Mischungsverhältnisse
eBook - ePub

Mischungsverhältnisse

Naturphilosophisches Wissen und die Elementenlehre in der Literatur des 13. Jahrhunderts

  1. 291 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Mischungsverhältnisse

Naturphilosophisches Wissen und die Elementenlehre in der Literatur des 13. Jahrhunderts

Über dieses Buch

Inwiefern sind Fortschritte im Bereich der Naturphilosophie des 13. Jahrhunderts in deutschen literarischen Texten wiederzufinden? Am Beispiel der Lehre zu den vier Elementen setzt sich diese Arbeit zum Ziel, die Punkte der Vernetzung von Literatur und zeitgenössischem Allgemeinwissen auszumachen und die Frage nach dessen Funktion und wissenspoetologischer Relevanz zu beantworten. Literatur, die ja in erster Linie der Unterhaltung dient und abseits der lateinischen Gelehrsamkeit verortet ist, muss sich, so die These, anderer Mechanismen als des Kommentars oder der Abhandlung bedienen, um auf gelehrte Inhalte zu rekurrieren. Diese Mechanismen gilt es auszumachen und auf deren mögliche gattungs- und textüberschreitende Verwendung hin zu überprüfen. Die Analyse zeigt, dass naturphilosophische Inhalte über populärwissenschaftliche Verweise sowie textorganisierende oder metaphorische Verwendung Eingang in volkssprachliche Texte finden. Für die Lektüre mittelhochdeutscher Literatur gilt, dass gelehrtes Wissen das Verständnis schwieriger Textpassagen durchaus erleichtern kann und sich auch für weitgehend erforschte Texte noch neue und erhellende Lesarten ergeben können.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Mischungsverhältnisse von Michaela Wiesinger im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Littérature & Critique littéraire allemande. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1Hinführende Überlegungen

Dass den westeuropäischen Gelehrten des 13. Jahrhunderts die Bibel als wichtigste Erkenntnisgrundlage dient, ist in Hinblick auf die damals allgegenwärtige Dominanz des christlichen Glaubens keine Überraschung. Gott ist und wirkt überall. Er steuert durch seine Gesetze die Abläufe des täglichen Lebens, beeinflusst die natürlichen Vorgänge und kann sowohl erschaffen als auch vernichten. Über das Studium der Heiligen Schrift nähert man sich Gott. Dennoch gibt es noch einen weiteren Weg der Erkenntnis, der zwar weniger gelehrt, aber als nicht minder relevant für die Erfahrbarkeit Gottes anzusehen ist: die Betrachtung der Natur, die ja vom einzigen und alleinigen Schöpfer als Repräsentationsmerkmal seiner eigenen Größe geschaffen wurde und damit genau wie die Bibel als Offenbarungsmittel fungiert. Der Relevanz dieses »Buches der Natur«1 folgend, zeigt sich eine alles umfassende symbolische Naturauffassung, die davon ausgeht, dass Gottes Wirken in jedem Ding und jedem Lebewesen, das den Menschen umgibt, sichtbar wird.
Mit der Wiederentdeckung der antiken Philosophen und ihrer Erkenntnisse über die natürlichen Vorgänge beginnt jedoch ein wichtiger Lernprozess für die Gelehrten, der im Laufe der Zeit dazu führt, dass die durch Symbole aufgeladene Natur kontinuierlich ›entzaubert‹ wird. Ab dem 11. Jahrhundert lässt sich bereits eine langsame Entwicklung eines – um eine moderne Nomenklatur zu verwenden – ›wissenschaftlichen Denkens‹ feststellen, das im 13. Jahrhundert durch die Übersetzung der aristotelischen Schriften und die allmähliche Entfaltung einer europaweiten Universitätslandschaft immer wichtiger wird. Heilkunde, Diätetik, Kosmologie und das Wissen um die Entstehung der Welt werden Themen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die in weiterer Folge einen Anstieg an der Produktion gelehrter Schriften und Kommentare nach sich zieht.2
All das führt zu einer ersten Forschungsfrage: Inwieweit beeinflusst dieses Denken über die Natur, die Entwicklung neuer naturphilosophischer Erkenntnismethoden und Fragestellungen auch die volkssprachliche – genauer: die deutschsprachige – Literatur der Zeit? Wenn Literatur Auskunft über die Welt, in der sie entstanden ist, gibt, dann muss sie sich auch auf gelehrte Errungenschaften beziehen, sind diese doch Produkte der gleichen Kultur, des gleichen sozialen Umfeldes, das wiederum auf literarische Texte zurückwirkt.
Da das gelehrte Wissen über die Natur als Untersuchungsgegenstand zu breit gefasst ist, werden in dieser Arbeit die vier Elemente – Wasser, Feuer, Erde, Luft – im Zentrum der Auseinandersetzung stehen. Diese eignen sich sehr gut für eine erste Analyse, da sie u. a. über Medizin, Temperamentenlehre, Astronomie/Astrologie und Kosmologie auf viele Bereiche des spätantiken und mittelalterlichen Lebens Einfluss nehmen. Die Elemente als Grundbausteine der Schöpfung prägen auch Theologie und Philosophie und sind damit Grundbausteine des gelehrten Wissens, das gerade im Hoch- und Spätmittelalter einem steten Wandel unterlegen ist.
Auf Basis dieser Überlegungen soll in weiterer Folge die Frage beantwortet werden, ob sich die (Weiter-)Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens am Beispiel der Lehre zu den vier Elementen auch innerhalb der volkssprachlichen Literatur festmachen lässt und wenn ja, wie dieses gekennzeichnet ist und welche Funktion es im Text erfüllt.
Um auf diese Fragen eine Antwort zu finden, muss zunächst ein Blick darauf geworfen werden, wie Natur und Naturerkenntnis im Hochmittelalter gedacht und verhandelt wurden.

1.1Über die Naturphilosophie

a)Lexikalische Übersicht – zum Terminus

Als scientia naturalis, philosophia oder scientia physica wurde die Naturphilosophie als eine der drei theoretischen Wissenschaften (neben Theologie und Mathematik) in der Antike durch Aristoteles bekannt, deren Inhalt die Betrachtung der sinnlich wahrnehmbaren Substanzen war. Bereits bei den Vorsokratikern war jedoch die Erforschung der natürlichen Ursachen (die sich durch die Bezeichnung philosophia naturales von der auf Sokrates aufbauenden Philosophie abgrenzen) von großer Wichtigkeit: Schon die Stoa trennte Ethik, Logik und einen natürlichen Teil der Philosophie, zu dem auch die philosophische Theologie zu zählen ist. Diese Einteilung blieb auch bei Kirchenvater Augustinus noch bestehen und beeinflusste u. a. die Arbeiten Ciceros oder Isidors von Sevilla.3
Im Mittelalter zeichnete sich ab dem 9. Jahrhundert in der Naturphilosophie eine immer wichtiger werdende Tendenz zur strengeren naturwissenschaftlichen Methode ab. Hierbei standen entweder wie bei Wilhelm von Conches die Elemente als kleinste Teile der Natur oder auch wie bei Adelard von Bath die biologischen oder kosmologischen Fragen des Menschen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit den Übersetzungen von Averroes gelangte Anfang des 13. Jahrhunderts verstärkt aristotelisches Wissen nach Westeuropa und führte dazu, dass die Naturphilosophie zur eigenständigen Wissenschaft wurde. Trotz der Pariser Aristoteles-Verbote verknüpften Gelehrte wie Robert Grosseteste die Naturphilosophie nun stärker mit der Mathematik. Bei Albertus Magnus (und auch bei seinem Schüler Thomas von Aquin) bildeten gegen Ende des 13. Jahrhunderts Mathematik, Metaphysik und Naturphilosophie (oder Physik) die drei großen Bereiche der Hauptdisziplin Philosophie und zugleich den Schwerpunkt seiner gelehrten Beschäftigung, die sich für Albert auf natürliche, bewegliche Körper konzentrierte (z. B. Kosmologie und Physik4, aber auch die Medizin). Die folgenden Jahrhunderte liefern eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie nach aristotelischem Vorbild, bereiten aber bereits im 15. Jahrhundert mit Nikolaus von Kues und seiner mathematischen Annäherung an die Welt bzw. seinen methodologischen Reflexionen den Weg für die exakte Naturwissenschaft der Neuzeit.
Dennoch muss bis um ca. 1700 der Versuch, die Naturphilosophie von der Naturwissenschaft zu trennen, unweigerlich scheitern, da eine Ausdifferenzierung dieser Begriffe erst im 18. Jahrhundert beginnt.5
All das führt mich zu einem ersten Definitionsversuch für den Betriff der Naturphilosophie: Der Terminus ›Naturphilosophie‹ bezeichnet die gelehrte Auseinandersetzung mit der Natur (hierzu zählt die gesamte Schöpfung in ihrem Makro- und Mikrokosmos) und deren Wirkungsmechanismen, die sich das Erkennen, die Beschreibung und Vermittlung der natürlichen Dinge zum Ziel setzt. Oft sind theologische Fragestellungen der Ausgangspunkt für die angestellten Überlegungen, die sich deshalb in weiterer Folge mit dem Untersuchungsgegenstand überlagern.

a)Zur Beschäftigung mit der Natur als Gegenstand des gelehrten Interesses im 13. Jahrhundert6

Das hochmittelalterliche Naturverständnis fußt weitgehend auf antikem Gedankengut und stellt eine Synthese von diesem mit der allgegenwärtigen christlichen Glaubensüberzeugung dar.7 Das antike Wissen war den Gelehrten jedoch nicht auf direktem Wege zugänglich, sondern begann sich erst mit dem 12. Jahrhundert aufgrund lateinischer Übersetzungen aus dem Arabischen zu verbreiten. Das Frühmittelalter beruft sich zwar auf platonisches Wissen (wie z. B. Isidor von Sevilla (ca. 560–636) in den Etymologiae oder auch in De natura rerum8, Beda Venerabilis (ca. 674–735) in De natura rerum9 oder auch Hrabanus Maurus (ca. 780–850) in seiner Schrift De rerum naturis10)11, kennt aber nur den Timaios, der noch im 12. Jahrhundert lediglich in zwei unvollständigen Übersetzungen von Cicero und Chalcidius zugänglich war. Das gilt auch für Kirchenvater Augustinus, dessen gelehrte Autorität jahrhundertelang ungebrochen blieb und der auch für Hugo von Trimberg in seinem Renner noch eine der wichtigsten Bezugsquellen war.12 Die christliche Glaubensüberzeugung stand dabei im Mittelpunkt der Beschäftigung mit der Natur.
Im Laufe des 12. Jahrhunderts beginnen jedoch – vor allem in den Städten Salerno, Bologna und später in Paris, Oxford und Cambridge13 – universitäre Bestrebungen, die das monastische Leben, Lernen und Lehren herausfordern. Das Verständnis für die Natur verändert sich, da die Gelehrten langsam die antiken Quellen als integralen Bestandteil ihrer eigenen Kultur betrachteten.
An die Stelle der symbolisch-spekulativen Interpretation der Natur, die in hermeneutischer Parallele zum Buch der Schrift ebenfalls als ›Buch‹ gelesen wurde mit Bezug auf Gott als den Autor beider Bücher, durch welche der Mensch gleichermaßen den Schöpfer zu erkennen vermag, tritt zunehmend ein originäres Interesse an der Struktur, Konstitution und Eigengesetzlichkeit der physisch-physikalischen Realität, welche die Vernunft ohne Rückgriff auf traditionelle, theologisch bestimmte Deutungsmuster als in sich sinnvolle Größe zu erfassen vermag.14
Die Schule von Chartres15, die im 12. Jahrhundert ihre Hochblüte erlebte, war und ist bekannt für ihren Fokus auf der empirischen Naturforschung, als deren Hauptautoritäten Platon und der auf ihn aufbauende Boethius galten. Eingebettet in die antike Tradition der septem artes liberales war in Chartres die Beschäftigung mit den antiken Dichtern (z. B. Cicero, Horaz, Lukrez etc.) und den Philosophen, aber auch mit den Naturphilosophen der klassischen Antike wie Galen, Pythagoras, Euklid oder Chalcidius Teil der Ausbildung. Das medizinisch-naturphilosophische Wissen wurde u. a. auch mit Hilfe lateinischer Übersetzungen arabischer Texte von z. B. Abu Maʼšar vertieft. Im Zuge dessen entstanden auch Arbeiten zur Schöpfungsgeschichte, die den naturphilosophischen Gehalt des Sechstagewerkes zu greifen versuchten. Kosmologische und naturphilosophische Erklärungsversuche stehen hierbei sowohl bei Thierrys von Chartres (1085–1155) De sex dierum operibus16 als auch bei Bernardus Silvestris (1085–1160) Cosmographia17 im Zentrum. Wilhelm von Conches (ca. 1089–1154) kommentierte nicht nur Platon und Boethius, sondern versuchte sich in seiner Philosophia mundi18 auch an einer systematischen Gesamtdarstellung des europäischen Wissens der Zeit.
Seit dem 12. Jahrhundert erreicht das ursprünglich lateinisch verfasste Buchwissen (und damit auch die gelehrte Naturkunde) ein größeres Publikum: Die weltliche Oberschicht beginnt, Interesse an gelehrtem Fachwissen zu entwickeln, das, von Frankreich ausgehend, sogar in den Volkssprachen, vornehmlich zur Laienbildung, zirkuliert. Auch der Schulbetrieb, der in der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert einnimmt, ist ein wichtiger Konsument dieser volkssprachlichen Wissensliteratur. Dabei gilt nicht nur Fachprosa (z. B. Imago-mundi-Texte, Lehrdialoge, katechetische Texte, Evangelienharmonien, Etymologien oder Kräuterbücher), sondern auch Dichtung als Medium der Vermittlung.19
Das 13. Jahrhundert ist schließlich durch gesellschaftliche und wissenschaftliche Expansionen gekennzeichnet. Die Universitäten werden immer wichtiger und lösen sich langsam mehr und mehr von der Kirche ab; u. a. mussten die Artistenfakultäten des 13. Jahrhunderts per Eid schwören, sich nicht auf theologische Themen einzulassen. Die Schriften des Aristoteles, dessen Gesamtwerk um 1240 in lateinischer Sprache vorlag, wurden nunmehr an den Universitäten studiert. Dass der lateinische Aristoteles mit den arabischen Kommentaren übersetzt wurde, führte jedoch zu Unstimmigkeiten auf Seiten der Kleriker, da die Auslegungen der Philosophen Widersprüche in Glaubensfragen aufwarfen (einer der wichtigsten Streitpunkte war die von Aristoteles postulierte Ewigkeit der Welt, die einen Schöpfungsakt nicht beinhaltete). Das führte zu einem ersten Verbot der naturphilosophischen und metaphysischen Schriften des Aristoteles in Paris im Jahre 1210 – ein sicherer Beleg dafür, dass die Texte schon zu dieser Zeit gelesen, gelehrt und kommentiert wurden.
Nach dem ersten Verbot von 1210 wurden die französischen Universitäten von den Kirchenoberhäuptern in den Jahren 1231, 1245 und 1263 wiederholt abgemahnt, da offensichtlich weiterhin Aristoteles gelesen wurde. Darüber hinaus war den Studenten und Lehrenden auch das private Studium der Schriften untersagt. 1252 kam es zwischenzeitlich zur Legalisierung der Texte; ab 1255 galt das Studium des Aristoteles dann sogar an der Pariser Universität als verpflichtend. Die daraus resultierende intellektuelle Ablösung der Artisten von den Grundsätzen des christlichen Glaubens stellte jedoch weiterhin ein Problem dar und spitzte sich gegen Ende der 60er Jahre des 13. Jahrhunderts abermals zu. Das Ergebnis waren zwei weitere durch Bischof Étienne Tempier initiierte Verbote in den Jahren 1270 und 1277, wobei im Zuge des letzten Verbotes auch der Papst intervenierte und 219 Sätze und Aussagen verbieten ließ, die zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich Aristoteles betrafen (u. a. waren auch Schriften des Thomas von Aquin unter den verbotenen Texten).20
Die Aneignung der aristotelischen Schriften erfolgte weitgehend über die Bearbeitungen arabischer Kommentatoren wie Avicenna (ca. 980–1037)21 und Averroes (ca. 1126–1192)22, die bis ins 16. Jahrhundert für die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens in Westeuropa von großer Wichtigkeit waren. Auch jüdische Gelehrte wie Moses Maimonides (ca. 1135–1204)23, der von der Erkennbarkeit Gottes in der Physik, die er über die Genesis legitimiert sah, überzeugt war, übten erheblichen Einfluss auf die christlichen Lehren aus. Der aufkeimende Aristotelismus im 13. Jahrhundert brachte eine entscheidende Veränderung der Welt des Wissens in Westeuropa mit sich, die eine Verlagerung der naturphilosophischen Erkenntnis weg von der Theologie hin zur Philosophie zur Folge hatte. Die Rezeption der Schriften des Aristoteles verstärkten das Interesse an der Natur und damit auch an Physik und Metaphysik, wobei in weiterer Folge der daraus hergeleitete Gottesbegriff stark mit der Kosmologie verbunden wurde (das lässt sich auch an den Genesiskommentaren der Zeit erkennen). Albertus Magnus (ca. 1200–1280) war durch sein Vorhaben, die aristotelischen Schriften für den latei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Hinführende Überlegungen
  6. Zur Didaktischen Literatur
  7. Zur Erzählenden Literatur
  8. Zur gelehrten Lyrik
  9. 8 Bibliographie
  10. 9 Sach- und Personenregister