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Gesundheits- und Sozialpolitik
- 186 Seiten
- German
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Gesundheits- und Sozialpolitik
Über dieses Buch
Die Gesundheitspolitik hat sich in den letzten zwanzig Jahren als ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftspolitischen Debatte etabliert. Nichtsdestotrotz lässt sich der Paradigmenwechsel der deutschen Sozialpolitik, der sich u.a. im Rückzug des Solidarprinzips in unserer Gesellschaft ausdrückt, auch im Gesundheitswesen beobachten. Dies führt zu Zielkonflikten und Problemfeldern in den einzelnen Bereichen der Leistungserbringung, Finanzierung wie auch der Versorgung. Die Autoren stellen die Entwicklung im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik aus unterschiedlichen Perspektiven und die daraus resultierenden Allokations- und Distributionsfolgen detailliert dar und zeigen neue, zukunftsweisende Wege auf.
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Information
1 Architektur des Buches
Gesundheits- und Sozialpolitik ist ein Thema, mit dem ein Politiker keine Wahl gewinnen kann. Ein Thema, das so vielschichtig ist wie kaum eines in der sozialen Sicherung. Ein Thema, welches wie kein anderes mit anderen Disziplinen verwoben ist und von vielen Seiten betrachtet werden kann. Ein Querschnittsthema, aber ein Thema mit extrem hoher Relevanz.
Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland ist ein maßgeblicher Bereich unseres deutschen Sozialstaats. Gleichzeitig ist die Gesundheits- und Sozialpolitik von elementarer Bedeutung für die gesamte Bevölkerung eines Landes. Dieses Instrument schützt die Bürgerinnen und Bürger in Risikolagen und bietet die Grundlage für die gesunde Produktivität einer Volkswirtschaft.
Wir danken den Autoren der verschiedenen Artikel von ganzem Herzen, dass sie aus ihrer Perspektive sich dem Gesundheitswesen gewidmet haben und die verschiedenen Problemlagen in ihrem Bereich benennen. So ist ein vielschichtiges Werk entstanden, welches die Gesundheits- und Sozialpolitik vorstellt, Steuerungsprobleme benennt, Erfolge beleuchtet und Herausforderungen für die Zukunft aufzeigt.
In den ersten beiden Artikeln des Buches erfolgt zum einen eine temporäre Betrachtung der Gesundheitspolitik ausgehend von den Ursprüngen des 19. Jahrhunderts, und zum anderen geht der Blick über die letzten Reformen hinweg zu den großen ungelösten Problemen im Kontext des deutschen Sozialstaats. Typische Steuerungsprobleme der Gegenwart finden dabei genauso Erwähnung wie ein optionaler Blick in die Zukunft des Gesundheitswesens.
Eva-Marie Torhorst befasst sich in ihren Ausführungen u. a. mit der potenziellen Steigerung des Patientennutzens, aber auch mit dem Abbau möglicher Fehlsteuerungselemente sowie Fehlanreize, wie mit der nach wie vor bestehenden sektoralen Fragmentierung oder, wie sie es nennt, der zersplitterten Versorgungslandschaft. Dabei geht der Blick auf die Vernetzung der Akteure wie auch auf die Art und Weise der derzeitigen Versorgung mit ihren Stärken und Schwächen. Ihre Forderung konzentriert sich auf die Entwicklung systematischer Kooperationen, Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit sowie einer deutlich höheren Gesundheitskompetenz aller Beteiligten.
Lilia Waehlert schärft den Blick für eine gerechte Gesundheitsversorgung als das wesentliche Merkmal des Sozialstaats und diskutiert die Rahmenbedingungen einer gerechtigkeitsorientierten Gesundheitspolitik. Dabei widmet sie sich der Fragestellung, aus welchen Gründen ethische Dilemmata im Gesundheitswesen existieren und wie sich solche identifizierten Konflikte lösen lassen könnten.
Stefan Weber blickt aus seiner Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung unter besonderer Beachtung von Qualität und Wettbewerb auf das Gesundheitswesen und fokussiert hier insbesondere die Frage, wer in welchem Konkurrenzverhältnis zueinandersteht. Nachfolgend beleuchten Roger Jaeckel und Philipp Zeitler das Gesundheitswesen aus Sicht der forschenden Arzneimittelindustrie. Sie stellen die berechtigte Frage nach dem neuen Rollenverständnis der Arzneimittelindustrie. Nach einer theoretischen Einführung wird der Blick darauf gerichtet, wie sich die Pharmaindustrie in den nächsten Jahren aufstellen kann und sich möglichweise als Versorger konstituiert.
Andreas Beivers und Christof Minartz diskutieren aus der Sicht des ambulanten und stationären Sektors. Betrachtet Andreas Beivers die Krankenhausversorgung mehr aus ordnungspolitischer Sicht, geht Christof Minartz ausführlich auf die Strukturen der ambulanten Versorgung bis hin zu dem jungen Bereich der spezialärztlichen Versorgung ein.
Ein wesentlicher und immer relevanter werdender Aspekt wird von den Kollegen Remi Maier-Rigaud, Michael Sauer und Frank Schulz-Nieswandt diskutiert, die Europäisierung der Gesundheits- und Sozialpolitik. Sie zeigen in aller Ausführlichkeit die Nähe und Verknüpfungen, wie sie sich transnational durch die Entwicklungen in der EU darstellen, auf.
2 Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland
Clarissa Kurscheid und Andreas Beivers
Im Folgenden sollen nun die Ursprünge der Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland betrachtet werden. Dabei erfolgen zum einen eine temporäre Betrachtung des Gesundheitspolitik ausgehend von den Ursprüngen des 19. Jahrhunderts und zum anderen geht der Blick über die letzten Reformen hinweg zu den großen ungelösten Problemen im Kontext des deutschen Sozialstaats. Sozialpolitik wird inhaltlich als Querschnittsthematik betrachtet und ist per definitione eine »Intervention in Risikolagen« (Schulz-Nieswandt 2006). Gesundheitspolitik hingegen ist ein eigener Teil der Sozialpolitik und geht über die Intervention in Risikolagen hinaus, wenn beispielsweise Prävention als ein Teil von Gesundheitspolitik betrachtet wird. Bührlen u. a. gehen in ihren jüngsten Überlegungen davon aus, dass das Gesundheitswesen und die verantwortliche Politik Gesundheit als eine Wertschöpfung für die Gesellschaft betrachten sollte (Bührlen et al. 2013). Allein mit diesen Gedanken wird ein breiter Spannungsbogen aufgezeigt, der in den nachfolgenden Darstellungen keinen Anspruch auf eine vollständige Betrachtung erhebt, aber deutliche Blitzlichter setzt, Geschehnisse aus der Vergangenheit beleuchtet und vorsichtige Lösungsansätze für die Zukunft benennt.
2.1 Die Ursprünge der Gesundheitspolitik und Sozialpolitik in Deutschland
Die Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland ist einerseits in hohem Maße von dem Sozialversicherungsprinzip Bismarck’scher Prägung beeinflusst und zeichnet sich andererseits durch eine starke, barmherzig geartete Fürsorge in der historischen Betrachtung aus. Dieser systemimmanente Leitgedanke spiegelt sich u. a. in dem im deutschen Sozialversicherungssystem tief verwurzelten Subsidiaritätsprinzip, aber auch im Solidaritätsgedanken wider (Schulz-Nieswandt 2006). Die Wurzeln der Subsidiarität liegen in der katholischen Soziallehre und basieren auf dem Gedanken der Nachrangigkeit, das bedeutet, dass die Lasten, die nicht vom Einzelnen übernommen werden können, im Bedarfsfall die Solidargemeinschaft mitträgt. Das Solidarprinzip hingegen ist eines der zentralen Sozialstaatsprinzipien und beinhaltet beispielsweise im Krankheitsfall, dass die Solidargemeinschaft sich gegenseitige Unterstützung leistet und Hilfe gewährt (Simon 2013).
Im Hinblick auf die Versorgung von Krankheit in Deutschland spielen zusätzlich enorme Errungenschaften herausragender Forscher (zu nennen sind Lorenz von Stein oder Robert Koch) eine große Rolle, auf die nachfolgend noch eingegangen werden soll. Bereits in Antike und Mittelalter gab es von Seiten des Staates mehrfach Versuche, die materielle Not der Bürger zu lindern (Simon 2013; Rosenbrock und Gerlinger 2009), um Unruhen und Aufstände zu verhindern und politische Stabilität zu wahren. Hierbei gilt es festzuhalten, dass eine Vielzahl geschichtlicher, religiöser und auch ökonomischer Parameter zu der Ausgestaltung der einzelnen Sozialstaaten in Deutschland und in Europa beigetragen haben (Kahl 2005; Butterwegge 2005), welche hier allerdings nicht näher beleuchtet werden.
Fürsorgeorientierte, christliche Krankenhäuser, welche noch im Mittelalter zum Teil aus Armenhäusern hervorgingen, waren in der stationären Versorgung verbreitet. Später – nach der Reformation – wurde die Krankenversorgung größtenteils kommunalisiert und es entwickelten sich immer mehr städtische Spitäler zur Versorgung kranker Menschen (Simon 2013). Hier wurden gerade in der Struktur der Leistungserbringung früh rollenbasierte Standards – wie beispielsweise die fürsorgliche Hingabe der »Schwester« und der schon früh auf ärztliche Technik fokussierte Mediziner gesetzt. Ansonsten waren die Häuser stark mit dem Anstaltswesen verhaftet, da es sich insbesondere um eine in sich geschlossene Fürsorge handelte. Es kann auch mit einer Mischung aus Versorgung und Verwahrung beschrieben werden. Allerdings bedeutete diese Form der gesellschaftlichen Trennung in erster Linie ein Schutz der anderen (gesunden) Menschen vor den Kranken. Zusätzlich herrschte ein hierarchisch orientierter, paternal geprägter Umgang der Mediziner und Pflegenden mit den Kranken (Foucault 2002 sowie 2005; Schulz-Nieswandt 2003).
Einen wichtigen Beitrag für die Gesundheitsfürsorge und darüber hinaus für die Entwicklung der sozialen Reformen in Deutschland leistete Lorenz von Stein (18. November 1815–23. September 1890). Von Stein entwickelt in seinen Schriften zur Gesellschaftspolitik (später nennt er sie auch Sozialpolitik) ein »ordnungspolitisches Verständnis«, welches in seinen Grundzügen auch heute noch der aktuellen Sicht entspricht. In diesem Sinne hat ein sozialer Staat nach der Auffassung von Lorenz von Stein die Pflicht, die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu verbessern. Zu seiner Zeit standen hier insbesondere Fragen der Hygiene und der Gesundheit des Einzelnen im Vordergrund (Kaufmann 2003). Seine Motivation lag zudem in der Vermeidung möglicher Klassenkämpfe. Nach den Überlegungen von Steins war es notwendig, der nicht-herrschenden Klasse ein Minimum an sozialer Sicherheit, Gesundheitsfürsorge und Bildung zur Verfügung zu stellen (Grosseketteler 1998). Ein weiterer – im Hinblick auf die historische Betrachtung der Gesundheitsversorgung – wesentlich zu nennender Akteur ist Robert Koch (11. Dezember 1843–27. Mai 1910). Mit seiner Forschung als Bakteriologe hat er in der Gesundheitsvorsorge wesentlich zur Erkennung von Ansteckung und deren Verhinderung mittels hygienischer Maßnahmen beigetragen. Mit seiner Forschung als Mediziner und Mikrobiologe hatte er im hohen Maß Anteil daran, dass die Erreger der Tuberkulose, aber auch der Cholera entdeckt wurden.
Als Geburtsstunde des deutschen Sozialstaates heutiger Prägung können die in den Jahren 1881 bis 1888/89 gegründeten Zweige der Sozialversicherung durch die Bismarck-Administration bezeichnet werden, für die vornehmlich der sozialpolitische Gedanke prägend war. So wurde 1883 das Krankenversicherungsgesetz, 1884 das Unfallversicherungsgesetz und 1889 das Invaliden- und Altersversicherungsgesetz (später Rentenversicherung) eingeführt. Ziel war es vor allen Dingen, die industrielle Arbeitnehmerschaft, die sich mehr und mehr entwickelte, gegen die Risiken des Arbeitslebens abzusichern und so von den Gewerkschaften fernzuhalten. Um dies zu erreichen, stellten die damals führenden politischen Kräfte die solidarische Selbsthilfe in den Mittelpunkt. Damit war Deutschland weltweit wegweisend. Nicht der Staat selbst sollte die soziale Absicherung übernehmen, sondern die Betroffenen sollten sich durch solidarisches Zusammenschließen gegenseitig Hilfe gewähren. Damit entstand das Solidaritätsprinzip, das eng mit dem genossenschaftlichen Denken verwandt ist (Neubauer 2007; Butterwegge 2005).
Die weitere Entwicklung des Gesundheitswesens und der Gesundheitsversorgung vollzog sich innerhalb des historischen Kontexts auf Basis der Standessicherung, wie sie zu Ende des 19. Jahrhunderts gelebt wurde. Ausgehend von dem Mitte des 19. Jahrhunderts bestehenden Hilfskassenwesen etablierte sich mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Bismarck 1883 die »Gesetzliche Krankenversicherung«. Mit der zunächst ausschließlichen Absicherung der Erwerbstätigen bei Krankheit wurde zu diesem Zeitpunkt das Gerüst des Gesundheitssystems gelegt, das in seinen Grundzügen bis in die Gegenwart Bestand hat (Lampert, 2007; Bäcker, Bispinck, Nägele, 2008). Die Leistungserbringung wurde bis zur Gründung der kassenärztlichen Vereinigung (1931) in Einzelverträgen verhandelt und erst nach 1931 auf Basis kollektivvertraglicher Vereinbarungen. Die Organisationsprinzipien basierten auf zunftähnlichen Strukturen, ausgehend von der Gründung der Kassen (1883), und die Finanzierung basierte aus Krankenkassenbeiträgen (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein 2012). Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die Krankenversicherung durch das Solidaritätsprinzip, Bedarfsprinzip und den Aspekt der Umverteilung (Knappe et al 2002) auszeichnete. Das Solidaritätsprinzip ermöglicht die vom gesellschaftlichen Status des Einzelnen unabhängige Leistung der Krankenversicherung im Bedarfsfall. Daraus ergibt sich das Bedarfsprinzip, d. h. diese Bedarfe werden in Form von Sachleistungen gewährleistet. Die Genossenschaftsartigkeit ist durch den reziprozitären Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung gekennzeichnet, welches sich mit dem Prinzip auf Gegenseitigkeit erklären lässt. Die Umverteilung erfolgt horizontal wie vertikal. Beispielhaft sei hier die beitragsfreie Familienmitversicherung sowie die Umverteilung von jung nach alt – im Hinblick auf das sich im Alter entwickelnde höhere Krankheitsrisiko mit einer in der posterwerbstätigen Phase verbundenen geringeren Beitragszahlung – zu nennen (Kurscheid und Hartweg 2009).
Aufgrund der geringen Mobilität in der Frühindustrialisierung war der Beitritt zu einer Solidargemeinschaft in der Regel eine lebenslange Entscheidung. Die solidarischen Gemeinschaften waren somit über eine Lebensspanne gedacht und in ihrer Zusammensetzung stabil. Der Staat seinerseits definierte die Versicherungspflicht der einzelnen Arbeitnehmer und wies sie in der Regel orientiert an den unterschiedlichen Branchen ganz bestimmten Solidargemeinschaften zu. Die Solidargemeinschaften ihrerseits waren gemeinnützig angelegt und verwalteten sich selbst. Die soziale Selbstverwaltung entstand und ist bis heute noch ein prägendes Element der deutschen Sozialversicherung (Neubauer 2007).
So ist festzuhalten, dass die Bismarckschen Sozialversicherungen deutscher Prägung bis zum Ersten Weltkrieg und auch danach Vorbild für viele Staaten waren und sind.
2.2 Die Gesundheits- und Sozialpolitik seit Ende des Zweiten Weltkriegs
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Aufbau der Bundesrepublik Deutschland als Soziale Marktwirtschaft nach dem Vorbild von Walter Eucken1, auf welchen später noch näher eingegangen wird, bestand auch unter den alliierten Siegermächten die Auffassung, dass neben dem Aufbau des Wirtschafts- und Rechtssystems auch der Aufbau einer umfassenden Sozialversicherung kommen sollte (Niehoff 2007). So wurde u. a. im Kontext der Krankenversicherung auf die Prinzipien der Bismarckschen Sozialversicherung zurückgegriffen und die Selbstverwaltung nach dem Vorbild der Weimarer Republik wiederhergestellt. In der Sozialpolitikgestaltung nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind vor allem die ordnungspolitischen Ideen und Leitbilder kaum wegzudenken.
Somit erfährt in der weiteren historischen Betrachtung die Fortentwicklung der Sozialordnung große Beachtung. In dieser geht es um weitaus mehr, als um die Frage vom Einsatz sozialpolitischer Ziele. Die Sozialordnung ist ein Ausdruck einer zeitgemäßen politischen Anschauung, in der ethische, normative, aber auch weltanschauliche Grundlagen zusammenkommen und in praktischer Gesundheits- und Sozialpolitik niedergeschrieben werden. Wie schon in der anfänglichen Definition benannt, hat die praktische Sozialpolitik zum Ziel, in »Risikolagen zu intervenieren« (Schulz-Nieswandt 2006), das gestalterische Moment ist dann die Art und Weise, welche höchst unterschiedlich ausfallen kann (Kaufmann 200...
Inhaltsverzeichnis
- Deckblatt
- Titelseite
- Copyright
- Inhalt
- Geleitwort zur Reihe
- Die Autorinnen und Autoren
- 1 Architektur des Buches
- 2 Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland
- 3 Gesundheitspolitik – Herausforderungen für die Zukunft
- 4 Ethische Dilemmata im Gesundheitswesen
- 5 Qualität und Wettbewerb – Die guten Leistungserbringer müssen profitieren!
- 6 Gesundheits- und Sozialpolitik aus Sicht der forschenden Arzneimittelindustrie
- 7 Gesundheits- und Sozialpolitik aus Sicht des ambulanten Sektors
- 8 Ordnungspolitisches Spannungsfeld der deutschen Krankenhausversorgung am Beispiel der Mengensteuerung
- 9 Europäisierung der Gesundheits- und Sozialpolitik