- 96 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub
Über dieses Buch
Hendrik Rost gelingt hier fast alles, er beschwört die große Geschichte und die kleinsten Dinge des Alltags, und er zeigt, wie beides ineinander verwoben ist.Mit seinem neuen Gedichtband erweist sich Hendrik Rost als einer der maßgeblichen Lyriker seiner Generation. Souverän und tiefenscharf nimmt er die Welt in den Blick, vergewissert sich der eigenen Rolle darin, fragt nach den geschichtlichen Gewordenheiten. Ohne Scheu und seiner poetischen Mittel vollkommen bewusst, kann er die Schönheit von Landschaften oder die Brisanz der kleinen Dinge zum Sprechen bringen. Rosts Gedichte zeigen, wie kunstvoll und innig die vielen Stimmen, die Welt und Literatur bevölkern, verbunden sind.
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Information
Ich zog mir eine Zunge
Petrarcas Touristen
Laura ließ vier, fünf über sich steigen,
nur den mit dem krassen Ekzem nicht.
Unser Maskottchen. Ich hatte zugesehen,
fast mitgespielt, wie sie mit Wein
und Dope abstumpften, Dopplereffekt,
wie sie es nannten. Wir, ein Jahrgang
vor der Reifeprüfung vereint auf Reise
nach Süden. Von Tempel zu Ruine rannten
und bestaunten wir die ungeheure Flut
des Gardasees. Aber an Schändungen
lag mir nichts. Ihr bringt’s nicht, sagte sie
und führte schließlich eine Flasche ein.
Ich ging in den Schlafsaal und spürte
beim Einnicken die Erregung: Die Welt
als ein Ventoux und wir sind Touristen.
Am Morgen ging ich früh zur Promenade.
Ein Sprung kopfüber in das eisige Wasser
nach dem Rausch und das Herz setzte
kurz aus. Schlag, dachte ich tauchend,
schlag, und fand mich selbst im Tausch.
Ich zog mir einen Falken
Das Riesenfingertier ist ein ausgestorbener Primat
und über seine Lebensweise weiß man nichts,
seine Zähne wurden verarbeitet
zu Schmucksachen, nachdem Menschen
vor 1.500 Jahren Madagaskar erreichten.
Anderswo, in Amerika, sah es düster aus
für den Blauen Glasaugenbarsch.
Über seine Lebensweise ist wenig bekannt –
im September 1983 wurde er offiziell
für ausgestorben erklärt. So viel wissen wir:
Verschmutzung, Überfischung, Verdrängung.
Die Magenbrüterfrösche, die in Australien lebten,
sind ohne ersichtlichen Grund verschwunden.
Das Weibchen schluckte die besamten Eier hinunter
und nach zwei Monaten des Fastens schlüpften
aus ihrem Maul die Nachkommen.
Was einmal im Kopf ist – so schnell
geht es nicht wieder hinaus und will geliebt sein.
Aber kein Bild entsteht bei dem Namen
Tobias-Köcherfliege. Kein Andenken.
Sie war heimisch zwischen Köln und Mainz.
Eine Suchexpedition im Jahr 1980 blieb erfolglos.
Beim Kopieren des Erbguts wird Erinnerung an Löwen
in diesen Breiten nicht gelöscht: Die ständige Gefahr
hielt unsereins damals am Leben.
In der Nibelungensage erschlug Siegfried einen Ur
wie auf Höhlenmalereien verewigt.
Menschen und Löwen setzten ihm zu.
Die verbliebenen Exemplare lebten in der Nähe
von Warschau. 1620 starb das letzte wilde Rind –
in seinem Herzen trug es einen sternförmigen Knochen.
Rückzüchtungen gleichen Versuchen, Gedichte
im Stil Friedrich von Hardenbergs zu schreiben,
der im Jahr 1801 als Novalis die Welt verließ:
Wie ein König der irdischen Natur ruft das allerfreuliche Licht
jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen,
knüpft und löst unendliche Bündnisse.
Nach diesem Muster starb der Pinguin der Nordhalbkugel aus.
Das letzte Ei des Riesenalks wurde im Juni 1844
durch einen Mann namens Ketill zertreten.
Was heißt trotzdem? Alles ist frem...
Inhaltsverzeichnis
- Umschlag
- Titel
- Impressum
- Handhabe
- Heidenspaß
- Katze unter der Zunge
- Honig für den Sturm
- Ich zog mir eine Zunge
- Zwischen Magie und Frist
- Ich habe Göttinnen gesehen
- Frei Schnauze
- Inhalt