
Buchgestützte Subjektivität
Literarische Formen der Selbstsorge und der Selbsthermeneutik von Platon bis Montaigne
- 777 Seiten
- German
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Buchgestützte Subjektivität
Literarische Formen der Selbstsorge und der Selbsthermeneutik von Platon bis Montaigne
Über dieses Buch
Die Untersuchung verknüpft diskursanalytische, medienhistorische und gattungstheoretische Fragestellungen, um ein neues Licht auf die Vorgeschichte neuzeitlicher Subjektivität und ihrer literarischen Repräsentation zu werfen. Im Zentrum steht der Zusammenhang zwischen Lesen, Schreiben und Subjektkonstitution: Das vormoderne Subjekt gelangt durch Lektüre zu identitätsstiftender Selbsterkenntnis, diese besitzt ein notwendiges Pendant in bestimmten Schreibverfahren.
Die Untersuchung rekonstruiert die antiken Wurzeln der schriftgestützen Subjektivität, beleuchtet ihre Affinität zu spezifischen Darstellungsformen (Dialog, Brief, Bekenntnis) und zeichnet ihre Transformation im Übergang zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit nach. Sie macht den historischen Prozess sichtbar, in dem der Psychagoge durch das Buch, die praktische askesis durch geistige Übung und der philosophische Dialog durch das innere Selbstgespräch ersetzt werden. In kritischer Auseinandersetzung mit Michel Foucault zeigt sie auf, dass eine dezidiert ästhetische Form von Subjektivität erst in dem Moment entsteht, als unter dem Einfluss nominalistischer Erkenntnisskepsis und frühhumanistischen Geschichtsbewusstseins antike Selbsttechniken und augustinische Selbsthermeneutik eine widersprüchliche Verbindung eingehen. Die Schrift, vormals ein Instrument der symbolischen Ordnung, wird nun imaginär aufgeladen, so dass das Individuum auch noch aus seiner im Schreibakt erfahrenen Zerrissenheit einen narzisstischen Genuss zu ziehen vermag.
Häufig gestellte Fragen
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Information
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG: LEKTÜREPRAKTIKEN UND LITERARISCHE SELBSTKONSTITUTION
- 1. Das Buch als Spiegel
- 2. Applikation und Selbsttechnik
- VOM SOKRATISCHEN DIALOG ZUM SELBSTGESPRÄCH DES LESERS: ANTIKE VORGESCHICHTE DER BUCHGESTÜTZTEN SELBSTKONSTITUTION
- I. Selbsterkenntnis und Selbstsorge
- 1. Das Ideal der ungegenständlichen Wissensform
- 2. Ein Goldenes Zeitalter der Selbstkultur? Michel Foucaults Interpretation der antiken Ethik
- 3. Die verschleierte Gegenständlichkeit des Wissens
- II. Dialektische Strategien der Selbstsorge: Platons Alkibiades I
- 1. Der platonische Alkibiades – ein Musterfall praktischer Selbstsorge?
- 2. Der sokratische elenchos
- 3. Die Erfahrung des Nicht-Wissens: Der elenchos als Instrument der Selbsterkenntnis
- 4. Akribische Begriffsanalysen: Die Diärese als Instrument der Selbsterkenntnis
- 5. Der Spiegel der Sprache: Das Paradeigma als Instrument der Selbsterkenntnis
- III. Platons Konzeption der Lektüre: Dialogform und mimetische Aneignung des Geschriebenen
- 1. Das Paradeigma und die Technik des visuellen Lesens
- 2. Dialogform und Schriftkritik
- 3. Lektüre als mimetische Einübung in philosophisches Verhalten: Die Vorrede zum Theaitetos-Dialog
- IV. Der Freund als Spiegel: Zur Problematik von Selbsterkenntnis und praktischer Übung in der aristotelischen Ethik
- 1. Aufwertung der ethischen Übung
- 2. Übung und die Aneignung sittlichen Wissens
- 3. Das glückliche Leben – ergon oder energeia?
- 4. Der Freund – Spiegel des Selbst auf der Schwelle zwischen energeia und ergon
- 5. Eine neue Form von Übung: Musikalische Charakterbildung
- V. Die melete im Kontext der rhetorischen Ausbildung: Von der Deklamation zur Lektüre- und Schreibübung
- 1. Isokrates und die Sophisten
- 2. Die Funktion der rhetorischen Lektüreübung – Quintilians Institutio oratoria
- 3. Die Rede – ein dissimuliertes Schreiben: Quintilians Konzeption der Schreibübung
- 4. Die Lektüreübung im Grenzbereich von rhetorischer institutio und philosophischer Charakterbildung: Ciceros De oratore
- VI. Verinnerlichung der dialektischen Struktur: Schrift als Instrument der Selbstdisziplinierung in der kaiserzeitlichen Philosophie
- 1. Der neue Abstand zum Lehrer: Epiktets Kritik an der sokratischen Methode
- 2. Der neue Abstand zum Selbst: Plutarch und die Kunst des Hörens
- 3. Der neue Abstand zum Freund: Der Brief als pädagogisches Instrument in Senecas Epistulae morales
- 6. Ein Selbstgespräch in schriftlicher Form: Marc Aurels TA ΕΙΣ ΕΑΥΤΟΝ
- VOM PHILOSOPHISCHEN SELBSTGESPRÄCH ZUR HERMENEUTIK DES GEFALLENEN WILLENS: LITERARISCHE FORMEN DES UMGANGS MIT DEM SELBST BEI AURELIUS AUGUSTINUS
- VII. Das Scheitern der Dialektik: Augustins philosophisches Frühwerk
- 1. Die Unordnung des Gesprächs: Zufälle und Einfälle in Augustins Dialogschrift De ordine
- 2. Das Soliloquium: Verbalisierung des Denkens, Verschriftlichung der inneren Rede
- VIII. Sich selbst verstehen im Verstehen des anderen: Augustins karitative Hermeneutik der Mit-Teilung
- 1. Der hermeneutische Schlüssel der caritas: De catechizandis rudibus
- 2. Aneignung durch Weggabe: De doctrina christiana
- IX. Die Confessiones als Paradigma der christlichen Selbsthermeneutik
- 1. Die strukturelle Offenheit der Confessiones
- 2. Schwierigkeiten mit dem Anfang
- 3. Mütterlicher Sprachunterricht: Paradigma für das Wirken der Vorsehung (Buch I und II)
- 4. Traumbotschaften und philosophische Bücher: Erste Schritte auf dem Weg zum ›richtigen‹ Lesen (Buch III und IV)
- 5. Stumme Lektüre und spirituelle Schau: Das gefährliche Beispiel des Ambrosius (Buch V–VII)
- 6. Rehabilitation der Erzählung: Die narrative Dimension des Bekehrungsgeschehens (Buch VIII)
- 7. Das Konversionsszenario im Mailänder Garten: Aufdeckung der Paradoxien augustinischer Selbsthermeneutik
- 8. Bekenntnis als Dialog, Exegese als Bekenntnis: Die karitative Öffnung des autobiographischen Textes
- VON DER HERMENEUTIK DES WILLENS ZUR ÄSTHETISIERUNG DER SELBSTERKENNTNIS: FRANCESCO PETRARCA IM SPANNUNGSFELD VON ANTIKER SELBSTTECHNOLOGIE UND AUGUSTINISCHER SÜNDENANALYSE
- X. Lesen als Gespräch mit dem Autor: Petrarcas humanistische Konzeption der Lektüre
- 1. Lektüre – eine Quelle der experientia
- 2. Lesen und Schreiben als Selbsterprobung: Petrarcas Revision der stoischen Lektürepraktiken
- 3. Gespräche mit Ruinen: Der Brief als Paradigma des humanistischen Lektüreverfahrens
- XI. Petrarcas Secretum: Selbsthermeneutik im Geiste der Selbstästhetisierung
- 1. Christlicher Humanismus: Petrarcas Verhältnis zu Augustinus
- 2. Das literarische Supplement der Wahrheit: Die Schrift als ästhetischer Erfahrungsraum
- XII. Der Bericht über die Besteigung des Mont Ventoux: Petrarcas Allegorie des Lesens
- 1. Sehen vs. Lesen
- 2. Der Berg als Metapher des Selbst
- 3. Schreiben als Selbstbetäubung
- Schlußbetrachtung
- Literaturverzeichnis
- 1. Quellen
- 2. Wörterbücher und Hilfsmittel
- 3. Forschungsliteratur
- Namensverzeichnis