Wirtschaftsfreiheit als Schicksal
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Wirtschaftsfreiheit als Schicksal

Das politische Denken Friedrich August von Hayeks als de-politisierte Ideologie

  1. 223 Seiten
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Wirtschaftsfreiheit als Schicksal

Das politische Denken Friedrich August von Hayeks als de-politisierte Ideologie

Über dieses Buch

Im Neoliberalismus, so wird meist angenommen, drängen Individualismus und Marktfundamentalismus zur Auflösung traditioneller Kollektive, Ordnung und staatlicher Autorität. Inwiefern diese Sicht ein unvollständiges und problematisches Bild entwirft, zeigt die vorliegende Arbeit am politischen Denken F. A. Hayeks (1899-1992), einem der einflussreichsten Intellektuellen des Neoliberalismus. Dabei wird das theoretisch umfassende Denken Hayeks anhand seiner Konzeption von Recht, Ökonomie, Demokratie und Geschichte genauer analysiert und sowohl ideologietheoretisch wie -historisch verortet. Als prägend für Hayek wie für den Neoliberalismus insgesamt erweist sich aus dieser Perspektive die Krisenzeit der 1930er Jahren: hier lässt sich eine ideologische Wende feststellen, nach der Hayeks Wirtschaftsliberalismus durch einen sozialen Konservatismus Ergänzung fi ndet. Seine Theorie »spontaner Ordnung« stellt in dieser Hinsicht nicht nur eine Neukonzeption des Marktes, sondern eine de-politisierte Konzeption des Sozialen insgesamt dar. Konstitutiv für den von Hayek geprägten Neoliberalismus ist daher keine individualistische Auflösung von Gesellschaft und Staatlichkeit, sondern deren De-Politisierung; an die Stelle liberaler Utopien tritt die Apologie ökonomischer und sozialer Schicksalshaftigkeit.

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1Die ideologische Dimension im Denken Hayeks: Forschungsdesiderat und Fragestellung

Wer sich mit dem Denken des Ökonomen, Sozialtheoretikers und öffentlichen Intellektuellen Friedrich August von Hayek (1899–1992) auseinandersetzt, sieht sich bald mit zwei Beobachtungen konfrontiert. Während diese Beobachtungen für sich genommen in der mit Hayeks Denken befassten Forschung durchaus Anerkennung finden, ergibt sich aus ihrer Verbindung ein bislang kaum wahrgenommenes politiktheoretisches Problem.
Die erste Beobachtung bezieht sich auf das Verhältnis seines Denkens zu verschiedenen tiefgreifenden Umstrukturierungen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im 20. Jahrhundert, deren Zeuge und Kommentator er während seines langen Lebens wurde.1
So ist Hayeks Denken besonders durch eine Auseinandersetzung mit der Krise und Zerstörung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft seit den 1930er Jahren geprägt. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 markierte dabei nicht nur den Höhepunkt einer sich krisenhaft entwickelnden kapitalistischen Ökonomie, sondern auch den Ausgangspunkt verschiedener Projekte ihrer politischen und sozialen Neueinbettung, die dem Staat eine aktivere, wenn nicht gar bestimmende Rolle gegenüber der Ökonomie zuerkannten. Diese Zeit erlebte Hayek als historisch präzendenzlose Marginalisierung einer wirtschaftsliberalen Tradition, zu deren zentralen Theoretikern und öffentlich wirksamen Verfechtern er kurz zuvor avanciert war. Gegenüber verschiedenen Formen sozialistischen Denkens, die durch die Russische Revolution von 1917 Verbreitung gefunden hatten, ebenso wie gegenüber einem seit dem Ersten Weltkrieg sich radikalisierenden national-konservativen Denken, das nicht zuletzt in Hayeks Geburtsland Österreich in den Faschismus führte, aber auch gegenüber einem moderaten sozialdemokratischen und keynesianischen Denken, das seit der Weltwirtschaftskrise an Einfluss gewann, befand sich Hayek mit vielen anderen Wirtschaftsliberalen in einer Außenseiterposition. Aus dieser Perspektive erschienen für Hayek alle ideologischen Gegner gleichermaßen als Ausdruck einer sich schon länger ankündigenden Dominanz des Totalitarismus.
Des Weiteren gibt es neben Hayek nur wenige Intellektuelle, die ähnlichen Einfluss auf die Durchsetzung jener gesellschaftlich umfassenden globalen Transformationen genommen haben, die seit den 1970er Jahren nicht nur zum Wiederaufleben, sondern auch zur hegemonialen Dominanz eines wirtschaftsliberalen Kapitalismus führte, dessen Ende zwei Generationen zuvor besiegelt schien. Wegen seines engen Verhältnisses zu dieser Transformation, für die sich der Begriff des ‚Neoliberalismus‘2 durchgesetzt hat, wird Hayeks Denken zu Recht als neoliberales Denken bezeichnet.3 Ein Umriss von Hayeks Bedeutung für den Aufstieg des Neoliberalismus lässt sich dabei schon anhand weniger Stationen zeichnen. Zu diesen zählt die eher selten beachtete Rolle, die er zwischen 1930 und 1940 als Geburtshelfer jenes frühen neoliberalen Denkens spielte, dessen Begriffe, Argumente und Theorien 30 Jahre später die neoliberale Transformation begleiteten. Ebenso zählt zu Hayeks Einfluss sein Mitwirken an der Etablierung der ‚Mont Pèlerin Society‘ (im Folgenden MPS), die seit ihrer Gründung im Jahr 1947 als weltweit agierendes Netzwerk die Verbreitung neoliberalen Denkens unterstützte. Damit deutet sich auch der Beitrag an, den Hayek seit Mitte des 20. Jahrhunderts zur Herausbildung einer neoliberalen politischen Rechten mit Galionsfiguren wie Augusto Pinochet, Margaret Thatcher, Ronald Reagan, Václav Klaus oder Franz Josef Strauß geleistet hat – ein Beitrag, der bis ins 21. Jahrhundert zu Angela Merkel reicht.4 In Hinblick auf Hayeks Einfluss auf die Durchsetzung des Neoliberalismus ist deshalb Edmund Feser zuzustimmen, der im 2006 erschienenen ‚Cambridge Companion to Hayek‘ feststellt, selbiger sei „the most consequential thinker of the mainstream political right in the twentieth century” (Feser 2006, 1).
Vor dem Hintergrund dieser Verwicklung von Hayeks Denken in die Geschichte von Niedergang und Wiederaufstieg des Wirtschaftsliberalismus im 20. Jahrhundert erstaunt eine zweite Beobachtung, die sich auf die Vielseitigkeit und Komplexität der Fragen und Themen bezieht, denen sich Hayek im Laufe seines Lebens widmete; erstaunlich vor allem deshalb, weil sich der gemeinsame Nenner dieses Denkens nicht einfach als „Ökonomismus“, „Marktfundamentalismus“, „Individualismus“ oder „Staatsfeindschaft“ beschreiben lässt, mit dem wirtschaftsliberales bzw. neoliberales Denken meist assoziiert werden.
Eine erste Skizze5, die diese Komplexität zunächst ohne werkgeschichtliche Entwicklungslinien und systematische Schwerpunkte ausbreitet, könnte etwa so aussehen: Als Staatstheoretiker war er ein vielgelesener Kritiker eines planwirtschaftlich gedeuteten Totalitarismus, der für Hayek die Zerstörung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verantwortete, und plädierte zu seiner Abwehr für eine strikte Beschränkung staatlicher Aufgaben, unter denen die Gewährleistung einer deregulierten Marktwirtschaft die wichtigste bildet (vgl. Pies 2003). Um diese Beschränkung durchzusetzen, argumentierte er für eine Herrschaft des Rechts, die neben der Planwirtschaft auch jede andere Form interventionistischer Wirtschaftspolitik und egalitärer Gesellschaftspolitik unterbinden sollte (vgl. Petersen 2014). Als Rechtstheoretiker stand Hayek dabei sowohl in der Tradition liberaler Rechtstaatlichkeit und der Verteidigung individueller Freiheit, insbesondere in ökonomischen Fragen, als auch in der konservativen Tradition des Common Law und eines dem demokratischen Willen enthobenen, evolutionär gewachsenen Rechts (vgl. Gray 1995, 69). Als Demokratietheoretiker trat er entsprechend als Kritiker der Volkssouveränität auf und begegnete ihr mit Vorschlägen zur parlamentarischen Gewaltenteilung, der Einschränkung von Partizipation und der Herrschaft etablierter Meinungen (vgl. Zamorano-Gonzales 2014). Als Ökonom war Hayek einer der wichtigsten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, deren Perspektive er um die Idee einer fundamentalen Unübersichtlichkeit von Wirtschaftsprozessen und der evolutionären Entwicklung von Wirtschaftsordnungen erweiterte (vgl. Caldwell 2004, 205 ff.). Aus dieser Perspektive entwarf Hayek mit der „Katallaxie“ eine Form der Marktordnung, deren Effizienz auf der Verwertung individuellen ökonomischen Wissens ebenso beruht wie auf dem über Generationen gespeicherten Wissen einer gewachsenen institutionellen Struktur. In seiner Gesellschaftstheorie knüpfte Hayek an die Idee selbstregulativer ökonomischer Prozesse aus der schottischen Aufklärung an, die er mit gegenaufklärerischen Ideen einer nicht-teleologischen sozialen Evolution zum Konzept „spontaner Ordnung“ ausbaute (vgl. Petsoulas 2001). Als Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker kritisierte Hayek daran anknüpfend den Erkenntnisoptimismus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und vertrat eine Methodologie, die an den unbewussten Bedingungen individueller Handlungen ansetzte (vgl. Bouillon 1991). Als Historiker, genauer als Ideenhistoriker – ein Feld, auf dem sein Denken bislang kaum rezipiert wurde – arbeitete er zudem als Genealoge des für ihn die Geschichte dominierenden Konflikts zwischen kollektivistischem Rationalismus bzw. „Szientismus“ und individualistischem Anti-Rationalismus.
Aus dieser Skizze wird nicht nur deutlich, warum Hayek bis heute in den unterschiedlichsten akademischen Disziplinen rezipiert wird – es ergibt sich auch das Bild eines Denkens, das sich einer einfachen ideologischen Verortung entzieht. Denn zum einen schält sich aus der Beschreibung von Hayeks wissenschaftlichen Themengebieten ein Plädoyer heraus für eine individuelle Form von Freiheit, verstanden als „Unabhängigkeit von der Willkür anderer“ (Hayek 1991a, 15), die für ihn Unabhängigkeit vor allem von den Eingriffen des Staates in eine Sphäre marktwirtschaftlich-kapitalistischer Grundrechte bedeutet. Ein solches Plädoyer lässt sich als Markt- oder Wirtschaftsliberalismus charakterisieren. Zum anderen aber findet sich bei Hayek ein konservatives Credo, das auf einer „anti-rationalistische[n] Einsicht in das historische Geschehen“ beruht, nach der „Institutionen und Moral, Sprache und Recht sich durch einen Prozeß kumulativen Wachstums entwickeln“ (ebd., 70). Aus dieser konservativen Haltung speist sich bei Hayek eine Kritik an einer politischen Vernunft, die durch die Behauptung von Wissen nicht nur über die Prozesse wirtschaftlichen Handelns, sondern über soziale Prozesse im Allgemeinen deren kollektive Umgestaltung anstrebt.
Die geschilderten zwei Beobachtungen, die den Zeitkern und die ideologisch komplexe Anlage von Hayeks Denken betreffen, sind in der Hayek-Forschung immer wieder thematisiert worden. Der Frage ihres Zusammenhangs, so wird im Folgenden gezeigt, ist bislang jedoch nur unzureichend nachgegangen worden.
Einer der ersten, der mit Erstaunen auf die ideologische Ambiguität, ja Widersprüchlichkeit in Hayeks Denken hinwies, war der politische Philosoph John Gray, der in seiner mittlerweile klassischen Studie ‚Freiheit im Denken Hayeks‘ diesen zunächst als Erneuerer eines philosophischen Liberalismus präsentierte (vgl. Gray 1995). Seine Rekonstruktion von Hayeks Denken aus so unterschiedlichen Traditionen wie dem liberalen Denken John Lockes, Adam Smiths und Immanuel Kants ebenso wie dem konservativen Denken Edmund Burkes, Michael Polanyis und Michael Oakeshotts verdeutlicht jedoch eine besondere Spannung in Hayeks Denken. Erst spät im Verlauf des Textes brachte Gray dann den Verdacht zum Ausdruck, dass sich einige von Hayeks Ideen nur schwer miteinander in Einklang bringen ließen: „Könnte es nicht sein, dass die Theorie der spontanen sozialen Ordnung im Wettstreit mit der Verpflichtung zur individuellen Freiheit liegt?“ (ebd., 118). In diesen und ähnlichen Widersprüchen sehen viele AutorInnen6 vor allem ein Problem logischer Kohärenz. Paradigmatisch dafür steht die Frage, die Peter McNamara einem neueren Sammelband voranstellt, der Hayeks Theorie der spontanen Ordnung gewidmet ist: „Does the idea of spontaneous order point in the direction of liberalism? Or does it point, contrary to Hayek’s own suggestions, in the direction of conservatism?” (McNamara 2007, 1). Von dieser Frage ausgehend ist die Rezeption zu höchst unterschiedlichen, mitunter äußerst selektiven und jeweils für die Traditionen des (Wirtschafts-) Liberalismus bzw. Konservatismus vereinnahmenden Deutungen von Hayeks politischem Denken gelangt.7 Für die hartnäckige Persistenz dieser divergierenden Deutungen, deren Grundlage die Suche nach systematischer Folgerichtigkeit in Hayeks politischem Denken bildet, scheint der Begriff eines spezifischen „Hayek-Problems“ nicht unangemessen.8
Auch in Arbeiten, die Hayeks Denken stärker ideengeschichtlich kontextualisieren, spielt dessen ideologische Ambiguität eine wichtige Rolle. So hat etwa die amerikanische Politologin Judith Shklar unter dem Titel ‚After Utopia. The decline of political faith‘ Hayeks Denken im Kontext eines von ihr diagnostizierten Verlusts von Fortschrittsoptimismus im politischen Denken nach der Epoche der Aufklärung analysiert. Den Höhepunkt dieser Entwicklung sieht sie dabei in einer Gruppe konservativer Liberaler der Nachkriegszeit, darunter auch Hayek, die durch eine tiefe Skepsis gegenüber der Vernunft und den Gestaltungsmöglichkeiten der Demokratie für einen tiefen Fatalismus Stellung bezögen: „conservative liberalism offers the opportunity to despair in a secular and social fashion“ (Shklar 1957, 235).9 Auch wenn Shklar anhand einer relativ schmalen Quellenauswahl über Hayeks Denken urteilt, bleibt ihre Abgrenzung Hayeks gegenüber den klassischen Liberalen der schottischen Aufklärung treffsicher.10 Denn im Gegensatz zu Smiths Vertrauen in die Selbstgestaltungskräfte der Gesellschaft, verstanden als eine Bewegung, die auf vernünftiger Einsicht und politischer Einrichtung gründe, kennzeichne Hayeks Neoliberalismus „a rejection of purposeful social thought and action“ (ebd., 238).11 Dieses Urteil hat zuletzt Christina Petsoulas in ihrer vergleichenden Studie ‚Hayek’s Liberalism and its Origins. His idea of spontaneous order and the Scottish Enlightenment‘ bekräftigt (Petsoulas 2001). Ein wichtiger Unterschied zwischen Hayeks und Smiths Denken liegt aus ihrer Sicht in der Verbindung von Hayeks Theorie spontaner Ordnung, die zunächst Smiths Idee dezentraler Koordination individueller Pläne zu wiederholen scheine, mit einer Theorie unbewusster kultureller Evolution, die Smith völlig fremd sei (ebd., 147).12 Die Konsequenzen dieser evolutionären Logik im Denken Hayeks sieht sie ähnlich wie Shklar in einer Verabschiedung politischer Vernunft: „It is far from clear, how it is possible not only to improve but also deliberately to alter rules whose function we do not fully comprehend” (ebd., 5). Wie zuletzt auch Olaf Asbach gezeigt hat, verbanden Smith und andere klassische Liberale mit der Zurückdrängung des merkantilistischen Staates die Hoffnung auf Produktivität und Frieden des bürgerlichen Kapitalismus, dem „doux commerce“ – eine Hoffnung, die auf einer aufgeklärten, utopisch gewendeten Vernunft gründete:
Sie [die klassischen Liberalen, C. R.] bieten ein rationales, auf wenigen Prinzipien beruhendes, in sich konsistentes und vor allem auch normativ attraktives Erklärungsmodell für das Funktionieren moderner, durch Tauschprozesse freier und gleicher Produzenten und Anbieter auf Märkten strukturierter Gesellschaften (Asbach 2014, 22, Hervorhebung C. R.).
Hayeks Kritik an der Anmaßung von Vernunft im Allgemeinen und der Anmaßung politischer Vernunft in Besonderem, die sich gegen die Demokratie als ihrem prozessualen Ausdruck richtet, steht dieser Position diametral entgegen.
Das Erstaunen über die ideologische Komplexität von Hayeks Denken, so lässt sich insbesondere in Hinblick auf historisch vergleichende Studien feststellen, die seinen Abstand zum klassischen Liberalismus ausmessen, hat sich mittlerweile zu einer unbequemen Gewissheit gewandelt (vgl. u. a. Freeden 2006, 298 ff.). Was aber ist durch eine entsprechende Charakterisierung von Hayeks Denken als Bindestrich-Ideologie, d. h. als „konservativer Liberalismus“ (Shklar 1957), „liberaler Evolutionismus“ (Vanberg 1981) oder „Rechts-Libertarianismus“ (Niesen 2009) gewonnen? Welchen historischen Entwicklungen, abgesehen von einer konservativen Weiterentwicklung des klassischen Liberalismus, verleiht eine solche Bezeichnung Ausdruck und worauf zielt sie?
An die eingangs geschilderten Beobachtungen anknüpfend, lässt sich die festgestellte Vielschichtigkeit in Hayeks Denken in ein Verhältnis zur historischen Marginalisierung des Wirtschaftsliberalismus spätestens seit den 1930er Jahren, aber auch zu Hayeks erheblichem Einfluss auf die Durchsetzung einer wirtschaftsliberalen Neuordnung in den 1970er Jahren setzen. Die Frage nach der Verbindung dieser Beobachtungen: der heterogenen inneren Logik, ihren historischen Triebkräften und der gesellschaftlichen Wirksamkeit von Hayeks Denken, stellt dabei in der Hayek-Forschung immer noch ein Desiderat dar. Im Folgenden soll es um die Ausleuchtung dieser Forschungslücke und die Präzisierung der Fragestellung gehen.
Dazu wird zunächst plausibel gemacht, inwiefern sich das in seiner Vielschichtigkeit einem Weltbild gleichkommende Denken Hayeks als Ideologie auffassen lässt, worunter hier in Anschluss an Stuart Hall eine auf hegemoniale Wirksamkeit ausgerichtete theoretische Konstellation verstanden wird. Auch innerhalb der Ideologietheorie zu Hayeks Denken betritt die vorliegende Arbeit mit dieser Perspektive Neuland. Eine solche Perspektive, so wird daran anschließend gezeigt, kann sich sowohl auf Hayeks Selbstverständnis als gesellschaftlich wirksamer Sozialtheoretiker stützen als auch auf die von ihm selbst formulierte Theorie ideologischer Einflussnahme.
In Anlehnung an den postmarxistischen Ideologiebegriff Stuart Halls, dessen Studien zur Durchsetzung des Neoliberalismus durch den englischen Thatcherismus Grundlagenwerke in der Erforschung neoliberaler Ideologie darstellen (vgl. Hall 1983; 1984; 1989; 2014a; 2014b), wird im Folgenden mit dem Begriff der Ideologie eine „wahre“, d. h. besonders zustimmungsfähige Konzeption bezeichnet.13 Eine solche Perspektive ergänzt die klassische Auffassung von Ideologie als notwendig falschem Bewusstsein, die nach den materiellen Voraussetzungen dieses Bewusstseins fragt, um die Frage danach wie Ideologie gesellschaftlich wirksam wird. Die Zustimmung zu einer auf diese Art verstandenen Ideologie, so eine der Pointen von Hall, könne auch durch die Verbindung von zunächst inkohärent erscheinenden theoretischen Elementen erreicht werden (vgl. Hall 1989, 175 f.). Als fruchtbar erweist sich dieser Ideologiebegriff, weil sich mit ihm die unterschiedlichen Konzepte Hayeks, die sich mal dem Wirtschaftsliberalismus, mal dem Konservatismus zurechnen lassen, als theoretische Konstellation analysieren lassen, deren gesellschaftliche Wirkmächtigke...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Danksagung
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Die ideologische Dimension im Denken Hayeks: Forschungsdesiderat und Fragestellung
  7. 2 Zur historischen Genese von Hayeks ideologischer Wende
  8. 3 De-Politisierung des Rechts
  9. 4 De-Politisierung der Ökonomie
  10. 5 Ent-Demokratisierung
  11. 6 De-Politisierung der Geschichte
  12. 7 Ergebnisse und Anschlüsse
  13. Literatur