Christlicher Republikanismus in den Bibeldramen Sixt Bircks
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Christlicher Republikanismus in den Bibeldramen Sixt Bircks

Theater für eine 'neu entstehende' Bürgerschaft nach der Reformation in Basel und Augsburg

  1. 326 Seiten
  2. German
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Christlicher Republikanismus in den Bibeldramen Sixt Bircks

Theater für eine 'neu entstehende' Bürgerschaft nach der Reformation in Basel und Augsburg

Über dieses Buch

Anhand der Bibeldramen Sixt Bircks (1501–1551) lässt sich darstellen, mit welchen Mitteln und Zielen biblische Texte in den Jahren nach der Reformation in Schauspiele transformiert wurden. Im 16. Jahrhundert war dies ein äußerst populäres Verfahren, um einem größeren Publikum Exempla aus der Heiligen Schrift vor Augen zu stellen. Das dramatische Werk Sixt Bircks beschäftigt sich darüber hinaus mit Fragen des öffentlichen Lebens und der Institutionen in einer 'Respublica christiana' – ein republikanisches Gemeinwesen mit Gott an der Spitze. In seinen Dramen spricht sich Birck u.a. für ein Gerichtswesen nach römischem Vorbild aus und leitet die weltliche Obrigkeit an, wie sie zum Wohl der 'Respublica christiana' beitragen könne.
Die Dramen werden in den historischen und geistesgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehung eingebunden, wodurch auch Bezüge zu historischen Ereignissen, Entwicklungen und gelehrten Diskursen an den Entstehungsorten Basel und Augsburg hergestellt werden können. Die interdisziplinär angelegte Studie betrachtet erstmals eine größere Auswahl der Dramen Sixt Bircks unter dem Aspekt politischer (Neu-)Entwürfe. Dadurch können die verschiedenen Aspekte der christlichen Respublica im Zusammenhang betrachtet werden.

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Information

1Einleitung

1.1Einleitung und Fragestellung

In einer Widmungsvorrede an den Augsburger Patrizier Johannes Welser aus dem Jahr 1546 beklagt sich Sixt Birck (*1501–1551), damals Rektor des humanistischreformierten Gymnasiums St. Anna in Augsburg, über die Mühsal seines ihm von Gott zugewiesenen Amtes.1 Als Schulmeister in einem christlichen Gemeinwesen (Respublica christiana) komme ihm die Aufgabe zu, die nach Einführung der Reformation neu im Entstehen begriffene Bürgerschaft (nascens civitas) zu Frömmigkeit und Sittlichkeit zu erziehen. Sein Trost bestünde in den Fortschritten, die seine Schüler machten, und wenn er sehe, dass seine Mühen dem christlichen Gemeinwesen zuträglich seien:
Mihi certè benignissimus Deus functionem in Rep. nostra delegavit, laboriosam quidem satis honestissimam tamen, (et) episcopatui proximam. Non eam ex vulgi aestimo opinione, facilè agnoscens, quantu(m) operae ad Remp. Christianam adferat, qui nascentis civitatis mentes ad pietatem atq(ue) dexteritatem format. Dedit mihi pro sua bonitate Deus animum, ut hoc libenter faciam, (et) delecter in eo, quod plerique onus Aetna gravius esse videtur: dedit, inquam, ut in puerorum profectu acquiescam. Dedit ad hanc provinciam administranda(m) tantum praesidii, ut me facile intra meam mediocritatem contineam. Et profectò praeclarè mecum esse actum arbitror, cum video aliquid fructus ex meis laboribus in usum Reip. christianae enasci.2
Gewiss hat mir Gott in seiner Gnade eine Aufgabe in unserer Republik übertragen, die mühsam genug, gleichwohl höchst ehrenhaft und ganz ähnlich dem Bischofsamt ist. Nicht nach der öffentlichen Meinung schätze ich diese Aufgabe so ein, sondern als einer, der weiß, wie viel Mühe der für die Respublica christiana aufwendet, der die entstehende Gemeinde in Frömmigkeit und Lebensführung bildet. Gott in seiner Güte gab mir den Sinn, dass ich dies gern tue und mich an dem erfreue, was sehr oft als Last, schwerer als der Ätna, erscheint. Er gab es, so möchte ich sagen, dass ich meine Ruhe im Fortschritt der Knaben finde. Er gab so viel Beistand zur Führung dieser Provinz, dass es mir leicht fällt, mit meiner Mittelmäßigkeit zufrieden zu sein. Und ich schätze mich wirklich glücklich, wenn ich sehe, dass aus meinen Mühen irgendein Ertrag zum Nutzen der Respublica christiana hervorwächst.3
Als Birck seine Aufgabe innerhalb des christlich-reformierten Gemeinwesens beschrieb, dachte er sicherlich auch an seine neun lateinischen und volkssprachlichen Dramatisierungen alttestamentlicher und apokrypher Stoffe, die er zwischen ca. 1530 und ca. 1544 verfasst hatte. Auch in den Bibeldramen steht die Frage im Mittelpunkt, wie die einzelnen Stände einer reformierten Bürgerschaft zum Nutzen der christlich-reformierten Respublica beitragen können. Seine ersten fünf volkssprachlichen Dramen (Ezechias4, Zorobabel5, Susanna6, Joseph7 und Judith8) verfasste Birck zwischen ca. 1530 und 1536 in Basel, wo die Reformation 1529 offiziell eingeführt worden war. Bei einem weiteren Drama, Beel, wird Bircks Autorschaft in der jüngsten Forschungsliteratur bezweifelt – die Dramatisierung dieses apokryphen Stoffes wird in dieser Arbeit daher nicht berücksichtigt.9 Vermutlich wurden die Schauspiele nach den Gepflogenheiten des bürgerschaftlich getragenen Theaters in Basel öffentlich aufgeführt.10 Belegt ist die öffentliche Darbietung eines Stückes allerdings nur für das volkssprachliche Susannadrama, das laut Titelblatt 1532 „von der jungen burgerschafft“ in Basel aufgeführt wurde.11 Nachdem der Autor 1536 sein Amt als Rektor des 1531 gegründeten humanistisch-reformierten Gymnasiums St. Anna in Augsburg angetreten hatte, passte er seine Dramen den dortigen Anforderungen des protestantischen Schultheaters an: Zwei seiner in Basel entstandenen volkssprachlichen Stücke, Susanna12 und Judith13, übertrug er selbst ins Lateinische und verfasste weitere Dramen nach apokryphen und antiken Stoffen, De vera nobilitate14, Eva15, Sapientia Solomonis16 sowie das verlorene Stück Herodes sive innocentes17, auf Latein.
Bei diesen Dramen – insbesondere bei den noch in Basel verfassten bzw. von Birck selbst übersetzten Schauspielen – fällt der Bezug zu politischen Themen auf. Die Bearbeitungstendenz dieser sieben Dramenadaptationen wird von Fragen dominiert, die das öffentliche Leben eines christlich-reformierten Gemeinwesens, einer Respublica christiana, betreffen: Die militärische Bedrohung des Gemeinwesens von außen, die Frage nach einem gerechten Gerichtsprozess und die Rolle des Herrscherberaters, um nur einige Bezugspunkte vorweg zu nehmen. Die Beobachtung, dass in Bircks Dramen politische Fragen thematisiert werden, stellt an sich keine Besonderheit für das Theater in der Schweiz des 16. Jahrhunderts dar. Nachdem Bernd Moeller bereits den engen Zusammenhang zwischen den Strukturen spätmittelalterlicher Reichsstädte und der Einführung der Reformation, getrennt nach Luthertum und Zwinglianismus herausgearbeitet hat,18 schloss besonders Erich Kleinschmidt mit einer Habilitationsschrift über den Zusammenhang von Stadt und Literatur in der Frühen Neuzeit an diese Ergebnisse an.19 Das bürgerschaftliche Schauspiel in den eidgenössischen Städten war ein öffentliches Handeln mit „sozialkommunikativer Funktion“,20 das in seiner gesellschaftlichen Qualität nicht hinter der allgemeinen oder berufsbezogenen, politischen Aktivität im städtischen Raum zurückgestanden haben dürfte21– so das Ergebnis der Studie über den Zusammenhang von Stadt und Literatur im südwestdeutschen, elsässischen und Schweizerischen Städteraum. Dennoch ist die Omnipräsenz politischer Themen in den Bibeldramen Sixt Bircks auffällig.
Nahezu alle Studien über Bircks Dramen weisen auf diesen politischen Schwerpunkt bei der Ausgestaltung der Stoffe hin: Wilhelm Creizenach hält in seiner Geschichte des neueren Dramas fest, dass in Bircks Theaterstücken „den moralischen Lehren so viel wie möglich ein Bezug auf die Verwaltung des Staates gegeben wird“.22 Heinz Kindermann betont in seiner Theatergeschichte Europas, Bircks Denken kreise konsequent „um den Staat und seinen Regenten“23, und Herbert Walz stellt in seinem Überblick über die Deutsche Literatur der Reformationszeit Bircks „Neigung, biblische Themen im staatsbürgerlichen Sinne zu aktualisieren“24 heraus.
Wie Silvia Serena Tschopp in ihrem Aufsatz über Bircks protestantisches Schultheater und reichsständische Politik in Augsburg konstatiert, ist „[d]er offenkundig politische Charakter der meisten Birck’schen Dramen […] demnach erkannt worden“.25 Allerdings bleibe bei den genannten Darstellungen offen, so Tschopp weiter, „in welcher Form und mit welcher Funktion Politik zur Sprache kommt“.26 Die jüngeren Arbeiten zu Bircks Dramen haben gezeigt, wie erhellend jene Drameninterpretationen sind, die den historischen und geistesgeschichtlichen Kontext der Dramen miteinbeziehen. Dazu zählt etwa Jean Lebeau, der Bircks Judithdramen als Reaktion auf die Türkenkriege liest und darin eine Stellungnahme des Erasmus von Rotterdam zumVorgehen gegen die Türken herausarbeitet.27 Auch bei Horst Brunner werden das Ezechiasdrama und die beiden Judithdramen unter Einbeziehung der beiden „politischen Hintergrunderscheinungen […] Türkenabwehr und Konfessionskampf“ interpretiert.28 Kai Bremer hat bei dem volkssprachlichen Judithdrama ebenfalls Bezüge zu Erasmus’ Schriften, insbesondere zu dessen Enchiridion militis christiani erkannt und hat zudem den Genderaspekt dieses Dramas untersucht.29 Am weitesten geht Silvia Serena Tschopp selbst, wenn sie Bircks Dramen in den politischen und konfessionellen Kontext der freien Reichsstadt Augsburg einbettet und dabei zu dem Ergebnis kommt, im deutschsprachigen Raum sei Sixt Birck der erste Dramenautor gewesen, der sich an einer Synthese aus „ästhetische[r] Ordnung des antiken Dramas und […] [politisch-moralischer] Ordnung eines evangelisch begründeten Christentums“30 versuchte.
Das von Silvia Serena Tschopp formulierte Forschungsdesiderat, bisher sei offen geblieben, „in welcher Form und mit welcher Funktion Politik zur Sprache kommt“31, liegt m. E. darin begründet, dass das dramatische Œuvre bisher noch nicht ausreichend vor dem historisch-politischen und geistesgeschichtlichen Kontext seiner Entstehung interpretiert wurde. Abgesehen von den kontextualisierenden Interpretationen einzelner Dramen wurde bislang noch nicht systematisch untersucht, inwiefern und in welchem Maße reformierte Bibeldramen tatsächlich auf zeitgenössische Debatten und Ereignisse verweisen.
Ziel dieser Arbeit ist es zum einen, den idealen und damit utopischen christlichen Republikanismus zu beschreiben, den die Dramenadaptationen vermitteln sollten. Zum anderen sollen die Dramatisierungen vor dem historischen und geistesgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehungszeit gelesen werden. ‚Kontext‘ meint hier die Fragen, wie sich eine dramatische Adaptation eines alttestamentlichen Textes zu ihrer Zeit verhält, oder anders gefragt: Welche Funktionen kamen solchen Schauspielen, abgesehen von der Verbreitung biblischer Geschichten unter Laien, im öffentlichen Diskurs noch zu?
Unter ‚Republikanismus‘ in der Vormoderne wird anschließend an Wolfgang Mager „konsensgestützte[] Herrschaft […] im Unterschied zur Einherrschaft“ verstanden.32‚Konsensgestützte Herrschaft‘ meint das in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten übliche Ratsregiment, das sich durch (kollektive) Partizipation der Bürgerschaft und die Notwendigkeit eines consensus auszeichnet, der sowohl zwischen Herrschaftsbefohlenen und Regierenden als auch innerhalb des Regiments bestehen sollte.33 Die hier erwähnten Begriffe werden bei der Darstellung der politischen Strukturen in Basel (Kap. 2.2) und in Augsburg (Kap. 2.4) anhand der beiden historischen Beispiele noch genauer erläutert.
Die Benennung als ‚christlich-reformierter‘ Republikanismus weist auf die Spezifika der Schweizerisch-oberdeutschen Reformation im Unterschied zur Wittenberger hin, da die Lehren der humanistisch geprägten Schweizerisch-oberdeutschen Reformation stärker auf eine Erneuerung geistlicher und säkularer Institutionen auf der Grundlage der Bibel sowie von Sittlichkeit und Moral zielte.34 Während Martin Luther nicht auf eine politische und soziale Reform der Gesellschaft aus war, wurde die Schweizer Reformation von der Frage dominiert, wie sich der göttliche Wille auf Erden erfüllen lasse, der sich in der Heiligen Schrift offenbare.35 Im Zentrum der Schweizerisch-oberdeutschen Reformationslehren stand die Frage, wie sich der göttliche Wille erkennen lasse und wie er im Diesseits realisiert werden könne, also „die Frage nach der objektiven Sache Gottes“.36 DieKonsequenz aus der Frage, die die Schweizer Reformation stellte, lautete daher für den Menschen, er solle sich im Dienst für die göttliche Zielsetzung als Werkzeug gebrauchen lassen, um so zur ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Sixt Bircks Dramen im Kontext ihrer Entstehung – eine Biographie intellectuelle
  8. 3 Die ersten Bibeldramen: Ezechias und Zorobabel (ca. 1530/31)
  9. 4 Die Begründung einer neuen Gerichtsordnung im Drama: Susanna (1532 und 1537)
  10. 5 Christentum und weltliches Amt: Joseph (ca. 1533)
  11. 6 Die ‚richtige‘ Reaktion auf die Türkenkriege: Judith (ca. 1534)
  12. 7 Fazit
  13. Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen
  14. Literaturverzeichnis
  15. Register
  16. Fußnoten