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Katholischer Historismus?
Zum historischen Denken in der deutschsprachigen Kirchengeschichte um 1900. Heinrich Schrörs - Albert Ehrhard - Joseph Schnitzer
This book is available to read until 5. Dezember, 2025
- 472 Seiten
- German
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Katholischer Historismus?
Zum historischen Denken in der deutschsprachigen Kirchengeschichte um 1900. Heinrich Schrörs - Albert Ehrhard - Joseph Schnitzer
Über dieses Buch
Können katholische Theologen Historiker sein? Ist ein Sinn von Wirklichkeit, wie dogmengläubige Katholiken ihn unterstellen, mit historischem Wirklichkeitssinn vereinbar? Oder schließt die eine Wissenskultur die andere aus? Mit bis heute unübertroffener Heftigkeit stellten sich Fragen wie diese in der Zeit der sogenannten Modernismuskrise um 1900. Die Kirchenhistorie, ein fragiles Bündnis von Theologie und Geschichte, war von den damaligen Verwerfungen besonders betroffen. Anhand von drei renommierten Fachvertretern, die ins Visier der kirchlichen Autorität gerieten & Heinrich Schrörs, Albert Ehrhard, Joseph Schnitzer -, geht der Autor dem hoch komplexen Problem der Kompatibilität von historischer Vernunft und katholischem Glauben nach.
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Information
1. Einleitung
1.1 Katholische Kirchengeschichte – zwischen Theologie und Geschichte
Können katholische Theologen Historiker sein? Ist ein Sinn von Wirklichkeit, wie dogmengläubige Katholiken ihn unterstellen, mit historischem Wirklichkeitssinn vereinbar? Darf, wer unwandelbaren Glaubenswahrheiten anhängt, zugleich an der Wahrheit historischen Wandels festhalten? Oder schließt die eine Wissenskultur die andere aus? Läuft nicht alles auf die Alternative von Theologie oder Geschichte, von „heiliger Stagnation“1 auf der einen und „unheiliger“ Dynamik auf der anderen Seite hinaus? Das Erste Vatikanische Konzil (1869/1870), das zwei „neue“ Glaubenssätze proklamierte, die lehramtliche Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat des Papstes, ist zum Fanal geworden für all jene, die mit guten Gründen so dachten und bis heute denken. Die (kirchen-) historisch argumentierenden Minoritätsbischöfe seien damals, so lautet das gängige Meisternarrativ, mit ihren dogmatisierungsskeptischen Einwänden nicht durchgedrungen, weil die Mehrheit ihrer Mitbrüder schlicht verweigert habe, sich in dogmaticis aus der Geschichte belehren zu lassen. Ein Konzilsvater soll denn auch formuliert haben: Auf der Kirchenversammlung vom Vatikan habe das Dogma die Geschichte besiegt.2 Die seitdem nicht wieder zur Ruhe gekommene Frage nach dem Verhältnis von katholischem Glauben und historischer Wissenschaft stellte sich dann mit bis heute unübertroffener Heftigkeit in der Zeit der katholischen Modernismuskrise.3 Und wie ehedem, so war auch jetzt wieder die Kirchenhistorie, dieses fragile Bündnis von Theologie und Geschichte, besonders in Mitleidenschaft gezogen. Auch nach den Jahren des akuten Modernismus und Antimodernismus setzte sich der Streit um den wissenschaftstheoretischen Status der Kirchengeschichte weiter fort. In der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) flammte er in den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch einmal auf. Während nun die einen ein dezidiert „heilsgeschichtlich“-theologisches Fachverständnis vertraten, postulierten andere die Kirchengeschichte als nicht-theologische, „profanhistorisch“ verfahrende Disziplin.4 Soviel bleibt festzuhalten: Bis heute ist die Kirchengeschichte eine akademische Disziplin „[z]wischen Theologie und Geschichte“ mit weitgehend ungeklärtem Schwellencharakter.5 Was will die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund dieser diffusen Ausgangskonstellation leisten? Sie versteht sich vor allem als ein Versuch, mit den Mitteln des kirchenhistorischen Faches, also im Medium der Geschichte, auf dessen Grundlagen zu reflektieren. Der Verfasser glaubt damit einen eigenen Beitrag zur wissenschaftlichen Selbstverständigung der katholischen Kirchengeschichte erbringen zu können. Ein skizzenhafter Überblick über die drei großen Entwicklungsphasen, die das deutschsprachige historische Denken vom Anfang über die Mitte bis zum Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts durchlief, soll dabei zunächst zur problemgeschichtlichen Hinführung dienen (Kap. 1.2). Es wird sich zeigen, dass der Spannungsbogen, der dabei entsteht, der Sache nach mitten in die noch immer mit großer Intensität geführten Debatten um den so genannten Historismus hineinleitet (Kap. 1.3).6 Warum sich gerade ein Blick auf den unter ganz spezifischen Bedingungen stehenden historischen Diskurs innerhalb des Katholizismus um 1900 anbietet, um nicht nur die Kirchengeschichte ein Stück weit über sich selbst aufklären zu helfen, sondern zugleich die Möglichkeiten katholischen Geschichtsdenkens überhaupt auszuloten, soll dann in einem weiteren Schritt herausgearbeitet werden (Kap. 1.4). Die ganze Fragestellung wird schließlich in biographisch-vergleichender Zuspitzung operationalisiert (Kap. 1.5). Was in den darauf folgenden Untersuchungsgängen in dreifachem Anlauf (Kap. 2–4) geschieht, ist im Grunde nichts anderes, als dass anhand des Verhältnisses von katholischer Theologie und Geschichtswissenschaft ein exemplarischer Spezialfall des viel weiteren Problemfeldes von Religion und Moderne bedacht wird. Was genau heißt also und zu welchem Ende studiert man „katholischen Historismus“?
1.2 Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert
Auch für das 19. Jahrhundert als dem Jahrhundert des „Historismus“ gilt: „Am Anfang war Napoleon.“7 Die politischen und sozialen, aber auch die geistigen und religiösen Grundlagen Alteuropas, die, obwohl selbst über Jahrhunderte gewachsen, in weitgehend unhinterfragter Geltung gestanden hatten, waren durch die Französische Revolution, die napoleonischen Kriege und die umfassenden Erschütterungen, die davon ausgingen, unwiderruflich in Bewegung geraten. Sie ließen sich durch restaurative Neuordnungsversuche, wie sie der Wiener Kongress im Jahre 1815 unternahm, nicht einfach wiederherstellen.8 Die ganz reale Erfahrung, dass nicht nur im Kleinen, sondern auch im Großen, was gewesen, geworden war und also auch wieder vergehen konnte; das den Zeitgenossen mit unwiderstehlicher Macht sich aufdrängende, schlechthin alles in sich einbegreifende Bewusstsein historischer Kontingenz war in hohem Maße mitverantwortlich dafür, dass dem neuen Jahrhundert eine ausgeprägte Sensibilität für alles Geschichtliche als Erbgut zuteilwurde. Der unter veränderten und ständig weiter sich verändernden Verhältnissen Orientierung suchende Blick richtete sich fortan wie von selbst in die Vergangenheit, um von dort aus wieder in die Gegenwart und weiter in die Zukunft gelenkt zu werden. Nur aus diesen anfänglichen Bedingungen heraus lässt sich der fulminante Aufstieg begreifen, den die Geschichtswissenschaft in dem zwischen Aufklärung und Romantik oszillierenden Zeitalter und dann das ganze weitere Jahrhundert hindurch erlebte.9
Als eines der wichtigsten Gründungsdokumente und als Programmschrift dessen, was man später mitunter als „Historismus“ bezeichnet hat, darf ein Akademievortrag angesehen werden, den Wilhelm von Humboldt (1767–1835) am 12. April 1821 „Ueber die Aufgabe des Geschichtschreibers“ hielt. „Das Geschäft des Geschichtschreibers in seiner letzten, aber einfachsten Auflösung“, so hatte Humboldt damals formuliert, sei „Darstellung des Strebens einer Idee, Daseyn in der Wirklichkeit zu gewinnen.“10 Die wirkungsgeschichtliche Tragweite dieses aus Motiven des deutschen Idealismus gespeisten, geschichtsreligiös fundierten Gedankens von den „Ideen“, die sich in der Geschichte „verwirklichten“, kann zumindest für die deutsche Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert kaum überschätzt werden.11 Er erlaubte ja, die allgegenwärtige Erfahrung von historischen Brüchen zu verarbeiten, indem ein dahinter verborgenes Element der Kontinuität vermutet wurde, das zu entdecken niemand anders berufen war als der Historiker. Die idealrealistisch-organologische Geschichtsauffassung, die sich an diese Vorstellung anknüpfte, blieb, angefangen bei der historischen Rechtsschule eines Friedrich Carl von Savigny (1779–1861), das gesamte 19. Jahrhundert hindurch im historischen Diskurs nachhaltig wirksam.12 Auch der wohl prominenteste Fachvertreter Leopold von Ranke (1795–1886), der mit dem von ihm stark gemachten historischen Objektivitätsideal seinerseits einen ungeheuren Einfluss auf die zünftige Geschichtswissenschaft ausübte, lässt sich zwanglos in diese Traditionslinie einordnen. Sah er doch in der Geschichte, „abgesehen von gewissen unwandelbaren ewigen Hauptideen“, eine Reihe von „leitenden Ideen“ am Werk, die „nichts anders bezeichnen, als […] die herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert“.13
Eine solche höchst zeitgemäße Auffassung von der Geschichte trat zu Beginn des 19. Jahrhunderts aber auch in der katholischen Geisteswelt hervor. Schon zwei Jahre vor Humboldts Rede, im Jahre 1819, hatte der Theologe Johann Sebastian von Drey (1777–1853), der als der Begründer der so genannten katholischen Tübinger Schule gilt – auch er, wie jener, unter dem Einfluss des deutschen Idealismus –, dazu einen Anfang gemacht, indem er betonte, dass „das gesammte Christentum – nach Geschichte und Lehre – als etwas Positives und Gegebenes […] zunächst nur empirischhistorisch erkannt werden“ könne.14 „Zur eigentlichen Wissenschaft“, so hatte er hinzugefügt, „erhebt sich die empirisch historische Kenntniß des Christentums, wenn sein Inhalt auf eine Idee zurückgebracht, und aus dieser in gehöriger Deduktion des Einzelnen dargestellt wird.“15 Anders als dann bei Humboldt sollte es aber nach Drey gerade nicht der Historiker sein, der die „Idee“, in diesem Falle des Christentums, aus der Geschichte zu erkennen habe, nicht der historisch, sondern der systematisch arbeitende Theologe.16 Man wird aus diesem Grund nur mit sehr begrenztem Recht von einer „Ähnlichkeit des Programms“ von Humboldt und Drey sprechen dürfen.17 Es war eigentlich erst Dreys Meisterschüler, der Tübinger und Münchener Kirchenhistoriker Johann Adam Möhler (1796–1838), der „die Idee strenger als eine in der Geschichte wirkende und aus ihr hervortretende Kraft“ und daher als dem Historiker zugängliche Größe dachte.18 Seit den späten 1820er-Jahren fasste Möhler die gesamte (Kirchen-) Geschichte mithilfe eines christozentrisch zugespitzten Idealrealismus als einen gottmenschlichen Organismus auf.19 Man wird in Anbetracht der enormen Wirkung, die Möhler auf das katholische Geschichtsdenken im 19. Jahrhundert ausübte, durchaus davon sprechen dürfen, dass durch ihn gewissermaßen der katholische Zweig der deutschen historischen Schule begründet worden ist.
Die revolutionären Proteste der Jahre 1830/1831 in verschiedenen europäischen Ländern kündigten dann das Scheitern zumindest der politischen Restauration an; liberalere Kräfte gewannen an Auftrieb. Auf kirchlich-katholischem Gebiet verschärfte sich im Gegensatz dazu die religiöse Restauration des Ultramontanismus, die auf einen weltanschaulichen Papstsuperiorismus hinauslief.20 Die vielfältigen kirchlich-theologischen Aufschwünge, an denen bislang aufklärerisch und romantisch, staatskirchlich, liberal und ultramontan inspirierte Katholiken gleichermaßen teil genommen hatten, erreichten in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts einen „Höhepunkt“, traten aber zugleich in eine entscheidende Zeit der „Krisis“ ein.21 Die gegen den französischen liberalen Katholiken Hugues Félicité Robert de Lamennais (1782–1854) gerichteten Enzykliken „Mirari vos“ (1832) und „Singulari nos“ (1834), das Breve „Dum acerbissimas“, mit dem 1835 die Lehre eines durchaus kirchlich-konservativ gesonnenen theologischen Aufklärers, des Bonner Dogmatikers Georg Hermes (1775–1831), verworfen wurde, und weitere ähnliche Maßnahmen markierten auf der weltkirchlichen Ebene eine von Papst Gregor XVI. (1831–1846) forcierte Ultramontanisierungswelle, die aber nicht nur „von oben“ initiiert wurde. Sie empfing auch „von unten“ Anstöße, worauf etwa lokale Großereignisse wie die Trierer Rockwallfahrt des Jahres 1844 hindeuten. Auch in den verschiedenen kirchlichen und theologischen Kreisen, die das katholische Geistesleben bislang geprägt hatten, vollzogen sich nun konservative Wenden.22 Die Auseinandersetzungen zwischen katholischer Kirche und preußischem Staat, die schon 1837 im „Kölner Ereignis“ kulminiert waren, als Clemens August Droste zu Vischering (1773–1845), der Erzbischof von Köln, durch preußische Exekutivbeamte inhaftiert worden war, besiegelten in Deutschland das Ende der restaurativen Fiktion eines Bündnisses von Thron und Altar. Damit setzte sich eine Entwicklung fort, die insgesamt „zu einer stärkeren ultramontanen Ausrichtung des deutschen Katholizismus führte und eine Verschärfung der konfessionellen Gegensätze zur Folge hatte“.23
All diese in komplizierter Weise miteinander verwobenen Entwicklungsprozesse auf dem politischen und religiösen Feld blieben auch auf das historische Denken nicht ohne Einfluss. Sie markierten in dieser Hinsicht den Auftakt eines neuen, bis in die 1870er-Jahre hinein währenden Zeitabschnitts, der d...
Inhaltsverzeichnis
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1. Einleitung
- 2. Heinrich Schrörs. Historismus als historischer Antirelativismus?
- 3. Albert Ehrhard. Historismus zwischen Relativismus und Antirelativismus?
- 4. Joseph Schnitzer. Historismus als historischer Relativismus?
- 5. Ergebnisse und Fazit
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Register