Kapitel 1
Einstieg in die
Blitzfotografie
Klären wir zuerst, was ein Blitz ist und wie er uns zu gut belichteten und packenden Bildern verhilft. Zu Beginn müssen wir ein paar Begrifflichkeiten klären. Für uns wichtig sind diese Anwendungen:
- »Blitz« (1): elektrisches Gerät, das bei Auslösung einen kurzen Lichtimpuls erzeugt
- »Blitz« (2): der Lichtimpuls selbst, den das Gerät erzeugt
- »blitzen«: das Beleuchten eines Motivs
Allein diese drei Varianten verwirren schon. Und manche Hersteller verwenden noch ihre eigenen Namen. Canon nennt die hauseigenen Blitze »Speedlite«, Nikon nennt sie »Speedlight«. Wir verzichten auf diese Herstellerbezeichnungen und reden von »Blitz« oder »blitzen«, wenn wir das Gerät meinen, das Licht des Geräts oder den Vorgang des Beleuchtens. Sie erkennen die Bedeutung allemal aus dem Zusammenhang.
Warum reden die Hersteller von »Speedlites« und »Speedlights«, was hat es mit »Speed« (Geschwindigkeit) auf sich? Diese modernen, kleinen Blitzgeräte produzieren viel kürzere und hellere Lichtstöße als die Blitzbirnen vergangener Jahrzehnte. Anders als diese Blitzbirnen liefern moderne Blitzgeräte viel Licht in winzigsten Sekundenbruchteilen und werden dabei nicht einmal sehr heiß.
Commander oder Master
Mit »entfesseltem« oder »drahtlosem« Blitzen lassen sich hervorragende Naturfotos machen. Der Blitz sitzt dann nicht auf der Kamera und ist auch nicht per Kabel verbunden. Setups mit mehreren Blitzen lassen sich so leichter einrichten. Außerdem vermeiden Sie Stolpergefahren und allgemeines Chaos durch herumliegende Kabel. Die Kamera steuert die entfesselten Blitze über ein »Commander«- oder »Master«-Gerät.
Die zwei großen Hersteller drücken sich hier wieder einmal unterschiedlich aus. Sie brauchen eine Steuerungseinheit, die optische oder Funksignale an drahtlose, entfesselte Blitze schickt. Im Englischen bezeichnet Nikon in die Kamera eingebaute wie auch externe Blitzsteuerungsgeräte als »Commander«, im Deutschen als »Fernsteuerungseinheit«. Canon redet dagegen von »Master« oder »Transmitter«. Die empfangenden, ferngesteuerten Blitzgeräte heißen bei Nikon »Remote-Blitz« und bei Canon »Slave-Blitz«.
Im alltäglichen Gespräch unter Fotografen ist gleichermaßen von »Steuerungseinheit«, »Master-Gerät« oder »Commander« die Rede, ebenso wie sich die Begriffe »Slave« und »Remote« austauschen ließen. Ich rede in diesem Buch durchgängig von »Master« und »Slave«. Nur wenn es speziell um Nikon geht, sage ich »Remote-Blitz«, um nicht von der Terminologie Ihres Nikon-Handbuchs abzuweichen.
Eine Lichtquelle, die wir kontrollieren
Mit jeder Auslösung liefern unsere Blitzgeräte einen kräftigen Lichtstoß. Sie arbeiten enorm sicher und zuverlässig.
Mit seiner Farbtemperatur von 5500 Kelvin (abgekürzt 5500 K) ähnelt Blitzlicht der Mittagssonne. Und tatsächlich ist das Blitzgerät wie eine kleine Sonne, dessen Licht wir mit Farbfolien nach Bedarf einfärben (etwa wenn die Farbtemperatur bei Sonnenuntergang sinkt oder bei künstlichem Licht mit höherem Blauanteil steigt).
Auf Unbekanntes reagieren wir meist mit Unbehagen: Wir merken das schon, wenn unsere Kursteilnehmer erstmalig ihren Blitz auspacken sollen. Empfehlen wir dann noch, den Blitz als Gegenlicht hinter einer Blüte zu platzieren, wächst die Anspannung zusätzlich. Nach etwas gutem Zureden holen unsere Teilnehmer ein Blitzkabel heraus, um den Blitz von der Kamera trennen zu können. Meist stellt sich dann heraus, dass die Kamera auch einen kleinen eingebauten Blitz besitzt – und der eignet sich auch als Blitzsteuergerät. Wir legen den Teilnehmern dann das schon eingebaute, drahtlose Blitzsteuerungs-system ans Herz, von dem sie bisher kaum etwas ahnten. Doch sie sträuben sich wieder! Aber mit ein bisschen Nachdruck und Anleitung bringen sie den eingebauten Klappblitz doch in den Master-Modus und richten den externen Blitz als Slave ein (und wundern sich, wie leicht das geht). Und schon nach einer Stunde nutzen sie ihr drahtloses Blitzsystem ganz routiniert und beginnen mit fortgeschrittenen Techniken.
Naturfotografen greifen viel zu selten zum Blitz; sie erkennen einfach nicht, wie das Blitzgerät zu viel attraktiveren Aufnahmen verhilft. Hier ein paar Beispiele: An einem bewölkten Tag fotografierte ich die Thermalquelle Grand Prismatic Spring im Yellowstone-Nationalpark (siehe die nächste Seite). Dort tummelten sich etwa 20 Fotografen, doch nur ich allein arbeitete mit Blitz – ein Fotograf fragte sogar verwirrt, was ich mit dem Blitz anstelle. Ich zeigte ihm mein Ergebnis auf dem Kameramonitor und er war begeistert. Er selbst konnte jedoch kein ähnliches Bild aufnehmen: Er hatte kein externes Blitzgerät dabei und sein eingebauter Kamerablitz war zu schwach.
Wasserfälle sind ein besonders beliebtes Motiv. Aber wird dort jemals geblitzt? Manche Fotografen fürchten sich fast schon vor der Dunkelheit, denn bald nach Sonnenuntergang packen sie alles zusammen und verschwinden. Ich aber bringe meine Blitzgeräte zum Einsatz. Tatsächlich entstehen 35 Prozent meiner Landschaftsbilder mit Blitz. Stellen Sie sich einen Schmetterling vor, der an einem kalten Morgen auf einer Blüte sitzt. Die meisten Fotografen verwenden hier Umgebungslicht, ein Makroobjektiv und ein Stativ, das beim Bildaufbau und gegen Verwacklung hilft. All das habe ich auch dabei, aber fast immer mische ich das Sonnenlicht auch mit Blitzlicht, speziell bei Nahaufnahmen.
Sicher fragen Sie sich, warum ich in diesen Situationen so oft zum Blitz greife. Der bedeckte Himmel am Grand Prismatic Spring lieferte nur flaches, langweiliges Licht. Ich hatte zwar die Wasserspiegelungen im Vordergrund bereits mit einem Polfilter entfernt, aber der weiße Himmel blieb reizlos. Ein dunkelgrauer Himmel, durchbrochen nur von einem einzelnen warmen Sonnenstrahl in Richtung Abflussbereich – das wäre eine tolle Beleuchtung. Ich arbeitete ja mit einem Weitwinkelobjektiv und der Vordergrund war nur ein paar Meter entfernt, also konnte ich die gewünschte Lichtstimmung per Blitz simulieren. Das Tageslicht habe ich zwei Blenden unterbelichtet, so wurde der Himmel dunkelgrau. Per Blitz entstand dann der kräftige Sonnenstrahl für den Vordergrund. Der Blitz kehrte also das Lichtverhältnis um: Statt eines dunklen Vordergrunds vor weißem Himmel erhielt ich einen hellen Vordergrund mit dunklem Hintergrund!
Stellen Sie sich vor, Sie fotografieren einen Wasserfall per Langzeitbelichtung mit einer Mischung aus natürlichem Licht und Blitzlicht. Die lange Belichtung verwischt das Wasser, während der Blitz einige Tropfen im Flug einfriert; insgesamt wirkt Ihr Bild damit »nasser«. Oder denken Sie an einen Nachthimmel voller Sterne. Belichten Sie auf die Sterne und machen Sie den Vordergrund mit dem Blitz sichtbar. Und was unseren Schmetterling angeht: Das Umgebungslicht ist gar nicht übel. Aber belichten Sie einmal leicht unter und betonen Sie die Struktur des Flügels durch ein geblitztes Streiflicht – das ist viel besser. Manchmal positioniere ich den Blitz auch als Gegenlicht hinter dem Schmetterling und arbeite so die Konturen heraus. In beiden Fällen wirkt das Insekt plastischer, dreidimensionaler.
a) Die Strukturen am Grand Prismatic Spring bilden einen reizvollen Vordergrund. Doch an einem kalten und bedeckten Tag bleiben sie unscheinbar. (Canon 5D Mark III, 28 mm, ISO 500, f/11, 1/60 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuelle Belichtung.)
b) John wartete vergeblich auf einen Sonnenstrahl, der den Vordergrund aufhellt. Also erzeugte er eine Doppelbelichtung mit seinem Canon-Blitz 600EX-RT und einem 1/2-CTO-Orangefilter. Er zoomte den Blitzkopf erst auf etwa 50 mm, um den allernächsten Vordergrund aufzuhellen. Bei der zweiten Belichtung zoomte er auf 200 mm für die etwas weiter entfernten Bodenstrukturen. Die Landschaft selbst wurde unterbelichtet, sodass der Himmel dunkel und bedrohlich erscheint. (Canon 600EX-RT ausgelöst mit Zoompositionen 50 und 200 mm und manueller Einstellung, damit sich die volle Blitzkraft entfaltet. Master: die Funkfernsteuerung Canon ST-E3-RT.)
a) Der Zweischwänzige Tigerschwalbenschwanz zählt zu Amerikas größten Schmetterlingen, hier von vorn geblitzt mit einem Nikon SB-800. (Nikon D4, 200-mm-Microobjektiv, ISO 200, f/22, 1/6 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuell belichtet auf Umgebungslicht, TTL-Blitzsteuerung.)
b) Drahtlos geblitzt, liefert der SB-800 hier ein Streiflicht, das die Struktur der Schmetterlingsflügel herausarbeitet.
c) Von der Rückseite geblitzt, entsteht ein attraktives Gegenlicht.
Der Blitz ist in der Naturfotografie so wertvoll, weil er so viele Beleuchtungsprobleme löst. Vor allem erzeugt der Blitz eine attraktive Beleuchtung, wenn das Umgebungslicht sonst eher banal wirkt. Hier sind acht gute Gründe, warum Sie auch draußen bei Tageslicht blitzen sollten:
- Gesteigerte Helligkeit, um tiefe Schatten zu vermeiden – der typische Aufhellblitz
- Haupt-Lichtquelle für das Hauptmotiv, das Umgebungslicht unterstützt nur
- Einzige Lichtquelle für das Hauptmotiv – ohne Umgebungslicht
- Eine sonst zu dunkle Bildregion aufhellen für insgesamt ausgewogene Belichtung aller Bildteile
- Die Farben von Hauptmotiv oder Hintergrund verbessern
- Schärfere Aufnahme erzeugen
- Hauptmotiv in Gegenlicht oder Streiflicht zeigen
- Schnelle Bewegungen einfrieren, etwa den Flügelschlag eines Kolibris
Effektiver Blitzeinsatz
Fast immer sollten Sie Blitzlicht und Umgebungslicht mischen. So vermeiden Sie das harte, kontrastreiche Licht eines entfesselten Blitzes oder das flache Licht eines Blitzgeräts an der Kamera. Man sieht allerdings zu viele schlechte Blitzfotos – kein Wunder also, dass viele Fotografen die Blitzfunktion ganz meiden. Manche mühen sich mit der Belichtung auf die Umgebung ab, andere ringen mit der Blitzbelichtung. Beide Lichtquellen in einem Bild, das klingt dann noch komplizierter – aber so ist es nicht, wenn Sie zwei Dinge beachten:
- 1. Fotografieren Sie ohne Blitz und belichten Sie korrekt auf die Umgebung. Wenn nötig, wiederholen Sie die Aufnahme mit korrigierten Werten.
- 2. Jetzt nehmen Sie den Blitz dazu. Wiederholen Sie auch diese Aufnahme nach Bedarf mit angepassten Werten.
Blitzlicht-Einsteiger fotografieren oft auf Anhieb mit Blitz. Doch wenn schon die erste Aufnahme Umgebungslicht und Blitzlicht mischt, lässt sie sich nur schwer gezielt korrigieren. Vielleicht sehen Sie nach Bild 1 die ge...