Apriorische Gewissheit
eBook - ePub

Apriorische Gewissheit

Das Glaubensverständnis des jungen Kierkegaard und seine philosophisch-theologischen Voraussetzungen

  1. 500 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Apriorische Gewissheit

Das Glaubensverständnis des jungen Kierkegaard und seine philosophisch-theologischen Voraussetzungen

Über dieses Buch

Die vorliegende Studie ist die erste Detailstudie zum Glaubensverständnis des jungen Kierkegaard. In Verschränkung von werkimmanenter und rezeptionsgeschichtlicher Analyse werden die Grundlagen dieses Glaubensverständnisses einerseits anhand seiner Schriften und Aufzeichnungen aus der Studienzeit (1830-1841) herausgearbeitet, andererseits zugleich auf deren philosophisch-theologische Quellen und Voraussetzungen hin untersucht. Dabei wird deutlich, dass sich wichtige Aspekte und Elemente der Glaubenstheorie des späteren Schriftstellers bereits beim Theologiestudenten Kierkegaard präformiert finden. In seiner Auseinandersetzung mit anderen Denkern und geprägt durch philosophisch-theologische Diskussionen in seinem zeitgenössischen Umfeld ist Kierkegaard in seiner 'vita ante acta' zu Einsichten über die Eigenart und die lebenspraktischen Konsequenzen des christlichen Glaubens gelangt, die er im schriftstellerischen Werk in einer Weise aufnehmen, fortführen und literarisch fruchtbar machen wird, die umgekehrt erst als Reflex jener frühen Überlegungen voll verständlich werden.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Apriorische Gewissheit von Gerhard Schreiber im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Theologie & Religion & Christliche Theologie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1 Frühe Reflexionen über den Glauben

1.1 Abgrenzung

Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels sind Kierkegaards Journale und Aufzeichnungen aus der Zeit vom Beginn des Studiums an der Universität Kopenhagen im Wintersemester 1830/31 bis zur Jahreswende 1836/37.97 Der Einsatzpunkt der Untersuchung ergibt sich dabei aus dem bereits in der Einleitung angesprochenen Umstand, dass in Kierkegaards literarischem Nachlass (mit Ausnahme zweier Briefe) keine älteren Aufzeichnungen erhalten sind. Die Jahreswende 1836/37 erscheint als zeitlicher Endpunkt der Untersuchung dieses Kapitels wiederum dadurch begründet, dass Kierkegaards philosophische Bildung seit Anfang 1837 eine wesentliche Erweiterung und Vertiefung erfahren hat und seine denkerische Entwicklung nunmehr durch die eingehende Beschäftigung vor allem mit Vertretern der Hegelschule und des spekulativen Theismus geprägt war.
Die Untersuchung von Kierkegaards Glaubensverständnis soll im Folgenden zunächst anhand seiner frühen theologischen Notizen bis zum Frühsommer 1835 erfolgen (1.2), bevor speziell auf den in Aufzeichnungen aus der Zeit von Ende Mai bis Anfang Juni 1835 sich abzeichnenden Bruch Kierkegaards mit Grundtvigs ‚kirchlicher Anschauung‘ eingegangen wird (1.3). Im Anschluss daran werden Kierkegaards Aufzeichnungen vom Sommer 1835 bis Herbst 1836 untersucht, einer Zeit, in der Kierkegaard eine Phase der Orientierungslosigkeit und der Zweifel an der Überzeugungskraft des Christentums durchlaufen hat (1.4). Besonderes Augenmerk gilt dabei zum einen Kierkegaards Verhältnisbestimmung von Philosophie und Christentum (1.4.1), zum anderen seiner im September 1836 beginnenden intensiven Beschäftigung mit Hamann (1.4.2). Hierauf folgt der erste Teil der Untersuchung98 der für die Interpretation von Kierkegaards Glaubensverständnis wichtigen Aufzeichnung Papir 92, in der Kierkegaard das von Schleiermacher ‚Religion‘ und von den ‚hegelschen Dogmatikern‘ ‚Glaube‘ Genannte mit ‚dem ersten Unmittelbaren‘ gleichsetzt (1.5), bevor schließlich die um die Jahreswende 1836/37 entstandene Aufzeichnung Papir 81:1 behandelt wird, in der Kierkegaard den Glauben als ‚apriorische Sicherheit‘ bestimmt (1.6).
dp n="39" folio="27" ?

1.2 Theologische Notizen bis zum Frühsommer 1835

Kierkegaards theologisches Interesse hat in den ersten Jahren seines Studiums, soweit sich dies aus seinem Nachlass sowie aus Vorlesungsverzeichnissen und vorhandenen Hörerlisten rekonstruieren lässt, vor allem den Gebieten der Exegese des Neuen Testaments und der Dogmatik gegolten.99 Daneben finden sich unter den erhaltenen Aufzeichnungen, die Kierkegaards tatsächlichen Besuch von Veranstaltungen allerdings nur unvollständig widerspiegeln, auch einzelne Exzerpte aus und Bemerkungen zu kirchengeschichtlichen Werken hauptsächlich über die deutsche und dänische Reformation, die aber keine Rückschlüsse auf Kierkegaards Glaubensverständnis zulassen.100 Auch in seinen zum Teil umfangreichen, meist jedoch kürzeren exegetischen und dogmatisch-theologischen Notizen bis zum Frühsommer 1835, die Kierkegaard großenteils in Verbindung mit dem Besuch entsprechender Vorlesungen an der Theologischen Fakultät zu Papier gebracht hat101, begegnen nur wenige explizite Aussagen (Kierkegaards) über den Glauben. Wie im Folgenden jedoch zu zeigen sein wird, enthalten die im Zuge dieser frühen exegetischen und dogmatisch-theologischen Beschäftigung entstandenen Notizen Kierkegaards gleichwohl einige Überlegungen, die für die Untersuchung seines Glaubensverständnisses interessant und aufschlussreich sind.

1.2.1 Exegetica

Von Kierkegaards früher exegetischer Beschäftigung zeugen in seinem Nachlass neben verschiedenen Exzerpten aus exegetischen Werken und eigenen Exegesen einzelner Stellen insbesondere aus den Synoptikern und dem Corpus Paulinum auch von ihm selbst angefertigte lateinische Übersetzungen aus der Apostelgeschichte und der neutestamentlichen Briefliteratur.102 Für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist dabei die in ein kleines, aus drei Doppelblättern bestehendes Heft eingetragene Aufzeichnung Papir 4:1, in der Kierkegaard vermutlich in Verbindung mit seinem Besuch von Henrik Nicolai Clausens (1793 –1877) Privatvorlesung über die Synoptiker im Wintersemester 1832/33 einzelne Stellen aus den synoptischen Evangelien kommentiert hat.103 Hinsichtlich der Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen in Lk 17,11–19 wundert sich Kierkegaard über das Wort Jesu: „dein Glaube hat dir geholfen“ (Lk 17,19)104 zu dem einen der zehn geheilten Aussätzigen, der zu ihm zurückgekehrt war, um Gott zu ehren und ihm zu danken. Die Tatsache nämlich, dass man glaube, sei von Jesus doch stets als eine Bedingung für die Rettung angegeben worden. Wie aber seien dann die neun anderen gerettet worden, „die nicht ihren Glauben zeigten, ja die ihn nicht einmal gehabt zu haben scheinen, weil sie nicht zurückkehrten, um Gott die Ehre zu geben“105?
In der vermutlich im Herbst 1833 auf einen losen Zettel notierten Aufzeichnung Papir 5:1106, die mittels eines Einweisungszeichens auf die eben angeführte Stelle in Papir 4:1 bezogen ist, hat Kierkegaard sich selbst eine erste Antwort auf diese Frage gegeben. Anlass dafür war eine im Aftensang107 am 8. September 1833 in der deutschen Frederikskirke in Christianshavn gehaltene Predigt Nikolai Frederik Severin Grundtvigs (1783–1872) über eben Lk 17,11–19, in der dieser für alle zehn geheilten Aussätzigen den Glauben annahm, da sonst bei ihnen keine Heilung eingetreten wäre.108 Grundtvig unterscheidet dabei zwischen dem Glauben an Jesus Christus, der allen Menschen helfen könne, und jedem anderen Glauben, der einigen Menschen (wenn auch freilich nicht für die Ewigkeit, so doch) zumindest im Augenblick helfen könne. Das besagte Heilungswunder sei ein Beispiel für den Glauben an Jesus Christus, der „eine wunderbare, unvergleichliche Kraft“109 zur Heilung sämtlicher Krankheiten besitze, weshalb alle zehn Aussätzigen gereinigt worden seien – „denn wahrlich, wären es nur Worthülsen gewesen, da sie riefen: Jesus, Meister, erbarme dich unser, dann wären sie nicht gereinigt, nicht von der Plage geheilt worden, aber sie glaubten wirklich, dass Jesus, wenn er wolle, zweifelsohne auch ihnen helfen könne und ihr Glaube half ihnen wirklich, so dass sie der Plage quitt wurden“110.
Mit kritischem Bezug auf diesen Passus der Predigt merkt Kierkegaard nun in der wohl kurze Zeit später niedergeschriebenen Aufzeichnung Papir 5:1 an, dass beim gemeinsamen Hilferuf aller Zehn (Lk 17,13) allerdings von „dem unmittelbaren Glauben“ die Rede sei, „der durch Leiden etc. hervorgerufen werden“ könne, während bei dem von Jesus dem zurückgekehrten Einen als Grund für die Rettung attestierten Glauben von einem „gesteigerten Glauben“111 gesprochen werden könne.
Der Unterschied zwischen dem einen und den neun anderen Aussätzigen liegt für Kierkegaard interessanterweise also nicht in der Frage, ob auch alle Zehn den Glauben gehabt haben, sondern in der Beschaffenheit des Glaubens.112 Während der gemeinsame Hilferuf aller Zehn lediglich als Ausdruck des ‚unmittelbaren Glaubens‘ im Sinne einer spontanen, unvermittelten Reaktion auf ein dem Menschen widerfahrendes Geschehen zu verstehen ist, setzt der ‚gesteigerte Glaube‘113 des Einen das individuierende Moment der persönlichen Entscheidung voraus. Emanuel Hirsch sieht in dieser Unterscheidung denn auch „de[n] erste[n] nachweisliche [n] Ansatz zu seinen [scil. Kierkegaards] Reflexionen über die christliche Subjektivität; von hier bis zur Unterscheidung der Religiosität A und der Religiosität B in der Nachschrift gibt es einen Weg.“114
Gleichwohl sollte Kierkegaard im Laufe seines Lebens zu durchaus unterschiedlichen Deutungen der Heilung der zehn Aussätzigen kommen.115 Als er gut fünf Jahre später in der Journalaufzeichnung DD:144 vom 18. September 1838 erneut auf diese Erzählung zurückkommt, sieht er darin nun die „objektive Realität der Versöhnung Christi…sehr klar angedeutet“, welche unabhängig auch von der sie sich aneignenden Subjektivität sei. Schließlich seien alle zehn Aussätzigen geheilt worden, während es doch nur von dem zurückgekehrten Einen heiße, dass sein Glaube ihm geholfen habe. „Was war es denn“, notiert Kierkegaard am Rand zu DD:144, „das den Anderen geholfen hatte?“116 Im Hintergrund dieser späteren Deutung der Heilung der zehn Aussätzigen in DD:144 steht offenbar ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Kierkegaard Studies
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Danksagung
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Einleitung
  7. 1 Frühe Reflexionen über den Glauben
  8. 2 Die Zeit der philosophischen Vertiefung(Anfang 1837 bis Sommer 1838)
  9. 3 Die Zeit von der Examensvorbereitung bis zur Magisterabhandlung
  10. Rück- und Ausblick
  11. Siglen- und Literaturverzeichnis
  12. Namen- und Personenregister