
Mehrfachadressierung
Untersuchungen zur adressatenspezifischen Polyvalenz sprachlichen Handelns
- 281 Seiten
- German
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Mehrfachadressierung
Untersuchungen zur adressatenspezifischen Polyvalenz sprachlichen Handelns
Über dieses Buch
Die Kommunikation mit mehreren Adressaten ist unter linguistischen, medienwissenschaftlichen oder politikwissenschaftlichen Gesichtspunkten insofern von Interesse und Brisanz, als eine solche Mehrfachadressierung zu einer qualitativen Veränderung der gesamten Kommunikationssituation führt und adressatenspezifische Polyvalenzen nach sich zieht: Ein und derselben Äußerung lassen sich in bezug auf ihren pragmatischen Gehalt adressatenspezifisch unterschiedliche Bedeutungen zuschreiben.
Im ersten Hauptteil der Arbeit geht es um eine Differenzierung des Adressatenbegriffs. Im Anschluß an eine kritische Diskussion der Adressatenproblematik in der linguistischen, medienwissenschaftlichen und handlungstheoretischen Forschung werden auf der Basis eines beschreibungsabhängigen Adressatenbegriffs Idealformen von Mehrfachadressierungen herausgearbeitet: Am Beispiel von Parlamentsdebatten, politischen Reden und Presseberichten werden absichtliche, in Kauf genommene und unabsichtliche Adressierungen mit mehreren Kommunikationspartnern analysiert und unterschieden. Durch die Unterscheidung von Adressierungsformen (z.B. angesprochener Adressat) und Adressierungsarten (z.B. gemeinter Adressat) lassen sich zudem eine Reihe adressatenspezifischer Kommunikationskonstellationen unterscheiden: offene und verdeckte sowie kodierte und inszenierte Mehrfachadressierungen. Diese werden an einer Vielzahl unterschiedlicher Texte (Arbeitszeugnisse, Schulzeugnisse, Beschwerderituale, Kleinanzeigen, Beipackzettel, Reisekataloge, politische Reden, Parlamentsreden, Kompromißformeln) illustriert.
Im zweiten Hauptteil der Arbeit werden routinehafte Verhaltensweisen in der parlamentarischen Debatte (Zwischenrufe, Zwischenfragen, Parlamentsreden) als Modellfälle mehrfachadressierten Sprachhandelns analysiert. Mehrfachadressierungen lassen sich dabei auf der gesprächsorganisatorischen, thematischen und textsortenspezifischen Ebene festmachen und beschreiben. Unter dem Aspekt der Mehrfachadressierung und Inszeniertheit können dabei auch die bisherigen parlamentarischen Reformvorschläge kritisch eingeschätzt werden. Sie gehen am eigentlichen Problem vorbei und tragen nur zur Verstärkung und Zementierung des Diskussions-Mythos und damit zu einer Fortschreibung der von der Aufklärung herkommenden bildungsbürgerlichen Illusion von politischem Handeln bei.
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Information
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Ausgangspunkt und Problem: Mehrfachadressierung – nur Kommunikation mit mehreren?
- 1.1. Adressatenspezifische Interpretation von Kodierungen: Arbeitszeugnis
- 1.2. Adressatenspezifische Interpretation von Inszenierungen: Politiker-Interview
- 1.3. Problembereiche einer Theorie des mehrfachadressierten Sprachhandelns
- 1.4. Beispiel- und Belegmaterial, Transkription
- 2. Hinweise: Konzeptionelle Erweiterungen beschränkter Kommunikationsmodellierungen
- 2.1. Massenkommunikationsforschung: Perspektiven Wechsel vom Wirkungs- zum Nutzenansatz
- 2.2. Sprachwissenschaft: Perspektivenerweiterung in Richtung Mehrfachadressierung
- 2.2.1. Sprechakttheorie: „informatives“ und „divided illocution“
- 2.2.2. Textlinguistik: „Kodierung“ und „Inszenierung“
- 2.2.3. Sprache der Politiker: „Trialogische Kommunikation“ und die „Zwieschlächtigkeit des Politischen“
- 2.3. Folgerungen und Differenzierungen: Adressatenbegriff, Adressatenbestimmung, Mehrfachadressierung
- 3. Grundlagen: Sprachhandlungstheoretische Fundierung einer Theorie mehrfachadressierten Sprechens/Schreibens
- 3.1. Ein beschreibungstheoretischer Handlungsbegriff für die Analyse mehrfachadressierten Sprachhandelns
- 3.2. Die Mehrfachadressierung als Sonderform des komplexen Sprachhandelns
- 3.3. Typologie mehrfach adressierter Sprachhandlungen
- 3.3.1. Absichtliche Mehrfachadressierungen
- 3.3.2. In-Kauf-genommene Mehrfachadressierungen
- 3.3.3. Unabsichtliche Mehrfachadressierungen
- 3.4. Plädoyer für eine beschreibungsabhängige Adressatenbestimmung
- 3.4.1. Adressaten ergeben sich aus Zuschreibungen
- 3.4.2. Qualitative Kennzeichnung und Differenzierung der Adressaten
- 3.4.3. Plausibilität und Evidenz von Adressatenzuschreibungen
- 3.4.4. Adressatenkarussell im Medien-Diskurs
- 3.4.5. Beschreibungstheoretische Basiskategorien der Adressatenbestimmung: Betroffenheit, Zuschreibung, Qualifizierung, Plausibilisierung
- 4. Differenzierungen: Adressatenspezifische Kommunikationskonstellationen
- 4.1. Typologie der Adressaten nach Adressierungsformen: der explizite und der implizite Adressat
- 4.2. Adressatendifferenzierung nach Adressierungsarten: der (mit)gemeinte, der in-Kauf-genommene und der nichtbedachte Adressat
- 4.3. Konvergenzen, Verschiebungen und Divergenzen zwischen Adressierungsformen und Adressierungsarten
- 4.4. Offene Mehrfachadressierung: evidente Adressaten
- 4.5. Mehrfachadressierung und Konfliktregelung: Kompromißformeln
- 4.5.1 Der Kompromiß im Spannungsfeld von Dezisionismus und Konsens, von Idealismus, Erkenntnistheorie und Verständigung
- 4.5.2. Die sprachliche Realisierung von Kompromissen: Mehrfachadressierte Kompromißformeln
- 4.5.3. Kompromißformeln und Plastikwörter als Zugeständniswörter
- 4.6. Verdeckte Mehrfachadressierung: vordergründige und hintergründige Adressaten bzw. Adressierungen
- 4.6.1. Kodierte Mehrfachadressierungen: vorgetäuschte und ausgeblendete/geheime, hereingefallene und verbündete Adressaten
- 4.6.2. Herausbildung von Kodifikationen: „Unehrlich“ formulierte Verbalbeurteilungen in Grund- und Sonderschulzeugnissen
- 4.6.3. Konfliktvermeidung durch kodierte Mehrfachadressierung: Konfliktregelung auf Kosten anderer
- 4.6.4. Inszenierte Mehrfachadressierungen: vorgespielte und beobachtende, alliierte und funktionalisierte Adressaten
- 4.6.5. Die Rahmung inszenierter Mehrfachadressierungen
- 4.6.6. Kodierungen, Inszenierungen und das Problem der Täuschung
- 5. Anwendung: Die parlamentarische Debatte als Modellfall mehrfach adressierten Sprachhandelns
- 5.1. Die verdeckte Offenheit parlamentarischer Fensterreden
- 5.2. Die parlamentarische Debatte als Welt inszenierter Vorstellungswelten
- 5.2.1. Die Inszenierung politischer Schuld und Unschuld
- 5.2.2. Die Inszenierung von Anwesenheit als politisches Interesse
- 5.2.3. Die Inszenierung rationaler, argumentativer Auseinandersetzung
- 5.3. Mehrfachadressierungen in debattentypischen Handlungsmustern am Beispiel parlamentarischer Zwischenfragen
- 5.3.1. Die parlamentarische Zwischenfrage als inszeniertes Frage-Antwort-Spiel
- 5.3.2. Mehrfachadressierungen auf verschiedenen sprachlichen Analyseebenen
- 5.3.3. Parlamentarische Reformvorschläge aus der Perspektive von Mehrfachadressierungen
- 6. Zusammenfassung und Ausblick
- 7. Literatur