Hegel und die logische Frage
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Hegel und die logische Frage

  1. 188 Seiten
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Hegel und die logische Frage

Über dieses Buch

Die logische Frage ist eine der zentralsten, wenn nicht gar die zentralste Fragestellung der Philosophie des 19. Jahrhunderts. In ihr kristallisiert sich das Selbstverständnis der Philosophie, ihr Anspruch auf eine Deutungshoheit, ihre Stellung zu den 'anderen' Wissenschaften. In seiner subjektiven Logik formuliert Hegel den Anspruch das "verknöcherte Material" der klassischen Logik wieder in Bewegung zu bringen, um eine Neubestimmung der Logik und ihres Verhältnisses zu den Einzelwissenschaften zu ermöglichen. Die vorliegende Arbeit sucht Hegels subjektive Logik in den Kontext der das 19. Jahrhundert prägenden Logikreformdiskussion zu stellen. Es soll dabei nicht darum gehen, das Schicksal der Philosophie an das Schicksal der Hegelschen Philosophie zu knüpfen, wohl aber um die Möglichkeit, Hegelsche Argumente innerhalb der Philosophie als einer immer noch aktuellen Zeit- und Streitfrage am Leben zu erhalten. Die Erörterung der logischen Frage schließt deshalb mit einer Hegelschen Antwort ab, die einen Ausblick auf eine kritische Naturphilosophie eröffnen soll.

Häufig gestellte Fragen

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Information

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II.Eine hegelsche Antwort16

1.Die Subjektivität

Alles in der Welt ist nur Entwicklung. Der Samenkern eines Baumes enthält schon den Keim zum ganzen Baume; das Wesentliche, die Formation der Frucht, der Blätter und Äste, [ist] schon im Keim enthalten. Diese Formation ist der Begriff; es ist kein Anderes, das aus dem Keim heraustritt, sondern ein und dasselbe. So verhält es sich auch mit dem Begriff. (V 11, S. 143)

1.1Der Begriff Der Begriff Der Begriff Der Begriff Der Begriff Der Begriffy

Will Hegel eine Revolution der Philosophie durch ihre Zurückführung auf eine Logik als eine Wissenschaft der reinen Formen des Denkens abwenden,17 so muss es ihm gelingen, aufzuzeigen, wie die Wissenschaft sich durch das eigne Leben des Begriffs organisieren lasse. Dem Aufweis einer solchen Selbstbestimmung des Begriffs in seiner Entwicklung muss aber die Bestimmung des Begriffs selbst vorangehen. So beginnt Hegel auch seine subjektive Logik mit der Bestimmung des Begriffs. Doch schon zu Beginn zeigt sich die Schwierigkeit der geforderten Bestimmung des Begriffs: Der Versuch einer Bestimmung des Begriffs scheint sich zugleich in einem Zirkel zu verwickeln. Sowenig wie sich der Begriff irgendeines Gegenstandes unmittelbar angeben lässt, lässt sich die Natur des Begriffs, der Begriff des Begriffs unmittelbar bestimmen. Oder, wie Hegel es formuliert: „Was die Natur des Begriffes sey, kann so wenig unmittelbar angegeben werden, als der Begriff irgend eines andern Gegenstandes unmittelbar aufgestellt werden kann.“ (GW 12, S. 11) Die unhintergehbare Voraussetzung der Bestimmung eines Begriffs jedweden Gegenstandes scheint die logische Form zu sein. Die Bestimmung des Begriffs müsste dann immer schon die logische Form des Begriffs voraussetzen. Die Natur des Begriffs ließe sich in der Konsequenz nur bestimmen, wenn die logische Form des Begriffs einem Axiom gleich der Bestimmung des Begriffs vorausgesetzt würde. So ist auch für Hegel der (logische) Begriff nicht nur „eine subjective Voraussetzung“, sondern eine „absolute Grundlage“. (GW 12, S. 11) Als diese absolute Grundlage betrachtet Hegel den Begriff zwar als ein Erstes, ein Unmittelbares, das aber nicht die Bedingung der Vermittlung, sondern das Resultat der Vermittlung sei18 Der Begriff kann, so Hegels These, nur als absolute Grundlage genommen werden, „als insofern er sich zur Grundlage gemacht hat.“ (GW 12, S. 11) Der Begriff ist demnach nichts Vorzufindendes, nichts, was sich zusammenklauben ließe. Der Begriff lässt sich nur als Resultat seiner eigenen Geschichte, als Resultat seiner ihm immanenten Entwicklung begreifen. Eine solche Geschichte des Begriffs könne aber keine äußerliche, zufällige Historie von Begriffsbestimmungen sein. Allein eine logische, eine dem Wesen des Begriffs immanente Entwicklung könne auch die Natur des Begriffs adäquat darstellen. In diesem Sinne kritisiert Hegel 1. die in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen, 2. den Versuch, Begriffe als Zeichen aufzufassen und 3. die Trennung der logischen Form des Begriffs von seiner Wahrheit. Auf diese drei Kritikpunkte soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

1.1.1.Zur Kritik der in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen

In den von Hegel so benannten gewöhnlichen Abhandlungen der Logik finden sich verschiedene Einteilungen und Arten von Begriffen. Die Darstellungen von verschiedenen Arten von Begriffen, z. B. der Quantität oder der Qualität nach, sollen – dem Anspruch dieser Abhandlungen gemäß – der Bestimmung des Begriffs überhaupt dienen. Diese Funktion der Bestimmung des Begriffs spricht Hegel den bloßen Darstellungen verschiedenartiger Begriffe ab. Weil die zugrunde gelegten Kriterien der Einteilung der Begriffe als gegeben vorausgesetzt werden und äußerlich an den Begriff herangetragen werden, sei ihnen eine wesentliche Bestimmung der Begriffe unmöglich.
Es fällt sogleich die Inconsequenz daran in die Augen, dass die Arten so eingeführt werden: Es gibt der Quantität, Qualität u.s.f. nach folgende Begriffe. Es gibt, drückt keine andere Berechtigung aus, als die, dass man solche Arten vorfindet und sie sich nach der Erfahrung zeigen. Man erhält auf diese Weise eine empirische Logik, – eine sonderbare Wissenschaft, eine irrationale Erkenntniß des Rationellen. (GW 12, S. S. 43)
Der Begriff lässt sich folglich nur begreifend betrachten, alles andere wäre eine begriffslose Darstellung.Werden die zur Bestimmung des Begriffs vorausgesetzten logischen Formen als eine absolute Grundlage genommen, die unmittelbar gegeben sei, in der Erfahrung unvermittelt vorfindbar sei, so geschähe dies um den Preis einer metabasis eis allo genos. Beweisgrund und Beweisthema würden als gattungsfremd auseinanderfallen und nicht aufeinander zu beziehen sein. Aus diesem Grund habe es sich erst im Urteil, in der Beziehung der Begriffsbestimmungen aufeinander, zu zeigen, was „es für bestimmte Begriffe gibt“. (GW 12, S. 53)

1.1.2Zur Kritik der Darstellung von Begriffen als Zeichen

Mit der Bestimmung des Begriffs überhaupt durch die Einteilung desselben in verschiedene Arten wird der Begriff mit sich in verschiedene Verhältnisse gesetzt. Ein Modell eines solchen Verhältnisses ist das der Subordination von Begriffen, oder auch das der Koordination von Begriffen. So werden Gattung und Art, allgemeiner und besonderer Begriff, in das Verhältnis der Subordination, verschiedene Arten aber, verschiedene besondere Begriffe, in das Verhältnis der Koordination gebracht. Das wahre Verhältnis kann sich für Hegel allein im Urteil, der Beziehung der bestimmten Begriffe, ergeben. Der Versuch, die Verhältnisse von Begriffsbestimmungen analog der Darstellung algebraischer Größenverhältnisse darzulegen, verfehle die Natur des Begriffs. Eine Bezeichnung der Verhältnisse der Begriffsbestimmungen durch Linien, Figuren und ähnlichem könne zum Begreifen des Begriffs nichts beitragen.
Schon der Versuch der Bezeichnung stellt sich sogleich als an und für sich nichtig dar, wenn man die Natur des Zeichens und dessen, was bezeichnet werden soll, mit einander vergleicht. (GW 12, S. 47)
Das Zeichen ist stets ein dem Bezeichneten Äußerliches und Gleichgültiges. Mit der Bezeichnung wird zwar auf den Gegenstand des Zeichens verwiesen, ohne aber den Gegenstand selbst zu bestimmen.19
Wenn Begriffe nun in der Weise genommen werden, dass sie solchen Zeichen entsprechen, so hören sie auf, Begriffe zu seyn. Ihre Bestimmungen sind nicht so ein todtliegendes, wie Zahlen und Linien, denen ihre Beziehung nicht selbst angehört. (GW 12, S. 47)
Die Begriffsbestimmungen sind dem Begriff selbst immanent, so dass auch die Verhältnisse dieser Begriffsbestimmungen nicht als etwas diesen Äußerliches und Zufälliges aufgefasst werden können. Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem, von Gattungsbegriff und Artbegriff ist reziprok und ihrer jeweiligen Bestimmung immanent. Die Begriffsbestimmungen
sind lebendige Bewegungen; die unterschiedene Bestimmtheit der einen Seite ist unmittelbar auch der andern innerlich; was bey Zahlen und Linien ein vollkommener Widerspruch wäre, ist der Natur des Begriffs wesentlich. (GW 12, S. 47)

1.1.3.Zur Kritik der Trennung der logischen Form des Begriffs von seiner Wahrheit

Der Logik des Begriffs geht es um die Bestimmung der logischen Form des Begriffs. Hegel kritisiert an der gewöhnlichen Auffassung der Logik des Begriffs, dass über die Form der Inhalt vergessen werde. In der gewöhnlichen Auffassung der Logik des Begriffs werde diese als eine formelle Wissenschaft vorgestellt, in der es „auf die Form als solche des Begriffs, des Urtheils und Schlusses, aber ganz und gar nicht darauf ankomme, ob Etwas wahr sey; sondern diß hänge ganz allein vom Inhalte ab.“ (GW 20, S. 178) Die Übereinstimmung der logischen Form des Begriffs mit seinem Inhalt, mit der Realität wäre etwas dem Begriff Äußerliches. Die Triftigkeit eines Begriffs wäre kontingent, sie wäre begrifflich nicht zu begründen. Nur wenn es Hegel gelingt zu zeigen, dass die logische Form des Begriffs und sein Inhalt wesentlich aufeinander bezogen sind, die Form sich zu ihrem eigenen Inhalt machen kann, kann auf die metaphysische Voraussetzung eines gegebenen und vorfindbaren Inhaltes verzichtet werden. Der wahre Begriff findet dann seine Realität nicht als ein Fertiges ihm Gegenüberstehendes vor, sondern bildet in der begrifflichen Aneignung des Gegenstandes die Realität als die begriffene Wirklichkeit aus sich heraus. Diese Realität, wie sie in der Idee erreicht werde, sei „wesentlich im Begriffe und durch ihn bestimmt“. (GW 12, S. 42) Die Wahrheit und die Realität des logischen Begriffs bleiben jedoch, wie Hegel betont, abstrakt und bloß formell. Die Realität der formellen Wissenschaft bleibt eine andere als die der konkreten Wissenschaften. Trotz dieser zugegebenen Differenz hält Hegel an der Notwendigkeit des Wahrheitsanspruchs der logischen Begriffsbestimmung fest.
Wären wirklich die logischen Formen des Begriffs todte, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen oder Gedanken, so wäre ihre Kenntniß eine für die Wahrheit sehr überflüssige und entbehrliche Historie. (GW 20, S. 178)
Die Kenntnis der logischen Formen des Begriffs soll nicht der bloßen Einteilung und Sammlung von Vorstellungen dienen, sondern als absolute Voraussetzung aller Wissenschaften und auch aller empirischen Erfahrungen fungieren.20 So ist vondem Wirklichen nur dasjenigewahr, „was kraft dieser Formen, durch sie und in ihnen wahr ist.“ (GW 20, S. 178)

1.1.4Der Begriff als solcher21 – Zu Hegels Bestimmung des Begriffs

Den allgemeinen Begriff, den Begriff als solchen unterscheidet Hegel in seine drei Momente der Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit. In der Bestimmung der Allgemeinheit ist der Begriff der reine Begriff. In dieser Bestimmung, die den reinen Begriff neben andere stellt, ist er aber auch nur ein bestimmter oder ein besonderer Begriff. In seiner Besonderheit ist der Begriff als ein bestimmter Begriff als gegen andere Begriffe unterschieden gesetzt. Das dritte Moment des Begriffs ist die Einzelheit, nicht der einzelne Begriff. Diese Einzelheit soll Resultat der „Reflexion des Begriffs aus seiner Bestimmtheit in sich selbst“ (GW 12, S. 49) sein.
1.1.4.1Der allgemeine Begriff Der allgemeine Begriff Der allgemeine Begriff Der allgemeine Begriff
In der Allgemeinheit seiner Bestimmung ist der allgemeine Begriff unterschiedslose Beziehung auf sich selbst. Der allgemeine Begriff besteht in seiner Identität mit sich. Als reine Identität mit sich sei das Allgemeine aber nicht leer, „sondern hat vielmehr durch seinen Begriff Inhalt; einen Inhalt, in dem es sich nicht nur erhält, sondern der ihm eigen und immanent ist.“ (GW 12, S. 35) Wird von diesem Inhalt abgesehen, so erhält man den abstrakten Begriff, dem wegen seiner Inhaltslosigkeit keine Wahrheit zukommen kann. Der allgemeine Begriff hingegen hat Wahrheit, indem in ihm alle Bestimmungen seiner Realität enthalten sind. In diesem Sinne bezeichnet Hegel das Allgemeine als die „Totalität des Begriffes“ (GW 12, S. 35). Unter diese Totalität fallen alle möglichen Bestimmtheiten des Begriffs, d. h. alle besonderen Begriffe.
1.1.4.2Der besondere Begriff
In einer Hinsicht ist das Besondere das Allgemeine selbst, „aber es ist dessen Unterschied oder Beziehung auf ein Anderes, sein Scheinen nach Aussen; es ist aber kein anderes vorhanden, wovon das Besondere unterschieden wäre, als das Allgemeine selbst.“ (GW 12, S. 37f.) In anderer Hinsicht bestehen daher das Allgemeine und das Besondere nur in ihrer Beziehung aufeinander als Unterschiedene. Wie das Allgemeine als die Totalität des Begriffs das Besondere unter sich enthält, so enthält auch das Besondere das Allgemeine in sich. Jede Art enthält in sich die Bestimmung ihrer Gattung, dessen Bestimmtheit oder Beson derheit sie ist. Insofern sie eine Besonderheit der Gattung ist, ist die Art zugleich die Darstellung der Gattung in ihrer Bestimmtheit.
Das Besondere enthält also nicht nur das Allgemeine, sondern stellt dasselbe auch durch seine Bestimmtheit dar; dieses macht insofern eine Sphäre aus, welche das Besondere erschöpfen muss. Diese Totalität erscheint, insofern die Bestimmtheit des Besondern als blosse Verschiedenheit genommen wird, als Vollständigkeit.Vollständig sind in dieser Rücksicht die Arten, insofern es deren eben nicht mehrere gibt. (GW 12, S. 37)
Kommt es dem besonderen Begriff zu, das Allgemeine zur Darstellung zu bringen, so ist diese Darstellung nur dann angemessen, sofern sie die Totalität des Begriffs erschöpft. Alle Bestimmtheiten des Begriffs, alle möglichen Arten müssten aufgezählt werden, um diese Totalität des Begriffs in ihrer Vollständigkeit darzulegen. Dass dieses Unterfangen einer unendlichen Aufgabe gleichkäme, muss nicht hervorgehoben werden. Die Forderung einer solchen vollständigen Darstellung des Allgemeinen durch alle Besonderheiten, ergibt sich aus der Annahme einer bloßen Verschiedenheit der Arten. Die Totalität des Begriffs lässt sich aber nur unter der Voraussetzung eines prinzipiellen Unterschieds der Arten untereinander, einer spezifischen Differenz, in eine endliche Darstellung bringen. Für Hegel ist die Totalität des Begriffs allein in der Beziehung des Allgemeinen und des Besonderen aufeinander darzustellen. Allein das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Begriff ermögliche eine begriffliche Explikation der Totalität des Begriffs. Wie aber aus einem bloßen Begriffsverhältnis die Mannigfaltigkeit aller Naturerscheinungen adäquat erfasst werden können soll, ist überaus problematisch. Auch wenn es den meisten seiner Kritiker entgangen ist, so geht Hegel zu Beginn der Naturphilosophie explizit auf dieses Problem ein. Den Grund für die Schwierigkeit einer den Naturerscheinungen adäquaten und doch reinen Begriffsentwicklung sieht Hegel in der Ohnmacht der Natur angelegt.

1.1.5Die Ohnmacht der Natur22

Inwiefern die Form des Begriffs nicht nur zur formalen Bedingung der Möglichkeit jeglicher Erkenntnis, sondern zugleich zum Grund aller möglichen Erkenntnis bestimmt werden könne, ist eine Schwierigkeit, die sich jeder theoretischen Betrachtung der Naturerkenntnis stellt. Kant bestimmt in der Kritik der reinen Vernunft die Form der Anschauung und die reinen Verstandesbegriffe als die formalen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung. Die Funktion der formalen Bedingungen jeder Erkenntnis schränkt Kant aber zugleich auf die Kenntnisse einer Natur überhaupt ein.
Besondere Gesetze, weil sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, können davon nicht vollständig abgeleitet werden, ob sie gleich alle insgesamt unter jenen stehen. Es muss Erfahrung dazu kommen, um die letzteren überhaupt kennen zu lernen. (KrV, B 164 f.)
Die reinen Verstandesbegriffe bestimmen die Form der Erscheinungen, sind aber nicht der Grund der Existenz dieser Erscheinungen. Die Bestimmung der Form der Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen durch die Kategorien hat keine durchgängige Determination der Erscheinungen zur Folge. Eine Vollständigkeit in der Bestimmtheit der Naturerscheinungen ist für Kant aus der Form aller möglichen Erkenntnisse nicht herzuleiten. Hierzu bedürfe es der Erfahrung, eines spezifischen Inhaltes. Kant begegnet der kardinalen Schwierigkeit der theoretischen Betrachtung der Naturerkenntnis, wie die Form der Erkenntnis die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen adäquat begreifen könne, indem er die Form der Erkenntnis von ihrem Inhalt wesentlich unterscheidet. Eben diese Trennung der Form von ihren Inhalt hat aber für Hegel zur Konsequenz, dass der Bestimmung der Form aller möglichen Naturerkenntnisse keine Wahrheit zugesprochen werden könne. Die logischen Formen des Begriffs sollen aber keine tote, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen sein, sondern die Natur der Sache bestimmen. Es ist dies „die Betrachtungsweise des Begriffs, der seiner Natur nach überhaupt und damit der Natur als solcher immanent ist.“ (GW 20, S. 235) So fordert Hegel konsequenterweise die vollständige Darstellung der Totalität des Begriffs durch das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Begriff. Mag der Begriff dieser Forderung Folge leisten, so sperrt sich doch die Natur gegen diese Macht des Begriffs.
In Absicht auf Vollständigkeit hat sich ergeben, dass das Bestimmte der Besonderheit vollständig in dem Unterschiede des Allgemeinen und Besondern ist, und dass nur diese beyde die besondern Arten ausmachen. In der Natur finden sich freylich in einer Gattung mehr als zwey Arten, so wie diese vielen Arten auch nicht das aufgezeigte Verhältniß zu einander haben können. Es ist diß die Ohnmacht der Natur, die Strenge des Begriffs nicht festhalten und darstellen zu können, und in diese begrifflose blinde Mannichfaltigkeit sich zu verlauffen. Wir können die Natur in der Mannichfaltigkeit ihrer Gattungen und Arten, und der unendlichen Verschiedenheit ihrer Gestaltungen bewundern,denndie Bewunderung ist ohne Begriff, und ihr Gegenstand ist das Vernunftlose.“ (GW 12, S. 39)
Nicht der Begriff sei ohnmächtig gegenüber der Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen, sondern vielmehr die Natur sei ohnmächtig gegenüber der Forderung nach einer vollständigen Darstellung durch den Begriff. Die Ohnmacht der Natur bezieht sich nicht, wie der von Hegel gewählte Terminus nahezulegen scheint, auf einen mystischen oder zufälligen Zustand der Natur. (Vgl. z. B. Schultz Schultzenstein 1846, S. 29) Vielmehr verweist die Formulierung auf das notwendige Moment der Irreflexivität der Natur. Anders als Schelling, der die Natur als ein reflexives Subjekt zu bestimmen sucht und in der Konsequenz die Intelligibilität der Natur zu einer Intelligenz hypostasiert, besteht Hegel auf der wesentlichen Differenz zwischen Natur und Vernunft.23 Darin, dass diese Differenz notwendig sei, stimmen Hegel und Kant überein. In der Art, wie diese Differenz aufzufassen sei, stimmen Kant und Hegel nicht überein. Während Kant mit der Endlichkeit des Begriffs den Hiatus zwischen Natur und Begriff kritisch hervorhebt, sucht Hegel die objektive Wahrheit des Begriffs zu retten, um den Preis eines begriffslosen Residuums, der ohnmächtigen Natur. Aber auch für Hegel bleibt der Hiatus zwischen Natur und Begriff bestehen. Auch wenn es ihm gelingt die immanente Übereinstimmung von Form und Inhalt in der Sphäre der Logik aufzuzeigen, so bleibt doch die Natur als das Andere der Idee bestehen. Die „Totalität des Begriffs“ (GW 12, S. 53) und die Totalität der Natur in ihrer Vollständigkeit sind zwar aufeinander zu beziehen, aber nicht auseinander zu deduzieren. Die Hervorhebung dieses Hiatus ist die hegelsche Kritik der reinen Vernunft.
Jene Ohnmacht der Natur setzt der Philosophie Gränzen, und das Ungehörigste ist von dem Begriffe zu verlangen, er soll dergleichen Zufälligkeiten begreifen, – und wie es genannt worden, construiren, deduciren. (GW 20, S. 240)
Fragwürdig muss an dieser Stelle bleiben, ob es die Grenzen der Philosophie sind, die mit den Eintritt in die Realphilosophie vom Anspruch der hegelschen Logik, einen adäquaten, wahren Begriff zu entwickeln, allein übrig bleiben. Dies wird in den letzten Kapiteln der vorliegenden Arbeit explizit thematisiert werden.

1.2Das Urteil

Urtheil. ist im höchsten und strengsten Sinne die ursprüngliche Trennunng des in der in- tellctuellen Anschauung innigst vereinigten Objects und Subjects, diejenige Trennung, wodurch erst Object und Subject möglich wird, die Ur-Theilung. Im Begriffe der Theilung liegt schon der Begriff der gegenseitigen Beziehung des Objects und Subjects aufeinander, und die nothwendige Voraussetzung eines Ganzen wovon Object und Subject die Theile sind....

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Title
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. I. Hegel und die logische Frage
  7. II. Eine hegelsche Antwort
  8. Fußnoten
  9. Siglenverzeichnis
  10. Literaturverzeichnis
  11. Personenregister
  12. Sachregister