vermögende Eltern oder die Inflation. Ausflüge in die Lyrik, dass etwa die Flut alle Boote hebt oder auch die Spatzen zu fressen haben, wenn die Pferde gut genährt sind, verschleiern lediglich ökonomische Legenden.
Als Gegengift gegen die politisch bedrohliche Ungleichheit der Einkommen und Vermögen empfiehlt Piketty eine bis zu 75 Prozent progressive Einkommensteuer und eine globale progressive Vermögensteuer, die bei Millionären bis zu 80 Prozent gehen könnte. Falls diese weltweit nicht durchsetzbar ist, sollten die EU und die USA damit anfangen, sie regional einzuführen.
Im Vorkrieg
Die Warnlampen eines sozioökonomischen Szenarios, das Piketty ausmalt, wenn nicht politische Gegenkräfte mobilisiert werden, sind für Papst Franziskus bereits aktuell erkennbare »Zeichen der Zeit«. Die politische Klasse, die Führungskräfte der Wirtschaft und die Medien deuten derzeit die wachsenden Flüchtlingsbewegungen überwiegend als Folgen von religiösen Konflikten und blindwütigem Terrorismus, denen schnell und alternativlos mit militärischer Gewalt zu begegnen sei. Warum werden bei aller aufgeheizten Erregung die ökonomischen, politischen und auch geschichtlichen Hintergründe der Kämpfe im Nahen Osten verschwiegen? Unverzügliche humanitäre Hilfe und die Bereitschaft, Flüchtlinge großzügig aufzunehmen, sind unmittelbar geboten. Aber es ist fahrlässig, in einer derartigen Alarmstimmung ethische Bedenken einfach auszuschalten – ob eindeutig feststeht, wer gegen wen zu verteidigen ist, ob ein Frieden sich durch Waffeneinsatz herbeibomben lässt, ob eine militärische Strategie, die sich in Kriegen zwischen Staaten bewährt hat, in nichtstaatlichen Konflikten überhaupt Erfolg verspricht. Aber die öffentliche Debatte war bereits politisch vorgefärbt von relativ abstrakten Erwägungen: Soll ein Industrieland wie Deutschland sich damit vertraut machen, Ressourcenwege auch militärisch zu sichern? Oder ist die Bundeswehr stärker an Militäreinsätzen in Krisengebieten zu beteiligen, die von den Vereinten Nationen angeordnet wurden?
Waffen töten, was sonst? Aber dem Einsatz von Waffen gehen soziale Ungleichheit, hegemoniale Wirtschaftsmacht, imperiale Herrschaftsansprüche voraus, die für die jeweils Unterlegenen tödlich sind. Deutschland befindet sich gegenüber europäischen Mitgliedsländern und gegenüber arabischen Volksgruppen in einer Art »Vorkrieg«, der in einen Krieg münden kann. Wie der Vorkrieg aussieht, hat Christa Wolf in ihrem Buch Kassandra anschaulich beschrieben.6 Dem realen Krieg eilen kriegerische Deutungsmuster voraus. Wann der Krieg beginnt, kann man wissen. Aber wann beginnt der Vorkrieg? Während niemand vom Krieg spricht. Denn erst muss der Sprachkrieg beginnen, indem von einem »Überfall« gesprochen, für sich selbst der »Verteidigungsfall« angenommen und ein »Feind« aufgebaut wird. Im Krieg will dann niemand mehr seine Entstehungsgründe wissen; alle beschäftigt nur ein einziger Gedanke: Wie kann er beendet werden? Die Ausweglosigkeit der militärischen Konflikte und ihrer Folgen in der Ostukraine, in Palästina, im Irak, in Libyen und in
Afghanistan sowie die 3 000 Flüchtlinge, die allein von Januar bis September 2014 im Mittelmeer ertrunken sind, machen das kritische Urteil des Papstes verständlich: Eine Wirtschaft, die ausgrenzt, soziale Ungleichheit erzeugt und Gewalt hervorbringt, tötet.
2 Panorama sozialer Ungleichheit
»Wir sind noch mal davongekommen!« Bis in den Herbst 2014 blieb die allgemeine Stimmungslage in Deutschland von der weiterhin schwelenden Bankenkrise, der hohen Arbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern und den rivalisierenden Vorstellungen der Mitgliedsländer über die Zukunft Europas ziemlich unberührt. Die Zahl der Beschäftigten auf Rekordniveau, die Exportindustrie ungebrochen wettbewerbsfähig, steigende Reallöhne, Sozialkassen im Überschuss, hohe Steuereinnahmen: »Deutschland geht es gut«, strahlt die Kanzlerin. Hat sie recht? Nur dann, wenn sie die Schatten einer wachsenden sozialen Ungleichheit ausblendet.
Ungleiche Arbeit, Löhne, Einkommen, Vermögen
Arbeit
Die Zahl der registrierten Arbeitslosen ist 2014 unter drei Millionen gesunken. Aber zu ihnen müsste die sogenannte stille Reserve hinzugezählt werden. Diese besteht aus Arbeitsuchenden, die nicht registriert sind oder die Suche nach einer Arbeitsgelegenheit entmutigt aufgegeben haben oder die sich an den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik beteiligen oder sich in Warteschlangen des Berufs- und Ausbildungssystems aufhalten oder die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Wer unter die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik fällt, gilt statistisch nicht als »arbeitslos«. Folglich klingt die Erfolgszahl von drei Millionen aufgehübscht. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bleibt um etwa ein Drittel hinter dem allgemeinen Beschäftigungsanstieg zurück. Wer keine Sozialbeiträge zahlt, kann auch keine Rentenansprüche anmelden.
Fakt ist: Am Beschäftigungsaufbau von mehr als drei Millionen Personen seit der deutschen Wiedervereinigung hatten die atypischen Arbeitsverhältnisse einen überdurchschnittlichen Anteil. Dazu gehören befristete Arbeit, Leiharbeit, Minijobs und geringfügige Arbeit unter zwanzig Wochenstunden. Gleichzeitig sank die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse um mehr als zwei Millionen.
Löhne
Der Anstieg der Bruttomonatsverdienste aller Beschäftigten ist von 1991 bis 2012 durch erhöhte Verbraucherpreise aufgezehrt worden. Während die Produktivität je Erwerbstätigenstunde um mehr als 36 Prozent stieg, sanken die Reallöhne um 1,6 Prozent. Nur in den letzten fünf Jahren, von 2007 bis 2012, sind die Bruttoverdienste stärker als die Verbraucherpreise gestiegen. Aber der Lohnabstand hat sich vergrößert. Arbeitnehmer in leitender Stellung und herausgehobene Fachkräfte haben überdurchschnittlich, Fachkräfte und angelernte Arbeitnehmer unterdurchschnittlich verdient. In der Erdöl- und Erdgasgewinnung sind Monatsverdienste von nahe 7 000 Euro brutto üblich, am unteren Ende liegen Gastronomie und Beherbergung mit 2 000 Euro. Die Entwicklung der Löhne ist hinter der Entwicklung der Wertschöpfung zurückgeblieben, die abhängig Beschäftigten konnten also den ihnen zustehenden Verteilungsspielraum nicht ausschöpfen.
In Deutschland arbeitete 2011 fast ein Viertel aller Beschäftigten – das sind mehr als acht Millionen Personen – für einen Lohn, der unter der Schwelle von 9,14 Euro liegt. Das Risiko, für einen Niedriglohn zu arbeiten, trifft am meisten di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Abdeckung
  2. Titel
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Die Auslöser
  7. 2 Panorama sozialer Ungleichheit
  8. 3 Isoliert und frei
  9. 4 Gerecht und solidarisch
  10. 5 Teilen – was sonst
  11. Nachwort
  12. Anmerkungen