Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie
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Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie

  1. 523 Seiten
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Studien zur hellenistischen Biographie und Historiographie

Über dieses Buch

Die hellenistische Biographie ist eine Gattung, die noch immer unter einem schlechten Ruf zu leiden hat. Man betont ihren fiktiven, bisweilen unernsten Charakter und sieht in ihr eine Form der Unterhaltungsliteratur mit allenfalls ethisch-pädagogischer Zielsetzung. Die Aufsätze in diesem Band entwerfen ein differenzierteres Bild von der Gattung und sehen sie als eine besondere Form der Historiographie. Zu diesem Zweck rekonstruiert der Autor in Detailstudien auf der Grundlage der erhaltenen Fragmente die Arbeitsweise wichtiger hellenistischer Biographen und die Charakteristika ihrer Werke. Er untersucht die Überlieferung der Fragmente, zeigt die Konsequenzen auf, die für ihre Interpretation daraus zu ziehen sind, und erhellt das Verhältnis der Biographie zu anderen Gattungen. Seine Analysen zeigen insbesondere den Wert der Gattung als bisher vernachlässigte Quellen für die Kulturgeschichte und verdeutlichen ihre Positionierung im Rahmen der historiographischen Literatur. Der Band enthält aktualisierte Fassungen von zwölf Beiträgen der Jahre 2003–2014 sowie zwei neue Aufsätze. Zusammengenommen entwerfen sie ein vielfach neues Bild von der Gattung, das für Philologen und Historiker gleichermaßen von Interesse ist.

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Information

Jahr
2018
eBook-ISBN:
9783110448504
Auflage
1

1‘Periegetische Biographie’ – ‘Historische Biographie’: Neanthes von Kyzikos (FGrHist 84) als Biograph

1.1Einleitung

Neanthes von Kyzikos, der früheste Autor einer Schrift Über berühmte Männer (Περὶ ἐνδόξων ἀνδρῶν),1 gehört zu denjenigen Biographen, die bisher als Literaten kaum wahrgenommen worden sind. Dies erstaunt, da von ihm einige zum Teil recht umfangreiche biographische Fragmente erhalten sind. Zu den von Felix Jacoby unter Nr. 84 gesammelten Resten seiner Werke kommen einige Kolumnen in Philodems Academicorum index mit interessanten Nachrichten aus dem Leben Platons, die bei Jacoby nicht oder nur in unzulänglicher Form zu finden sind. Der Umfang, in dem Philodem aus Neanthes zitiert, wurde von Konrad Gaiser erkannt. Er hat daneben wichtige Beiträge zur Textkonstitution geliefert, die einen enormen Fortschritt gegenüber der alten Ausgabe von Siegfried Mekler bedeuten,2 die noch Jacoby verwendet hatte.3 Vielfach sind sie freilich sehr gewagt und nicht mit dem papyrologischen Befund zu vereinen. Und so stellt die nachfolgende Ausgabe von Tiziano Dorandi einen wichtigen Schritt hin zu einer zuverlässigen Textgestaltung dar.4 Nach Dorandi hat sich Enzo Puglia des Academicorum index angenommen, und zwar gerade der Passagen aus Neanthes. Er hat eine neue Lesung der Passage über Platons letzte Lebenstage vorgelegt sowie eine Neubearbeitung der Kolumne, in der vom Verkauf Platons in die Sklaverei berichtet wird.5 Dem Academicorum index ist es auch, wie Walter Burkert herausgestellt hat, zu verdanken, daß Neanthes relativ genau datiert werden kann. Da dort deutlich wird, daß sich Neanthes auf Philipp von Opus und den Kyniker Philiskos von Aigina als seine persönlichen Gewährsmänner für Angaben über Platon beruft, ist erwiesen, daß er schon im 4. Jh. aktiv gewesen ist und nicht erst am Ende des 3. und Anfang des 2. Jh.s, wie man bisher mit Jacoby zumeist angenommen hat.6 Philipp wurde wohl | [116] Ende des 5. Jh.s geboren und starb daher kaum viel später als 320.7 Hierzu paßt, daß Neanthes in der Suda als Schüler des Isokrateers Philiskos von Milet bezeichnet wird, der ca. 405/0 geboren wurde und wohl nicht lange nach 324 gestorben ist.8 Wenn er zwischen dem Tod Platons (348/7) und dem Philipps schon erwachsen war, muß er mindestens 350 geboren sein, vielleicht sogar viel früher. Es ist daher möglich, aber nicht ganz sicher, daß er mit dem in einer delphischen Inschrift von ca. 274 geehrten Neanthes aus Kyzikos identisch ist.9 Wahrscheinlich ist eine Identifizierung freilich doch, da eine solche Ehrung gut zu entsprechenden Auszeichnungen für umherziehende Historiker paßt, zu denen auch Neanthes zu zählen ist.10 Man kommt so auf eine Lebenszeit von ca. 360/350 bis mindestens 274.11 Burkert weist auf die Bedeutung hin, die Neanthes’ Frühdatierung im Hinblick auf einige Traditionen über Platon besitzt, beläßt es aber ansonsten bei der knappen Bemerkung: „Durch die neue Datierung verschiebt sich manches in dem Beziehungsgeflecht der hellenistischen Quellen.“12. Welch große Bedeutung es hat, daß es sich beim Biographen Neanthes um einen Autor des 4. Jh.s handelt, ist bis heute kaum gewürdigt worden. Diese Erkenntnis führt dazu, daß eine Reihe wichtiger Überlieferungskomplexe neu aufgerollt werden muß und mögliche Abhängigkeiten neu zu bestimmen sind.
Ich möchte in dieser Studie vor allem versuchen, Neanthes als Autor etwas näher zu kommen, das heißt vor allem seiner Arbeitsweise und dem Charakter seiner Biographien.
Das Problem ist allgemein bekannt: Bei Diogenes Laertios, Athenaios oder sonst einem Quellenautor werden für eine Angabe zwei oder mehr Autoren zitiert, so daß sich die Frage stellt, ob der eine den anderen benutzt oder vielleicht sogar namentlich zitiert hat und ob Diogenes die Quellenangaben, die er in seiner Vorlage gefunden hatte, einfach übernommen hat. Man ist heute zu Recht davon abgekommen, wie selbstverständlich anzunehmen, daß der jeweils jüngste Autor den oder die älteren namentlich zitiert haben muß. In vielen Fällen läßt sich zeigen, daß ein späterer Kompilator im Idealfall identische oder, wie wohl häufig der Fall, nur ähnliche Angaben zu einer Zitatkette vereinigt hat. Für eine Überraschung sorgte in dieser Hinsicht etwa die Entdeckung der Euripidesvita des Satyros, die deutlich machte, daß der Biograph zwar in großem Umfang aus den Werken des Tragikers und der zeitgenössischen Komödiendichter zitiert, | [117] seine unmittelbaren Vorlagen aber komplett verschweigt und nicht auf Varianten in der Überlieferung eingeht. Satyros stellt daher im Überlieferungsprozeß, soweit wir sehen, immer eine ‘Sackgasse’ dar.13 Die Frage scheint also berechtigt zu sein, ob nicht auch andere Biographen so verfuhren wie Satyros. Um so interessanter scheint es mir daher zu sein, daß wir von Neanthes Fragmente besitzen, die einerseits Hinweise darauf geben, warum und in welcher Weise er sich mit dem Leben von Personen der Vergangenheit und der Gegenwart beschäftigt hat, und die andererseits einen Blick auf seine Arbeits- und Zitierweise ermöglichen.

1.2Werke

Zunächst ist auf die Frage einzugehen, welche der überlieferten Fragmente dem Biographen zuzuweisen sind und welche einem Homonymen unbekannter Herkunft: Athenaios zitiert an einer Stelle aus der Schrift eines Neanthes mit dem Titel Περὶ Ἄτταλον ἱστορίαι (15,966d = F 4). Ältester in Frage kommende Attalos ist Attalos I. von Pergamon (241–197), so daß der Verfasser dieser Schrift frühestens in die 2. Hälfte des 3. Jh.s oder die 1. Hälfte des 2. Jh.s gehört14 und nicht mit dem Autor des 4. Jh.s identisch sein kann.15 Jacoby wies alle historischen Schriften, also auch Über berühmte Männer, dem jüngeren Autor zu. Da der Biograph aber sicher in die 2. Hälfte des 4. Jh.s gehört, stellt sich die Frage neu, welche Schriften außerdem vom Biographen stammen. Ziemlich sicher ist dies bei dem mythographischen Werk Nach Städten geordnete Mythen (Κατὰ πόλιν μυθικά; F 6–12): Diogenes Laertios zitiert an mehreren Stellen Neanthes für biographische Informationen über Philosophen, darunter Pythagoreer, wobei der Autor der Schrift Περὶ ἐνδόξων ἀνδρῶν gemeint sein muß. Aus der Pythagorasvita des Porphyrios ist ersichtlich, daß die Angaben des Neanthes über Pythagoras nicht in der Schrift Über berühmte Männer standen, wie man erwarten würde, sondern in Nach Städten geordnete Mythen. Will man also nicht einen Biographen Neanthes – den Autor von Περὶ ἐνδόξων ἀνδρῶν – und einen Mythensammler Neanthes annehmen, die beide über die Biographien des Pythagoras und der Pythagoreer geschrieben haben, dann muß man den Biographen mit dem Mythensammler identifizieren.
Auch für die Identifizierung des Biographen mit einem Neanthes, der ein Werk Über Riten16 (Περὶ τελετῶν; F 14–16) verfaßt hat, gibt es gute Gründe: An der einzigen Stelle, an der der Titel Über berühmte Männer erscheint, bei | [118] Stephanos von Byzanz, wird Neanthes als Gewährsmann für die Herkunft der Hetäre Laïs aus der sizilischen Stadt Krastos zitiert.17 Hinzugefügt wird, daß sie der Perieget Polemon hingegen als Korintherin bezeichnet habe. Bei Athenaios wird unter Berufung auf Timaios berichtet, sie habe aus Hykkara in Sizilien gestammt.18 Polemon habe dem im sechsten Buch seiner Schrift Gegen Timaios (Πρὸς Τίμαιον) zugestimmt und erklärt, sie sei als Kriegsgefangene von dort nach Korinth gekommen und in Thessalien getötet worden.19 Er ergänzt hier offenkundig nur die Darstellung seines Kontrahenten. Schon früher hat man vermutet, daß Polemon gegen die Ansicht des Neanthes polemisiert habe.20 In der Tat bezeugt Athenaios für Polemon eine Gegenschrift gegen Neanthes (Πρὸς Νεάνθην ἀντιγραψαί), in der er sich gegen die Historizität eines Berichtes im zweiten Buch von Neanthes Schrift Über Riten wendet.21 [Es ist eine plausible Vermutung, daß Polemon in dieser Schrift auch an Neanthes’ Darstellung der Herkunft der Laïs Kritik übte. Trifft dies zu, hat] Polemon also offenkundig sowohl in der Schrift Gegen Timaios – zustimmend und ergänzend – als auch in der Gegenschrift gegen Neanthes – kritisierend und verbessernd – zu den Lebensumständen der Laïs Stellung bezogen.22 Da es sich bei Neanthes, der sich über die Herkunft der Laïs äußert, um den Biographen handelt, Polemon aber [aller Wahrscheinlichkeit nach] nur gegen eine Person dieses Namens geschrieben hat, ist dieser mit dem Autor der Schrift Über Riten zu identifizieren. [Aber auch wenn man davon ausgeht, daß sich Polemon nur in der Schrift gegen Timaios mit der Herkunft der Hetäre befaßte, macht es die Stephanosstelle wahrscheinlich, daß Polemik gegen Neanthes vorliegt. Auch dann ist es unwahrscheinlich, daß sich der Perieget mit zwei Autoren dieses Namens auseinandersetzte. Zur Identifizierung paßt zudem, daß die Themen der Fragmente aus Über Riten die Interessen unseres Autor widerspiegeln; zu F 16 siehe unten, S. 46–47.]
Es bleiben die Hellenika (F 1–3) und die Jahrbücher (Ὧροι; F 5). Erstere zitiert Athenaios dreimal und Plutarch einmal, letztere Athenaios einmal. Da für die Hellenika ein ausgesprochenes Interesse an der Biographie des Themistokles erkennbar ist und das einzige Fragment aus den Jahrbüchern über Erfindungen des Ibykos und Anakreon berichtet, dürften sie dem Biographen zuzuweisen sein.
Die Suda nennt keine Werke des älteren Neanthes, während im Violarium der Ps.-Eudokia, die sonst die Suda ausschreibt, hinzugefügt ist: Ἔγραψε Περὶ κακοζηλίας ῥητορικῆς καὶ λόγους πολλοὺς πανηγυρικούς.23 Hier muß ein Irrtum oder eine bewußte Fälschung des Autors der Kompilation vorliegen, der jedenfalls kein eigenständiger Quellenwert zukommt.24 | [119]
Für den jüngeren Neanthes bleibt also wohl nur die Attalosgeschichte.25 […]. [Der jüngste Versuch von ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 ‘Periegetische Biographie’ – ‘Historische Biographie’: Neanthes von Kyzikos (FGrHist 84) als Biograph
  7. 2 Chamaileonstudien
  8. 3 Chaimaileon: Biographie und Schriften Περὶ τοῦ δεῖνα
  9. 4 Aristoxenus’ Biographical Method
  10. 5 Biography and History in Phaenias of Eresus
  11. 6 Die Pythagoreer im zehnten Buch der Bibliothek Diodors: Quellen, Traditionen ‒ und Manipulationen
  12. 7 Wer wurde in der Antike als Peripatetiker bezeichnet?
  13. 8 Epitomai und hellenistische Biographie
  14. 9 Bio-Doxographie in hellenistischer Zeit
  15. 10 Jørgen Mejers Diogenes Laertius and His Hellenistic Background nach 30 Jahren – einige Überlegungen
  16. 11 Historiographie, Biographie und Enkomion. Theorie der Biographie und Historiographie bei Diodor und Polybios
  17. 12 Überlegungen zu P. Oxy. LXXI 4808
  18. 13 Pythagoras in the Historical Tradition: from Herodotus to Diodorus Siculus
  19. 14 Die hellenistische Biographie in neuem Licht
  20. Literaturverzeichnis
  21. Verzeichnis der Erstpublikationen
  22. Eigennamen
  23. Stellen