Dienstmädchen und Direktricen
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Dienstmädchen und Direktricen

Roman

  1. 144 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Dienstmädchen und Direktricen

Roman

Über dieses Buch

Das Berlin unserer Tage ist das ideale Gelände für die Planspiele der Phantasie. Ein Staatsstreich, ein Tag X - und die Uhren laufen zurück oder vor in eine andere Zeit? Das Hotel Zum goldenen Strand ist ein Ort, der die merkwürdigsten Gestalten aus dem ganzen politischen Spektrum anlockt und von dem ein möglicher Staatsstreich ausgehen könnte.

Häufig gestellte Fragen

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Information

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Erstes Kapitel

Nach siebzehn Uhr, an Werktagen, kamen die Blondinen. Sie kamen einzeln, überquerten die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten, sie liefen schneller oder langsamer, doch immer so, als würden sie verfolgt oder erwartet, sie verzögerten oder beschleunigten den Schritt, als wüßten sie nicht, was ihnen lieber wäre, verfolgt oder erwartet zu werden. Einige verschwanden in den Eingängen zur Untergrundbahn, andere in Haustüren, die meisten aber liefen wie um die Wette, wobei sie dann und wann auf ihre Armbanduhren schauten, die ihnen genügend oder zu wenig Zeit einräumten, Anschlußzüge zu erreichen oder Abmachungen einzuhalten. Keine stieg in ein Auto, in ein Taxi. Ihr Alter war unbestimmt; die Art, ihr Haar zu tragen oder zu färben, machte sie alterslos. Ich liebte, am Fenster meiner Wohnung in der fünften Etage stehend, die ganz Jungen, in ihrer herausfordernden Körpersprache, in der gewissen Gleichgültigkeit, wohin der Weg sie führte, abgelenkt auch von den Signalen ihres eigenen Körpers, dem Schmerz in den Brüsten, der Unruhe vorzeitiger Regel. Sie bewegten die Lippen, als kauten sie Gummi, lutschten Bonbons oder als sängen sie nur so vor sich hin, und wer immer ihren Weg kreuzte, wurde übersehen. Vor den Auslagen blieben sie zuweilen stehen, und vor den Eingängen der Kinos zögerten sie eine Weile, ob sie sich die Fotos in den Glaskästen und im Kassenraum ansehen sollten.
Warum warte ich jeden Tag auf die Wiederholung ihrer flüchtigen Erscheinungen? Der Beobachter, heißt es, sieht nichts? Unsinn, er blickt in seine eigene Geschichte.
Allah möge mir meinen Mord verzeihen, es war ein Mord aus Liebe, und dazu an einer Ungläubigen. Aber – woran wird auch sie geglaubt haben, wenn nicht an die Liebe? An eine Karriere als Schlagersängerin, Model, Geliebte eines Moguls? All das habe ich ihr versprochen, und es war Lüge. Was mich interessierte, war ihre zarte sommersprossige Haut, ihre sich widerstrebend öffnende blond gelockte Scham. Der Liebesmord im Affekt ist die größte Huldigung des Mannes an die Schönheit und Einmaligkeit der Frau. Ein Satz, der im Koran stehen sollte. Ich fürchte, er steht höchstens in den Aufklärungsbüchern der Christen am Beginn ihrer sexuellen Emanzipation, oder wie immer sie den Zustand der Hemmungslosigkeit nennen, an dem wir heute zugrunde gehen. Die Normalität ist Konsum, verlogene Welt, Diktatur des Mannes über das Weib, wie in unseren, oder Diktatur der Frau über den Mann wie in den angelsächsischen Ländern.
Nach siebzehn Uhr stehe ich am Fenster. Ich sehe, ich wähle aus, ich berausche mich am Licht über den feinen, von ihren Friseusen modellierten Köpfchen, ich erkenne ihren Willen, sich einer Mode untertan zu machen, ich beuge mich aus dem Fenster; gewiß, ich kann mich beherrschen, ich bin kein pfeifender Halbstarker, nur meine Sehnsucht wächst von Tag zu Tag, diese vom Teufel oder von Gott uns gegebene Ergänzung zu unserem spröden Fleisch wieder in Händen halten zu können, ihr Stöhnen zu hören, ihre Säfte um meine Finger zu spüren, endlich mein Glied in ihre Spalte einführen zu können, und möge es ihr schmerzhaft sein –, und im Höhepunkt der Ekstase meine Hände um ihren Hals zu legen.
Meine Geduld wird belohnt. Jetzt kommen sie, auf die ich gewartet habe, die drei Schwestern – sind es Schwestern? –, die auf der anderen Straßenseite das Hotel gekauft haben, die Ruine, für eine Mark zu haben, die abgewickelte Entbindungsstation einer anderen Zeit, für 15 Millionen Euro Bankkredit zum Hotel hochzupäppeln, sofern man fünf Millionen flüssig hat. Sie wissen nicht, die blonden Damen aus der Ukraine, aus Bulgarien oder Moldawien, daß ich ihnen das Geld flüssig gemacht habe, oder genauer meine Auftraggeber.
Die Jüngste heißt Laura. Woher ich das weiß? Womöglich habe ich die Gespräche mit ihren Schulfreundinnen belauscht. Die Namen der beiden anderen sind zum Verwechseln, wie ihre Gestalt; denn wer ist Ira und wer Irina? Sie rufen sich beim Namen in ihren unbekümmerten Gesprächen von einer Straßenseite zur andern. Seit Tagen beobachte ich Lauras Gänge durch die Stadt, und wie sie von ihren Verwandten mit Aufträgen ausgebeutet wird.

Zweites Kapitel

Einst gab es Krieg zwischen den Hellen und den Dunklen. Es gibt diesen Krieg noch immer. Nur in einer neuen, kaschierten Form. Die Verwandlung der Braunen und Schwarzen in den hellen Schein der Verführung, der Herrschaft, der Oberklasse – alles eine Frage der Chemie und der richtigen Tinktur. Die Blonden überleben, sagt man in Israel. Gibt es eine Norm für blonde Frauen? Jede Tönung ist anders, wie das Licht, das im Laufe des Tages zu- oder abnimmt. Es ist die Farbe des Erfolgs, in der Liebe, in der Macht, womöglich eine Erfindung des Schwarz-Weiß-Films – die Farbe der Garbo, Sieg des Göttlichen in den Studios von Hollywood, Farbe der Verführung in den Bildern einer Tamara de Lempicka und in diesem verhangenen Berlin die Farbe der Zuversicht, welche die Zuversicht der Werbung ist.
Laura auf ihren Wegen durch die Stadt entdeckt die Friseursalons, in die man sie nicht schickt. Sie hat ihre Aufträge in den Kaufhallen zu erfüllen, in diesen Paradiesgärten und Oasen der Steinwüste. Ihre Schwestern, oder wer immer sie sind – das Komitee hüllt sich in Schweigen –, sind dabei, ein Hotel einzurichten, 80 Betten, schätze ich, da braucht es Bettwäsche, Matratzen, Decken. Es soll ein einfaches Hotel werden, eher ein Landgasthaus für Durchreisende. Am Ende werden sich die Völker hier einnisten, deren Vorboten die drei Frauen sind, man wird die Küche und ihre Angebote danach ausrichten müssen, die Mehlspeisen und Borschtschsuppen des Ostens anbieten, den Hammelbraten des Orients und die Süßspeisen des Südens für den Schluß einer abgerundeten Mahlzeit, und wer wird den Kaffee so zubereiten, wie man ihn in Lissabon, Istanbul oder Odessa trinkt?
Mein Auftrag wird sein, mich bei der Auswahl der Köchinnen, Köche, Zimmermädchen und Putzfrauen nützlich zu machen, um künftige Bastionen ausbauen zu können, denn auf die Gäste wird am Tag X kein Verlaß sein.
Noch ist diese künftige Herberge zwischen Park und Stadtbahn eine Ruine. Einst mischten sich die Schreie der Frauen und der Kinder hier mit den Sirenen der Stadtbahn. Wie viele Kinder kamen hier zur Welt: Irgendwo wird es vermerkt sein. Wird man die Bettgestelle der Wöchnerinnen gebrauchen können? Wohl kaum. Von meinem Fenster aus beobachte ich die Entrümpelungsaktion, von Ira und Irina angeleitet, beide in Overalls steckend. Sind es Schwestern oder Mutter und Tochter?
Meine Auftraggeber kümmern sich nicht um derlei Feinheiten. Mit Sorge kalkuliere ich, daß am Ende der Kredit nicht reichen wird und der ganze Kasten aussieht, wie aus einer Sofioter Vorstadt hergeholt, gemütlich und von Wein- und Knoblauchschwaden durchzogen, aber es wird nicht das sein, was sich die Zugezogenen unter westlichen Verhältnissen vorgestellt haben, zumindest die Bar im Foyer muß mit Spiegelglas und einer Batterie Flaschen blenden, und sei es, daß man die Flaschen mit gefärbtem Wasser füllt, und die Werbetableaus müssen viel nacktes Fleisch zeigen und strahlende Blondinen, die Gläser mit diesem blonden deutschen Bier hochhalten.
Zu überlegen wäre, in Absprache mit meinen Auftraggebern, ob ich mich nicht als Installateur anbieten sollte, an statt Laura nachzustellen und die Aufmerksamkeit von Kaufhausdetektiven und verkappten Polizisten zu erregen. In diesem Land, wo Kinder mehr als sonst auf der Welt von ihren Eltern mißhandelt werden, hat die Polizei ein besonders scharfes Auge auf jeden einsamen Passanten gerichtet, zumal auf einen, der wie ich seine dunkle Herkunft nicht verbergen kann. Und so wechsle ich die Straßenseite, wenn ich Laura aus einem Kaufhaus kommen sehe, mit Prospekten und Werbematerial beladen, und ich drehe mich um, schaue ins nächste Schaufenster, um ihr Spiegelbild zu erhaschen und zu sehen, in welche Richtung sie jetzt geht.

Drittes Kapitel

Suchen Sie Arbeit? Ich stehe in dem zugigen Durchgang zwischen Straße und Hinterhof. Ich lasse mir Zeit mit der Antwort. Die Frage ist auf deutsch gestellt worden, vielleicht, daß sie in einer anderen Sprache wiederholt wird, welche die Nationalität der Frau preisgibt. Die Frau trägt ihren Overall, dazu einen Turban um das strähnige Blondhaar gewickelt, es muß Irina sein, und ich könnte meinen Namen nennen, um sie zu nötigen, den ihren zu nennen. Aber Irrtum, ich schweige, und sie wird ihren Namen nicht nennen, sie ist die Chefin, die künftige Direktrice. Ich starre sie an, tauche frech in diese sehr kalten blauen Augen, in diesen Raubtierblick, die ganze Gestalt hat etwas maskulin Sportliches, eine Leichtathletin, die in Sofia oder wo sie herkommt ein paar Medaillen gewonnen und das vergoldete Blech für die Fahrkarte nach Deutschland angelegt hat, im Verkauf an einen Sammler.
Ja, sage ich, ich suche Arbeit.
Was können Sie? fragt Irina, und ihr Blick bleibt hart, und ich merke, ich muß auf der Hut sein, sie hat das Mißtrauen eines Mannes, die Chefin, keine Frau. Würde bei dieser Frage, Was können Sie, nicht mit ihren Gedanken abschweifen, ihre Phantasie eine Weile aus den Augen schauen lassen, die sich zu einem Blinzeln verführen lassen würden, zum sekundenlangen Öffnen eines Türspalts.
Alles, sage ich und schaue mich noch einmal um.
Anpacken, sagt sie, hier geht es zunächst um Dreck, Schutt und Müll, es ist unglaublich, was wir hier alles gefunden haben.
Und bezahlt haben, sage ich, den Müll bezahlt haben. Vielleicht ließe sich einiges verkaufen, die Deutschen sind groß im Verwenden von Ersatz, das, was man heute Recycling nennt.
Versuchen Sie’s mal, sagt sie, und Sie sind unser Mann.
Ich lache und halte ihr die Hand hin, die sie zögernd annimmt.
Ich heiße Irina, sagt sie.
Ich heiße Achmed, sage ich. Es ist der erste Name, der mir ohne nachzudenken einfällt.
Marokkaner? fragt sie.
Ja, aber aus Ceuta.
Also Spanier, sagt sie.
In gewisser Weise, wie meine Vorfahren. Bis man uns vertrieb.
Also sind wir beide Emigranten, sagt sie, und merkt, daß sie zu weit gegangen ist mit diesen Geständnissen. Zum Glück kommen jetzt einige der Arbeiter, die sie zum Entrümpeln angestellt hat, und ich kann ihnen zu Hilfe eilen und mich nützlich machen und die zerbrochenen Möbelstücke hinaustragen und auf den Lastwagen packen.
Ich spüre ihre Blicke und hoffe, sie denkt, daß sie mir soviel Geschicklichkeit und Muskelkraft nicht zugetraut hätte. Sie nickt mir zu, und ich nehme es als Unterschrift zu einem Vertrag, den wir nicht eingehen werden.
Um die Mittagszeit kaufe ich beim Türken über der Straße ein paar Kleinigkeiten, um sie zum Essen einzuladen, in der Hoffnung, die anderen beiden Damen des Hauses zu sehen. Irina greift zu, beißt in das belegte Fladenbrot und nimmt die angesäuerte Milch. Die beiden anderen bleiben unsichtbar.
Sie denken an alles, sagt sie.
Immer, sage ich und besorge uns zwei Klappstühle, die ich so aufstelle, daß wir uns gegenübersitzen. Ihre langen Beine kommen erst jetzt zur Geltung, auf diesem niedrigen Stühlchen sitzend. Fast stoßen wir uns mit den Knien an, und ich rücke, Gentleman, der ich bin, mit meinem Sitz ein wenig zurück.

Viertes Kapitel

Meine Wohnung aufzugeben, wird mir nicht erlaubt. Sie ist der ideale Beobachtungsposten, jeder Rückzug von meiner Seite wäre Fahnenflucht, und meine Argumente ziehen nicht, ich sei im Hotel gleichsam im Innern der feindlichen Festung und sozusagen hinter den Linien. Wer spricht von feindlicher Festung? Es geht den Auftraggebern um eine Immobilie, und meine Gedanken behalte ich für mich, daß in heutiger Zeit Geschäft Krieg ist und Krieg Geschäft. Angeboten hatte mir die Chefin, die Prinzipalin, eine Kammer unterm Dach des künftigen Hotels, eine Kammer, wie sie in Zukunft den Dienstboten des Hauses eingeräumt werden wird, und das hätte ein längeres Zusammensein ermöglicht und ein Kennenlernen der anderen beiden Damen, von denen ich jetzt wei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
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  7. Impressum