Nordrhein-Westfalen
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Nordrhein-Westfalen

Ein Land blickt nach vorn

  1. 255 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Nordrhein-Westfalen

Ein Land blickt nach vorn

Über dieses Buch

Dieses Buch stellt das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands in Geschichte und Gegenwart vor. Alle wichtigen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte von Regierung und Parteien über Verwaltung, Verbänden, Vereinen und Initiativgruppen werden prägnant geschildert. So werden die Wurzeln der nordrhein-westfälischen Landesgeschichte und die Verzweigungen der Gegenwart nachvollziehbar erklärt.Professor Dr. Ulrich von Alemann hatte einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inne und ist aktiv in der Publizistik und Politikberatung.

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Information

Teil I
Ein Land findet seine Identität

An der Wiege des modernen Europa stehen Kohle und Stahl. Denn die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Montanunion durch die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahre 1951 gilt als der „integrationspolitische Startschuss“ zu einer supranationalen Einigung Europas unter Einschluss Deutschlands. Einige visionäre europäische Politiker sahen in dieser Zeit voraus, dass die Integration der Schlüsselindustrien Kohle und Stahl eine Vorbedingung für Sicherheit und Wohlstand in ganz Europa sei. Und an dieser Wiege Europas steht das Land Nordrhein-Westfalen. Trotz Kriegszerstörungen und Demontage ballte sich im Ruhrrevier immer noch der größte zusammenhängende Raum der Montanindustrie – vor dem Saarrevier, der belgischen Wallonie, dem französischen Lothringen, vor Luxemburg und auch Oberitalien.
Die europäische Dimension bestimmt heute alle Lebensbereiche. Doch mit der Stärkung übernationaler Zusammenhänge werden auch die kleineren, regionalen und lokalen wieder wichtiger. Denn es ist das Dilemma der Nationalstaaten, dass sie für die großen Probleme zu klein und für die kleinen zu groß sind. Deshalb war lange das Schlagwort vom „Europa der Regionen“ so populär, auch wenn diese Regionen in den Zeiten globaler Probleme eine immer geringere Rolle spielten. Keine zentrale Bürokratie, ob in Brüssel oder Berlin, gibt gerne Kompetenzen ab. Damit Entscheidungen, die auf unteren Ebenen gefällt werden können, auch wirklich verstärkt auf diese Ebenen verlagert werden – frei nach dem viel beschworenen Subsidiaritätsprinzip – wird es weiterhin viel Druck und Kraft der Länder und Regionen bedürfen.
Das Land Nordrhein-Westfalen präsentiert sich als eine hochindustrialisierte, stark bevölkerte europäische Kernregion. Das trifft in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, aber auch in kultureller Hinsicht zu. Im Übrigen ist Nordrhein-Westfalen – bzw. sein historisches Landesgebiet – für Europa schon immer bedeutend gewesen. Aachen war schon unter Karl dem Großen eine europäische Hauptstadt, Köln im Mittelalter eine europäische Metropole. Die geopolitisch wichtige Lage des Hellwegraumes, einer uralten Verkehrsverbindung zwischen dem Rhein und der Elbe, als Verbindungslinie zwischen Ost- und Westeuropa versucht gerade wieder, an historische Vorbilder anzuknüpfen. Die Diagonale Aachen-Köln-Dortmund-Soest-Paderborn-Höxter mit ihren Verlängerungen nach Osten und Westen war schon in früheren Jahrhunderten ein wichtiger Handelsweg, und seit der Öffnung Osteuropas ist sie wieder eine zentrale europäische Verkehrsachse geworden.
So findet sich Nordrhein-Westfalen heute geografisch und geschichtlich, wirtschaftlich und auch kulturell in der Mitte Europas wieder. Nach der deutschen Vereinigung und der Verlegung des politischen Zentrums vom beschaulichen Bonn ins urbane Berlin hat sich aber auch die Frage nach der künftigen Ausrichtung des Landes innerhalb Deutschlands und innerhalb der Europäischen Union gestellt. Die Grenzen zu den niederländischen und belgischen Nachbarn sind durchlässig geworden: für Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Finanzverkehr genauso wie für Gedanken, Emotionen, Bindungen und Interessen. Seit dem Schengener Abkommen braucht der Autofahrer von Emmerich nach Arnheim nicht einmal mehr anzuhalten. Wird Nordrhein-Westfalen nun (west-)deutsche Peripherie oder eine europäische Region erster Güte mit enger Bindung an den Beneluxraum? Jedenfalls liegen Paris, Brüssel oder Amsterdam räumlich näher als Berlin oder München.
Im ersten Kapitel werden wir ein Profil des Landes mit seinen vielfältigen Facetten zeichnen. Zunächst folgt ein knapper Überblick über die neuere Landesgeschichte. Dabei rufen wir manche Aspekte in Erinnerung, die heute fast in Vergessenheit geraten sind. Beispielsweise in wirtschaftlicher Sicht die Tatsache, dass NRW nicht immer als Krisenregion galt, sondern in der Frühzeit der bundesdeutschen Geschichte als „Schwungrad“ das Wirtschaftswunder antrieb. Oder in politischer Sicht, dass Nordrhein-Westfalen sich traditionell eher als „konservatives“ Land gerierte und auf regionaler und kommunaler Ebene vielfach immer noch ist, beispielsweise in den linksrheinischen Gebieten, im Münsterland oder in der Eifel. Wenn es vielen jüngeren Menschen heute schwer fällt, sich an die Zeit der Kanzlerschaft Helmut Kohls zu erinnern, um wie viel schwerer muss es da sein, sich die Zeit vor der SPD-Vorherrschaft in NRW zu vergegenwärtigen: Die CDU-Hegemonie im nordrhein-westfälischen Landtag, die bis 1966 währte, scheint in weite Feme gerückt. Die Christdemokraten haben mit der Landtagswahl von 2005 die SPD-Dominanz unterbrochen, Rot-Grün konnte die Landesregierung 2010 zurückgewinnen und hat sie seitdem nicht mehr verloren.
Land und Leute in ihrer Vielfalt zu schildern, nicht mehr und nicht weniger habe ich mir mit diesem Kapitel vorgenommen – natürlich nicht als großes Panorama, sondern als kleine Skizze auf begrenztem Raum. Dazu gehören die Landschaften und ihre Bewohner, die Rheinländer und die Westfalen (und die Lipper!), aber natürlich auch die Neubürger und Zugezogenen, die Gäste und Gastarbeiter, die Migranten und Flüchtlinge, die sich seit den Zeiten der römischen Garnison immer wieder hier niedergelassen haben.
Soviel zur Vielfalt, aber wie steht es mit der Einheit? Was hält NRW zusammen – über den Bindestrich zwischen Nordrhein und Westfalen hinaus? Ist das Land ein farbloses Bindestrichland geblieben, in dem sich jeder nur zu seiner Teilregion oder seinem Heimatort bekennt? Gibt es einen Kitt, der hält? Was macht eine Identität aus? Kann man sie „machen“? Womit identifiziert sich der NRWler? Wir werden die gewachsene Landesidentität schildern, die bemerkenswerte Fortschritte in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Ein Land hat sich gefunden, ja neu erfunden, das ist meine These. Nun kann es getrost nach vorn blicken.

1
Landesgeschichte: Liebesheirat oder Vernunftehe?

Hinterher merkt man, dass es richtig war, dass es schiefgegangen ist“.1 So hat man 1945 im Ruhrgebiet nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur etwas verquer und auch ein bisschen verlegen formuliert. Auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens tat es Not, schleunigst eine befriedigende Versorgung und eine funktionierende Verwaltung wiederaufzubauen. Wenigstens die schlimmsten Folgen der Nachkriegszeit – die Unterversorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum, die drückenden Probleme von Flüchtlingsströmen, Epidemien und Schwarzmarkt – wollte man in den Griff kriegen, um die Lage der Bevölkerung nicht noch dramatischer zu verschlechtern. Sogar Unruhen wurden befürchtet.
Auf gesamtstaatlicher Ebene lag eine Lösung noch nicht auf der Hand. Die vier Besatzungsmächte fanden keinen Konsens: Der Kalte Krieg mit der Sowjetunion keimte auf. Auch die Franzosen gingen unter den drei Westmächten zunächst eigene Wege. Anders auf der regionalen und lokalen Ebene, wo sich die Besatzungsmächte ziemlich schnell daranmachten, möglichst unbelastete Bürger, aber bald auch wieder alte Eliten mit der Verwaltung der Städte und Gemeinden zu betrauen.
De facto waren Briten und Amerikaner bereits vor dem Ende des Krieges dazu übergegangen, die eingenommenen deutschen Gebiete unter indirect rule zu stellen, wie es schon in der Kolonialsprache so schön hieß. In Aachen waren die Amerikaner ja bereits am 21. Oktober 1944 einmarschiert. Parallel zu den noch existierenden preußischen Verwaltungen – Kommunen, Kreise, Regierungsbezirke, Provinzen – wurden Auftragsverwaltungen installiert. Personell wurde dafür auf nicht oder nur wenig durch den Nationalsozialismus belastete Persönlichkeiten zurückgegriffen, besonders auf Funktionsträger aus der Weimarer Politik. So wurde Konrad Adenauer, 1933 durch die Nationalsozialisten seines Amtes enthoben, zunächst wieder Kölner Oberbürgermeister. Diese neuen Amtsträger waren den Weisungen der Militärregierungen unterworfen und bei unbedingtem Gehorsam ausschließlich der Besatzungsmacht verantwortlich. Als Adenauer Selbstständigkeit erkennen ließ, wurde er kurzerhand vom britischen Militärbefehlshaber für Köln, Brigadier John Ashworth Barraclough, mit der Begründung entlassen, er habe sich zu wenig um die alltäglichen Bedürfnisse der Bewohner gekümmert.

Vierzonesien, Bizonesien, Trizonesien – NRW nach dem Krieg

„Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ – sangen die Kölner Karnevalisten im Frühjahr 1949 voller Galgenhumor. Mit den vier Besatzungszonen des Potsdamer Abkommens war kein gemeinsamer Staat zu machen. Der Kalte Krieg teilte Deutschland. Die sowjetische Besatzungszone wurde früh zu einer separaten Eigenstaatlichkeit gezwungen. Da auch Frankreich auf seiner Position beharrte, einigten sich zunächst Amerikaner und Briten, aus ihren beiden Gebieten Ende 1947 die Bizone zu bilden. Im Frühjahr 1949 wurde sie mit der französischen Zone zur Trizone zusammengeschlossen. Jetzt war aber bereits mit den Londoner Empfehlungen vom Juni und den Frankfurter Dokumenten vom Juli 1948 der Zug in Richtung auf einen westlichen Teilstaat losgefahren.
Die kleineren politischen Einheiten – Gemeinden, Städte, Kreise – waren als erste wieder hergestellt worden. Nachdem diese Einrichtung einigermaßen funktionierte, waren die Länder an der Reihe. Die Briten hatten aus der früheren preußischen Provinz Rheinland – mit den nördlichen Regierungsbezirken Köln, Aachen, Düsseldorf – die niederrheinischen Gebiete erhalten, ebenso gingen das Land Lippe und die preußische Provinz Westfalen an die Briten. Die Regierungsbezirke Trier und Koblenz der ehemaligen Rheinprovinz waren dagegen dem französischen Sektor zugeschlagen worden.
Die Abgabe der südlichen Rhein-Provinz war aber für die Art und Weise der späteren NRW-Landesgründung weniger entscheidend. Eine Wiedervereinigungsbewegung für die ganze ehemalige preußische Rheinprovinz hat es nie gegeben. Bedeutsamer wurde die Tatsache, dass mit dem Ruhrgebiet eine wirtschaftliche Kernregion Deutschlands im britischen Sektor lag, diese sich über die beiden Provinzen Westfalen und Rheinland erstreckte und außerdem zum Objekt der politischen Begierde sowohl Frankreichs als auch der Sowjetunion wurde. Beide Länder meldeten eigene Interessen durch den Wunsch nach einer internationalen Verwaltung des Ruhrgebiets und seiner industriellen Kapazitäten an.
Von daher war 1946, als die kommunale Verwaltungsebene samt Mittelinstanzen wieder einigermaßen funktionstüchtig war, noch längst keine Vorentscheidung über das neu zu gründende Land gefallen. Allein der Abschied vom überkommenen Preußen stand aufgrund der historischen Erfahrungen außer Frage. Die Zerschlagung des militaristischen Preußens war geradezu ein Hauptanliegen der Mächte bei der Konferenz in Potsdam. Darüber hinaus war der Ausgang der territorialen Gliederung offen. Klar war hingegen ebenfalls, dass die Deutschen beim Zuschnitt ihrer Länder – und damit auch bei der Entscheidung für Nordrhein-Westfalen – kaum gefragt wurden. NRW ist eine britische Erfindung.
Trizonesien-Song
Mein lieber Freund, mein lieber Freund,
die alten Zeiten sind vorbei,
ob man da lacht, ob man da weint,
die Welt geht weiter, eins, zwei, drei.
Ein kleines Häuflein Diplomaten
macht heut’ die große Politik,
sie schaffen Zonen, ändern Staaten.
Und was ist hier mit uns im Augenblick?
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien, Heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela tschimmelabumm!
Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien, Heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela tschimmelabumm!
Wir sind zwar keine Menschenfresser,
doch wir küssen umso besser.
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien, Heidi-tschimmela-tschimmela-tschimmela tschimmelabumm!
Kolumbus fand Amerika,
ein neuer Erdteil ward entdeckt.
Was Marco Polo alles sah,
wurd’ dann von der Kultur beleckt.
Swen Hedin war am Himalaja,
er schritt durch heißen Wüstensand.
Am Nordpol stand Amundsens Heija,
doch uns hat keiner je zuvor gekannt:
Wir sind die Eingeborenen (…)
Doch fremder Mann, damit du’s weißt,
ein Trizonesier hat Humor,
er hat Kultur, er hat auch Geist,
darin macht keiner ihm was vor.
Selbst Goethe stammt aus Trizonesien,
Beethovens Wiege ist bekannt.
Nein, so was gibt’s nicht in Chinesien,
darum sind wir auch stolz auf unser Land:
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien (…)
Trizonesien-Song. Text und Musik: Karl Berbuer © by Karl Berbuer Musikverlag GmbH & Co. KG, Frankfurt/Main. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Berbuer Musikverlag GmbH und Co. KG, Frankfurt am Main.

Restpreußen im Westen – Wiederaufbau oder Abrechnung?

Die Briten hatten mehrere Optionen. So schlug der Chef des German Control Office vor, zwei kleine Länder – also Rheinland und Westfalen – zu begründen. Denn die Gefahr eines neuen „Preußen im Westen“ mit 60 Prozent der Bevölkerung im britischen Sektor und einer entsprechenden Dominanz im künftigen Deutschland wurde immer noch als Bedrohung angesehen. Andererseits wollte man aus der jüngeren Geschichte lernen. Insbesondere den Fehler der Demütigung Deutschlands durch überzogene Reparationsforderungen – wie nach dem Vertrag von Versailles – wollte man nicht noch einmal begehen. Das war einer der Gründe, warum der amerikanische Morgenthau-Plan und andere Absichten zur radikalen Abrechnung mit Deutschland nicht weiter verfolgt wurden. Im Übrigen war den Briten, die mit dem Hungerwinter 1946 selbst eine Schreckenszeit erlebten, nur allzu klar, dass ein wirtschaftlich am Boden liegendes Deutschland zur ökonomischen Belastung für die Westmächte werden würde.
Für die Briten gab es also drei Gründe, sich für einen Wiederaufbau im Rheinland und in Westfalen als doppelter Heimat des industriell so wichtigen Ruhrgebiets einzusetzen. Erstens wollte und konnte Großbritannien nicht länger für den Unterhalt seiner besetzten Regionen sorgen. Zweitens sollte aus humanitären und auch aus politisch-strategischen Erwägungen das deutsche Volk nicht ohne Hoffnung im Zustand der Armut und des Hungers belassen werden. Und drittens hatten die Briten, mehr noch die Amerikaner, das Sendungsbewusstsein, ihr politisches und gesellschaftliches System der liberalen Demokratie auf Deutschland zu übertragen, um für immer einen „deutschen Sonderweg“ auszuschließen. Schließlich zeichnete sich längst ab, dass die Sowjetu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Danksagung
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Einleitung: Ein Land entdeckt sich selbst
  7. Teil I Ein Land findet seine Identität
  8. Teil II Ein Land regiert sich selbst
  9. Teil III Ein Land entdeckt seine Potenziale
  10. Teil IV Ein Land bildet sich
  11. Teil V Ein Land verflochten mit Berlin und Brüssel
  12. Ausblick: Ein Land blickt nach vorn
  13. Lesehinweise