
- 172 Seiten
- German
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Pascals Gedanken über Gerechtigkeit und Ordnung
Über dieses Buch
Blaise Pascal (1623-1662) gehört zu den größten Geistern, die je auf Erden gelebt haben. Seine tiefgründigen Gedanken über Recht, Macht und Gerechtigkeit sind von den Juristen eher vereinzelt zitiert, nicht immer hinreichend von denen Montaignes abgegrenzt, selten im Zusammenhang durchdrungen und so gut wie nie im Hinblick auf seine großen religionsphilosophischen Gedanken untersucht worden. Der vorliegende Band versucht eine Verbindungslinie zwischen seiner Rechtsphilosophie und seiner Religionsphilosophie herzustellen, indem er Pascals Gedanken über die Gerechtigkeit zu seiner berühmten Lehre von den drei Ordnungen ins Verhältnis setzt.
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Information
§ 1Pascals scheinbarer Rechtsnihilismus
I.Pascals Pensées als Herausforderung der Jurisprudenz
Pascal hat nur vergleichsweise wenige seiner Gedanken dem Recht gewidmet.33 Daher wurde er von der Jurisprudenz nicht gerade vordringlich gewürdigt.34 Und doch hat gerade er an sie eine der größten Herausforderungen gerichtet, indem er sie regelrecht verhöhnte: « Trois degrés d’élévation du pôle renversent toute la jurisprudence,un méridien décide de la vérité ».35 Drei Breitengrade näher zum Pol stellen demnach die ganze Rechtswissenschaft auf den Kopf und entscheiden über die Wahrheit. Ganz ähnlich ausgerichtet ist sein ebenfalls an Montaigne orientierter Vorhalt: « Mon ami vous êtes né de ce côté de la montagne; il est donc juste que votre aîné ait tout ».36 Und auch die für sich allein betrachtet unverständliche, im Zusammenhang mit den beiden benachbarten Gedanken aber begreifliche Sentenz veranschaulicht die territoriale Begrenzung des Rechts: « Il demeure au delà de l’eau ».37 Und auch in zeitlicher Hinsicht bildet die geschichtliche Geltung des Rechts eine Relativierung, weil jedes Recht seine Epoche hat und selbst grundlegende Gesetze wandeln sich mitunter binnen weniger Jahre: « en peu d’années de possession, les lois fondamentales changent; le droit a ses époques. »38Der Sache nach geht es um das Problem der „raumzeitlichen Relativierung“ des Rechts.39
1.Raumzeitliche Relativität des Rechts
Es ist klar, dass damit der Wissenschaftsanspruch der Jurisprudenz im Kern berührt wird,40 den Pascal ohnedies tendenziell bezweifelt, weil er sie für eine Art „Autoritätswissenschaft“41 hält, in der es weniger auf die reine Wahrheit als vielmehr darauf ankommt, von wem eine bestimmte Rechtsansicht vertreten wird: « Dans les matières où l’on recherche seulement de savoir ce que les auteurs ont écrit, comme dans l’histoire, dans la géographie, dans la jurisprudence, dans les langues, (…) et surtout dans la théologie, et enfin dans toutes celles qui ont pour principe, ou le fait simple, ou l’institution, divine ou humaine, il faut nécessairement recouvrir à leurs livres, puisque tout ce que l’on en peut savoir y est contenu : d’où il est évident que l’on peut en avoir la connaissance entière, et qu’il n’est pas possible d’y rien ajouter ».42 Wahre Wissenschaft muss demgegenüber autoritätsunabhängig sein, wiePascal vor allem in seinen Abhandlungen über den geometrischen Geist und die Kunst zu überzeugen voraussetzt.43 Pascal hat mit aller Schärfe und der ihn auszeichnenden Fähigkeit zur rhetorischen Zuspitzung die Achillesferse der Jurisprudenz erkannt und angegriffen. Im Unterschied zu den Naturgesetzen, die immer und überall gelten, ist das Recht in seiner Geltung zeitlich und territorial begrenzt. Das Dilemma des Rechts ist die Begrenztheit seiner Geltung.44 Auch ein noch so weit reichendes supranationales Recht gerät über kurz oder lang an seine Grenzen. Kein Europa- oder Völkerrecht kann den Pascalschen Einwand restlos ausräumen, abgesehen davon, dass gerade das Völkerrecht anderen Bedenken ausgesetzt ist, die mit der begrenzten Stärke seiner Durchsetzbarkeit zusammenhängen, und die Pascal der Sache nach auch schon vorhergesehen hat.45
a)Erkenntnis und Wissen des Rechts?
Man kann diesem Grundgedanken Pascals, wenn man ihn für sich betrachtet, eine gewisse Eindimensionalität bescheinigen, weil er auf eine Selbstverständlichkeit hinausläuft: Aus der mangelnden Ubiquität seiner Geltung kann man nicht ohne weiteres folgern, dass es keine anerkennungswürdige Rechtswissenschaft gebe. Nur weil der Gegenstand der Erkenntnis, also das Erkenntnisinteresse, wenn man es auf das Recht bezieht, relativ ist, nämlich nur bezüglich eines bestimmten Territoriums oder einer bestimmten Zeit gilt, bedeutet das nicht, dass die Wissenschaft, die davon handelt, gegenüber den Naturwissenschaften a limine minderwertig ist.46 Man kann sogar sagen, dass Pascal hier implizit etwas angesprochen hat, das erst in unserer Zeit wieder aufgegriffen wurde, nämlich die Problematik des rechtlichen Wissens,47 also dessen, was man vom und über das Recht überhaupt wissen kann.48 Mit buchstäblicher Radikalität stellt er die rhetorische Frage, worauf der Lauf der Welt gründet, indem er mit scheinbarer Nachdenklichkeit die Gerechtigkeit als möglichen Beweggrund ins Feld führt, nur um sie gleich darauf vollends in Zweifel zu ziehen: « Sera-ce sur la justice? il l’ignore ». Es geht weniger – wie in manchen Übersetzungen unscharf hervorgehoben – um die Unkenntnis des Rechts als vielmehr um die der Gerechtigkeit.49
b)Wahrheit und Gerechtigkeit
Bei näherer Betrachtung ist damit aber noch etwas Anderes angesprochen, das die Mehrdimensionalität des Pascalschen Einwandes sichtbar macht. Es ist entgegen dem ersten Anschein nicht einfach der seit jeher und immer wieder begegnende wissenschaftliche Hochmut des Naturwissenschaftlers, der dem heute so genannten „Geisteswissenschaftler“, näherhin dem Juristen, die Grenzen seiner Erkenntnis aufzeigt. Gewiss ist diese Zielrichtung im Gedanken Pascals auch enthalten, wie aus der schneidenden Schärfe der rhetorischen Zuspitzung erhellt: « Plaisante justice qu’une rivière borne! Vérité au deçà des Pyrénées, erreurs au delà ».50 – „Spaßhafte Gerechtigkeit, die ein Fluss begrenzt! Diesseits der Pyrenäen Wahrheit, jenseits Irrtum.“51 – Man beachte, wie Pascal hier von der soeben behandelten Kenntnis zur Wahrheit übergeht.52 Verbindliches Wissen könnte in anderen Wissenschaften zur Wahrheit führen,53 die es im Recht jedoch nicht gibt. Die Verbindung der Frage nach der Gerechtigkeit mit der nach der Wahrheit hat später Nietzsche in unausgesprochenem Konsens mit Pascal miteinander verbunden.54
Das zeigt sich am Beispiel eines anderen Gedankens, der veranschaulicht, wie schwer der entscheidende Punkt jeweils getroffen werden kann:55 « La justice et la verité sont deux pointes si subtiles, que nos instruments sont trop mousses pour y toucher exactement. S’ils y arrivent, ils en écachent la pointe, et appuient tout autour, plus sur le faux que sur le vrai ».56 Nicht nur erweist sich unsere beschränkte Sinneswahrnehmung als unzureichend, sondern auch das Recht selbst als inkonstant. Das Recht erscheint Pascal regelrecht als wetterwendisch: « On la verrait plantée par tous les États du monde et dans tous les temps, au lieu qu’on ne voit rien de juste ou d’injuste qui ne change de qualité en changeant le climat ».57 Hier zeigt sich exemplarisch die argumentative Fertigkeit Pascals, der, sobald er die geringste nur denkbare Schwäche im Gedankengebäude des imaginären Gegners erkannt hat, dagegen so zu Felde zieht, dass von den Gründen der Gegenseite nichts übrig bleibt und ihre Ziele mitunter geradezu der Lächerlichkeit preisgegeben sind.58
Aber um einen solchen billigen Triumph geht es Pascal nicht, vor allem nicht in den Lettres Provinciales, in deren zwölftem Brief er zum Verhältnis von Wahrheit und Macht in einer vielsagenden religiösen Färbung sagt:59 „Gewalt und Wahrheit vermögen nichts übereinander. Sage man nicht, dass sie das gleiche seien: denn es besteht dieser extreme Unterschied zwischen ihnen, dass die Gewalt durch den Befehl Gottes nur einen begrenzten Lauf hat, der ihre Folgen zum Ruhme der Wahrheit hinführt, die sie bekämpft. Dagegen besteht die Wahrheit ewig und triumphiert über ihre Feinde, denn sie ist ewig und mächtig wie Gott selber.“60 Der christozentrische Anklang in Anlehnung an Joh 14,6 wird uns noch weiter unten im Zusammenhang mit Pascals Ordnungslehre beschäftigen, die gleichfalls davon ausgeht, dass zwischen den einzelnen Ordnungen – etwa der des unendlichen Raums und derjenigen des Geistes ein kategorialer Unterschied und eine qualitative Unerreichbarkeit liegen.
c)Certitude als Maßstab im Spiegel des Fragment 375
So richtig und unabweisbar es ist, dass er die naturwissenschaftliche Exaktheit, die Gewissheit in einem durchaus auch noch cartesischen Sinne zum Maßstab erhebt und daran die Rechtswissenschaft prüfend misst und verwirft, so wichtig ist es zu berücksichtigen, dass damit noch nicht die ganze Wahrheit ausgesprochen ist. Denn so hätte Descartes selbst argumentieren können. Pascal geht es um mehr:61 Er hat mit seinem rasiermesserscharfen geometrischen Geist zugleich die Grenzen desselben erkannt.62 Die ,certitude', die er erst in der Nacht der Niederschrift des Mémorial, von dem noch die Rede sein wird, fand, ist von einer Art, welche die naturwissenschaftliche Exaktheit und Gewissheit übertrifft; an jener gemessen, verblasst auch diese. Daher muss sich der Blick im Folgenden darauf richten, welchen Maßstab Pascal wirklich anlegt, wenn er vom Recht, der Gerechtigkeit, dem Naturrecht und der Vernunft spricht.63
aa)Offenbarung der Idee der Gerechtigkeit
In diesen Zusammenhang gehört ein Fragment, das Pascals fundamentale Zweifel an der Gerechtigkeit in den Blick nimmt und zugl...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titelseite
- Impressum
- Vorwort
- Inhalt
- Einleitung
- § 1 Pascals scheinbarer Rechtsnihilismus
- § 2 Die Lehre von den drei Ordnungen
- § 3 Pascals politischer Gedanke im Spiegel der Ordnungen
- § 4 Die dritte Ordnung
- § 5 Die Überwindung des cartesischen Dualismus
- § 6 Die Ordnung der Gerechtigkeit
- Literaturverzeichnis
- Personenregister
- Fußnoten