
This book is available to read until 5. Dezember, 2025
- 134 Seiten
- German
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eBook - ePub
Verfügbar bis 5 Dec |Weitere Informationen
Kommunalpolitik
Politik vor Ort
Über dieses Buch
Kein Politikfeld ist den Bürgerinnen und Bürgern so nahe wie die kommunale Ebene. In der Europäischen Union (EU), im Bund und auf Landesebene wird die "große Politik" gemacht, in der Gemeinde hingegen wird sie konkret umgesetzt (und dort muss sie oft auch bezahlt werden). Die Beispiele sind zahlreich: ob Kinderbetreuung, Schulen, Wasser- und Abwasser oder Wirtschaftsförderung. Dieser Band erläutert verständlich und nachvollziehbar die Grundlagen der Kommunalpolitik und zeigt auf, in welchem Ordnungs- und Handlungsrahmen Kommunalpolitik abläuft, wer Kommunalpolitik macht und wie sich Kommunalpolitik vor Ort auswirkt. Das übersichtliche Kompendium legt damit einen Grundstein für das Politikverständnis nicht nur in der Gemeinde.
Häufig gestellte Fragen
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Information
1 Kommunalpolitik beginnt vor der Haustür
Am 23. Mai 2016 fand in Berlin am Tag des Grundgesetzes ein Empfang für Kommunalpolitiker statt. Dieser alljährlich stattfindende Tag soll an die Verabschiedung des Grundgesetzes erinnern. Im Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz als verfassungsrechtliche Grundlage für die Bundesrepublik Deutschland. Der Parlamentarische Rat war eine eigens zur Ausarbeitung des Grundgesetzes einberufene Versammlung, der 65 Abgeordnete der elf westdeutschen Landtage und fünf Vertreter Berlins angehörten.
Der 2016 amtierende Bundespräsident Joachim Gauck hatte zu diesem Empfang mehr als 700 Verantwortliche aus Gemeinden und Städten in ganz Deutschland eingeladen – von Nordfriesland bis Traunstein, von Kleve bis Görlitz. In seiner Rede erinnerte Altbundespräsident Joachim Gauck an das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung, das in Deutschland seit dem 23. Mai 1949 Verfassungsrang hat. Der Grundgesetzartikel 28 garantiert den Gemeinden das Recht, alle örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln.
Gauck hob hervor, dass Städte und Gemeinden Orte der Innovation seien, oft unter reger Beteiligung der Bürgerschaft. Kommunalpolitik steuere, moderiere, schaffe Lebensqualität vor Ort, verwalte und gestalte zugleich. Kommunalpolitik schaffe aber vor allem Möglichkeiten der Mitwirkung. Kommunen seien deshalb „Werkstätten der Demokratie“.
Keine andere politische Ebene ist so nah an den Bürgerinnen und Bürgern wie die Ebene der Landkreise, Städte und Gemeinden. Die kommunale Ebene (Gemeinden, Städte und Landkreise) bildet die unterste Ebene des 3-stufigen Verwaltungsaufbaus in Deutschland, darüber kommen die Landes- und Bundesebene. Und auch Europa ist in den Rathäusern angekommen. Städte und Gemeinden sind schon seit langem von der Rechtsetzung der Europäischen Union (EU) betroffen. Zwei Drittel der auf EU-Ebene getroffenen Regelungen betreffen direkt oder indirekt die Kommunen und deren Recht auf Selbstverwaltung. So hat z. B. die Landeshauptstadt Stuttgart mit der Umsetzung der 1999 von der EU beschlossenen Feinstaubrichtlinie erhebliche Probleme. Das hohe Verkehrsaufkommen führt bei einer bestimmten Wetterlage regelmäßig dazu, dass die Grenzwerte für Luftschadstoffe (Stickoxid, Schwefeldioxid, Blei) merklich überschritten werden. Sollte die Landeshauptstadt Stuttgart dieses Problem nicht in den Griff bekommen, drohen ein EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen.
Kommunalpolitik findet vor der Haustür statt und betrifft die Bürgerinnen und Bürger in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Wer aufmerksam den Lokalteil der Tageszeitungen verfolgt, bekommt davon einen ersten Eindruck. In der Europäischen Union (EU), im Bund und auf der Landesebene wird die „große Politik“ gemacht, in der Gemeinde hingegen wird sie konkret umgesetzt (und dort muss sie oft auch bezahlt werden). Die Beispiele sind zahlreich: ob Gullydeckel und Mülltonen, Kinderbetreuung, der Bus zur Schule und öffentlicher Nahverkehr, Wirtschaftsförderung oder aktuell und in den nächsten Jahren die Versorgung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen.
Das Buch Kommunalpolitik – Politik vor Ort gliedert sich in vier größere Kapitel. Im einführenden Kapitel wird am Beispiel anwachsender Flüchtlingszahlen aufgezeigt, wie Städte, Gemeinden, Kommunalpolitiker, Gemeindeverwaltungen und Bürger in den Jahren 2015, 2016 und 2017 auf diese Herausforderung reagiert haben. Gerade die Flüchtlingsfrage zeigt, dass globale Probleme vor Ortsgrenzen nicht Halt machen. Im zweiten Kapitel werden die „Spielregeln“ beschrieben, nach denen Kommunalpolitik abläuft. In diesem Kapitel wird auch skizziert, wie das Zusammenspiel von Gemeinderat, Bürgermeister und Bürgern funktioniert. In einem weiteren Kapitel werden die konkreten Aufgaben von Kommunen ausführlicher dargestellt. Im letzten Kapitel geht es um die Akteure (Gemeinderat, Bürgermeister, Bürger) in Städten und Gemeinden, um kommunalpolitische Abläufe und Prozesse. Das Buch endet mit einem Glossar. In diesem Wörterverzeichnis werden die wichtigsten politischen Fachbegriffe kurz erklärt. Fachbegriffe, die sich aus dem Text erschließen lassen, wurden nicht in das Glossar aufgenommen.
Im Buch selbst wird mit der sogenannten Harvard-Zitierweise gearbeitet. Diese Zitierweise arbeitet mit Klammern, in denen der Name des Autors, das Erscheinungsjahr und die Seitenzahl genannt werden. Die vollständigen Titel der Bücher oder Aufsätze können dem Literaturverzeichnis entnommen werden. Interessierte, die an kommunalpolitischen Fragen Geschmack gefunden haben, finden im Anschluss an das Literaturverzeichnis ausgewählte Leseempfehlungen. Tageszeitungen waren eine weitere wichtige Fundstelle. Auf die entsprechende Ausgabe wird ebenfalls in Klammern verwiesen. Bei Zahlen und Fakten, die im Internet recherchiert wurden, wird die Fundstelle jeweils am unteren Seitenrand in einer Fußnote genannt. Die Angabe der vollständigen Webadresse im Text hemmt den Lesefluss.
2 Was hat Kommunalpolitik mit Aleppo zu tun?
Im Sommer und Herbst 2016 stieß man bei der Lektüre von Tageszeitungen, Wochenmagazinen oder im Internet auf diese Schlagzeilen:
„Plätze für 190 Flüchtlinge geschaffen.“
(Backnanger Kreiszeitung, 1.7.2016)
„Kommunen dürfen hoffen. Innenminister kündigt Treffen zum Thema Flüchtlingskosten für die nächsten Tage an.“
(Stuttgarter Nachrichten, 11.6.2016)
„Stuttgart hofft auf Entlastung bei Flüchtlingen.“
(Stuttgarter Nachrichten, 3.9.2016)
„Flüchtlingsstrom geht zurück – Land schiebt verstärkt ab.“
(Stuttgarter Nachrichten, 1.7.2016)
„EU-Gipfel: Merkels schwieriger Deal mit der Türkei.“
(focus.de, 17.3.2016)
„Budapest, Warschau und Prag gegen EU-Plan zu Flüchtlingsverteilung.“
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.5.2016)
„Zustrom von Flüchtlingen geht weiter zurück.“
(Stuttgarter Nachrichten, 2.9.2016)
„Pro Woche nur noch sechs neue Asylbewerber. Landkreis meldet deutliche Entspannung der Lage.“
(Backnanger Kreiszeitung, 23.9.2016)
Globale Probleme kennen keine Grenzen
Weltweit befinden sich nach Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Dieses weltumspannende Schlüsselproblem ist längst in den Gemeinden und Städten angekommen. Wie hängen diese Schlagzeilen zusammen? Was haben Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene mit Dörfern und Städten hierzulande zu tun? Wie gehen Bund, Länder und Kommunen mit den Herausforderungen der Flüchtlingsmigration um? Warum kann kein (Bundes-)Land, kann keine Kommune die Probleme im Alleingang lösen?
Sommer 2015
Ein kurzer Rückblick trägt zum besseren Verständnis der aktuellen Situation bei: Ende August 2015 stauten sich Tausende Flüchtlinge am Budapester Bahnhof. Das Fernsehen dokumentierte die schwer erträglichen Lebensbedingungen der Flüchtlinge. Die Bilder zeigten den humanitären Notstand entlang der sogenannten Balkanroute, auf der sich Flüchtlinge aus dem Nahen Osten über den Balkan auf den Weg nach Europa machten. Angesichts dieses Notstands ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland zu. Am 5. September 2015 entschied die Bundesregierung, dass Sonderzüge mit den Flüchtlingen aus Budapest nach Deutschland fahren dürfen. Humanitäre Gründe haben bei dieser Entscheidung durchaus eine Rolle gespielt. Ausschlaggebend war aber der Kollaps der europäischen Asylarchitektur. Die ansteigenden Flüchtlingszahlen hatten die durch das Dubliner Abkommen festgelegten Grenz- und Asylregelungen außer Kraft gesetzt.
Das in den frühen 1990er Jahren entwickelte, 1997 in Kraft getretene und mehrmals überarbeitete Dubliner Übereinkommen regelt, welcher Staat für die Prüfung eines in der EU gestellten Asylantrags zuständig ist. Laut Abkommen ist der EU-Mitgliedstaat, in den der Flüchtling zuerst einreist, für das Asylverfahren zuständig. Damit soll vermieden werden, dass nicht gleichzeitig oder nacheinander in mehreren EU-Staaten Asylanträge gestellt werden. In der Praxis funktionierte die reibungslose Umsetzung des Dublin-Verfahrens aber bereits vor den Ereignissen im Herbst 2015 nicht. Über 70 Prozent aller Asylverfahren wurden in nur fünf Mitgliedstaaten durchgeführt. Die Regelung hatte sich als realitätsfern erwiesen.
In Folge der ansteigenden Flüchtlingszahlen in den Jahren 2015 und 2016 waren europäische Staaten immer weniger bereit, Flüchtlinge aufzunehmen und die Last mit anderen EU-Staaten zu teilen (s. unten). Die Länder an den EU-Außengrenzen (z. B. Italien, Griechenland, Spanien und Malta) waren schlicht überfordert. Im September 2015 reisten unzählige, in Italien gelandete Flüchtlinge ohne Registrierung und Asylantrag weiter in andere EU-Staaten, u. a. auch nach Deutschland, Österreich und Nordeuropa.
Welle der Hilfsbereitschaft
Angela Merkels in der Folge oft zitierter (und auch kritisierter) Satz „Wir schaffen das!“ löste eine Welle der Hilfsbereitschaft und eine flächendeckende Willkommenskultur aus. Das Fernsehen zeigte Bilder von Bahnhöfen, an denen hilfsbereite Bundesbürger die Geflüchteten mit Geschenken, deren Kinder mit Luftballons und Kuscheltieren begrüßten. Eine wahre Solidaritätswelle setzte ein. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer linderten die unzureichende Versorgung der Flüchtlinge mit Geld- und Sachspenden, mit Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche oder mit Sprachkursen sowie mit Begegnungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen auf gleicher Augenhöhe. Überall im Land fragten Menschen, die noch nie ehrenamtlich tätig waren, was sie tun können: Kleider sammeln, Patenschaften vermitteln, Behördengänge und Fahrdienste erledigen, Hilfe bei der Essens-, der Kleider- oder Bettenvergabe anbieten. Millionen von Menschen haben in einer Mischung aus Einfühlungsvermögen, Mitleid und Nächstenliebe den oft schwer traumatisierten Flüchtlingen geholfen, indem sie Sachen oder Geld spendeten. Mehr als 4 Millionen Bürger haben sich persönlich um die Ankommenden gekümmert und private Patenschaften übernommen. In den kommunalen Verwaltungen packten viele hauptamtliche Mitarbeiter bei der Unterbringung der Flüchtlinge mit an.
Bund, Länder und Kommunen geraten unter Druck
Die meisten Flüchtlinge kamen und kommen nach wie vor aus Syrien (34 Prozent), dem Irak (15 Prozent) und Afghanistan (14 Prozent), gefolgt von Albanien, dem Kosovo, Pakistan und Eritrea. Seit 2011 sind mehr als 500 000 Syrer nach Deutschland gekommen. Fluchtgründe waren und sind Bürgerkriege, unerträgliche Lebensbedingungen, Not und Armut, Verfolgung und schwere Menschenrechtsverletzungen.
Neuankömmlinge
Als sich im September 2015 die Zahl der Neuankömmlinge vervielfachte, stellte dies den Bund, die Länder und die Kommunen vor gewaltige Aufgaben. Die Aufnahme von Flüchtlingen erfolgt in Deutschland nach einem System geteilter Zuständigkeiten. Der Bund ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, die Länder und Kommunen für die Unterbringung der Flüchtlinge und für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das u. a. die Zuschüsse für Ernährung und Kleidung für anerkannte Flüchtlinge, Asylbewerber und Geduldete regelt.
Das Aufenthaltsrecht unterscheidet bei Flüchtlingen nach drei Gruppen:
• anerkannte Flüchtlinge sind Personen, denen Asyl oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder ein subsidiärer Schutz (d. h. wenn das Asylrecht nicht greift, aber dennoch Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben im Herkunftsland drohen, wie in einem Bürgerkrieg) gewährt wurde;
• Asylbewerber, d. h. Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, der aber noch nicht entschieden ist;
• Geduldete sind Personen, deren Asylantrag negativ beschieden wurde, deren Abschiebung jedoch ausgesetzt ist. Gründe für die Aussetzung der Abschiebung können z. B. fehlende Pässe, Krankheit oder Reiseunfähigkeit sein. Reiseunfähigkeit bedeutet auch, dass Menschen nicht in ihr durch Krieg zerstörtes Herkunftsland reisen können.
Flüchtlinge, die nach Deutschland einreisen, werden nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt. Dieser Schlüssel verdankt seinen Namen einem Staatsabkommen, das im Jahre 1949 in Königstein im Taunus abgeschlossen wurde. Eine von Bund und Ländern eingerichtete Konferenz ermittelt den „Königsteiner Schlüssel“ jährlich neu. Das Quotensystem berücksichtigt neben dem Steueraufkommen der Länder auch deren Bevölkerungszahl. Die Quote für Baden-Württemberg beträgt derzeit 12,86456 Prozent.
Unterbringung
Die Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Es zeichnete sich im Herbst 2015 rasch ab, dass die 1000 Plätze in der 1990 eingerichteten Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Karlsruhe, die bis 2014 Zentrale Anlaufstelle (ZASt) hieß, nicht reichen würden. Bereits Ende 2014 konnten in drei weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen (Meßstetten, Heidelberg und Mannheim) Flüchtlinge aufgenommen werden. Im Laufe des Jahres 2015 erhöhte sich die Zahl der Erstaufnahmestellen auf 22. Leerstehende Kasernen, Fabrik- und Turnhallen und andere Gebäude wurden mit Unterstützung der Wohlfahrtsverbände und mit Hilfe von vielen Ehrenamtlichen in Notunterkünfte umgewandelt. Das Integrationsministerium Baden-Württemberg berichtete beispielsweise, dass eine Gemeinde eine leerstehende Fabrikhalle anbot, in der bereits am Abend die ersten Flüchtlinge einziehen konnten – dank der Unterstützung von Feuerwehr, Deutschem Roten Kreuz, Technischem Hilfswerk und anderen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern (Stuttgarter Nachrichten, 29.9.2016). Viele Ehrenamtliche packten angesichts der Notlage einfach an und zeigten Verantwortung
Weil Länder und Kommunen die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten eigenverantwortlich und abhängig von ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln organisierten, war die Lage anfangs von Ort zu Ort unterschiedlich. Während in manchen Großstädten Zeltstädte im Matsch versanken und Tausende über Monate hinweg in Turnhallen untergebracht waren, gelang es anderen Kommunen, die Flüc...
Inhaltsverzeichnis
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhalt
- 1 Kommunalpolitik beginnt vor der Haustür
- 2 Was hat Kommunalpolitik mit Aleppo zu tun?
- 3 Spielregeln: Wie funktioniert eine Gemeinde?
- 4 Aufgaben einer Gemeinde
- 5 Akteure: Bürgermeister, Gemeinderat und Bürger
- 6 Fazit
- 7 Glossar
- 8 Literaturverzeichnis
- 9 Literaturtipps
- 10 Abbildungsverzeichnis