Ausgewählte Dokumente
1904-1913
»Inzwischen küsse ich Dich noch einmal mit der Feder«
(Änne Wolff an Theodor Wolff, 21. Juli 1904)
Theodor Fontane schreibt an Theodor Wolff
Zillerthal (Schlesien), Villa Gottschalk
24. Mai 1892
Hochgeehrter Herr.
Seit drei Tagen bin ich hier und finde es sehr schön, trotzdem die Gebirgsluft ihr Wunder noch nicht thun will. […]
Ihr Roman [Der Untergang] hat zwei Vorzüge, den großen Fleißes und großer Wärme; zudem ist er mit guten und scharfen Beobachtungen, die sich meist in eine geistreiche Form kleiden, reich ausgestattet. Mitunter knüpfen sich an die Beobachtungen auch Sentenzen und Erfahrungssätze, die überraschen. Aber gegen das Frappierende ist nichts zu sagen, weil jeder sein Bestes aus der Intuition hat. Soweit kann ich loben, einverstanden sein. Wenn ich nebenher auch meine Bedenken habe, so hängen diese damit zusammen, daß es Ihnen nicht geglückt ist, ein rechtes Interesse für die beiden Hauptgestalten zu wecken. Gewiß giebt es solche Figuren in unsrer Berliner Gesellschaft und ich will die gute Formulierung nicht bestreiten, aber beiden fehlt das, was sie uns trotz Verstrickung und Schuld sympathisch macht. Besonders gilt das von der Frau. Solche Dame muß uns entweder durch Forschheit ihres Thuns erobern oder durch irgendein Büßertum versöhnen, Frau Welten thut aber weder das eine noch das andere; sie kehrt um, wenn es zu sterben gilt, und wird nach einem Jahr, vielleicht schon früher, einen neuen Liebhaber haben. Das ist so der Welt Lauf und alles lebenswichtig, aber die Richtigkeit im Roman verlangt glaube ich (wenn man das Ganze nicht auf Ironie stellt) einen anderen Ausgang. Halten Sie mir diese Ausstellungen zu gute.
Theodor Wolff schreibt an Rudolf Mosse
Paris, 20. Juni 1904
Lieber Rudolf,
Du bist also Strohwitwer und ich kann mir – besonders da ich ja jetzt die Vorzüge der Häuslichkeit und des Verheiratetseins kenne – denken, wie wenig gemütlich Dir das sein muß. Daß Dein Fräulein Tochter (ich wage nicht mehr, anders zu sagen) ordentlich für Dich sorgt, wundert mich gar nicht, sie war immer ein prachtvolles Mädel. Wir hoffen sehr, daß wir euch im Sommer sehen werden, und ich denke auch, wir werden wohl Ende August nach Berlin kommen. Wir würden uns gern vorher mit Mama und Martha irgendwo in den Bergen treffen, aber Mama, deren Schwester Bernoitt sehr krank ist, will keine Reisepläne machen. So wissen wir eigentlich einstweilen nur, daß wir Anfang August in die Ferien gehen werden, und im Uebrigen fühlen wir uns in unserer neuen Wohnung – fünf Treppen hoch, ohne Fahrstuhl, aber sonst ganz reizend – so wohl und gemütlich, daß wir es trotz aller Hitze ganz gern hier aushalten.
Ich habe heute an Levysohn einen Nekrolog für den leider sehr schwer kranken Waldeck-Rousseau geschickt – ich hoffe, Waldeck-Rousseau wird infolgedessen gesund werden. Du bist doch gewiß sehr erfreut über das Wachsen der Abonnementziffer und über den Ausgang Deines Kampfes mit Scherl – ich habe mich, das brauche ich wohl nicht erst zu sagen, herzlich mit Dir gefreut. Bitte, denke nicht, daß ich [versehentlich »an«] die Roman-Angelegenheit vergessen habe: ich habe erst in der vorigen Woche wieder an Bourget geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Offenbar ist Bourgets Roman noch nicht fertig.
Mit den herzlichsten Grüßen von meiner Frau und mir Dein treuergebener Theodor Wolff.
Änne Wolff schreibt an Theodor Wolff
Donnerstag, 21. Juli 1904
Deine brieflichen Nachrichten habe ich, wie jeden Morgen, mit Behagen in der Badewanne gelesen und ich habe immer das Gefühl, als machten mir die vielen zärtlichen Küsse und die Liebe, die sich zwischen jeder Zeile hervordrängt, das Bad besonders schön. Heut bin ich schon deshalb richtig froh, weil ich weiß, daß mein über Alles geliebtes Lieb, zum letzten Mal sich die Mühe des Zeitungseinpackens machen mußte und mir nur noch, wenn es recht goldig sein will, ein paar schöne Küsse zu schicken braucht, damit mir das letzte Bad ebenso gut thut, wie die voraus gegangenen. […]
Abb. 17: Franz von Lenbach: Porträt Rudolf Mosse (1898).
Abb. 18: Änne Wolff. Auf der Rückseite der »Platte (Atelier »Mdm Lili«. Photographin aus Wien, Berlin W., Leipziger Straße 140) ist handschriftlich vermerkt: »Meine liebsten und schönsten Gedanken weilen stets bei Dir; und nur da bin ich, wo ich liebe. Anna« (um 1903).
Du, es ist wonnig von Dir, daß Du schon auf der Karte herausstudierst, was für schöne Orte Du mir auf der Reise zeigen wirst. Du weißt nicht, kannst Dir keinen Begriff davon machen, wie unbeschreiblich selig ich bei dem Gedanken an diese – »Hochzeitsreise« bin. – – Lieb, da morgen Freitag ist und ich noch nichts gemerkt, werde ich wohl kaum in die Lage kommen, zu telegraphieren und werde, wie verabredet, Sonnabend um 5 Uhr nachmittags eintreffen. Dem Hotelwirt habe ich meine Abreise schon angekündigt. – So, jetzt werde ich den vorletzten Spaziergang durch die Sonnenglut unternehmen, dann in’s Bassin springen und nach Tisch auf den Hügeln zum letzten Male den Saliner Sonnenuntergang bewundern. Morgen Abend nach Tisch muß ich meine Sachen packen, was ich natürlich mit dem größten, aller, aller, allergrößten Vergnügen thue.
Inzwischen küsse ich Dich noch einmal mit der Feder und schicke Dir unzählige Dintenküsse. Deine Änne
Theodor Wolff schreibt an Rudolf Mosse
Rigi-Scheideck, 12. August 1904
Lieber Rudolf,
ich möchte Dir und den Deinen herzliche Feriengrüße senden und Dir sagen, daß ich nun doch nicht, wie ich anfangs beabsichtigte, jetzt im Sommer nach Berlin komme. Ich muß mich hier ein bischen zu neuen Taten stärken und die Reise von der Schweiz nach Berlin ist lang und kostspielig. Du gestattest mir gewiß, wie in früheren Jahren, wieder zu Weihnachten einen Abstecher nach Berlin zu machen. So vertagen wir also unsere Reise bis zum Dezember.
Wir sitzen hier seit zwei Tagen in dem etwas abseits gelegenen und sehr schönen Rigi-Scheideck. Meine Frau, die zum ersten Male die Schweiz sieht, ist in heller Begeisterung und selbst die bedauerliche Tatsache, daß wir heute Regen und Nebel haben, kann nichts daran ändern. Wir wollen von hier durch das Berner Oberland nach Zermatt und von dort über Genf zurück nach Paris. Ich hoffe, unterwegs auch ein paar Feuilletons schreiben zu können.
Das Tageblatt war, meiner Meinung nach, selten besser, als bei Gelegenheit des Plehve-Attentats und der ähnlichen Vorgänge – sowohl was Informationen, als was Kommentare anbelangt. Ueberall auf der Reise, in der Bahn und im Hotel, habe ich gesehen, wie mächtig diese Dinge das deutsche Publikum interessiren. Vielleicht fällt es mir besonders auf, weil die Franzosen, die mit der russischen Allianz belastet sind, ihre Gedanken nur schamhaft äußern und weil ich infolgedessen nicht gewöhnt bin, rund um mich herum soviel von diesen Dingen sprechen zu hören. Jedenfalls ist es doch sehr schön, daß wir in einer Sache, die das Publikum so ungemein interessirt und erregt hat, gewissermaßen an der Spitze marschirten.
Meine Frau fügt diesen Zeilen ihre allerbesten Grüße für Dich, Deine Frau und Deine Tochter bei. Wir hoffen sehr, daß Deiner Frau die Kur recht gut bekommen ist, daß ihr euch Alle wohl fühlt und daß wir euch Weihnachten gesund und vergnügt wiedersehen.
Mit herzlichen Grüßen Dein treuergebener Theodor Wolff
Theodor Wolff schreibt an Rudolf Mosse
Paris, 14. Juni 1906
Lieber Rudolf!
Ich beeile mich, Dir mit zu teilen, daß vor zwei Stunden ein kräftiger Junge bei uns eingetroffen ist. Ich schreibe es Dir gleich, da ich weiß, welches Interesse ihr – Deine Frau und Du – an unserem Wohlergehen nehmt. Meine Frau ist gesund und glücklich, Alles geht gut.
Herzliche Grüße für Dich und die Deinen Dein Theodor Wolff
Theodor Wolff schreibt an Emilie Mosse
Paris, 20. Juni 1906
Liebe gnädige Frau!
Ich danke Ihnen, im Namen meiner Frau, meines Sohnes und im eigenen, herzlichst für Ihre lieben Zeilen und bitte Sie, auch Rudolf und Licia unseren schönsten Dank zu sagen. Es ist natürlich etwas sehr Wunderliches und Wundervolles, plötzlich solch’ einen kleinen Burschen im Haus zu haben, an seinem Bettchen zu stehen und ihn zu betrachten, ihm zu zu sehen, wie er an der Brust seiner Mutter liegt und befriedigt gluckst, oder ihn – wie in diesem Augenblick – im Nebenzimmer schreien zu hören. Man entdeckt dabei auch vielerlei Neues und bekommt einen gewaltigen Respekt vor der Tätigkeit der Natur. Ich weiß nicht, ob mein Junge eines Tages sehr viel von seinem Vater lernen wird – aber einstweilen lernt der Vater von ihm.
Daß es ein sehr netter, hübscher, kräftiger Junge ist, glaube ich ohne übermäßige Eitelkeit versichern zu können. Er ist blond, hat einen starken Kopf, eine – bis jetzt – niedliche runde Nase und rosige Bäckchen. Er trinkt sehr brav, an der Mutter Brust, und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie besonders dieser letzte Punkt seine Mama entzückt. Alles ist bisher ideal gut gegangen und man darf ja wohl hoffen, daß es so bleibt. Wir haben den Jungen Richard genannt – auf Wunsch meiner Frau – und rufen ihn »Dick«. Vorläufig versteht er uns noch nicht … Der einzige Sinn, oder Instinct, der bereits recht kräftig in ihm entwickelt ist, ist der Durst.
Wir wünschen Ihnen und Rudolf – der es nach diesem arbeitsreichen Winter gebrauchen kann – eine recht gute Erholung in Karlsbad. Möchte nur der arme Levysohn wieder ganz gesund werden! Ich erhielt grade, zusammen mit Ihrem Briefe, einen Brief von ihm aus Buckow, er schreibt, er habe jetzt, wo es wärmer geworden ist, wieder Hoffnung auf Genesung.
Meine Mutter und Martha haben die Ankunft unseres Jungen in Heringsdorf erfahren. Meine Mutter ist rührend in ihrer Großmutter-Freude.
Mit den herzlichsten Grüßen von meiner Frau und mir für Sie, Rudolf und Licia, und vielen, vielen Dank Ihr Theodor Wolff
Theodor Wolff schreibt an Emilie Mosse
Paris, 17. Juli 1906
Liebe gnädige Frau!
Wir haben Ihnen noch nicht für die guten, freundlichen Zeilen gedankt, die Sie uns nach der Geburt unseres Jungen geschrieben, aber ich denke, Sie haben vielleicht schon gehört, wie schreckliche Wochen wir inzwischen durchgemacht. Unser Jungschen erkrankte am fünften Tage seines Lebens an einem schweren Darmkatarrh, schien [ – ] besonders in einer schlimmen Nacht – bereits verloren und überstand diese Krisis nur dank einer seltenen Widerstandskraft, die sich dann noch öfter bewähren sollte. Infolge der Aufregung konnte meine Frau nun das Kind nicht mehr nähren und da die erste Pariser Autorität, die ich zugezogen hatte, in einem solchen Augenblick, von einer Amme nichts wissen wollte, kam das Kind weiter herunter – bis ich mich über alle Autoritäten hinwegsetzte und, als das Kind von den Aerzten schon wieder aufgegeben war, eine Amme holen ließ. Kaum schien diese Frage glücklich gelöst, als sich zu unserem Schrecken herausstellte, daß die Darmkrankheit eine Blutvergiftung verursacht hätte.
Auf der Hand und dem Arm des Jungschens bildete sich eine große Anschwellung, die operiert werden mußte, und da dann mehrere Anschwellungen folgten, mußte die Operation zwei Tage später wiederholt werden. Jetzt hatten wir fünf Tage Ruhe und atmeten schon auf, da das ungewöhnlich lebenskräftige Kind sich bereits wieder erh...