
eBook - ePub
FM4 Wortlaut 18. Sterne
Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb
- 152 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
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FM4 Wortlaut 18. Sterne
Der FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb
Über dieses Buch
FM4 bietet Nachwuchsautor*innen und allen, die Lust am Geschichtenschreiben haben, die Chance, sich in kurzer Form literarisch über das Thema "STERNE" auszulassen. Die redaktionelle Vorjury wählt aus den cirka 800 Einreichungen 20 aus, die an die hochkarätige Jury weitergegeben werden. Diese kürt dann die Gewinner*innen, die zehn besten Texte schaffen es in die Anthologie Wortlaut 18.Mit Texten von: Stefan Adrian, Katherina Braschel, Anna Felnhofer, Barbara Kadletz, Lilian Loke, Roman Markus, Nikolaus Neu, Agnes Ofner, Mercedes Spannagel, Claire Walka
Häufig gestellte Fragen
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Information
gybym!

Foto: Gregor Hohenberg
Stefan Adrian wuchs im burgenländischen Seewinkel auf, in Sichtweite des geologisch tiefst gemessenen Punkt Österreichs. Nach der Matura schloss er einige Studien in Wien nicht ab und zog kurz nach dem Millennium nach Berlin. Dort lebt er seither als freier Autor, u.a. erfolgte 2014 die Veröffentlichung des E-Book-Romans Bluffen.
https://www.mikrotext.de/book/stefan-adrian-bluffen-ein-roman/
In manchen Momenten finde ich das Ganze nicht der Rede wert; empfinde es als Laune des Schicksals, als temporären Witz.
In anderen Momenten merke ich, wie weit abgedriftet ich bin; wie abgefuckt ich in Wahrheit bin.
Mein Kunde sitzt mir gegenüber, peinlich berührt. Kunde ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber ich habe noch keinen besseren gefunden.
„Wir machen es hinter dem Komplex“, erkläre ich. „Die Straße ist ruhig, dunkel und wenig befahren.“
Ich zeige ihm die Stelle auf Google Earth. Wir duzen uns, das schafft Vertrauen. Die meisten Kunden sind in meinem Alter, zum Teil auch jünger. Ich hatte gedacht, dass es eher ältere Männer sein würden, die meinen Service in Anspruch nehmen, Typen im mittleren Management, die Frauen beeindrucken wollten, aber sich weder chice Anzüge noch extravagante Ausflüge leisten konnten.
Turned out: Die meisten waren so wie der, der mir gegenübersitzt: gebildet, liberale Weltanschauung, vermeintlich tolerant; nicht mehr ganz jung, noch lange nicht alt, aber erschöpft vom Tempomachen oder vom Tempohalten und vor allem von der Tatsache, dass immer jemand schneller war – kein Wunder, dass man jemanden in die Fresse hauen wollte.
„Ich schlage wirklich zu?“, fragt er.
„Ja“, entgegne ich, „in diesen Bereich.“
Ich signalisiere ihm die Gegend meiner linken Brusthälfte mit einer Kreisbewegung.
„Hier habe ich einen Schutz.“
Er überreicht mir zwei Scheine.
„Den Rest per PayPal.“
Das Kino war spärlich besetzt. Es war ein dreckiger Freitag, windig, der Winter, vor dem sich in dieser Stadt schon manche im Sommer fürchteten, warf seine Schatten voraus.
Ich saß in der vorletzten Reihe, um einen Überblick über den Saal zu haben. Mein Kunde kam kurz vor Filmbeginn; seine Begleitung war brünett und freundlich in der Art, wie sie die neben ihnen Sitzenden bat, ihre Taschen von ihren Sitzen zu nehmen. Er strich sich langsam die Jacke vom Körper und ließ beiläufig den Blick über den Raum gleiten. Ich sah die Anspannung in seinem Gesicht. Vielleicht bereute er seine Entscheidung. Vielleicht dachte er, ich würde mich nicht blicken lassen und er sei einem Scherz aufgesessen.
Kein Scherz, dachte ich, sondern mein Leben.
Der Saal verdunkelte sich, die Melodie setzte ein. Der Film handelte von einem melancholischen Killer, dem seine Tätigkeit auf der Seele lastet. Angeödet ging ich aufs Klo und legte mir eine Line auf den Spülkasten.
„Ist teurer geworden“, hatte Robert gesagt. Robert war Künstler gewesen, danach Weinhändler und nun Dealer, der die wichtigste Regel einer Zunft missachtete, in die er spät eingestiegen war: nicht das eigene Zeug zu konsumieren.
„Jeder Künstler will in Wahrheit ein Revolutionär sein, und ein Künstler, der kein Revolutionär sein will, taugt nichts“, war einer der ersten Sätze, die ich von ihm gehört hatte. „Ich bin zu feige, um Revolutionär zu sein, aber nicht so blöde, ein schlechter Künstler zu sein.“
Ich ging in den Saal zurück und sah, wie der Killer in den Showdown stolperte, den er vermutlich nicht überleben würde. Ich lehnte mich zurück. Ein harmonischer Gleichmut legte sich über meine Gedanken. Es ist, wie es ist, dachte ich. Warum der ganze Hustle, die ganzen Fragen. Ich war nicht mehr als ein ganz normaler Kinogänger, sagte ich mir; einer, der hinterher in einer Bar was trinken würde, der nicht dachte, die gute Hälfte des Lebens läge hinter ihm; ich war für einen Augenblick die Person, bevor Zoe weg gegangen war. Ein Schauer rieselte über meinen Nacken.
Nach dem Film leerte sich das Foyer rasch. Übrig blieben kleine Gruppen, die sich nach dem Toilettenbesuch neben dem geschlossenen Imbiss sammelten, hinter dessen Glasscheiben sich Popcorn türmte. Die beiden standen an einem der Stehtische, der ihnen bis zur Brust reichte. Sie hatte ihre Tasche auf den Tisch gepackt und checkte ihr Handy, während sie ein Bein vor das andere geschoben hatte, wie ein Rennpferd, das mit den Hufen scharrte. Ich musterte sie: gepflegte Erscheinung, neues Outfit, mehr H&M als Avantgarde, Medizinerin oder Redakteurin, dachte ich, Anfang bis Mitte dreißig. Er stand daneben, sah mich und wendete sofort den Blick ab.
Ich verließ das Kino und ging die vereinbarte Schleife. Als ich wieder um die Ecke auf die Straße bog, sah ich die beiden auf mich zukommen. Ich verlangsamte mein Tempo, damit ihn mein Rempler nicht umstieß; das käme nicht gut, würde ihm vielleicht den Mut nehmen.
Als die beiden mich auf gleicher Höhe passierten, lehnte ich mich leicht zur Seite und stieß ihn gegen die Schulter.
„He, aufpassen!“, rief er.
„Pass doch selber auf, Idiot!“, entgegnete ich.
Wir standen uns gegenüber.
„Was hast du gesagt?“
„Hast du doch gehört, du Idiot, oder bist du taub?“
Seine Empörung wirkte erstaunlich echt, wahrscheinlich regte er sich öfter auf, als ihm bewusst war. Wie die meisten.
„Warum hängst du mit so einer Pfeife ab?“, blaffte ich in ihre Richtung.
„Lass uns gehen“, sagte sie und zerrte an seinem Arm.
„Wie bitte?“, stieß er mit errötendem Gesicht heraus.
„Wie bitte?“, äffte ich nach und schubste ihn nach hinten. Sie stieß einen kurzen Schrei aus. Ich schubste ihn ein zweites Mal. Manche vergaßen in der Aufregung das Signal, aber er nicht. Schnell wischte er meinen dritten Schlag mit seinem linken Arm zur Seite und schlug mit dem rechten gegen meine linke Flanke. Ich ging zu Boden. Er sprang hinter mich und nahm mich in den Würgegriff.
„Du entschuldigst dich jetzt für deinen Spruch, du Penner!“, sagte er, „wenn ich dich noch einmal sehe, wische ich mit dir den Boden auf.“
„Ent … schul … digung“, stammelte ich hervor.
Sie verfolgte das Schauspiel mit aufgerissenem Mund. Das Display ihres Handys leuchtete beim Erhalt einer Nachricht. So stand sie vor uns in der Dunkelheit, blinkend wie eine Reklametafel in der Nacht. Er ließ von mir ab. Ich blieb liegen, erschöpft nach Atem ringend. Die beiden eilten davon. Ich rappelte mich auf.
Mission accomplished.
Meine Morgen beginnen damit, die Espressomaschine auf den Herd zu stellen, Nachrichten zu checken und meinen PayPal-Account zu überprüfen. gybym.com ist aufgebaut wie die meisten Websiten, die einen Dienst anbieten: leicht verständlich, in drei simplen Schritten zum individuellen Gebrauch bereit. Keine Anmeldung erforderlich, diskrete Nachrichten, Zahlung per PayPal. Ich verdiene genug, dass ich davon leben kann. Nicht auf großem Fuß, aber ich vermeide den Schritt auf das Arbeitsamt. Ich bin der Punching-Bag für Typen, die in ihrem Leben jedem Konflikt aus dem Weg gegangen sind, bin die Fata Morgana einer Stärke, von der sie glauben, sie immer besessen zu haben. Es ist erstaunlich, wie viele Männer vor ihren Frauen angeben wollen, oder andersrum: wie viele Männer glauben, sich beweisen zu müssen, dass sie keine Softies sind. Ich bin vermutlich nur ein Symptom für eine Entwicklung; für eine generelle Verweichlichung, für die Auflösung der Geschlechterrollen; dafür, dass wir alle überfordert sind und uns das nicht eingestehen.
Ich treffe meine Kunden in einem Café ihrer Wahl und denke mir Modelle aus, die zu ihrer Persönlichkeit passen. Ich lasse sie Sätze einstudieren wie „Du denkst vielleicht, du hast es mit jemanden zu tun, der das Geräusch eines brechenden Knochen nicht kennt – falsch gedacht“ oder „Alter, ich hoffe, du hast nicht nur eine Display-Versicherung für dein iPhone, sondern auch für deine Zähne, denn gleich knackst es!“
Ich glaube, diese Sprüche zu sagen, befreit sie mehr als die Tatsache, ihre Frauen mit einer anderen Seite von sich zu überraschen. Manche bekommen förmlich ein Leuchten in den Augen, und ich denke, sie würden auch das Dreifache bezahlen.
Die Aufträge steigen jedenfalls. Vielleicht wird es doch noch etwas mit dem Haus im Süden, so wie ich es mit Zoe geplant hatte.
Nur eben ohne Zoe. Wir waren auf Kurs gewesen, hatte ich immer angenommen, bis ich eines Tages eine Nachricht auf ihrem Display aufpoppen sah: Denke die ganze Zeit an dich.
Popp.
Popp.
Popp.
Sie habe sich in einen Kollegen verliebt; denke sie zumindest, sie wisse es nicht genau.
„Ich brauche Zeit“, sagte sie.
Sportler sagen häufig, sie hätten im Augenblick einer Verletzung ein Geräusch gehört; ein Schnappen, mit dem sich der Meniskus verabschiedet. Bei mir war es in dem Moment ähnlich. Ich konnte dieses Schnappen hören, es war aber nicht mein Meniskus.
Die Überweisung auf PayPal ist eingetroffen.
Mein neuer Kunde ist Patrick. Er sitzt mir gegenüber und versucht, mich zu ergründen. Um meinen Kunden die Scham zu nehmen, einen abartigen Schritt zu tun, den ich verkörpere, walke ich sie mit Vergleichen weich; das Ganze sei eigentlich eine Art Katharsis, sage ich, ein Theaterstück im Alltag, ein Door Opener der Persönlichkeit – viele meiner Kunden hätten mir danach geschrieben, wie befreiend die Aktion gewesen sei.
„Es gibt drei Stufen der Eskalation“, erkläre ich, „rempeln, schubsen, schlagen.“
Manchmal erinnern mich meine Worte an vergangene Präsentationen; an Momente, in denen ich meine Person verkauft, mich verausgabt, beschleunigt oder reduziert habe. Irgendwann hatte ich genug; genug davon, mich jeden Morgen auf ein Optimum zuzuspitzen wie einen Bleistift, der am Ende des Tages plattgeschrieben in der Supermarktschlange stand.
„Du hast dich verändert“, hatte Zoe gesagt.
„Ich habe es durchschaut“, hatte ich geantwortet.
Patrick jedenfalls braucht Veränderung. Jeder meiner Kunden braucht Veränderung, und manchmal glaube ich tatsächlich: Ich bin der erste Schritt dahin. Ich tue tatsächlich etwas Gutes. Jeder, der mir eine verpasst, verwandelt sich, durchbricht etwas, stülpt seine Aggression nach außen und lässt sie gehen; möglicherweise hält es ihn davon ab, Araber, Türken oder Chinesen zu hassen, sich in der Arbeit weiter unterbuttern zu lassen oder um drei Uhr morge...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Zita Bereuter, Claudia Czesch: Nach Sternen greifen
- Lucy Fricke: Nach Stapeln greifen
- Mercedes Spannagel: Jo und ich bilden uns einen Hund ein und gehen mit ihm spazieren
- Barbara Kadletz: Kalte Sterne
- Lilian Loke: Auf Jupiter regnet es Diamanten
- Stefan Adrian: gybym!
- Katherina Braschel: solangehierunterwegsgewesen
- Anna Felnhofer: Parallaxe
- Roman Markus: Meyer
- Nikolaus Neu: Supernova
- Agnes Ofner: 107.000 km/h
- Claire Walka: Livability
- Zita Bereuter, Claudia Czesch